Errorfare / Gerichtsurteil

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meilenfreund

Erfahrenes Mitglied
10.03.2009
7.005
6.113
Pressemitteilung des Amtsgerichts München:

Besteht ein erkennbares Missverhältnis zwischen Preis und angebotener Leistung, ist es rechtsmissbräuchlich, sich auf den abgeschlossenen Vertrag zu berufen.

Im Dezember 2008 buchte der spätere Kläger über das Internet eine Pauschalreise nach Dubai für die Zeit von Ende April bis Mitte Mai 2009 für zwei Personen. Der Reisepreis sollte insgesamt 1392 Euro betragen. Auf diesen zahlte der Urlauber 282 Euro an.

Regulär hätte die Reise allerdings 4726 Euro gekostet, deshalb weigerte sich das Reiseunternehmen auch, die Reise durchzuführen. Es habe sich um einen Softwarefehler gehandelt. Deshalb fechte es den Vertrag an.

Der Urlauber wandte ein, dass er sich mehrfach telefonisch erkundigt habe, ob der Preis im Internet auch stimme. Deshalb wolle er eine Ersatzreise, hilfsweise Schadenersatz für die nutzlos aufgewendete Urlaubszeit und die Rückzahlung seiner Anzahlung.

Das Reiseunternehmen weigerte sich. Schließlich sei das Missverhältnis zwischen Preis und Leistung so groß, dass der Urlauber sich nicht auf den Vertrag berufen könne.

Der zuständige Richter beim Amtsgericht München verurteilte den Reiseveranstalter zur Rückzahlung der Anzahlung, wies im Übrigen die Klage jedoch ab:
Für einen Anspruch auf eine Ersatzreise gäbe es schon keine Anspruchsgrundlage. Wenn eine Reise wegen Zeitablaufs nicht mehr durchgeführt werden könne, kämen allenfalls Ausgleichsansprüche in Geld in Betracht.

Diese stünden dem Urlauber im konkreten Fall aber nicht zu. Unabhängig von der Wirksamkeit der Anfechtung könne er sich jedenfalls nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht auf den per Internet geschlossenen Vertrag berufen. Der Preis belaufe sich lediglich auf etwa 30 Prozent des regulären Gesamtpreises. Damit habe ein ohne weiteres erkennbares Missverhältnis zur angebotenen Leistung bestanden. Der Kläger hätte sich diesbezüglich auch einfach durch andere Quellen im Internet, durch Reiseprospekte oder Fernsehsendungen informieren können. Wenn er sich dennoch auf den geschlossenen Vertrag berufe, handele er rechtsmissbräuchlich. Er habe erkennen müssen, dass die automatisch generierte Erklärung des Reiseunternehmens auf einem Irrtum beruhte und dass diesem die Durchführung der Reise zu dem niedrigen Preis unzumutbar sei.

Er könne sich auch nicht darauf berufen, da er sich mehrfach telefonisch erkundigt habe. Die bei dem Beklagten Beschäftigten könnten schließlich auch nur die Angaben machen, die in der EDV hinterlegt seien.

Damit habe der Kläger nur den Anspruch auf Rückzahlung seiner Anzahlung.
Das Urteil ist rechtskräftig.

Urteil des AG München vom 4.11.09, AZ 163 C 6277/09

Quelle: Justiz in Bayern - Amtsgericht M
 

Robstar

Erfahrenes Mitglied
09.04.2009
1.056
1
Wie soll ich als Kunde denn erkennen, dass der Preis einen Fehler beinhaltet. In Zeiten wo man mit Ryanair für 10€ fliegen kann und es immer mal wieder Hotelaktionen für 1GBP pro Nacht in London etc gibt, kann es doch gut sein, dass der Preis real ist. In jedem Möbelhaus gibt es ja permanent 30-50% auf die ausgezeichneten Preise. Dabei ist es jedem Kunden klar, dass die ausgezeichnete Ware oft total überzogen ist.
Demnach sind Lastminute Angebote etc (190€ auf die Malediven) also theoretisch jederzeit vom Anbieter anfechtbar, da der Normalpreis wesentlich höher ist. Man kann doch von dem Kunden nicht erwarten, dass er vor Buchung eine Marktanalyse durchführt oder hat der Kunde auch ein Sonderkündigungsrecht, wenn er 50% über Marktpreis bezahlt? Wohl kaum.

Der Höhepunkt ist für mich, dass der Vertrag trotz Auftragsbestätigung ohne Schadensersatzansprüche gekündigt werden kann. Meiner Auffassung nach ist das Urteil ein Skandal, aber Juristen sehen das scheinbar anders.
 

FREDatNET

Erfahrenes Mitglied
11.07.2010
8.301
9
VIE
finde ich eigentlich einen scherz, auch das reisebüro hätte sich über andere quellen erkundigen können und vor allem sollte dort ein besseres gefühl für preise vorherrschen... ein schlag ins gesicht der konsumenten, der tür und tor für zukünftige "ätsch, leider doch nicht" schäppchenangebote öffnet. wie robstar schreibt, seit es 1€ tickets und awardtickets von zb us airways gibt kann der kunde gar nichts mehr mit sicherheit zum preis sagen...
 
K

kraven

Guest
Wie soll ich als Kunde denn erkennen, dass der Preis einen Fehler beinhaltet. In Zeiten wo man mit Ryanair für 10€ fliegen kann und es immer mal wieder Hotelaktionen für 1GBP pro Nacht in London etc gibt, kann es doch gut sein, dass der Preis real ist. In jedem Möbelhaus gibt es ja permanent 30-50% auf die ausgezeichneten Preise. Dabei ist es jedem Kunden klar, dass die ausgezeichnete Ware oft total überzogen ist.

Sehe ich genauso. Condor hat bis vor einiger Zeit Langstreckenflüge für unter 200€ verscherbelt, ebenso tut dies Air Asia aktuell auch noch. Als Laie könnte man doch nun davon ausgehen, dass dieser Preis auch für LH, BA, AFKL und Konsorten gilt.
 

MLang2

Moderator / Newbie-Guide
08.03.2009
8.229
6
MUC
Ein Witz. Jetzt ist also der Kunde schuld, wenn ein ordentlicher Kaufmann einen Preisfehler macht und diesen sogar noch bestätigt?

Der Kläger hätte sich diesbezüglich auch einfach durch andere Quellen im Internet, durch Reiseprospekte oder Fernsehsendungen informieren können

Und dann? Dann ruft er also das günstige Reisebüro an und fragt nach. Die sagen dann (wie zuletzt übrigens die Telekom beim Preisfehler des Samsung Tabs) "na klar, der Preis passt". Dann darf der Kunde freilich nicht buchen, weil es ja trotz Nachfrage gar nicht sein kann, daß die Reise so günstig ist?

Ich pack's nicht.... :eek::censored:
 
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Wega

Guest
Ich finde das hier sehr paradox!

Wenn selbst die Mitarbeiter vom Reisebuero den Fehler nicht erkannt haben (und die sollten Insiderwissen haben), wie kann dann der Kunde das sehen?

Beim Vergleichen haette ich ohne Probleme Preise fuer eine Dubai Reise um die 1500 Euro finden koennen, fuer mich waere dann also der Preis vom Reisebuero durchaus logisch gewesen ... Naja ich glaube man muss mit dem gesundem Menschenverstand hier ein wenig auspassen, das bringt einem nur Aerger ein!
 

flysurfer

Gründungsmitglied
Teammitglied
06.03.2009
26.000
39
www.vielfliegertreff.de
Der Höhepunkt ist für mich, dass der Vertrag trotz Auftragsbestätigung ohne Schadensersatzansprüche gekündigt werden kann. Meiner Auffassung nach ist das Urteil ein Skandal, aber Juristen sehen das scheinbar anders.

Stichwort Amtsgericht. Wenn der Kläger hier nicht in Berufung geht, dann weiß ich auch nicht mehr...
 
H

HONig

Guest
Klassisches Fehlurteil eines überlasteten AGs. Das ist zum Glück nichts wert - schade, daß die Parteien nicht weitergegangen sind.
 
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meilenfreund

Erfahrenes Mitglied
10.03.2009
7.005
6.113
Klassisches Fehlurteil eines überlasteten AGs. Das ist zum Glück nichts wert - schade, daß die Parteien nicht weitergegangen sind.

Damit dürfte das eher weniger zu tun haben:

Urteil des AG München vom 4.11.09, AZ 163 C 6277/09

Das heißt im Klartext, daß es sich um das 6277. Verfahren in der Zivilabteilung im Jahr 2009 handelte, also irgendwann im Laufe des ersten Quartals eingegangen, Bearbeitungsdauer 9 Monate plusminus irgendwas.

Zum Stellenwert amtsgerichtlicher Urteile in Reisesachen empfehle ich die Lektüre des Inhaltsverzeichnisses von "ReiseRecht aktuell":

RRa - ReiseRecht aktuell
 

meilenfreund

Erfahrenes Mitglied
10.03.2009
7.005
6.113
Das Urteil wurde offenbar erst jetzt vom Amtsgericht München publiziert, die Pressemitteilung ist als Nr. 19/11 vom 18.04.2011 gekennzeichnet.
 
K

kraven

Guest
Das Urteil wurde offenbar erst jetzt vom Amtsgericht München publiziert, die Pressemitteilung ist als Nr. 19/11 vom 18.04.2011 gekennzeichnet.

Passend zum Osterurlaub damit Familie Schwackowiak aus Gladbeck bei ihrem Reisebüro in Panik anrufen kann und nachfragt, ob ihre Aida-Mittelmeerrundreise nicht zu günstig war...
 

Robstar

Erfahrenes Mitglied
09.04.2009
1.056
1
Oder einfach eine Option anbieten, dass das Reisebüro verzichtet den Kaufpreis anfechten.