Mich stört nur, dass wir trotz der guten medizinischen Versorgung und all dieser tollen Maßnahmen die Ausbreitung nicht in den Griff bekommen. Wir haben seit 10 Tagen einen stetigen Zuwachs von 25% pro Tag

Woran liegt's, deiner Meinung nach, wenn wir alles richtig machen?
Klingt nach beim Nachbarn ist das Gras immer grüner. Soviel anders verläuft die Infizierungskurve gar nicht, und es wurde auch in Asien nicht so schnell und rigide durchgegriffen, wie es uns hier einige weiß machen wollen bzw. sich wünschen. Das man andernorts vermeintlich über dem Berg ist, liegt in erster Linie daran, dass man mehrere Wochen voraus ist. Wir sollten auch endlich folgende drei "Hoffnungen" begraben, diese versperren nur den Blick auf die Realität:
1.) Es gibt noch eine Lösung mit der wir glimpflich davon kommen
Das ist eine absolute Wunschvorstellung! Egal welche Maßnahmen wir nun ergreifen, egal ob wir nun den Fokus darauflegen möglichst die medizinischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Schäden einzudämmen. In allen Fällen werden wir einen absolut hohen Preis bezahlen. Hinterher werden wir also immer alles falsch gemacht haben.
2.) Wir hatten je eine Chance
Hatten wir nicht! Die erste Infizierungskette von China nach Bayern, ich meine es war sogar schon in Januar, wurde ja noch erfolgreich identifiziert, isoliert und alle Betroffenen sind Genesen. Bei der zweiten Welle aus Italien mit mehreren, parallelen Infektionswegen ist dies nicht mehr gelungen. Nun sagen natürlich viele, ja weil man eben nicht konsequent genug war und verschlafen hat sich bereits gegen Italien abzuriegeln. Es hätte nicht viel gebracht, das Virus hätte früher oder später seinen Weg über Drittländer gefunden.
3.) Wir können vergangene "Fehler" überkompensieren
Ich höre und lese immer wieder die Hoffnung heraus, dass wenn wir jetzt doch noch mit aller Härte handeln, einfach alle für 2-3 Wochen die Arschbacken zusammenkneifen, der ganze Spuk in einem Monat wieder rum ist und wir kehren ganz normal zu unseren alten Leben zurück. Vergesst es! Corona ist schon lange keine Epidemie mehr, sondern hat sich zur Pandemie gemausert, die in Wellen über die Welt zieht. Bei uns mag die Kurve in 2-3 Wochen abflachen, wird aber dann wohl gerade in Polen oder Tschechien durch die Decke gehen. Eine Immunisierung durch Durchseuchung haben wir aber bis dahin natürlich nicht erreicht, wollen wir uns also weiterhin schützen, müssen wir die bestehende Maßnahmen auf Monate hinaus aufrecht erhalten! Da sollten wir uns lieber heute als in paar Wochen die Frage stellen: Wie lange halten wir dies als Gesellschaft durch, nicht nur im wirtschaftlichen Sinne, sondern ganz allgemein. Haben wir die Kraft und Disziplin unser Leben wirklich auf Monate zu pausieren oder kollabieren wir irgendwann? Da sollte jeder ehrlich zu sich sein.
Wenn dann die Pandemie Durchstanden ist, ist trotzdem nicht wieder alles gut, dann beginnen erst die anderen Probleme, von denen jetzt noch keiner was wissen will. Es wird ja gerade immer denen, die auf die Folgeschäden hinweisen, immer vorgeworfen, sie würden kurzsichtig denken, nicht das Ausmaß der Katastrophe begriffen haben oder gar wirtschaftliche Interessen vor Menschenleben stellen. Ich würde sagen gerade die Leute sind dem Virus schon Monate voraus und denken nicht nur von Tag zu Tag, in der Hoffnung es wird schon wieder besser. Akzeptieren wir die Wahrheit. Corona ist trotz der ergriffenen Maßnahmen bzw. gerade wegen der ergriffenen Maßnahmen, schon längst keine medizinische Krise mehr, sondern trifft uns in allen Bereich des Lebens bis ins Mark! Darum sollten wir endlich damit aufhören, alles was wir tun, alle Maßnahmen die wir ergreifen, rein unter dem medizinischen Aspekt der Eindämmung zu betrachten. Es steht schon jetzt viel mehr auf dem Spiel als nur der Zusammenbruch des Gesundheitssystems!
Gerade den letzten Satz mögen nun einige als Panikmache abkanzeln, oder sie wollen von alledem nichts wissen, genauso wie viele von dem Virus nichts wissen wollten. Aber blicken wir mal der Realität ins Auge. Der prognostizierte Kollaps des Gesundheitssystems ist immer noch nicht eingetreten, es stappeln sich keine Leichensäcke vor den Kliniken. Ich habe in meinem Umfeld nicht einen einzigen der infiziert wäre, aber auch keinen Einzigen der nicht - mal mehr oder weniger - von den Eindämmungsmaßnahmen betroffen ist. Tausende von Selbständige oder Kleinunternehmern ist auf unbestimmte Zeit ihr Gewerbetrieb untersagt, Millionen von Arbeitnehmer wissen nicht was sie mit ihren Kindern machen sollen, ob sie überhaupt noch irgendwie die nächsten Wochen arbeiten können oder Arbeit haben werden, die Börse bricht ein, die ersten Unternehmen kündigen Jobstreichungen an, Minister übertreffen sich gegenseitig mit immer restriktiveren Maßnahmen auf unser Leben, und so weiter, und so weiter. Hätte mir noch jemand vor einem Monat gesagt, dass eine Privatperson in diesem Land, die sich privat mit anderen Personen trifft, darüber eine Liste führen muss, dies Wochenlang aufbewahren und auf Verlangen den Behörden aushändigen muss, ich hätte ihn für irgendeinen Reichsbürger-Spinner gehalten. Und um mal das Bild der Kurve zu bedienen, die wir alle so oft die letzten Tage vor uns gesehen haben: Wir stehen erst ganz am Anfang, noch in dem flachen, linearen Bereich, wo die Folgen noch kaum spürbar sind. Erst wenn wir in den exponentiellen Bereich übergehen, sich all die Faktoren anfangen zu potenzieren, kriegen wir die volle Breitseite ab. Nur wird es dann keinen Lockdown geben mit dem wir die Kurve wieder in den flachen Bereich drücken. Auch keine Konjunkturpakete, die helfen würden und uns weiter mit Cheap Money überschwemmen, wovon nach jahrelanger Nullzinspolitik sowieso mehr als genug vorhanden ist. Bringt alles nichts, wenn die Menschen das Geld lieber horten als auszugeben, weil sie nicht wissen, was morgen sein wird. Vertrauen ist nur schwer aufzubauen, aber sehr schnell verspielt. Und genau das tun wir derzeit.