Die Verhandlungen beginnen mit einem Kräftemessen, also Schwanzvergleich.
Ich nehme jetzt mal die aktuellen Konflikte: Verdi x Luftsicherheit (BDLS) - Warnstreik nach der dritten Verhandlungsrunde. Verdi x Lufthansa Boden - Warnstreik nach der zweiten Verhandlungsrunde (hier gleichzeitig noch Verhandlungen mit UFO und VC).
Das Unternehmen ist doch nicht der Feind des Arbeiters, beide haben Interesse an einem florierenden Unternehmen.
Im Kern gebe ich dir Recht, in der Interpretation des florierenden Unternehmens gehen die inhaltlichen Schwerpunkte, wie von
@hamburgler im vorherigen Post angesprochen, diametral auseinander. Natürlich wollen beide, dass das Unternehmen erfolgreich ist. Der Arbeitgeber aber in erster Linie, um einen möglichst hohen Ertrag zu erwirtschaften und mit dem Mittel, die verfügbaren Ressourcen möglichst effizient zu nutzen - der Arbeitnehmer hingegen, um einen "share" am Erfolg und den "guten" Zahlen, die man selbst mit "seiner eigenen" Arbeitsleistung mit herbeigeführt hat, "abzubekommen". Der Wunsch und die Erwartung des Arbeiters entsprechend am Erfolg beteiligt zu werden (durch einen höheren Lohn bzw. "planbare Arbeitszeiten") widerstrebt dem Anspruch des Unternehmens effiziente Kostenstrukturen vorzuhalten, da diese eine höhere Auslastung der Mitarbeitenden bedingen würden.
Das oberste Ziel muss es sein, dass dem Unternehmen nicht geschadet wird (...) Darum ist dieses Verfahren mit den Warnstreiks falsch, eine reine Kraftmeierei, aus der Zeit gefallen.
Hier sind wir beim größten Mismatch unserer Sichten - das oberste Ziel muss sein, dass das Unternehmen, aber auch die Branche wettbewerbsfähig ist und bleibt. Und hier treffen - gerade im Dienstleistungssektor - verschiedene Facetten aufeinander, die zur Aufheizung der Gesamtsituation führen. Zum Einen stehen Unternehmen im internationalen Wettbewerb und versuchen natürlich irgendwo ihre Kostenstrukturen möglichst effizient und wettbewerbsfähig zu halten. Zum Anderen haben wir - Stichwort Fachkräftemangel - eine Unterdeckung des Arbeitsmarktes mit entsprechenden Arbeitskräften, sodass die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer stärker geworden ist. Ob eine Person nun (dummes Beispiel) an der Hotelrezeption, einem Flughafen-Check-In oder am Empfang eines DAX-Unternehmens sitzt, ist vom Workload her egal - macht aber bei der Entlohnung einen teils sehr großen Unterschied.
Das Problem ist aber, dass man für den Betrieb des angebotenen Programms eine bestimmte Anzahl an Mitarbeitenden benötigt, um dieses auch entsprechend anbieten zu können. Und daher ist das oberste Ziel mit Maß und Mitte einen Konsens zu schaffen, der es ermöglicht, genügend MA zu finden/zu halten, die die entsprechenden Aufgaben zu einem möglichst vertretbaren Kostensatz ausüben.
Beide Seiten sollten maximales Interesse daran haben, dass es nicht zu Streiks kommt, das bedeutet massvolle realistische Forderungen und kompromissbereiter Vorstand. Und wenn es dann trotzdem zu Streiks kommt, dann haben die Verhandlungsführer versagt.
Bei LH Boden x Verdi war's dem Vernehmen nach so, dass bis zum ersten Verhandlungstermin gar kein Angebot seitens der LH vorgelegt wurde und bei zweiten eines, was im Vergleich zu den anderen Unternehmensbereichen weitaus negativer war und bei der Luftsicherheit x Verdi wurde auch erst zum zweiten Termin ein erstes Angebot vorgelegt, was dann beim dritten Termin nochmal nachgebessert worden ist.
Das Problem bei sämtlichen Tarifverhandlungen ist, dass durch den Impact der Streiks die Arbeitnehmer in der Öffentlichkeit immer negativer da stehen als die Arbeitgeberseite, obwohl jene eben auch Möglichkeiten haben zur Deeskalation beizutragen - stattdessen aber dann meist den Druck der Öffentlichkeit durch entsprechende Statements zu forcieren versuchen, um ihre eigene Position zu stärken.
Aber - das ist dann auch nur meine Meinung und das Schöne ist ja, dass man mit verschiedenen Meinung gerne mal streiten und sich austauschen kann.
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nicht begeistert. M.E. ist das aber dann tatsächlich der vom Mitinsassen beschriebene Schw...vergleich. Dann sollen sie sich halt auf fixe Beträge quer über die verschiedenen Gehaltsstufen einigen - wird einerseits den oberen Tarifbändern nicht gefallen, aber wenn man schon soziale Gerechtigkeit predigt, dann kriegt man damit auch ein etwas ausgewogeneres Ergebnis hin.