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JP Morgans geplante deutsche Digitalbank ”Chase” sorgt für Diskussionen: Wann kommt sie endlich? Immerhin ist es schon rund zweieinhalb Jahre her, dass das Vorhaben publik wurde.
”Nichts überstürzen”
Eins steht außer Zweifel: Das Projekt ist in der Mache. Ungewiss ist allerdings, wann Chase gelauncht wird - JP Morgan weiß es offensichtlich selber nicht. Wobei der US-Gigant (Bilanzsumme 2024: 3,65 Billionen Euro, Nettogewinn: 50 Mrd. Euro) offiziell auch nie einen Zeitpunkt genannt hat. Anfang 2023, als gut unterrichtete Kreise das Unterfangen in die Öffentlichkeit brachten, hieß es, dass der Start Ende 2024 oder Anfang 2025 erfolgen könnte. Im November 2024 meldete sich die Bank dann zu Wort, ließ wissen, dass man ”nichts überstürzen” wolle. Derzeit, etwas mehr als ein halbes Jahr später, ist weiter unklar, wann es losgeht - eine dementsprechende Frage von FinanzBusiness ließ JP Morgan unbeantwortet. Überhaupt lehnte das Institut ab, sich zu äußern.
Spanier schneller
An Aktualität gewinnt die Frage, wann Chase an den Markt geht, wegen eines unmittelbar bevorstehenden Ereignisses: den Launch der Digitalbank der BBVA in Frankfurt, über den FinanzBusiness exklusiv berichtete. Die spanische Großbank (Bilanzsumme: 775 Mrd. Euro) gilt als digitales Powerhouse - so startete sie 2021 eine Digitalbank in Italien, die sich als überaus erfolgreich erwiesen hat.
Aus dem Umfeld von JP Morgan war allerdings zu hören, dass es in Sachen Markteintritt in Deutschland zwischen dem US- und dem spanischen Institut einen signifikanten Unterschied gibt: Letzteres setze auf seine bewährte Plattform, designe für den deutschen Markt keine neue Version. Anders Chase: Das Institut würde eine völlig neue Plattform entwickeln, die hundertprozentig auf den deutschen Markt zugeschnitten sei - und das nehme Zeit in Anspruch. Was die Entwicklung der Plattform angeht, erhielt FinanzBusiness aus Finanzkreisen eine weitere interessante Information: Es soll Probleme gegeben haben.
Plattform-Probleme?
”JP Morgan hatte die Entwicklung an einen externen Akteur vergeben”, so unser Ansprechpartner. ”Doch mit dessen Arbeit war man nicht zufrieden, weshalb man sich dazu entschloss, das Projekt in Eigenregie umzusetzen - das hat das ganze Projekt natürlich verzögert.”
Geleistet wird die Entwicklungs-Arbeit am zukünftigen Standort von Chase in Berlin. Derzeit ist das Unternehmen noch in Räumlichkeiten im Bezirk Mitte untergebracht, ganz in der Nähe von N26, einem der Platzhirsche, dem Chase Konkurrenz machen will. Noch im Laufe dieses Jahres soll der Umzug in neue Räumlichkeiten erfolgen - und zwar in das 1966 eingeweihte alte Axel-Springer-Gebäude im Bezirk Kreuzberg.
Viele Stellenanzeigen
Derzeit soll Chase rund 100 Angestellte beschäftigen. Ein Blick in einschlägige Stellenportale zeigt: Die Bank sucht eine ganze Reihe von neuen Mitarbeitern. Unter anderem Security-, Data Control und Risk Manager, Steuer-Fachleute, Management-Berater, Experten für Finanzkriminalität. ”Vor eineinhalb bis zwei Jahren hat Chase viele Leute bei Fintechs abgeworben, gerade im Produktbereich, auch bei uns”, berichtet der Mitarbeiter eines Berliner Tech-Unternehmens. Und weiter: ”Probleme, Leute zu finden, hatten die nicht: Wenn JP Morgan anruft ... .” Ein anderer Fintech-Mitarbeiter erzählt das Gleiche, meint, dass die Zahl der Chase-Stellenanzeigen zwischenzeitlich etwas zurückgegangen sei. ”In letzter Zeit hat sie allerdings wieder angezogen, so mein Eindruck.”
Toller Start - jetzt hakt es
Dass sich der Launch von Chase in Deutschland verzögert (hat), könnte laut Finanzkreisen auch damit zu tun haben, dass bei Chase UK in London derzeit nicht alles rund läuft (und London und Berlin eng verzahnt sein sollen, das heißt, die strategische Planung in London gemacht wird). Fakt ist: Die britische Digitalbank von JP Morgan, die im September 2021 an den Start ging (noch ein Stück heimlicher und im Verborgenen als in Deutschland - so berichtete die Marketing-Chefin, dass sie ihren neuen Job nicht auf LinkedIn veröffentlichen durfte), hat sich als Erfolgsmodell erwiesen: Über 2,5 Mio. Kunden (bei einer Einwohnerzahl von rund 69 Mio.), Einlagen von mehr als 20 Mrd. Pfund (23,5 Mrd. Euro), Empfänger mehrerer Auszeichnungen, unter anderem ”Bank des Jahres”, ”Beste britische Bank”, ”Bester Konto-Anbieter”, ”Beste Banking App”. Im Laufe dieses Jahres will man zum ersten Mal die schwarze Null erreichen und anschließend profitabel arbeiten (nachdem man bisher Verluste im Milliarden-Bereich eingefahren hat). Darüber hinaus soll das Angebot für die Kunden deutlich erweitert werden.
Aber: Es soll auch Probleme geben. So gilt seit April das einprozentige Cashback-Angebot (bis zu einer Höhe von 15 Pfund) nur noch für ausgewählte Produkte und im Ausland überhaupt nicht mehr, was den bekannten britischen Finanzjournalisten Martin Lewis - der unter anderem für seine Ratgeber und Verbrauchtipps bekannt ist -, dazu bewogen hat, seinen Zuschauern Alternativen zur Chase-Kreditkarte aufzuzeigen.
Lieber Revolut
Darüber verliert Chase, das etwas mehr als 800 Angestellte beschäftigt, Mitarbeiter an seinen Konkurrenten Revolut. Zum einen, weil letzterer mit im Durchschnitt 69.000 Pfund (81.000 Euro) deutlich besser zahlt, wie das britische Portal ”efinancialcareers” berichtet. Bei Chase beträgt das durchschnittliche Einkommen 53.000 Pfund, was im teuren London, wo Chase seinen Sitz hat, nicht besonders viel ist (zur besseren Einordnung: der Durchschnittsverdient in der britischen Hauptstadt - der ja auch Geringverdiener miteinschließt - beträgt knapp 44.500 Pfund, also nicht so viel weniger als der durchschnittliche Verdienst eines Chase-Angestellten). Darüber hinaus bietet Revolut seinen Mitarbeitern äußerst großzügige Home-Office-Regelungen, während Chase seine Angestellten am liebsten im Büro sieht.
Von einigen Marktbeobachtern wird auch das relativ geringe Angebotsspektrum betont - beispielsweise biete Chase keinen Überziehungskredit. Als positiv herausgehoben wird dagegen der Umstand, dass das Konto mit keinerlei Kosten verbunden ist. Chase soll, wie bereits erwähnt, dabei sein, mehr Features zu entwickeln - was laut der Marktbeobachter die Frage aufwerfe, ob die Kostenlosigkeit aufrechterhalten wird bzw. werden kann.
Einer geht, einer kommt
Seitens Finanzkreisen hieß es, dass die genannten Probleme sowie die Einführung neuer Features derzeit im Zentrum der Aufmerksamkeit von Chase stehen - dass also im Augenblick das Geschäft in Großbritannien Priorität gegenüber dem Aufbau von Chase in Deutschland genießt. In diesem Zusammenhang ist auf Jakub ”Kuba” Fast zu verweisen. Der polnische Manager, der seine geisteswissenschaftliche Ausbildung unter anderem in Berlin sowie Victoria (kanadische Pazifikküste) und seinen MBA in Harvard erhielt und einen schon fast legendären Ruf genießt, arbeitet seit 2019 bei JP Morgan. An den Planungen zum Aufbau von Chase in Berlin war er federführend beteiligt - ist jedoch seit Mai 2024 CEO von Chase UK und dementsprechend stark auf das England-Geschäft fokussiert.
Seit April dieses Jahres führt der Spanier Daniel Llano Manibardo das Steuer bei Chase in Berlin - der 49-Jährige wurde von der ING abgeworben, wo er das Privatkundengeschäft verantwortete. Das deutet darauf hin, dass das deutsche Chase-Projekt, dessen Kosten auf zwischen 750 Mio. und einer Mrd. Euro geschätzt wird, gepusht werden soll.