Regen, Schafe, Fjorde – Ostern auf den Färöern

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monty2006

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17.11.2011
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Tag 1: Anreise nach Kopenhagen

Nach etwas längerer Abstinenz war es wieder soweit, Familie Monty macht Urlaub. Als Zeitraum war die Osterwoche auserkoren, nur das Reiseziel als solches bedurfte noch ein wenig räumlicher Planung. Gedanklich die üblichen Randbedingungen abhakend, hatten wir vieles im Sinn, jedoch nicht Regen und Kälte. Aber die Färöer sollen wunderschön sein – heisst es. Zumindest tut es das geschriebene Wort diverser Reiseberichte so kund. Ausserdem gibt es bekanntlich kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung. Flüge, Hotels und Mietwagen waren kurzerhand gebucht; auf dem Hinweg verbunden mit einer zusätzlichen Nacht in Kopenhagen, um auch diese Eindrücke dänischer Kultur und Kulinarik mitzunehmen. Damit stand das (für die sonstigen Verhältnisse vergleichsweise langweilige) Routing fest: ZRH-CPH-FAE-CPH-ZRH. Jetzt mussten nur noch die Tage länger werden und der erste Frühlingsvollmond näher rücken...

Bevor die geneigte Leserin beim Studium der vorliegenden Lektüre nun glaubt, einem Déjà-vu zu erliegen, so sei ihr gesagt: Ja, wir sind das, die [Verrückten; Anm. d. Red.] mit den vielen Kindern. Und während sieben Lockdowns und fünf Freedom Days kam sogar noch eines dazu. Genau genommen war Flocki schon immer da, nur fristete er bisher ein eher unbeachtetes Dasein auf dem Bücherregal, bis er Weihnachten schliesslich erhört und aus seiner Trostlosigkeit erlöst wurde. Der Reisekader hatte sich schnell zusammengefunden – gefühlt werden das jedes Mal mehr – und für das obligatorische Gruppenfoto postiert (Flocki ist der grosse Pinguin zwischen Smiley und Monty). Pünktlich brachte uns die SBB von Chur zum Flughafen, wo wir von Swiss zu einem kleinen Frühstück im Wartebereich A eingeladen wurden. Für die Kinder gabs Schaumwein, für mich Latte Macchiato und Orangensaft. Frontenklärung. Der Flug selbst war relativ unspektakulär, wirkte aber trotzdem irgendwie fremd, denn das lang antrainierte Aufsetzen eines Mund-Nasen-Schutzes war inzwischen obsolet.





Landung in CPH, Koffer, Zoll, Hotel. Wehmütig fällt mein Blick auf das Clarion. Ach, was waren das für wunderbare Zeiten, als du noch mit Paris Hilton liiert warst. Und nun? Nun laufen wir daran vorbei mit dem Ziel Comfort Hotel. Nicht das dieses Etablissement besser wäre, aber für die eine Nacht nicht ganz so unverschämt (über)teuer(t) wie seine Nachbarin. Check-in erfolgt am eigens dafür bereit gestellten iPad, während mich die Dame vom Front Desk genau beobachtet, ob ich auch alles richtig mache – und das ist wichtig, da mir unlängst in einem Vortag über Mensch-Computer-Interaktion mitgeteilt wurde, dass Personen über 40 zu den Digitial Immigrants gehören. Herrje, ich schweife ab. Nachdem wir uns der Koffer entledigt haben, fährt uns die M2 führerlos von Lufthavnen nach Kongens Nytorv. Vom ‚Königsmarkt‘, dem grössten Platz der Kopenhagener Innenstadt, treibt uns der Trubel – wohl eher der Waffelgeruch – zum Nyhavn, dem 1673 fertiggestellten Kanal mit seinen bunten Häusern und zahlreichen Restaurants. Die Kinder möchten Softeis; zugegeben, ich auch.











Weiter geht es über die Holbergsgade und den Holmens Kanal bis zum Schloss Christiansborg. Dort befindet sich auch die Börse Kopenhagens. Das aus dem 17. Jahrhundert stammende Gebäude wurde im Auftrag von König Christian IV. errichtet. Am auffälligsten ist der markante Turm, bei dem sich vier Drachenschwänze spiralförmig nach oben winden. Gegenüber vom Schloss liegt die Holmens Kirke. Ursprünglich als Ankerschmiede gebaut, wurde das Gebäude später zur Kirche umgewandelt und 1641 zu einem kreuzförmigen Grundriss erweitert. Wir statten dem königlichen Bibliotheksgarten noch einen kurzen Besuch ab, der mit der Nationalbibliothek Dänemarks eine der grössten Bibliotheken weltweit beheimatet. Auch wenn ich mir das Gebäude gerne von innen angesehen hätte, so verweilen wir nicht länger an diesem malerischen Ort und machen uns wieder auf den Weg. Denn unser Ziel liegt gut drei Kilometer nördlich.







Vorbei an der Frederiks Kirke und der alten Zitadelle führt uns unser Weg zum Hafenviertel Nordre Toldbod. Dort fällt und sofort das Kunstwerk ‚ZinkGlobal: The key to the future‘ von Kim Michael ins Auge; eine Skulptur aus Altmetall, die zum Nachdenken anregen soll. Auf der gegenüberliegenden Hafenseite befindet sich das barocke Gebäude des ehemaligen Wachhauses, das von der Fregatte F352 Peder Skram flankiert wird. Heute dient sie als Museumsschiff und ist den Digital Immigrants vielleicht noch vom Raketenzwischenfall aus dem Jahr 1982 bekannt, bei dem eine versehentlich abgeschossene Harpoon-Rakete vier Wochenendhäuser in Lumsås auf Seeland zerstörte sowie über 100 weitere Häuser beschädigte. Der Weg führt uns weiter und schliesslich erreichen wir Den Lille Havfrue – die kleine Meerjungfrau. Gewissermassen ein Pflichttermin. Selfies, die Kinder wollen Selfies. Dafür ist bei dem herrlichen Wetter aber zu viel los hier und so verbleiben sie im Rucksack.







Eine Bank mahnt uns vor dem Klimawandel und soll verdeutlichen, wo das Wasser in ein paar Jahren stehen könnte. Nachdem auch dieses – wenngleich düstere – Zukunftsszenario digital festgehalten wurde, machen wir uns langsam auf den Rückweg. Natürlich darf ein Stop bei Schloss Amalienborg nicht fehlen, ein aus vier Palais bestehendes Ensemble, das Königin Margrethe II. als Stadtresidenz dient. Auf dem achteckigen Platz laufen die Wachen stoisch Runde für Runde und lassen sich auch durch Touristen nicht aus der Ruhe bringen. Tempus fugit; es ist bereits Abend und das Frühstück schon lange verdaut. Wir lassen uns in einem der Restaurants am Nyhavn nieder – draussen. Trotz des schönen Wetters ist es bitterkalt, Abhilfe schaffen Heizstrahler und Decken. Für Knutschi gibt es Fischsuppe, für mich gebratenen Lachs. Mit einem letzten Foto der Dämmerstimmung verschluckt uns die M2 und bringt uns zurück zum Hotel.













Der Zwischenstop in Kopenhagen war eine perfekte Einstimmung für unseren Urlaub. Morgen geht es dann um 11:00 Uhr mit der SAS weiter. Müde sinken wir ins Bettchen und machen es den Kindern gleich. Gute Nacht.
 

monty2006

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17.11.2011
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Tag 2: Weiterflug auf die Färöer

Heute lädt uns SAS zu einem kleinen Frühstück in deren güldenen Wartesaal ein. Dann geht es auch schon zum Flieger, der pünktlich und mit nur geringer Auslastung abhebt. Flugrichtung: Nordwest. Die Flugzeit wird mit zwei Stunden und fünf Minuten angegeben. Hatten wir gestern noch Sonnenschein, so hängen heute dunkle Wolken tief über den Färöern. Ein Bild, das uns in den nächsten Tagen noch häufig begleiten wird. Nach Ankunft auf der Insel Vágar folgt ein kurzer Spaziergang übers Vorfeld, bevor wir in einen kleinen Abflugbereich mit noch kleinerem Gepäckbereich gelangen. Während wir auf die Koffer warten, versorgt sich der Rest des Fliegers im angrenzenden Duty Free Store palettenweise mit Softgetränken. Gewiss, die Färöer sind teuer, aber laut Anschlag dürfen alkoholische und nichtalkoholische Getränke (sowie Parfüm) nur in sehr begrenzten Mengen eingeführt werden. Wir warten weiter. Koffer, Zoll, Sixt. Unser gebuchter Yaris benötigt erst noch eine Reinigung, insofern steht am Ende ein Qashqai vor der Tür. Danke fürs (Up)Upgrade.

An dieser Stelle noch ein paar Worte zu den Färöern. Nein, das wird jetzt kein Geschichtsexkurs. Der auf 62° nördlicher Breite gelegene Archipel besteht aus 18 Inseln vulkanischen Ursprungs sowie 11 Holmen und ein paar hundert Schären. Die Färöer sind autonomer Bestandteil von Dänemark, die Hauptstadt ist Tórshavn und auf den Inseln leben gut 50.000 FäringerInnen. Mit all den Fjorden und Schafen erinnern (uns) die Färöer stark an Neuseeland. Queeny und Kiwi bekommen augenblicklich heimatliche Gefühle und müssen sich ein Tränchen verdrücken. Zwischen den einzelnen Inseln gibt es Fähren, Brücken und drei Unterseetunnel. Letztere verlaufen mit einer Tiefe von bis zu 187 Metern unter dem Atlantik und sind mautpflichtig. Auf den Inseln selbst sind weitere Tunnel vorhanden, die meisten davon – trotz Gegenverkehr – einspurig und teilweise unbeleuchtet. Das durchweg gute Strassennetz erstreckt sich mit etwa 500 Kilometern über die gesamten Inseln, dort gilt Höchstgeschwindigkeit 80 km/h, in den Städten 50 km/h.

Da wir bereits auf Vágar sind, möchten wir noch ein paar Sehenswürdigkeiten einsammeln, bevor es nach Streymoy ins Hotel geht. Mit zu den bekanntesten Fotomotiven gehört der Wasserfall Múlafossur in der Nähe des Örtchens Gásadalur. Über die Landstrasse 45 fahren wir nach Westen. Einen einspurigen Tunnel und gut 20 Minuten später sind wir schon am Ziel. Wir parken in Gásadalsgarður, was zugleich das Ende der Strasse darstellt. Es sei erwähnt, dass auf den Färöern kostenlos geparkt werden darf und an vielen touristischen Orten (also mitten im Nirgendwo) öffentliche Toiletten zur Verfügung stehen. Das nenne ich Service. Dann starten wir zu unserer Wanderung im Regen. Die Gegend wirkt trotz des schlechten Wetters beindruckend. Und überall Schafe, Schafe, Schafe. Ein paar Minuten später stehen wir auf der gegenüberliegenden Seite des Wasserfalls, der sich aus einer Höhe von mehr als 30 Metern in den Atlantik stürzt. Starker Wind peitscht das Wasser gegen den Felsen und lässt Möwen praktisch auf der Stelle segeln. Genau so habe ich mir die Färöer vorgestellt.













Auf dem Rückweg möchten wir noch das Örtchen Bøur besuchen. Kurz vor Ankunft dort bietet sich uns ein schöner Blick auf Tindhólmur, den grössten Holm des Archipels. Links davon ragen zwei Felsspitzen – Drangarnir genannt – schroff aus dem Meer. Einzig das diesige Wetter verhindert, dass so etwas wie Postkartenidylle aufkommt. Wir fahren weiter und erreichen das pittoreske Dorf. Mit seinen grasgedeckten Holzhäusern und der klassischen Holzkirche ist Bøur prototypisch für so viele Orte auf den Färöern, gilt aber wegen seines Ausblicks auf Tindhólmur und Drangarnir als eines der schönsten Dörfer des Landes. Wir spazieren ein wenig durch die Strassen, bis wir schliesslich an der alten Kirche aus dem Jahr 1865 eintreffen. Nach gerade mal drei Stunden haben uns die Färöer schon längst in ihren Bann gezogen. Andererseits ist es aber auch schwierig, sich diesem Charme zu widersetzen. Wenn nur der Regen nicht wäre...











Ein Blick auf die Uhr erinnert uns daran, langsam in Richtung Hotel aufzubrechen. Zudem ist das kalte und nasse Wetter wenig einladend, weitere Exkursionen zu unternehmen. Über die Landstrasse 11 gelangen wir zum Vágartunnel, der 105 Meter unterhalb des Vestmannasunds die Inseln Vágar und Streymoy verbindet. Die Durchfahrt kostet 100 Kronen (Hin- und Rückfahrt), abgerechnet wird über das Nummernschild. Wer mit dem eigenen PKW unterwegs ist, hat drei Tage Zeit, die fällige Maut online zu begleichen. Auf der anderen Seite geht es dann weiter über die Strassen 40 und 50 bis nach Tórshavn. In der Hauptstadt leben über 40 Prozent aller FäringerInnen, zudem ist Tórshavn wichtigste Drehscheibe für den Handels- und Fährverkehr. Schon von weitem erkennen wir unsere Herberge für die nächsten sechs Tage und Nächte. Das Hilton Garden Inn wurde im Jahr 2020 eröffnet und liegt durchaus zentral für Ausflüge in die Stadt und Umgebung. Beim Check-in wird uns freundlich mitgeteilt, dass es nur 300 Tage im Jahr regnen würde, vielleicht hätten wir ja Glück und die Sonne kommt durch [sic!]. Auch muss der Digital Immigrant dieses Mal sein technisches Unvermögen nicht selbst unter Beweis stellen. Wir erhalten Schlüsselkarten für ein Zimmer auf der vierten und zugleich obersten Etage. Inzwischen ist es 19:30 Uhr. Mit knurrendem Magen werfen wir einen Blick auf den Stadtplan und entscheiden uns für ‚The Tarv‘, ein Restaurant direkt am Hafen. Heute gibt es Ceviche vom Seeteufel sowie Lammfilet vom Grill. Beides vorzüglich; wie auch der Preis.







Müde kehren wir zwei Stunden später ins Hotel zurück. Den Kindern fallen bereits die Äuglein zu und auch mir bereitet es sichtlich grosse Mühe, nicht an Ort und Stelle einzuschlafen. Gedanklich lasse ich den Tag noch einmal Revue passieren. Bilder entstehen in meinem Kopf und ein Lächeln zaubert sich auf mein Gesicht; wenn nur der Regen nicht wäre...
 
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Kornado

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28.05.2017
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Als eingefleischter Fan der nördlichen Natur lese ich hier natürlich gern mit.
Aber Respekt, auf Färöer als Urlaubsziel zu Ostern wäre ja selbst ich nicht gekommen. Wobei, ich war ja auch schon zweimal im März auf den Lofoten zum Fischen.
Vielen Dank fürs teilen, freue mich auf Fortsetzung!
 
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flyermeier

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27.08.2021
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Ich freue mich auch sehr auf den Bericht. Ich war vor Jahren mal mit der Fähre auf den Färöer, dort war die Anreise schon sehr abenteuerlich.
 
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monty2006

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17.11.2011
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Tag 3: Unterwegs auf Streymoy

Gut erholt schäle ich mich aus dem Bett. Der Blick nach draussen verrät Sonnenschein – ein Wunschtraum. Ich meinte natürlich dunkle Wolken und Regen. Nach einer heissen Dusche geht es zum Frühstück. Weshalb uns beim Check-in diese kleinen blauen Kärtchen mit ‚Diamond member breakfast‘ ausgehändigt wurden, erschliesst sich mir nicht. Für Statusgäste sind Tische am Fenster reserviert. Das Frühstücksbuffet ist solide und reichhaltig, nur die Kaffeemaschine braucht Ewigkeiten, bis sie eine Tasse des braunen Goldes produziert. Die Schlange hinter mir wächst und Herr R. aus GF [Name durch Caesar-Chiffre geändert; Anm. d. Red.] wird ungeduldig. Auf dem heutigen Tagesplan stehen Tórshavn und Streymoy. Eine der Lehren des gestrigen Tages ist warme Kleidung. Die Kinder sind bestens vorbereitet (besonders Monty, die alte Frostbeule) und warten schon auf unseren Einsatz. Wieder führt die kurze Fahrt zum Hafen. Von dort laufen wir zur Halbinsel Tinganes, den ältesten Teil der Stadt. In den engen Gassen hat auch die färöische Landesregierung ihren Sitz.













Vorbei an den riesigen Kähnen führt uns der Weg zu den Fischern (genau genommen ist es nur einer), die am Hafen ihren Fang feilbieten. Ob vielleicht mein Abendessen dabei ist? Frischer Fisch ist etwas Faszinierendes, aber nach dem ausgiebigen Frühstück gelüstet es mich gerade nicht nach Sushi. Wir laufen weiter. Am Fährterminal steht die Ternan der staatlichen Regionalverkehrsgesellschaft Strandfaraskip Landsins zur Beladung bereit, die mehrmals täglich entlang Route 90 auf die Insel Nólsoy übersetzt. Die Fahrzeit wird mit 30 Minuten angegeben. Nicht ganz so weit entfernt liegt unser nächster Anlaufpunkt. Zwischen den vielen Masten ragt auf einer Anhöhe die historische Festungsanlage Skansin mit dem kleinen Leuchtturm empor.









Ursprünglich als Schutz vor Piratenüberfällen gebaut, finden sich in der Festungsanlage noch immer Zeugen der britischen Besatzung aus dem zweiten Weltkrieg. Operation Valentine verfolgte das Ziel, die Färöer vor einem deutschen Angriff respektive der Übernahme zu schützen. Auch waren die Färöer ihrer strategischen Lage wegen ein wichtiger Bestandteil der Seeblockade im Nordatlantik sowie im Kampf gegen deutsche U-Boote. Die britische Besatzung wird zudem als weiterer Auslöser für die Autonomie der Färöer aus dem Jahr 1948 genannt. Im Hintergrund der grossen Seekanone sind die Umrisse von Nólsoy schwach im Dunst zu erkennen. Unter besseren Bedingungen sicher ein idealer Aussichtspunkt, aber heute ist selbst der Blick auf die Stadt und den Hafen getrübt. Der Himmel zieht sich weiter zu. War es in der letzten Stunde halbwegs trocken, so liegt nun Regen in der Luft.











Am Fusse der Festungsanalage befindet sich Fríða, eine Bronzeskulptur des färöischen Bildhauers Hans Pauli Olsen, dessen Werke auch an vielen anderen Stellen in Tórshavn anzutreffen sind. Es beginnt zu regnen. Wir laufen zurück und durchqueren erneut Teile der Altstadt. Rund um den Dom geben sich Restaurants die sprichwörtliche Klinke in die Hand. Mehrere der Küchen prägen das typische Bild der Gegend: Fische, die an einer Trockenstange aufgehängt wurden. Schliesslich erreichen wir das obere Ende der Halbinsel, dort steht der Dom zu Tórshavn. Das aus dem Jahr 1788 stammende Gebäude ist Sitz des Bischofs der Färöer. Der Regen wird stärker und wir flüchten ins Kaffihúsið. Bei Cappuccino und Kuchen erfolgt die Planung für den Nachmittag. Nachdem die dunklen Wolken langsam weiterziehen, versuchen wir erneut unser Glück. Auf dem Parkplatz posiert ein orangefarbener Oldtimer, der verschiedenste Blicke auf sich zieht. Oder ist das etwa nur eines dieser Hertz Supercars?













(Beitrag aufgrund von Limitierungen bei der Bilderzahl gesplittet...)
 
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monty2006

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17.11.2011
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(…hier geht es weiter.)

Über die Landstrasse 50 – auch als Panoramaroute bekannt – geht es nordwärts. Ziel: Vestmanna. Leider versteckt sich das Panorama aktuell hinter einer dichten Nebelwand. Also kein Foto. Mitten im Nirgendwo mündet die Route letztlich an einer Effo-Tankstelle auf die Landstrasse 40. Von dort führt uns der Weg westwärts vorbei am Mjauvøtn, einem auf 208 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen See. Dererlei Gewässer finden sich an zahlreichen Stellen auf den Färöern, ebenso wie die hier grasenden Schafe. Wir erreichen Vestmanna, zweitgrösste Stadt auf Streymoy. Vom Naturhafen aus wurde früher die Fähre nach Vágar bedient, heute gibt es dafür den Unterseetunnel. Auf sich aufmerksam macht Vestmanna gegenwärtig durch das grösste Wasserkraftwerk der Inseln. Das in den Bergen gestaute Wasser wird über Rohrleitungen zum grellbunten Kraftwerksgebäude Heygaverkið befördert, das zusammen mit zwei weiteren Kraftwerken eine Gesamtleistung von 13,7 MW liefert. Respekt. Zur Ehrung für seine Pionierleistungen bei der Verlegung von Telefon- und Wasserleitungen auf den Färöern blickt die Statue von Ólavur á Heygum (1866 – 1923) neben dem Kraftwerk über den Hafen. Jetzt würde ich durchaus von Idylle oder Panorama sprechen...















Wir möchten noch auf die andere Seite der Insel, allerdings bedeutet das zurück bis zur Tankstelle und dann über Kollafjørður am Ostufer entlang hoch bis Hvalvík. Luftlinie etwa 7 Kilometer, mit dem PKW stattliche 37 Kilometer. Unterwegs machen wir eine kurze Fotopause bei Kvívík, das in einer kleinen Bucht liegt und mit zu den ältesten Orten der Inseln zählt. Die Route führt uns ebenfalls an Leynar vorbei, vorrangig über eine Brücke über den Wildbach Leynará. Das Örtchen bietet zudem einen kleinen Sandstrand, der im Sommer bei den FäringerInnen sehr beliebt ist. Gut 20 Minuten später erreichen wir Við Áir, eine ehemalige Walfangstation, die bis in die 1930er Jahre von einer norwegischen Firma betrieben wurde. Im Jahr 1986 wurde der Walfang hier endgültig eingestellt und seitdem dient die Anlage als Museum. Nachdem die erlegten Wale mittels dampfbetriebener Winden auf das grosse Deck gezogen wurden, trennten so genannte Flenser den Speck vom Fleisch, um diesen in einem weiteren Schritt zu Walöl zu verarbeiten. Ein paar alte Aufnahmen zeugen von dieser Zeit.















Finale Station an diesem Tag ist Hvalvík. Prominenteste Sehenswürdigkeit des Dörfchens ist die grasgedeckte Holzkirche aus dem Jahr 1829. Wir kommen mit einem Einheimischen ins Gespräch, der gerade seine Schafe füttert. Er erzählt uns, bis Mitte Mai dürfen die Schafe noch in den Dörfern umherlaufen, danach müssen sie hoch auf die Bergwiesen. Die Frage ist, wer hier vor wem bewahrt werden soll – die Schafe vor den Touristen oder die Touristen vor den Schafen. Ausserdem legt er uns den Besuch des Dorfes Saksun ans Herz, das entlang dieser Strasse etwa 10 Kilometer weiter nördlich liegt. Den Besuch haben wir fest eingeplant, allerdings nicht mehr heute. Es ist bereits 17:30 Uhr und für 19:00 Uhr haben wir einen Tisch im Barbara Fishhouse reserviert. Noch ein letztes Foto von den Wassermassen, die sich überall von den Bergen in die Täler Bahn brechen, dann geht es wieder zurück.









Bei unserem Spaziergang am Morgen sind wir bereits am Restaurant vorbeigelaufen. Barbaras Küche wird gelobt und auch wir werden nicht enttäuscht. Das 3-Gänge-Menü startet mit einem Jakobsmuschel-Ceviche, gefolgt von gedämpftem Seeteufel in Tomatensauce. Zur Nachspeise wird Eiscreme mit Beeren und weisser Schokolade serviert. Alles sehr lecker und preislich vertretbar. Gut gesättigt falle ich ins Bett und schliesse zufrieden meine Äuglein; nur dieser Regen, den bräuchte es wirklich nicht...





 
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shauri

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: Vestmanna. Leider versteckt sich das Panorama aktuell hinter einer dichten Nebelwand. Also kein Foto. Mitten im Nirgendwo mündet die Route letztlich an einer Effo-Tankstelle auf die Landstrasse 40. Von dort führt uns der Weg westwärts vorbei am Mjauvøtn,
Bei den Namen dachte ich gerade, ihr seid versehentlich doch auf Island gelandet, dort heisst es halt Vestmanneyjear und Myvatn...

Bringt mich zu der Frage, welche Sprache auf den Färöern eigentlich gesprochen, sie scheint ja dem isländischen sehr ähnlich... laut Wikipedia ist es tatsächlich eine eigene Sprache, aber sehr dicht mit dem isländischen verwandt. Da wären wir wieder bei meiner Schwäche für vollkommen nutzlose Sprachen...
 
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monty2006

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So viel ich mitbekommen habe, ist es dem Dänischen ähnlich, aber dann doch irgendwie anders. Jedenfalls kommst du mit Englisch auf allen Inseln sehr gut weiter. :)
 
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shauri

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So viel ich mitbekommen habe, ist es dem Dänischen ähnlich, aber dann doch irgendwie anders. Jedenfalls kommst du mit Englisch auf allen Inseln sehr gut weiter. :)
Vom Schriftbild und wie es sich liest scheint es deutlich mehr mit isländisch gemeinsam zu haben. Englisch können die Skandinavier ja zum Glück fast alle. Macht sie Sprachen nicht weniger interessant 🙂
 
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monty2006

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Tag 4: Wandern auf Eysturoy

Der übliche Blick aus dem Fenster birgt keine Überraschung. Es regnet. Die Kinder verstecken sich bis zur Nasenspitze unter der Decke; ich gönne mir eine Dusche. Wenn schon Wasser von oben, dann bitte heiss. Beim Frühstück treffen wir auf die üblichen Verdächtigen, auch Herr R. aus GF ist schon da. Hatte ich die Kaffeemaschine bis dato erfolgreich aus meinem Kurzzeitgedächtnis verdrängt, so werde ich nunmehr mit der grausamen Realität konfrontiert. Kaum zwei Minuten später halte ich meinen Latte Macchiato in Händen. Es folgt eine grosse Stärkung, denn heute steht Wandern auf der Tagesordnung. Die Rucksäcke sind gepackt, die Kinder verstaut, wir sind startklar. Die Route führt uns nach Nordosten, den Weg dorthin kenne ich mittlerweile im Schlaf. Bevor wir jedoch die Insel wechseln, halten wir kurz in Hósvík. Vom Hafen aus lässt sich der Sund zwischen Streymoy und Eysturoy gut einsehen. Ich werde von einem kauenden (Punk)Schaf beobachtet; die Auguren würden das als Vorbotin des Guten deuten. Und in der Tat, der Himmel klart auf und vereinzelt sind tatsächlich so etwas wie Sonnenstrahlen zu erkennen.









Bei Oyrarbakki verlassen wir Streymoy und fahren über eine Brücke nach Eysturoy auf die zweitgrösste Insel der Färöer. Sechsundsechzig Gipfel soll es hier geben; spontan kommen mir Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer in den Sinn: „Eine Insel mit zwei Bergen und dem tiefen weiten Meer, mit viel Tunnels und so weiter…“ Ohrwürmer sind wie Tinnitus: einmal aktiviert, lassen sie sich nur schwerlich wieder ausschalten. „Wo denn? Wo denn? Ah, jetzt, ja, eine Insel.“ Wir verbleiben auf Landstrasse 10 Richtung Westen und nehmen schliesslich den Abzweig nach Funningsfjørður. Früher befand sich hier eine Walfangstation, heute dient das verschlafene Nest zuweilen als Fotomotiv über den gleichnamigen Fjord. Erneut werden wir von Schafen belagert, die sich etwas Essbares von uns erhoffen. Sorry, Freunde, füttern verboten.











Unsere nächste Station liegt nur 7 Kilometer entfernt, das Örtchen Funningur. Wenn es diesem Tempo weitergeht, kommen wir nie an. Funningur ist vor allem für seine Kirche berühmt. Mit dem Fjord im Rücken ist das wahrlich eines der schönsten Motive dieser Reise. Ein paar Gänse gesellen sich zu den Schafen und machen uns unmissverständlich klar, dass das ihr Territorium ist. Verstanden. Vom Ufer aus erstreckt sich ein Panorama über den gesamten Fjord bis hinüber zur Insel Kalsoy. Die so genannte ‚Männerinsel‘ ist für zwei Dinge bekannt: Kópakonan, die Robbenfrau (ist das etwa ein Oxymoron?) sowie einen Grabstein, der erst vor kurzem von der Färöer Regierung aufgestellt wurde. Kein Geringerer als James Bond liegt dort begraben, nachdem er in „No time to die“ auf der Insel verstarb. Serpentinen pflastern unseren Weg, der Qashqai kommt leicht ins Schnaufen. Wir gönnen ihm eine Pause. Habe ich schon erwähnt, dass die Sonne scheint?









Nach weiteren 7 Kilometern erreichen wir (endlich) Gjógv. Die meisten Besucher kommen des Naturhafen wegen, wir möchten lieber hoch hinaus. Am Gjáarkaffi gibt es nicht nur frische Waffeln und heissen Kaffee, sondern auch Parkplätze. Von dort führt die Route uns oberhalb des Naturhafens an den Klippen entlang. Grundsätzlich ist das keine schwere Wanderung, aber der starke Wind macht das Vorankommen fast unmöglich. Erst einmal oben angekommen, war der Aufstieg alle Anstrengung wert. Der Blick ist unbeschreiblich. Vor uns stürzen die Klippen schroff in die Tiefe, dahinter bettet sich Kalsoy friedlich in den Atlantik. Eine Möwenkolonie hat sich in den Felsspalten niedergelassen und vollführt tollkühne Manöver beim Landeanflug auf ihre Nistplätze. Auch wenn ich ewig an diesem wunderbaren Ort verweilen könnte, so treibt mich der harsche Wind langsam wieder nach unten. Es folgt noch der verpflichtende Besuch des Naturhafens, von dem aus bereits die Wikinger in See stachen, dann verlassen wir Gjógv und setzen Segel, pardon, fahren weiter gen Westen.













Es sind nur 14 Kilometer von der Nordost- zur Nordwestküste der Insel. Erste Regel im färöischen Strassenverkehr: immer Vollgas. Nein, das war es nicht. Ach ja, immer bremsbereit sein, hinter jeder Kurve kann bereits das nächste Fotomotiv lauern. Wir halten am Eiðisvatn, dem fünftgrössten natürlichen See der Färöer. Schafe verfolgen jeden unserer Schritte, insbesondere Schaf #208 beäugt mich mit wachsamem Interesse. Nach gerade mal zwei Kilometern folgt der nächste Stop. Wir sind am Aussichtspunkt Risin og Kellingin – das bedeutet etwa so viel wie ‚der Riese und das Weib‘. Gemeint sind zwei Steinsäulen, die aus dem Meer ragen. Wer wer ist, bleibt der Fantasie der Leserin überlassen. Schliesslich erreichen wir Eiði, das nordwestlichste Dorf von Eysturoy. Auffällig ist vor allem der neue Fussballplatz, der alte wurde im Jahr 2015 als Campingplatz umfunktioniert. Färöer und Fussball, das ist auch so eine Geschichte. Die Nationalelf der Männer durfte schon mehrmals gegen Mannschaften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz antreten, konnte sich aber bisher noch nie für eine Europa- oder Weltmeisterschaft qualifizieren. Um den Kaiser zu zitieren: „Erfolg ist ein scheues Reh. Der Wind muss stimmen, die Witterung, die Sterne und der Mond.“ Wir flanieren ein wenig durch das Dorf, natürlich darf auch hier die klassische Holzkirche nicht fehlen.











Den südlichen Teil der Insel prokrastinieren wir auf einen anderen Tag. Heute würden wir lieber den noch fehlenden nördlichen Teil von Streymoy erkunden. Bei Oyrarbakki geht es über die Brücke wieder zurück auf ‚unsere‘ Insel und dort entlang der Strasse 594 nach Norden. Wir halten am Fossá, einem der höchsten Wasserfälle der Färöer. Sah es von der anderen Seite (Eysturoy) schon spektakulär aus, so erschlägt uns auf dieser Seite förmlich die schiere Kraft der Wassermassen. Von hier sind fernerhin die Aquakulturen gut zu sehen, die praktisch überall rund um die Inseln gehalten werden. Das lockt auch anderes Meeresgetier an und so streckt eine kleine Robbe ihren Kopf aus dem Wasser. Ich werde das Gefühl nicht los, heute beobachten mich irgendwie alle. Nachdem wir uns – schweren Herzens – von unserer neuen Freundin getrennt haben, zieht die Karawane weiter. Nächste Etappe: das beschauliche Örtchen Haldórsvík.









Die Fahrt ist kurz, keine drei Kilometer. In Haldórsvík sticht sofort die weisse Kirche mit dem oktogonalen Grundriss ins Auge. Auf einer kleinen Anhöhe befindet sich ein Denkmal, das an Seeleute und Fischer aus der Gegend erinnert, die im Atlantik ihr nasses Grab gefunden haben. Ausserdem lässt sich von hier die gesamte Bucht inklusive Kirche und begrüntem Pier gut überblicken. Vor uns liegen noch fünf Kilometer. Die Fahrbahn wird einspurig und führt uns ans Ende der Strasse nach Tjørnuvík. Die kleine Bucht mit dem Sandstrand ist vor allem bei SurferInnen ausgesprochen populär. Im Hintergrund sind Risin und Kellingin zu sehen. Noch immer bin ich im Unklaren darüber, wer von den beiden der ‚Riese‘ und wer das ‚Weib‘ ist. Nun ja, ich habe zumindest eine Ahnung. Natürlich darf auch im äussersten Norden von Streymoy eine Kirche nicht fehlen, genausowenig wie Schafe. Die Kirche stammt aus dem Jahr 1937, nachdem die alte Kirche abgebaut und über die Berge nach Saksun transportiert wurde. Unser letztes Ziel an diesem Tag.













Wieder sind es Luftlinie nur wenige Kilometer, aber wir müssen zuerst (zurück) nach Hvalvík, bevor wir den Abzweig zum Westufer nehmen können. Gab es hier früher nur einen Wanderweg, so führt inzwischen eine einspurige Strasse nach Saksun. Die Fahrt per se ist ein landschaftlicher Augenschmaus und eindeutig eines dieser Must-Do's auf den Färöern. Einsam und verlassen liegt die grasgedeckte Kirche aus Tjørnuvík in der pittoresken Bucht von Saksun, die von ein paar alten Bauernhöfen flankiert wird. Laut Zensus 2015 leben hier noch etwa 10 Menschen. Sollte eine dieser seltenen Begegnungen unausweichlich sein, so wird Fremden (auf Nachfrage) gerne Zutritt zum 300 Jahre alten Gutshof gewährt, der heutzutage als Museum betrieben wird. Wir haben unser Programm für den Gründonnerstag damit erfolgreich abgearbeitet. Für 19:00 Uhr steht ein Rendezvous mit Katrina Christiansen im Kalender; eigentlich bei Katrina Christiansen, ihres Zeichens Tapas Bar und Restaurant in Tórshavn. Das Menü wird uns heute Abend euphemistisch in 7 Gängen (eigentlich sind es sieben Schälchen) kredenzt: Lachstatar, gebratener Kohl, Jakobsmuschel-Ceviche, geschmorte Ochsenbäcken, Zunge vom Kabeljau (wenngleich Fische keine Zungen haben), Schellfischkroketten und zur Nachspeise die Wahl zwischen Creme Katrina oder einer dekonstruierten Zitronentarte.













Sahen die Schälchen anfangs doch sehr übersichtlich aus, so verlassen wir das Lokal mit angenehmem Füllzustand und nur moderater Erleichterung im Portemonnaie. Die Kinder schlafen schon, lange muss das Bett auf mich auch nicht warten. Rückblickend war es ein sehr schöner und abwechslungsreicher Tag; und über den Regen kann ich mich heute grundsätzlich nicht beklagen...
 

Kornado

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28.05.2017
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Immer wieder schön Motive der nordischen Natur betrachten zu können.
Musste manchmal genau hinschauen ob wir uns hier nicht auf den Lofoten befinden, da mir einiges so bekannt erschien.
Sehr schön hier mitzureisen!
 
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Travel_Lurch

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15.09.2009
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Tolle Landschaft - aber auch für mich würde gelten: "wenn nur der Regen nicht wäre".
Warmer Regen wäre nur bedingt besser.

Die 4 Schafe mit dem perfekten Queueing hatten wohl eine Ausbildung in UK?

Vielen Dank fürs Mitnehmen! Macht Laune, schöne Landschaften im hohen Norden anzuschauen (vom trockenen Sofa aus).
 
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monty2006

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17.11.2011
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Tolle Landschaft - aber auch für mich würde gelten: "wenn nur der Regen nicht wäre".
Warmer Regen wäre nur bedingt besser.

Die 4 Schafe mit dem perfekten Queueing hatten wohl eine Ausbildung in UK?

Vielen Dank fürs Mitnehmen! Macht Laune, schöne Landschaften im hohen Norden anzuschauen (vom trockenen Sofa aus).
Im Grossen und Ganzen hatten wir mit dem Wetter wirklich Glück. Wobei schon zu erwähnen ist, dass es auch so etwas wie Mikroklima gibt. Auf der einen Insel regnet es, auf der nächsten scheint die Sonne. Musst halt nur zur rechten Zeit am rechten Ort sein :p
 
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monty2006

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17.11.2011
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Tag 5: Rückkehr nach Eysturoy

Die aufmerksame Leserin antizipiert bereits, was nun folgt: Fenster, Vorhang, Regen. Mehr oder weniger passend zum Karfreitag. Auf den Färöern stehen heute deswegen die Flaggen auf Halbmast. Eine heisse Dusche belebt die noch müden Geister (nein, nicht die Kinder), dann geht es zum Frühstück. Wie jeden Morgen studiert der Herr am Nebentisch Reiseblogs auf seinem Laptop und macht sich Notizen zwischen Joghurt und Croissant. Herr R. aus GF ist noch nicht da. Wir möchten heute die südliche Seite von Eysturoy erkunden – retrospektiv eine kluge Entscheidung. Der Start ist auf 10:00 Uhr terminiert. Noch prasselt der Regen gegen die Scheibe unseres Qashqais, doch schon bald zeigt der Himmel ein freundlicheres Gesicht und hinter Hósvík erstrahlt ein Regenbogen. Das ist schon eine interessante Sache mit dem Wetter hier. Während es an dem einen Ende regnet, ist es am anderen Ende nass. Sonnenschein, ich meine natürlich Sonnenschein. Bei Oyrarbakki setzen wir wieder über auf die Nachbarinsel und besuchen nochmal das Örtchen Funningsfjørður. Heute führt uns die Route am Ostufer entlang, von hier bietet sich ein spektakulärer Blick über den Fjord bis hinüber nach Funningur mit seiner malerischen Kirche.









Unser Ziel heisst Elduvík – ein idyllisches Örtchen umrahmt von Bergen, das durch den Fluss Stórá in zwei Teile getrennt wird. Auf der westlichen Seite befindet sich der charmante historische Teil mit seinen farbenfrohen Häusern und der Kirche, auf der anderen Seite liegt das Hafenbecken mit seinen Bootshäusern. Elduvík ist vor allem bei TaucherInnen sehr beliebt, da die Ostseite der Bucht mit spektakulären Unterwasserlandschaften und reichhaltigen Krabbenpopulationen aufwartet. Auch Schafe wissen dieses üppige Speisenangebot offenbar zu schätzen. Ein paar Austernfischer leisten ihnen Gesellschaft. Der schwarz-weiss gefiederte Vogel mit dem markanten orangeroten Schnabel ist nicht nur Nationalvogel der Färöer, sondern kündigt mit seiner Rückkehr aus dem Winterquartier auch den Frühlingsanfang an. Die im Jahr 2020 aufgestellte Skulptur des Künstlers Hans Pauli Olsen soll an die Legende des Marmennilin, eines Meermannes (also quasi ein Nix ohne ‚e‘), erinnern, der gerne die Fischer foppte, indem er ihre Köder frass und die Haken am Meeresboden vertäute. Natürlich darf auch hier der Blick auf Kalsoy nicht fehlen; die Geschichte mit James Bond hatte ich ja bereits erzählt...













Wie schön wäre es, wenn unser Qashqai fliegen könnte. Und wieder schiesst mir eine Kindheitserinnerung durch den Kopf: Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt. Äh, ja. Wo waren wir stehengeblieben? Etwa drei Kilometer Luftlinie trennen uns von Oyndarfjørður. Praktisch müssen wir südlich bis zur Strasse 10, von dort den Abzweig auf die Strasse 643 und dann wieder nördlich bis zum Ziel. Google sagt 23 Kilometer. Unterwegs kommen wir an Mowi vorbei, einem Betrieb zur Verarbeitung von Fisch und Meeresfrüchten sowie – nach eigener Aussage – weltweit grösster Produzent von atlantischem Lachs. Am Ende der Strasse liegt Oyndarfjørður, seines Zeichens beschauliches Dorf mit bunten Häusern und einer grasgedeckten Holzkirche. Die Strasse per se wurde im Jahr 1969 fertiggestellt, bis dahin war das Dorf mehr oder weniger isoliert. Auch Mowi ist hier mit einem eigenen Lager vertreten. Der Grund unseres Besuchs liegt allerdings am Ortsrand. Von hier sind nicht nur die Lachsfarmen im gleichnamigen Fjord gut einzusehen, sondern hier befinden sich auch die berühmten Rinkusteinar. Gemeint sind zwei Felsen, die trotz mehrerer Tonnen Gewicht mit den Wellen hin und her schwanken. Zur Verdeutlichung des Effekts wurde eine Kette angebracht, die sich bei jeder Bewegung spannt und wieder lockert. Darf man und frau den alten Mythen glauben, so hat eine Zauberin zwei Piratenschiffe in die beiden Felsen verwandelt, nachdem diese das Dorf bedroht haben. Na dann, Rock ’n’ Roll.













Es geht wieder südwärts. Entlang Strasse 10 erreichen wir den Skálafjørður, mit 14 Kilometern den längsten Fjord des Archipels. Wir sammeln ein paar Eindrücke in den beiden Orten Søldarfjørður und Lambi, bevor wir schliesslich Glyvrar erreichen. Auffallend ist die Dorfkirche mit ihrem modernen Stil, die sich nicht so ganz in die Reihen der grasdeckten Holzkirchen einzureihen vermag. Direkt dahinter schliesst sich der Pier mit diversen Hallen von Bakkafrost an. Das fischverarbeitende Unternehmen betreibt zahlreiche Aquakulturen auf den Färöern und gehört neben Mowi zu den grössten Lachsproduzenten der Welt. Zudem hat die Hans á Bakka gerade am Pier angelegt, ein mit drei 1000 Kubikmetern grossen Wassertanks ausgestatteter Frachter für den Lebendtransport von Fischen. Wir schlendern noch ein wenig über den Pier. Von hier bietet sich uns ein schöner Blick über den Fjord, wenn nur die Regenwolken nicht wären.













Die Fahrt führt uns übers Hochmoor nach Æðuvík und Rituvík. Das an der Südspitze von Eysturoy verortete Æðuvík liegt in der Nähe der Stätte Tinghellan, wo die FäringerInnen einst ihr Frühjahrsthing abhielten. Wer nicht gerade zum Camping da ist, kann sich den Besuch des Dörfchens aber im Wesentlichen ersparen. Wie steht es so schön im Reiseführer geschrieben: Æðuvík hat einen entzückenden winzigen Hafen, von dem aus nichts Anderes als der Atlantik bestaunt werden kann. Weise Worte. Da ist die Aussicht vom Hochmoor mit seiner rauen Landschaft über den Toftavatn, den viertgrössten natürlichen See der Färöer, bis hin nach Runavík deutlich bemerkenswerter. Und auch an Schafen mangelt es hier oben selbstverständlich nicht. Ein kurzer Abstecher nach Rituvík bringt uns schliesslich in den Südosten der Insel. Das am Meer gelegene Dorf besticht vornehmlich durch seine weisse Holzkirche, die malerisch auf einer Anhöhe über der kleinen Bucht prangt. Vor der Kirche vergegenwärtigt eine Bronzeskulptur des bereits verstorbenen Bildhauers Fridtjof Joensen die vielen TorfstecherInnen, die hier früher dieser harten Arbeit nachgegangen sind.











Auf der südlichen Route 682 um den Toftavatn gibt es einen – schlecht ausgeschilderten – Abzweig, den wir eher aus Zufall oder Neugier genommen haben. Die Strasse führt hinauf zum Windpark an der Südspitze der Insel. Mitten in der Einöde treffen wir dann unerwartet auf Kunst: eine kreisrunde Windorgel, die zum Sitzen und Lauschen einlädt. Vielleicht ist das ja der ominöse Lärm der Naturgeister, die nach ihrer Verbannung aus Æðuvík hier ihr Unwesen treiben sollen. Vorbei an den beiden Seen Nesvatn und Tjørnin endet die Strasse letztendlich am Eystnes, einem Gipfel mit drei der insgesamt acht installierten Windkraftanlagen, die von Tórshavn aus stets gut zu sehen sind. Ich stehe direkt unter dem drehenden Rotor, aber ausser einem periodischen Surren, eher ein Schleifgeräusch, ist nicht viel zu hören. Irgendwie habe ich mir das schlimmer vorgestellt. Vor uns eröffnet sich ein Panorama mit faszinierendem Blick auf Nólsoy, über das gerade tiefhängende Wolken hinwegziehen. Und als ob wir es bestellt hätten, taucht der britische Zerstörer HMS Defender (D36) aus dem Nebel auf und zieht an uns und Nólsoy vorbei. Die mit Sea Viper-Raketen ausgestattete Defender dient primär zur Luftverteidigung der Flotte und gilt als eines der modernsten Kriegsschiffe. Bekannt wurde der Zerstörer vor allem nach einem Vorfall im Schwarzen Meer (23. Juni 2021), als er umstrittene Gewässer der Halbinsel Krim durchfuhr und die russische Seite ihn durch Warnschüsse zum Verlassen selbiger aufforderte.











Wir fahren den ganzen Weg wieder zurück bis zum Abzweig und setzen dann unsere Route fort. Ein letzter Stop in Nes führt uns noch einmal die Konsequenz des Zweiten Weltkriegs vor Augen. Zwei britische Kanonen bewachten an der Einfahrt des Skálafjørður die hiesigen Öldepots. Zudem wurden an der Mündung des Fjords noch Stahlnetze gespannt, um deutsche U-Boote am Eindringen zu hindern. Heute ist das verrostete Stück Stahl nur noch stummer Zeuge dieser Zeit, der Betonsockel einer der beiden Kanonen und der Munitionsbunker dienen inzwischen besseren Zwecken: als Fundament eines Hauses und als Kartoffelkeller. Der Karfreitag neigt sich langsam dem Ende zu und ein erstes Hungergefühl macht sich bemerkbar. In Tórshavn angekommen wollen die verfrorenen Kinder zurück unter die Decke. Von Sonne, Strand und Meer war nie die Rede. Uns zieht es heute zu Angus ins Steakhouse. Es gäbe noch einen weiteren Ableger in Klaksvík; ob in diesem Fall bereits von Kettenrestaurant gesprochen werden darf, entzieht sich meiner Kenntnis. Zum Abendessen gibt es das Angus Favorite Steak (sehr lecker) mit Belgischen Waffeln und Softeis zum Nachtisch. Im Vergleich zur üblichen Zeche war das heutige Essen regelrecht günstig. Den Weg ins Hotel findet der Qashqai mittlerweile von alleine.









Ich liege im Bettchen und lasse wieder meine Gedanken schweifen. Vor drei Jahren – also Prä-Corona in der neuen Zeitrechnung – waren wir Ostern auf Bermuda. Ähnlich, aber doch ganz anders. (Memo an mich: Der Reisebericht ist immer noch nicht abgeschlossen.) Für morgen stehen die nördlichen Inseln auf dem Programm. Aber morgen ist heute noch ganz weit weg...