Instinkt vs. Gehirn – was sieht am Ende besser aus?
Hobbyknipser, die bei der Aufnahme ihr Hirn auf Leerlauf schalten, verfahren bei der Bearbeitung ihrer Bilder leider oft genauso. Anders gesagt: Wer bei der Kamera stets die Vollautomatik eingeschaltet hat, der klickt auch im Fotoprogramm gerne auf "Automatisch korrigieren". So wie jede zeitgemäße Kamera einen Automatikmodus hat, so hat auch jedes Fotoprogramm eine solche "User, schalt dein Hirn aus!"-Funktion.
Bei iPhoto sieht das höllische Knöpfchen folgendermaßen aus:
Ganz klar: Auch Apple hat von Lufthansa gelernt, denn diese Funktion mag vieles bewirken, nur unser Bild
verbessern, das tut sie sicher nicht.
Stattdessen das:
Das Grauen hat nun nicht nur einen Namen (Elly), sondern auch ein Gesicht. Allerdings sind große Teile des Fotos überbelichtet, die Blätter leuchten neongrün, die Fellstruktur ist teilweise verschwunden. In einem Satz: Auch dieses Bild sieht scheiße aus.
Doch was genau hat iPhoto verbrochen? Werfen wir dazu einen Blick auf die Veränderungen, die das Programm an unserem Dunstfoto vorgenommen hat:
Wir fangen oben an, beim Histogramm. Die Farbkurven zeigen die Helligkeitsverteilung des Motivs für die drei Farbkanäle Rot, Grün und Blau (RGB) an, also für die drei Grundfarben, aus denen sich unser Bild zusammensetzt. Der linke Rand (Helligkeit 0%) bedeutet schwarz, der rechte (Helligkeit 100%) weiß, alles dazwischen sind die Zwischentöne, die eben deshalb auch so heißen.
Wir sehen, dass iPhoto den rechten Regler von 100% auf 71% geschoben hat. Das bedeutet, dass alle hellen Töne zwischen 71% (hellgrau) und 100% (weiß) auf unserem Foto nun verschwunden sind und durch ein glattes, strukturloses Weiß (100%) ersetzt wurden! Kein Wunder also, dass viele Stellen des Fotos nun überbelichtet erscheinen. Und kein Wunder, dass die Fellstruktur an hellen Stellen nicht mehr sichtbar ist. Kurzum: iPhoto hat beim "Verbessern" unseres Fotos Teile des Hauptmotivs gelöscht! Think different? I think not.
Aber es kommt noch schlimmer, denn iPhoto hat gleichzeitig auch die Farbsättigung um 7% erhöht, was zum überbelichteten, neongrün strahlenden Blattwerk führt. Um dieses miserable Ergebnis weiter zu verstärken, hat iPhoto zudem die Farbbalance verändert, nämlich von Blau (kühl) in Richtung Gelb (warm), sodass das Blätterwerk noch penetranter wirkt.
Um den GAU perfekt zu machen, hat iPhoto schließlich noch die Schatten, also die dunklen Bereiche, unseres Fotos viel zu stark, nämlich um 15% in Richtung hell gespreizt. Damit rücken die unmaßgeblichen Motive (wie der Baum) weiter in den Vordergrund, und die Fehlbelichtung unseres eigentlichen Motivs (Elly auf der Suche nach Viagra) wird verstärkt.
Man kann wirklich nicht eindringlich genug vor der Verwendung solcher Autokorrekturfunktionen warnen. Da liegt kein Segen drauf.
Höchste Zeit, das eigene Hirn einzuschalten und das Problem systematisch anzugehen. Das ist gar nicht so schwer. Folgendes ist zu tun:
Wir beginnen erneut beim Histogramm. Was war unser Problem? Ganau: ein Grauschleier. Was macht ein Grauschleier? Er verwandelt dunkle (schwarze) Partien eines Motivs in hellere (graue) Partien. Die Lösung unseres Problems besteht also darin, aus den dunkelgrauen Partien unseres Fotos wieder schwarze, und aus den grauen wieder dunkelgraue zu machen.
Das geht ganz einfach damit, dass wir den linken Regler (den für die dunklen Töne) unseres Histogramms nach rechts schieben, und zwar bis an die Stelle, wo sich die RGB-Kurven zu einem Berg auftürmen. Das nämlich ist die Stelle, wo unser Foto eigentlich "anfängt". Denn jedes kontrastreiche Bild beginnt links mit "schwarz" und endet rechts mit "weiß". Es beginnt besser nicht mit "grau", und genau hier setzen wir deshalb an.
Indem wir den linken Regler auf 16% schieben, sorgen wir dafür, dass ein Grauton mit 16% Helligkeit (sowie alle dunkleren, darunter liegenden Tonwerte) von iPhoto in 0% (= absolutes Schwarz) übersetzt werden. An den hellen Partien (rechter Regler) des Fotos ändern wir dagegen nichts, schließlich erscheint unser Motiv schon jetzt an den Schultern durch die Gegenlichtsituation leicht überbelichtet (ausgefranst und ohne Fellstruktur). Die HS-10 hat eben einen begrenzten Dynamikumfang, mehr ist bei ihr einfach nicht drin. Es wäre grob fahrlässig, durch die Wegnahme lichter Partien wichtige Details unseres Motivs zu löschen. Genau das aber hat iPhoto beim Betätigen der Autokorrekturfunktion gemacht und die Schwächen der Kamera damit noch verstärkt. Eine reife Leistung! Dafür gleich noch einmal ein
.
Ergänzend verschieben wir den mittleren Regler unseres Histogramms (für die mittelhellen Bereiche unseres Motivs) etwas nach links und hellen die Mitteltöne damit wieder etwas auf. Warum? Weil diese Töne durch das starke Abdunkeln der Graupartien ebenfalls mit abgedunkelt wurden, was es nun teilweise auszugleichen gilt. Denn ein Grauschleier wirkt, in absoluten Stufen betrachtet, natürlich nicht auf alle Tonwerte gleich stark – sondern stärker auf die dunklen, weniger stark auf die mittleren und so gut wie gar nicht auf die hellen Bereiche.
Nachdem das Histogramm nun "stimmt", nehmen wir die Farbsättigung etwas zurück. Wir erinnern uns: iPhoto hatte die Sättigung im Automatikmodus sogar noch
erhöht und damit einen Neonwald geschaffen. Die Rücknahme hat den einfachen Grund, dass durch die Beseitigung des Grauschleiers auch die Farben entsprechend stärker (und nun leider etwas übertrieben) leuchten. Diesem Effekt wirken wir dadurch entgegen, dass wir die Farbsättigung von 50% um 3 Prozentpunkte auf 47% reduzieren.
Das Pflichtprogramm ist damit abgeschlossen, alles weitere ist Kür und somit stark geschmacksabhängig. Die HS-10 ist eine günstige Kamera mit sensationellem Datenblatt – und entsprechenden qualitativen Einschränkungen. Bei ihr wirkt auch ein sauber aufgenommenes Foto nicht unbedingt "knackscharf", deshalb kommt in diesem Fall ein Scharfzeichner zur Anwendung, der das haarige Motiv besser zur Geltung kommen lässt und Details herausarbeitet. Wirklich gute Kameras haben keinen Scharfzeichner nötig, aber bei wirklich guten Kameras kostet ein 720-mm-Objektiv auch schnell 10.000 EUR und wird nach Gewicht bezahlt. Also den Sherpa nicht vergessen! Die HS-10 kostet keine 400 EUR, und man kommt ohne Sherpa aus. Das Leben ist voller Kompromisse...
Zurück zu unserer Korrekturaufgabe: Als nächstes hellen wir die dunkelsten Partien unseres Fotos minimal auf, indem wir den Regler für "Schatten" auf die Position 2 stellen. Das mag widersprüchlich klingen: Erst haben wir die grauen und dunklen Teile im Histogramm abgedunkelt, jetzt hellen wir sie über den Schattenregler wieder auf?
Es hat aber Methode. Denn der Schattenregler sorgt dafür, den
dunkelsten Bereichen eines Fotos Struktur zu geben – also genau den Bereichen, die durch unsere Antigrauschleieraktion nun etwas "abgesoffen" sind, denn aus vormals 16% Helligkeit (und allem, was darunter lag) wurde bekanntlich 0%, also tiefstes Schwarz. Der Schattenregler spreizt die dunkelsten Partien, sorgt also zum Beispiel dafür, dass die Bereiche mit den Histogramm-Helligkeitswerten 0%-3% anschließend den breiteren Bereich 0%-8% abdecken. Und in diesem Bereich kann das Auge des Betrachters dann auch wieder Strukturen ausmachen, die ihm bei 0%-3% verborgen bleiben.
Zu guter Letzt ändern wir noch die Färbung des Motivs um 4 kleine Positionen in Richtung "rot", um die Übermacht des grünen Laubwerks einzudämmen. Auch wollen wir vermeiden, dass das Fell unseres adretten Elly einen unnatürlichen Grünstich aufweist. Grünstiche wirken bei Säugetieren ungesund, und unser Elly ist zwar alt, aber noch sehr lebendig!
Und das war es dann auch schon. Mit diesen wenigen, aber
durchdachten Änderungen, sieht unser Affenfoto nun folgendermaßen aus:
Da soll nochmal jemand behaupten, dass es Smog in Indien gäbe!