Die Königsklasse des Reisens
Die Pauschalreise markiert den Gipfel und sogleich den Endpunkt menschlichen Reisens. Bezeugt sie doch eindrucksvoll, wie weit die Menschheit es gebracht hat, seit sie von den Bäumen gestiegen ist um sich daran zu machen die Welt zu erobern. Steinig war er, dieser Weg über die sieben Weltmeere und durch alle Lüfte. Mit Mut und Entdeckungsgeist machte der Mensch sich die Erde untertan, stets auf der Suche nach unbekannten Orten und fremden Kulturen. Gesäumt ist er, dieser Weg um den gesamten Globus, mit den Namen der Pionierinnen und Pioniere, Amelia Earhart, Marco Polo, Vasco da Gama, Kolumbus oder auch Otto Lilienthal. Doch auch ist er rot gefärbt, vom Blut derer, die auf der Suche nach Freiheit, Glück und neuen Ländern ihr Leben lassen mussten.
Im Siegeszug menschlicher Entwicklung und auch dank visionärer Vordenker wie Achim Hunold oder Niki Lauda blieb das Reisen nicht nur den Privilegierten vorbehalten, sondern wurde erschwinglich für annähernd jede Frau und jedermann.
Die Pauschalreise als Krone der Urlaubsindustrie vereint alle notwendigen Aspekte des Reisens wie Transport, Unterkunft, Verpflegung und Transfer und schaltet konsequent alle Risiken, welcher Art auch immer sie sein mögen, aus. Sie ermöglicht es dem Entdecker der Neuzeit fremde Länder und Kulturen kennen zu lernen und dabei das wohlige Gefühl zu spüren, dass alle Unwägbarkeiten von ihm fern gehalten werden - außer vielleicht einen kurzfristigen Ausfall im MargenDarm-Bereich und natürlich Herpes, den Scheiss hat man ewig!
Beinah spüre ich noch den Hauch der Geschichte im Nacken, als sich die Türen des Skytrain in Düsseldorf - für den ich selbstverständlich ein Ticket gelöst habe - öffnen, und ich den Ort betrete, von dem die Reise ins Gewisse starten wird. Erst etwas zögerlich, und beinah ehrfurchtsvoll mache ich mich auf den Weg zur Rolltreppe, bevor ich mir meiner Verantwortung als Teil derer bewusst werde, die sich aufmachten diesen Globus zu globalisieren. So beschreite ich denn mit festem Schritt den prächtigen Stahl-Glastempel in Richtung Check-In.
Ein Umstand, auf den ich hier nicht näher eingehen möchte, ermöglicht es mir die langen Schlangen der Erholungshungrigen zu umgehen und so stehe ich bereits nach kurzer Zeit an dem Platz, an dem vor wenigen hundert Jahren noch die Seefahrer anheuerten - oder so. Bereits hier, am Check In wird deutlich, Reisende sind multikulturell und aufgeschlossen, nur folgerichtig ist es, dass mich eine Dame begrüßt, die rudimentär meine Sprache, bestimmt aber viele andere beherrscht um die Cosmopoliten der Welt auf ihrem Weg durch dieselbe zu unterstützen. Verschmerzbar, dass sie die profanen Dinge wie Sitzplatzreservierungen nicht in aller Konsequenz durchdringt, aber zumindest reicht Sie mir den Schlüssel zur digitalen Spieglung menschlicher Völkerwanderungen, den 6-Stelligen Buchungscode.
Der nächste Schritt auf dem Weg in die Fremde ist die Sicherheitskontrolle. Hier warten in langen Schlangen Geduldige, um ob ihrer eigenen Sicherheit und der der anderen durch den Körperscanner zu schreiten. Der Flughafen Düsseldorf gibt sich Mühe, damit für alle dieser Moment des ersten Kennenlernens der Gleichgesinnten nicht zu kurz kommt.
Der geneigte Pauschalreisende weiß als Frau oder Mann von Welt wie man sich verhält und kommentiert:
"Schau mal, so einen großen Koffer darf man aber garnicht mitnehmen?" oder "Gürtel und Jacke auch ausziehen?" "Das sind keine Flüssigkeiten, dass ist Medizin!".
Fast traurig wirkt er, der freundliche Helfer, muss er doch bleiben während die Meute von hinnen fliegt. Dennoch behält er Haltung, fragt nach dem Laptop und wünscht guten Flug. "Danke gleichfalls!" tönt es von einem grau melierten Männchen, das mutig in den Durchleuchtungsapparat tritt, dann aber nicht weiß, wie es beide Hände heben und dabei die Hose halten soll.
Für einen Moment überlege ich, ob ich mit dem Kalla, dem Lalla und dem Berti ein paar Halbe kippen soll, um den Moment gebührend zu feiern, schließlich zieht es mich dann aber doch an einen Ort, wo ich Hugo Junkers Tribut zollen kann. Angekommen in der Oase der Ruhe zelebriere ich die Messe des Fluggastes mit einem aus Roten Obst-Früchten gewonnenen Getränk.
Doch alsbald geht es auf zur ersten Ertappe, will sagen dass Einschiffen - hier Boarding genannt - beginnt.
Wolfgang Prock-Schauer, seinesgleichens Visionär und in einer Reihe mit Vural Öger, Renate Neckermann oder Thomas Koch zu nennen, weiß die zahlenden Gäste zu verwöhnen: Busboarding in Gruppen die weder genannt noch geprüft werden.
"Wir fahren jetzt mit dem Bus nach Spanien!" ruft einer, und die Meute lacht.
Das Luftfahrtgerät, ein Ausdruck europäischer Ingenieurskunst mit dem wohlklingenden Namen Airbus, bereits der dreihundertundeinundzwanzigste, darf von vorne und von hinten erklommen werden. Im Geist der Eroberer gilt es dort den Platz zu ergattern, der bereits auf dem Flugschein vermerkt wurde.
Noch unbeholfen suchen die Gelegenheitsreisenden Mittsiebziger Hettie und Horst sich im Luftfahrzeug zurecht zu finden: "Ich dachte 34F sei vorne?" lässt Hettie verlauten. "34E, ich Sitz am Gang!" entgegnet Horst barsch.
Ich beziehe einen Fensterplatz dessen Nachbarsitz frei bleiben wird - geschickter Strategie in Verbindung mit Erfahrung und reinem Können sei Dank. Vielleicht aber auch nur Glück! Argwöhnisch neidischen Besitzansprüchen auf den freien Sitz pariere ich mit der Frage nach dem Flugschein, wie man es mich gelehrt hat.
"Hoffentlich fliegen wir nicht mit offenen Türen!" scherzt man weiter hinten, "Das Telefon aus!" wird weiter vorne gemaßregelt. Dann beginnt die Doktorarbeit zur Frage, was aus dem Handgepäck in den nächsten beiden Stunden benötigt wird oder werden könnte, und es grenzt an ein Wunder, dass man tatsächlich zur geplanten Zeit abflugbereit ist. Im Rollen zeigt sich, wer sich mit der Thematik vertiefend auseinander gesetzt hat: "An der Startbahn gilt rechts vor links!", "Bei dem was der Erdtukan von sich gibt fahr ich da bestimmt nicht hin!" oder "Nie mehr nach Griechenland, diese faulen Abzocker!". Generell wird deutlich, einzig den Bewohnern der iberischen Halbinsel und der dort vorgelagerten Inseln, ist man durchweg wohlgesonnen. Was wohl der dortigen Küche "Kölsch und Schnitzel krieg ich!" geschuldet ist.
Da beginnt die Röhre zu vibrieren, erst wird es laut, dann geht es vorwärts. Gleich eines Kranich hebt sich der Metallvogel vom Boden, bevor er majestätisch wie der Condor gen Hinmel schwebt, als wolle er es dem Ikarus gleichtun. Unablässig wackelt und schüttelt sich der Argonaut, als gedenke er den zweibeinigen Balast samt ihrer Habseligkeiten loswerden, und der bekennende Wiederholungsreisende erkennt weltmännisch: "Schlaglöcher!".
Wolfgang weiß was sich für Gastgeber gehört, reicht er doch alsbald Getränke und Knabbereien durch die bockige Röhre, wohl auch um von der fehlenden Aussicht abzulenken.
Via Megaphon - oder so ähnlich - vermeldet der verantwortliche Luftfahrzeugführer zweiten Grades: "Genfer See, Marseille, Palma - Standardroute!"
Weiterhin werden kulinarische Einzigartigkeiten feilgeboten, welche das Salz in der Reisesuppe sein können, oder auch den Flug versüßen.
Hettie und Horst hingegen haben vorgesorgt, nichts aus der Konfinizenz-Küche soll Ihren Geschmack vernebeln, so kurz vor dem Eintauchen in fremde Genusswelten. Daher gibt es Wurstbrötchen, hausgemacht, da zu Haus gemacht
Wie sang bereits einer der am meisten unterschätzten österreichischen Liedermacher - Peter Cornelius - "..,und die enge Jeans anghabt hat." Nee, falsch, er sang "I bin reif reif reif reif für die Insel!"
