Das Vermaechtnis des Khmer Reiches: Der Angkor Archeological Park

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Wolke7

Erfahrenes Mitglied
30.08.2010
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Zu den Top10 Destinationen meiner Reise-Bucketlist gehoert schon lange der Angkor Archeological Park bei Siem Reap in Cambodia. Dass ich nun den Haken dahinter setzen konnte, war anfangs ueberhaupt nicht absehbar.

Wie bei vielen Foristen gingen auch bei mir die Augenbrauen hoch, als die LHG ihr Partnerspecial 2024 angepriesen hatte. Der VFT ist hier nicht nur eine Plattform des Meinungsaustausches, sondern auch der Suche nach Mitreisenden. Der Mitforist martin.berlin hat eine/n Reisepartner/in gesucht fuer einen gemeinsamen Flug. Nach kurzer Ruecksprache untereinander und mit dem Forenreisebuero wurde es ein Roundtrip von OSL nach HKG mit LX. Wir haben dann bemerkt, dass uns der Angkor Archeological Park in Cambodia interessiert; also schnell noch Fluege mit SQ nach SAI nachgebucht. Es war meine erste Erfahrung einer 'Blindbooking' mit einem unbekannten Mitreisenden. Tatsaechlich haben wir waehrend der Reise reichlich Vielfliegerlatein gefachsimpelt, die Tempelanlagen im Grossraum Siem Reap gemeinsam erfahren und unsere Eindruecke ausgetauscht.

Zufaellig war auch der Mitforist Danix auf dem OSL-ZRH Flug. Zu dritt haben wir den Nachmittag mit einem reichhaltigen Kaesefondue verbracht. Danix ist dann nach CPT aufgebrochen, martin.berlin und meine Wenigkeit nach HKG.

Noch vor dem Start des Fluges HKG-SIN beschlich Martin ein ungutes Gefuehl: Der Pushback verzoegerte sich um mehr als 45 Minuten. Na ja, wenn in SIN alles glatt laeuft, werden wir den Anschluss nach SAI wohl doch noch so gerade bekommen. Als sich der Pilot beim Landeanflug auf Changi noch fuer einen go around entschieden hat, schwand diese Erwartung rapide. So hatten wir eine ungeplante Nacht in Singapore und sind erst am naechsten Morgen weitergeflogen.
Nachmittags und abends sind wir rueber ins Jewel.
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Statt Mondschein konnten wir die grell-bunte Beleuchtung erleben, wie sie hier wohl schon viele Vielflieger vor ihrem Flug nach Europa erlebt haben.
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Jetzt geht es so richtig los ins Vermaechtnis des Khmer Reiches.
Basierend auf historischen Quellen bestand das Khmer Reich in Angkor von 802 bis 1431. Die Urspruenge gehen wahrscheinlich auf indischen Einfluss zurueck, der zusaetzlich durch Interaktionen mit Voelkern aus ganz Suedostasien angereichert war. Von den 39 Koenigen haben sich 3 durch eine intensive Bautaetigkeit ausgezeichnet, die jeweils einen neuen Regierungskomplex - einer groesser und schoener als der vorherige - errichtet haben:
Indravarman I. (regierte 877-889) baute die Tempel der ersten Hauptstadt Hariharalaya nahe des heutigen Dorfes Rolous, ca. 15 km westlich Siem Reaps.
Suryavarman II. (regierte 1113-1150) baute den Angkor Wat Tempel/Kloster-Komplex.
Jayavarman VII. (regierte 1181- mindestens 1206) baute die Angkor Thom Hauptstadt.

Wir starten unsere Studienausfluege mit einer Fahrradtour ins Dorf Rolous.
Gleich nach Beginn seiner Herrschaft hat der Koenig Indravarman I. den hinduistischen Ahnentempel Preah Koh in Auftrag gegeben, der in Ausmass und Dekoration schon bis dahin ungekannte Hoehen erreicht hat. Es gehoerte zu den Pflichten eines Herrschers, die Leistungen der Vorgeneration respektvoll zu wuerdigen.
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Das eigentliche Ziel Indravarmans war allerdings der Aufstieg der Koenigswuerde zu einem Teil gottgewollter Ordnung. Er liess sofort im Anschluss den Bakong Tempel fuer Shiva bauen, der noch groesser und repraesentativer war als der Preah Koh. Fortan liess er sich als Gottkoenig verehren.
Der neue Tempel steht auf quadratischem Grundriss und ist von einem breiten Wassergraben umgeben. An den Zufahrtstrassen begruesst die mythische Schlange Naga alle Passanten, ein Symbol fuer Schutz und Fruchtbarkeit.
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Der Tempel ist eine 5stufige Pyramide mit einem fein dekoriertem Lingam auf der Spitze. Jede Stufe repraesentiert eine Ebene des Hofstaates mit dem Gottkoenig an der Spitze.
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Wer die Dame sein soll, weiss ich leider nicht so genau. Ich wuerde auf eine der beiden Ehefrauen Shivas tippen: Shakti oder Parvati.
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Am Rand steht eine Gebetshalle, die von einem nahegelegenen Kloster heute noch betrieben wird.
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Die bedeutendste wirtschaftliche Leistung der Khmer Dynastie am Ende des 9. Jh. bestand in der Anlage von Barays (Wasserreservoirs), die einen von Regenfaellen unabhaengigen Reisanbau ermoeglichten. Etwa ein km noerdlich der Hauptstadt lag so ein Baray von 3.800x800 m Groesse. Der Sohn Indravarmans I., Yasovarman I. hat 893 eine kuenstliche Insel in dem Baray aufschuetten lassen und den Lolei Tempel zu Ehren seines Vaters errichtet. Heute ist der Baray laengst ausgetrocknet und vom Lolei Tempel stehen nur noch vier beschaedigte Prasats aus gebrannten Lehmziegeln. Dafuer sind manche Steindekorationen noch gut erhalten.
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Nachmittags besuchen wir das Angkor Museum in Siem Reap. Wir sehen u.a. Darstellungen des meditierenden Shiva geschutzt von der mehrkoepfigen 1743744117660.jpeg
fein gearbeitete Tuerstuerze und
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einen liegenden Buddha.
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Abends im Hotel gab es fuer mich Rindfleischsuppe mit Reis. In der Schale vorn befinden sich geroestete Waldameisen fuer die Suppe.
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Wolke7

Erfahrenes Mitglied
30.08.2010
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Wer die vielen Tempel und Kloester des Khmer Reiches besuchen moechte, ist auf einen kleinen und einen grossen Rundkurs verwiesen. Die meisten Besucher/gruppen beginnen beim Angkor Wat Komplex und folgen im Uhrzeigersinn der Strecke. Martin hat die wirklich gute Idee, die Tempel in umgekehrter Reihenfolge zu erkunden, und von mir stammt der Impuls, dafuer Fahrraeder auszuleihen. Mit einem guten Fruehstueck und bequemer Sportkleidung geht es los.

Der erste Tempel ist der Prasat Kravan. Er gehoert noch in den Kontext der fruehen Bauten (eingeweiht 921) und ist Vishnu gewidmet. Wir sehen 5 Tuerme aus gebrannten Lehmziegeln, die nach Osten hin offen sind und von stolzen Loewenskulpturen 'bewacht' werden.
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Der naechste Tempel liegt etwas versteckt im Wald. Wir folgen dem Radweg und fragen uns schon, ob wir nicht eventuell den richtigen Abzweiger zum Banteay Kdei verpasst haben. Dann taucht ploetzlich dieser Trampelpfad auf. Wir wissen zwar nicht, ob er wirklich zum Ziel fuehrt, aber die Richtung sollte schon stimmen.
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Der Banteay Kdei war ein Kloster, das von Jayavarman VII. (wir erinnern uns: das war der dritte 'Baukoenig', der die Angkor Thom Hauptstadt nach 1181 gebaut hat) gestiftet wurde. Von einer Mauer eingefasst, mussten Besucher durch dieses Tor schreiten. Das laechelnde Gesicht ist an der Aussen- und Innenseite gemeisselt und wird uns noch haeufiger begegnen. Es ist bis heute unklar, ob es sich dabei um ein idealisiertes Boddhisattwalaecheln oder um das Antlitz Jayavarmans handelt.
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Der Klosterkomplex besteht aus mehreren geschmueckten Gebaeuden, darunter eine Bibliothek, ein Hoersaal und natuerlich ein Gebetshaus.
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Auch wenn sich inzwischen vieles veraendert hat, insbesondere die Hinwendung zum Buddhismus, werden auch heute noch die heiligen Raeume von Glaeubigen fuer eine Meditation und eine gottgefaellige Gabe genutzt.
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Als die ersten modernen Abenteurer und Archaeologen das Kloster wiederentdeckt haben, hatte laengst die Vegetation von den Gebaeude- und Mauerresten Besitz ergriffen. Manches wurde gereinigt, manches liess man als Symbiose von Natur und Kultur bestehen.
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Jayavarman VII. hat waehrend seiner Regierungszeit insgesamt 3 Kloester gestiftet. Das erste haben wir gerade gesehen, und ein weiteres liegt nicht weit entfernt: Ta Prohm. Die gesamte Anlage umfasste etwa 60 ha, wovon nur etwa ein Hektar dem religioesen Betrieb zugerechnet wird. Nur dieser kleine Teil ist heute noch erhalten; der Rest waren Holzbauten, die laengst vergangen sind. Ausserdem haben die Archaeologen den Ta Prohm Komplex weitgehend so belassen, wie sie ihn vorgefunden haben. Sie haben nur die Gebaeude so weit gesichert, dass man gefahrlos in sie hineingehen kann.
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Beim Rundgang kommt man immer wieder an diesen Scheintueren vorbei. Offenbar waren die Gebaeude aussen dekorativer gestaltet als innen.
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Vor allem zwei Baumarten sind in die Mauern eingewachsen: Tetrameles Nudiflora. Kennt jemand den deutschen Namen?
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und die Wuergefeige.
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Der Ta Keo Tempel ist wieder eine Stufenpyramide, wie wir sie schon in der Rolous Gruppe gesehen haben. Im Jahre 1007 wurde der Tempel bereits dem Hindugott Shiva geweiht, dann schlug jedoch ein Blitz ein. Den Erbauern fuhr der Schreck in die Glieder, dass sie die Arbeiten sofort einstellten. Deshalb zeigt der Ta Keo kaum Steinmetzschmuck, nicht einmal an den glattesten Mauern.
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Die Treppe sieht auf dem Foto zwar recht harmlos aus, wer aber hinaufsteigt, merkt schnell, wie steil sie ist. Es ist fast wie das Erklettern einer Huehnerleiter, also sollte man am besten rueckwaerts herunterklettern.
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Wolke7

Erfahrenes Mitglied
30.08.2010
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Bei der Weiterfahrt auf dem kurzen Rundkurs machen wir zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem zweiten 'Baukoenig' Suryavarman II. (regierte 1113-1150). 2 kleinere Kloester direkt nebeneinander gelegen waren moeglicherweise aufeinander bezogen, auch wenn sie nacheinander gebaut wurden und heute durch die Asphaltstrasse voneinander getrennt sind.

Es geht um die beiden Anlagen Thommanon und Chau Say. Sie sind etwa 70m lang, haben jeweils 4 einzelne Gebaeude, einen Gopura (Torturm), eine Versammlungshalle und einen Prasat (Tempelturm). Korridore bzw. Uebergaenge verbinden die Gebaeude miteinander.
Vergleichen wir zunaechst die Gesamtansicht. Zunaechst Thommanon
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und Chau Say.
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Schaut Euch mal die Reliefs ueber den Tueren an: die aeussere Form, die Plastizitaet und die Groesse.
Thommanon zuerst
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und Chau Say
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Schliesslich die Wandreliefs: die Kleidung, die Koerperhaltung, die Ornamentik. Es sieht wahrlich aus, als haette die gleiche Werkstatt all die Arbeiten gefertigt.
Thommanon zuerst
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und Chau Say
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Es ist inzwischen schon Nachmittag geworden, und erst jetzt durchfahren wir das Victory Gate der dritten Hauptstadt Angkor Thom, die von Jayavarman VII. und seinen Nachfolgern gebaut wurde.
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In den 1170ern haben die Cham, ein aufstaendisches Volk aus dem heutigen Thailand dem Khmer Reich empfindliche Niederlagen zugefuegt und den Verwaltungssitz incl. des Koenigspalastes zerstoert. Dem jungen Prinzen, der 1181 als Jayavarman VII. den Thron besteigen konnte, gelang die Zurueckschlagung der Cham. Er stellte sein Reich auf eine neue Grundlage, konvertierte zum Buddhismus und baute die Hauptstadt neu auf. Auf einer quadratischen Flaeche von 3x3km und durch einen 100m breiten Wassergraben sowie eine 8m hohe Mauer geschuetzt entstand ein Komplex, der sakrale und administrative Funktionen vereinigte.
Zunaechst begegnet uns die Terrasse des Leprakoenigs. Wahrscheinlich stellt die Skulptur auf einem kuenstlichen Plateau den hinduistischen Totengott Yama dar. Wenn diese Zuschreibung stimmt, wuerde sie erklaeren, dass das Plateau fuer rituelle Feuerbestattungen der Koenigsfamilie genutzt wurde.
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Der Sockel ist besonders qualitaetvoll gestaltet und repraesentiert den Kosmos. Die Menschen leben auf der Erde, und durch ein dunkles Meer mit den Fischen getrennt leben die Verstorbenen in der Unterwelt weiter.
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Es schliesst sich die Elephantenterrasse an. Sie war eine langgezogene Zuschauertribuene fuer Veranstaltungen auf der Freiflaeche davor.
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Die Elephantenskulpturen an den Zugaengen geben der Terrasse ihren Namen.
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Daneben sind die Mauern mit verschiedenen lebensgrossen Darstellungen geschmueckt.
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Hier sehen wir Garuda, einen mythischen Vogel der indischen und suedostasiatischen Geschichte. Markant sind der Vogelkopf mit breitem Schnabel und die gefiederten Arme und Beine.
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Etwas abseits der Strasse und offensichtlich wenig besucht wird der Phimeanakas Tempel. Die Pyramidenform zeigt schon an, dass der Tempel bereits stand als Jayavarman VII. seine Stadt Angkor Thom baute. Er stammt wohl aus der Zeit um 1100 oder sogar noch etwas frueher. Historische Berichte sagen, seine Kuppel waere mit Gold ueberzogen gewesen.
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Ebenfalls ein frueheres Bauwerk aus den 1050ern ist der Baphuon. Auf den ersten Blick sehen sich der Phimeanakas und der Baphuon aehnlich. Das stimmt auch, wenn man nur den Tempel an sich betrachtet. Eine fuenfstufige Pyramide mit einem Plateau, auf dem das Allerheiligste ruht.
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Der Unterschied wird deutlich durch einen schmalen Zugangssteg und durch ein Tor, das die Goetterwelt von der irdischen Welt abgrenzt. Der Tempel war von Wasser umgeben und nur ueber den Steg erreichbar.
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Eigentlich wollten Martin und meine Wenigkeit heute noch den Bayon und Angkor Wat besuchen. Wir sind beide so voll, geradezu ueberladen mit so vielen spektakulaeren Eindruecken, dass wir dies Vorhaben auf Morgen verschieben. In weiser Voraussicht hat Martin ein 7-Tages-Ticket fuer den Archaeologischen Park gebucht, das an 7 Tagen innerhalb eines 30-Tages-Zeitraums gueltig ist.