Mayotte – Frankreich in Afrika

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ptoctan

Reguläres Mitglied
01.07.2013
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Mayotte – wo liegt das überhaupt? Selbst im weitergereisten Bekanntenkreis kam diese Frage vereinzelt auf, als ich von meinen Reiseplänen erzählte.
Dabei handelt es sich hier ganz regulär um ein französisches Department (d'outre-mer), das seit 2014 sogar Teil der europäischen Union ist.

In der Straße von Mosambik zwischen Madagaskar und Mosambik gelegen, ist Mayotte geografisch (und auch kulturell) ein Teil der Komoren. Allerdings haben sich die Mahorais im Gegensatz zu ihren Verwandten auf den anderen Inseln in den 70ern bei mehreren Referenden gegen die Unabhängigkeit, und für den Verbleib in Frankreich entschieden.

Ein Schritt, der ihnen bescheidenen Wohlstand und Platz am Tropf Frankreichs bzw. der EU ermöglicht – obgleich die Komoren weiterhin Besitzansprüche geltend machen, während zehntausende Flüchtlinge mit den Füßen abstimmen, und sich auf kleinen kwaza-kwazas über das Meer in das verheißene Frankreich aufmachen. Ein Konflikt, der auch den Lebensalltag auf der tropischen Insel beeinträchtigt (und diesen Bericht ggf. ein wenig färbt, entschuldigt).


Nachdem ich schon seit längerem einen Blick auf dieses exotische Eiland geworfen hatte, war es diesen September endlich so weit – geimpfte Reisende durften auch ohne speziellen Grund wieder einreisen, und Air France hatte bezahlbare Flüge ab Paris im Angebot.

Zuerst sollte es mit AF und Kenya Airways über Nairobi dort hingehen, wobei die Flüge dann kurzfristig gestrichen wurden (ohne jegliche Mail von AF!) und ich über la Reunión umgebucht wurde. Ein paar Stunden länger im Flieger, aber noch ein neues "Land" zum Abhaken.


Mit dem (erstaunlich dreckigem) TGV ging es dann zum Gare de l'Est, und nach einem kleinen Happen weiter mit dem RER nach CDG.

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Etwas über 11 Stunden später (in einer vollgestopften 773) landete ich auf der Insel der Zusammenkunft. Sonne und Meer ließen Gutes erahnen! Wie sich herausstellte, etwas zu viel Sonne für mich. Wollte ich zuerst zum Strand laufen (Mietwagen oder Tour hätte sich wegen des kurzen Aufenthalts nicht gelohnt), drehte ich dann aber doch recht schnell um, und suchte Zuflucht im Schatten des Flughafens.

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Kurz darauf ging es mit einer recht leeren 788 von Air Austral dann weiter, mit faszinierenden Wolkenbergen beim Landeanflug, und einer verschlafen wirkenden Lagune im leichten Regen. Es wurde stark gebremst (die Landebahn ist gerade einmal 2km lang), und nach einer etwas chaotischen Einreisekontrolle war ich nun da!

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Auch ohne Französischkenntnisse kam ich mit einem taxi collectif (dessen Tacho nicht mehr funktionierte, und die hintere Tür nur von einem Seil gehalten wurde), zum Hafen auf Petit Terre, um die halbstündliche Fähre auf die Hauptinsel (ganz kreativ Grande Terre genannt) zu nehmen.

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Entfernte Verwandte meiner +1 holten mich auf der anderen Seite ab, und wir brauchten in der abendlichen Rush-Hour über eine Stunde für die knapp 20km... Fenster mussten geschlossen bleiben, da ihnen derletzt ein Jugendlicher im Stau bei offenem Fenster das Handy und eine Tasche aus dem Wagen gestohlen hatte – Karibou (willkommen) in Mayotte!


Das Wochenende war entspannt, mit kleinen Wandertouren in der Umgebung, und den ersten Makis.

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Des Weiteren ging es auch zum Plage de Sakouli. Der Großteil der Küste ist dicht mit Mangroven bewachsen, und viele Strände (so wie hier) haben nur schwarz-braunen Vulkansand. Unterwasser zeigte der indische Ozean sich jedoch von einer faszinierenden Schönheit – einiges lebendiger und farbenfroher als bei meinen anderen Besuchen in Kenia oder auf den Seychellen.

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Die folgende Woche war ich im Home Office. Dank Glasfaserkabel auf die Insel, und einer bezaubernden Aussicht gingen die Tage jedoch schnell und auch produktiv vorbei.

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Ein interessantes Ereignis gab es aber in der Woche: ich war in das Nachbardorf gelaufen, um im lokalen Supermarkt ein paar Lebensmittel zu holen. 10€/kg für importierte spanische Tomaten in miserabler Qualität (wenn es überhaupt welche gab), nur importiertes Wasser aus la Reunión und auch sonst sehr hohe Preise vermiesten mir generell den Einkauf. Dafür gab es besten französischen Käse (wir hatten mehrmals Raclette). Und natürlich frische Bananen und Ananas.

Auf dem Rückweg jedoch kam ein Jugendlicher und machte Stress, wollte mein Handy sehen. Da ich des Französischen nicht mächtig bin, zeigte ich ihm, welche Fotos ich geschossen hatte, und dass er auf keinen abgelichtet wurde. Er beruhigte sich nicht, und redete weiter auf mich auf Französisch ein – offenbar war es für ihn unverständlich, wie jemand diese Sprache nicht spricht. Nachdem ich ihm zwei Zigaretten gegeben hatte, ließ er irgendwann ab, und ich machte mich schnell wieder auf in das nur von Expats bewohnte Viertel meiner Gastgeber.
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Deswegen habe ich auch praktisch keine Bilder der Straßenszenen gemacht, diesen Ärger wollte ich nicht erneut ;)


War etwas schade, dieses Erlebnis, da ich die älteren (und auch ganz jungen) Mahorais als durchweg sehr freundlich und offen erlebt hatte. Man begrüßt sich andauernd, und als ich nach dem Tauchen etwas verloren auf ein taxi collectif wartete, setzte man sich so lange neben mich und versuchte mit Hand&Fuß ein Gespräch zu haben, bis ich eingestiegen war.

Anscheinend ist die ältere Generation selbst sehr unzufrieden mit der aktuellen Situation, und beschwert sich über mangelndes Interesse der Politik in la Métropole. Die Mahorais selbst sind, wieder im Vergleich zu den anderen Inseln in der Umgebung, auch matriarchalisch veranlagt – die meisten Häuser gehören den Frauen, und junge Männer müssen ausziehen. Witzigerweise war Polygamie aber bis vor wenigen Jahren noch legal.

Auch der Islam wird sehr offen und tolerant gelebt – importiertes Bier und französischer Wein fehlten fast nie auf den Tischen unserer Sitznachbarn.


Am Wochenende ging es dann mit dem Auto (Sprit ist subventioniert und kostet überall nur 1,58€/l, dafür kosten selbst Autos, die in Deutschland kaum durch den TÜV kämen mehrere Tausend Euro) in den Süden der Insel, zum wohl schönsten Strand der Insel - mit weißem Sand!

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Auch unterwasser war es wieder eine Augenweide, und ich habe irgendwann das Zählen der Schildkröten aufgegeben.

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Weiter in Teil 2
 

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ptoctan

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Preise auch hier "französisch": um die 35€ für einen kleinen Fischburger mit lapprigen Süßkartoffelpommes und Ti Punch aus Reunión

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Da überzeugte das 15€-Essen bei einem madagassischen Restaurant im Nachbarort doch viel mehr – und besonders das von dort importierte Bier ;) Man musste jedoch beinahe eine Stunde warten (bei nur zwei anderen besetzten Tischen), bis das Essen kam, was lapidar mit "c'est l'Afrique" abgetan wurde.

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Am Abend ging es dann Feiern in die einzige Bar, die es trotz Corona-Regulierungen geschafft hat, eine Tanzfläche im Freien anzubieten. Zu meiner Freude wurde dort auch mehr Englisch gesprochen, und ich unterhielt mich mit jungen Soldaten der Legion, und tanzte zu einer interessanten Mischung aus franz. Hip-Hop, internationalem EDM, Bob Marley und lokalen Songs.

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In den nächsten Tagen ging es dann Tauchen, liegt die Insel doch in der weltweit zweitgrößten Lagune! Leider wurde nur der S-Pass, ein natürlicher Zugang in die Lagune, angesteuert, aber bei ruhigem und glasklarem Wasser macht es auch hier sehr viel Spaß.

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Bilder habe ich keine, aber es wimmelte wieder von Korallen, Fischschwärmen, Nacktschnecken, und sogar einen Sandhai habe ich gesichtet.


Am vorletzten Tag setzten wir auf Petit Terre über, wo auch der Flughafen liegt, und wanderten zum Lac Dziani, einem kleinen See in einem erloschenen Vulkan.
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Als uns Machete-schwingende Jugendliche entgegenkamen, war ich froh, dass mein Gastgeber seine Dienstwaffe dabei hatte. Überfälle passieren hier wohl recht häufig.

Zum Mittagessen gab es "Hai" - behauptete zumindest Google Translate

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Außerhalb der Lagune gelegen war das Meer an den nahen Stränden etwas rauer, und der Boden war nur von Steinen statt Korallen bedeckt. Dennoch genoß ich das badewannenwarme Wasser, wohl wissend, dass meine Wetterapp für zuhause <10° und Regen anzeigte.

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Am nächsten Tag ging es dann schweren Herzens wieder zum Flughafen, und ein A220 der Air Austral brachte mich nach RUN. Eigentlich hatte ich nach dem Hinflug den Silberstatus bei AF, aber extra Gepäck wollte man mir dennoch nicht geben, sodass das gute madagassische Bier am Flughafen bleiben musste.

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Der Rückflug im wieder propevollen Flieger der AF war unspektakulär. Essen ohne Fleisch gab es nicht, und mein Sitznachbar schien Bodybuilder zu sein – viel schlafen konnte ich nicht, und war zum ersten Mal froh, endlich am frühen Morgen in Paris zu landen – normalerweise genieße ich die Flugzeugatmosphäre.

Nach einem geschlossenen Bahnhof wegen Bombendrohung, gesperrter RER-Linie und insgesamt vieel zu vielen Menschen für meinen Geschmack nach dem Urlaub, erreichte ich sehr knapp noch meinen TGV, und die Heimat begrüßte mich bei strahlend blauem Sonnenschein und Herbstluft.



Werde ich wieder nach Mayotte gehen? Definitiv! Meine Gastgeber sind mir ans Herz gewachsen, und einige andere Tauchspots und Wanderungen sind noch offen. Ebenfalls würde ich gerne noch eine Ylang-Ylang-Plantage besuchen, und Inselhüpfer auf die Komoren und Madagaskar wurden schon ausgemacht.

Würde ich alleine erneut dort hinfliegen? Vermutlich nur mit Französischkenntnissen, und wenn ich "Exotik" bei gleichzeitig kostenlosem Roaming haben wollte.

Der ganze Müll, andauernd überfüllte Straßen und Staus, die überteuerten Preise, fehlender organisierter ÖPNV und besonders die instabile Lage waren doch recht negativ. In der Nacht vor meinem Abflug brannten in einer Stadt im Norden der Insel Rathaus, Polizeistation und mehrere Autos – da die Regierung angekündigt hatte, einen Slum abzureißen. Polizisten und selbst Schulbusse werden mit Steinen beworfen: im lokalen TV kam ein Busfahrer zu Wort, der nur noch mit Motorradhelm fährt, da er zu oft verletzt wurde – hatte etwas Tragikomisches an sich, das Bild.
Mit fortwährend hohem Immigrationsdruck (manche Quellen gehen von bereits jetzt über 100.000 undokumentierten Einwohnern bei gerade mal über 200.000 "offiziellen" aus), praktisch kaum Jobs (außer im Staatssektor oder informellem Bereich) und auch keiner politischen Agenda, die Situation zu verbessern, wird es in den nächsten Jahren bestimmt nicht einfacher.

Aber vielleicht bin ich hier aufgrund des Jobs meines Gastgebers in der Exekutive und den ganzen Geschichten auch etwas voreingenommen ;)


Solche Aussichten haben einfach was :)
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Ich hoffe, der kurze Reisebericht hat gefallen!

Bilder sind teils etwas verpixelt scheint es durch das Hochladen (und die billige China-Actioncam für Unterwasser...)
 

Tesla

Aktives Mitglied
13.12.2016
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AKL
Auch von mir danke! Die Schilderungen erinnern mich an einigen Stellen an meinen Aufenthalt in Neukaledonien - Frankreichs Überseegebiete in den Tropen haben doch einige Gemeinsamkeiten... Mit dem Unterschied, dass die Einheimischen in Neukaledonien die Franzosen gerne los wären. Einen Versuch haben sie noch.
 
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Karl Langflug

Erfahrenes Mitglied
22.05.2016
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Besten Dank, interessante Einblicke!

Aber etwas kann ich so nicht stehen lassen: Raclette mit französischem Käse geht dann im Fall gar nicht .... ;) :)
 
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Nitus

Erfahrenes Mitglied
04.04.2013
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MUC
Auch von mir einen herzlichen Dank für diesen sehr interessanten Reisebericht eines wirklich nicht alltäglichen Reiseziels!

Für mich geht es dieses Wochenende das erste Mal in ein französisches Überseegebiet. Auf / in Saint Martin erwarte ich jedoch weniger spannende Zustände als Du offenbar in Mayotte erlebt hast, dafür aber ebenso kostenloses EU-Roaming außerhalb des europäischen Kontinents und guten französischen Käse & Wein. :)
 
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