Die trigonometrischen Reisen des Mr. Monty – Bermuda und New Orleans

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globetrotter11

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07.10.2015
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CPT / DTM
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Danke nochmals für den tollen Bericht, vor allem über Bermuda. Da kommt Sentimentalität auf, nach drei wunderschönen Urlauben auf dieser Trauminsel....

Bei Senibel denke ich nicht an Algen sondern an die penetranten Sandflöhe...(n) Ist das immer noch ein Thema dort...:confused:
 
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monty2006

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17.11.2011
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Kurzweilig und detailliert geschrieben....als ob man selbst dabei wäre! Vielen Dank dafür!
Nachdem uns die 3 Sorten Algen (giftig, stinkend und 1x vergessen) letzten Dezember vom Besuch von Sanibel abhielten, waren diese bei Eurem Aufenthalt wieder weg?

Algen waren bei uns kein Thema, liegt vielleicht auch an der Jahreszeit. Unser vorletzter Besuch war im Sommer vor zwei Jahren (Captiva), aber auch da war kein Algenproblem zu sehen.
 

monty2006

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17.11.2011
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Teil 3 (2): Von den Mangrovenwäldern zu 'The Big Easy'

Heute ist es Klärchen, die mich weckt und mir nahelegt, endlich aufzustehen. Gut, wir sind nicht in Eile, unser nächster Programmpunkt ist auf 12:30 Uhr terminiert. Wir hatten gestern Abend noch Tickets für Captain Jack's Airboat Tours gebucht – nach Sanibel Island der zweite Grund, weshalb wir den Umweg über Fort Myers in Kauf genommen haben. Es folgt das übliche Morgenprocedere, anschließend erwartet mich zur Abwechslung mal wieder ein ordentliches, amerikanisches Frühstück. Für Speck, Eier und Kartoffeln bin ich stets zu haben. Nach dieser Stärkung heißt es dann Koffer packen, Check-out und Hit the Road, Jack, äh, monty. Über den Tamiami Trail dauert die Fahrt bis Everglades City zirka 90 Minuten. Dabei fallen mir immer wieder kleine, gelbe Spots auf, die sich auf dem Asphalt hin- und herbewegen. Ein kurzer Stopp bringt schließlich Klarheit, es handelt sich um etwa fünf Zentimeter große Heuschrecken, die wir laufend unter unseren Pneus zerquetschen. Sorry, Freunde, falsche Zeit, falscher Ort. Eine Reminiszenz an unseren letzten Urlaub macht sich in meinem Kopf breit, aber weder sind wir hier in Neuseeland, noch ist dies eine der zehn Plagen, von denen die Bibel spricht. Wobei in zeitgemäßen Deutungen ja nur noch von sieben Plagen die Rede ist.



Ein rasanter Ritt auf den propellergetriebenen Booten durch den Mangrovenwald der Everglades gehört zu meinen persönlichen Highlights in diesem Bundesstaat. Und wir wissen ja, du warst nicht in Florida, wenn du nicht... Nach Unterschrift der Verzichtserklärung bekommen wir die Tickets für unsere Tour mit Captain Scott. Noch brennt die Sonne unerbittlich vom Himmel, aber es liegt Regen in der Luft. Bei Nässe macht die Fahrt nur wenig Spaß, jedoch stirbt die Hoffnung bekanntlich zuletzt. Im Wartebereich vor dem Steg gibt es schon mal eine Vorschau auf das, was wir eventuell gleich zu sehen bekommen. Krokodile. knutschi nimmt ihren Mut zusammen und hält den kleinen Racker für die Kamera fest. Dann tritt ein bärtiger Captain Scott vor die Runde und ruft nach seinen Passagieren. Wir folgen ihm zu einem der Airboats und werden (augenscheinlich) nach Gewicht auf den beiden Bänken platziert. Drei vorne, drei hinten. Captain Scott beginnt mit der Sicherheitseinweisung. Es gibt keine Schwimmwesten. Wenn ihr ins Wasser fallt, steht einfach wieder auf, es ist nur einen Meter tief. Wenn eine Schlange ins Boot fällt und ich ins Wasser springe, springt auch. Wenn ihr keine Spinnen mögt, dann schaut nicht nach oben. Noch Fragen? Nein, Captain Scott. Und der Aufkleber 'this boat floats on tip, not on thank you' darf natürlich auch nicht fehlen. Los geht's.





Wir fahren zunächst unter der Brücke hindurch in die kleine Bucht auf der anderen Seite der Landstraße 29, dort wurden Delfine gesichtet. Ein paar der Meeressäuger ziehen gemütlich ihre Bahnen und wir begleiten sie ein Stück dabei. Für mich immer wieder erstaunlich, dass sich die Delfine trotz des ganzen Lärms hierher verirren. Anschließend kehren wir zurück auf die andere Seite und befahren über einen Seitenarm den Mangrovenwald. Nachdem wir das letzte Schild mit 'No wake, idle speed' passiert haben, dreht Captain Scott auf. Mit etwa 30 Knoten respektive 55 Kilometern pro Stunde gleitet das Boot auf der Wasseroberfläche dahin. Da es keine Bremsen besitzt, ist bei den oftmals engen Kurven viel Feingefühl gefragt. Gesteuert wird über zwei Seitenruder, die hinter dem Propeller angebracht sind. Auf freien Flächen dreht Captain Scott noch einige Pirouetten, allein deswegen hat sich die Fahrt schon gelohnt.










Captain Scott drosselt die Geschwindigkeit; auf einem Baumstamm liegt ein Babykrokodil in der Sonne. Okay, das war eher Zufall, unser eigentlicher Haltegrund sind Manatis – Rundschwanzseekühe, die man in diesen Gewässern sehr häufig antrifft. Die bis zu 500 Kilogramm schweren Vegetarier leben im Süß- und Salzwasser und bevorzugen warme Temperaturen. Zum Atmen strecken sie kurz den Kopf aus dem Wasser und holen über die beiden Nasenlöcher tief Luft. Normalerweise sind Manatis sehr langsam unterwegs, so langsam, dass Captain Scott scherzhaft behauptet, während des Schwimmens würden sich selbst Muscheln an ihnen anhaften. Da wir eh schon stehen, nutzt unser Kapitän die Gunst der Stunde zum Fotoshooting. Natürlich wird auch das obligatorische Selfie gemacht, das gehört schließlich zum Geschäft. Danke, Captain Scott.









Unser nächster Stopp dient alten Bekannten, zumindest wenn man eine derartige Tour schon mal gemacht hat. In den Mangrovenwäldern lebt eine Waschbärenfamilie, die regelmäßig von den diversen Anbietern besucht wird und den Trubel bereits gewohnt ist. Captain Scott hat eiweißreiches Futter dabei, dass wir einer nach dem anderen in kleinen Stücken an das Waschbärenweibchen verfüttern dürfen. Auffallend ist vor allem, was für weiche, fast samtartige Hände die Waschbären haben. Die Kinder rumoren im Rucksack und möchten unbedingt ein Selfie mit dem kleinen Racker. Allerdings müssen sie drinnen bleiben, denn der Waschbär könnte sie leicht mit Futter verwechseln. Wie sagte schon Jedimeister Qui-Gon Jin: There's always a bigger fish. Die Tour neigt sich dem Ende zu und wir kehren langsam in den Hafen zurück. Vorbei an ein paar Fischerbooten erreichen wir gerade noch den Steg, bevor es heftig zu schütten beginnt. Glück gehabt. Zurück im Auto sagt mir das Navi, dass es gut zwei Stunden – Stau exklusive – bis zum Mietwagenzentrum am Miami International Airport sind. Na dann, Hit the Road, Jack.







Trotz der wirren Verkehrsführung habe ich das Mietwagenzentrum dieses Mal auf Anhieb gefunden; aber das ist eine andere Geschichte. Miami Mover (sofern er funktioniert), Terminal N, Flagship Check-in. Wieder geht alles vertraut schnell, wieder ist mein Einewelt Status vorhanden. Die Dame fragt uns, ob das unser erster Besuch in New Orleans wäre. Ja. Und schon sprudeln die Tipps bezüglich Essen und Trinken nur so aus ihr heraus. Merken kann ich mir das alles nicht. Sie bringt uns anschließend persönlich an den Anfang der TSA Pre-Schlange. Noch während der Beamte unsere Ausweise kontrolliert, redet sie pausenlos auf uns ein: And don't forget, eat, eat, eat, as much as you can. And drink! Da muss selbst der Beamte schmunzeln. Kurz darauf sind wir in der Lounge und essen uns einmal durchs Buffet. Als Suppe des Tages wird Hummerbisque angeboten. Ich muss zugeben, die schmeckt sehr gut und kann sich durchaus mit der gestrigen bei Red Lobster messen. Nachdem die nötige Bett-, äh, Flugschwere erreicht wurde, bringt uns AA329 in gut einer Stunde nach MSY. Wollte sagen in zwei Stunden, verdammte Zeitverschiebung. Oder war's doch der Alkohol? Wir landen pünktlich auf dem Louis Armstrong New Orleans International Airport. Koffer, Mietwagenzentrum, namentlich Begrüßung durch Hertz. Aus dem vorhandenen Fuhrpark fällt die Wahl erneut auf einen Dodge Charger, der hat uns in New York schon gute Dienste erwiesen; und er hat Satellitenradio. Für die nächsten vier Nächte ist das Troubadour Hotel, Tapestry Collection by Hilton unsere Herberge der Wahl, die Fahrt dorthin dauert zirka dreißig Minuten. Zum Hotel gibt es nicht viel zu sagen, das Zimmer wirkt irgendwie eklektisch, aber entscheidend war für uns die Lage – das French Quarter ist fußläufig zu erreichen. Gegen 22:30 Uhr findet der Tag langsam seinen Ausklang und wir sind bereit fürs Bettchen. Die Kinder würden noch gerne die gut bestückte Bar plündern, aber das vertagen wir besser auf morgen.









Morgen, ja, morgen wollen wir NOLA einen Besuch abstatten, um uns selbst ein Bild der berühmten 'großen Unbeschwertheit' zu machen. Aber bis dahin sind es noch ein paar Stunden Schlaf. Ich schließe meine Äuglein und drifte ins Land der Träume davon. Nein, keine Trigonometrie. Ich sitze vor einem großen Propeller und rase durch den Mangrovenwald. Hit the Road, Captain monty...
 
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monty2006

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17.11.2011
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Teil 4 (1): Balkone, Bars und Bourbon: durch die historische Altstadt von New Orleans

Wieder einmal ist es die infernalische Maschine, die mich aus dem Schlaf reißt und mir unmissverständlich aufzeigt, dass ich meiner Zeit deutlich hinterher bin. Die Kinder verspüren noch keine rechte Lust, das warme Nest zu verlassen. Aber da draußen wartet schließlich eine Stadt, die entdeckt werden möchte. Der morgendliche Blick aus dem Fenster ist wenig viel versprechend – zwischen Loyola Avenue und South Rampart Street gelegen, bietet das Hotel leider keine Aussicht auf den Mississippi; aber von Zimmer mit Flussblick war ja auch nie die Rede. Nach einer belebenden, heißen Dusche folgt das Frühstück. Man dankt uns für unsere Loyalität und gibt uns einen Platz am Fenster. Außer hektischen Menschen, die mit Kaffeebechern bewaffnet auf der anderen Seite der Scheibe vorbei laufen, gibt es hier jedoch nichts Sehenswertes. Im Fernseher, wer hätte es geahnt, läuft wieder mal eine Reportage über Trump. Also alles beim Alten. Auch beim Frühstück. Ich bestellte mir Eier mit Speck, Kartoffeln und Toast – der Tag kann kommen. Wir holen noch schnell die Kinder aus dem Bett, dann sind wir startbereit. Abermals rufe ich mir die Worte der Dame vom AA Check-in ins Gedächtnis. Esst und trinkt so viel ihr könnt. Werden wir versuchen. An der Ecke Rampart und Common Street empfängt uns zunächst einmal Satchmo und heißt uns in seiner Stadt willkommen. Ja, NOLA und der Jazz, diese zwei Dinge gehören einfach zusammen. Kurz darauf erreichen wir die Canal Street und damit den Übergang ins französische Viertel der Stadt. Hier beginnt schließlich das New Orleans, das aus Film und Fernsehen hinlänglich bekannt ist: bunt, laut, und vor allem historisch.







In guter, touristischer Tradition starten wir unseren Rundgang in der Bourbon Street – der wohl bekanntesten Straße im ältesten Stadtteil von New Orleans. Gegründet im Jahr 1718, hat sich NOLA praktisch um das French Quarter herum entwickelt. Die historischen Gebäude, die überwiegend gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstanden sind, prägen seitdem mit ihren pastellfarbenen Wänden sowie den schmiedeisernen Balkonen und Galerien das Straßenbild. Ebenso wie die zahlreichen Bars, die für viele Touristen das wohl wichtigere Anlaufziel darstellen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass im French Quarter der öffentliche Konsum von Alkohol in offenen Gefäßen erlaubt ist. Die Uhr verrät, es ist noch vor Mittag; Alkohol zu dieser Stunde ist selbst den kleinen Schnapsdrosseln, pardon, den Kindern zu früh. Aber wir wissen ja: Esst und trinkt so viel ihr könnt. Im Café Beignet gibt es gleichnamiges Gebäck frisch aus dem heißen Fett mit ordentlich Puderzucker bestreut als Beilage zu diversen Kaffeespezialitäten. Für die musikalische Untermalung sorgt eine vierköpfige Band, die zeitlose Klassiker zum Besten gibt. Nachdem auch das zweite Frühstück erfolgreich vernichtet wurde, fehlt nur noch das obligatorische Foto mit bekannten Musikerlegenden aus der Gegend. Erledigt. Und schon treibt uns New Orleans wieder weiter durch seine historischen Straßen.











Wir haben die Royal Street erreicht. Wieder sind es die prunkvollen, schmiedeisernen Balkone und Galerien, die sofort ins Auge fallen. So stelle ich mir New Orleans vor. Statt Bars und Restaurants sind mittlerweile Kunst- und Souvenirläden vorherrschend. Wer möchte, kann hier farbenfrohes Zubehör fürs nächste Mardi Gras erstehen, aber ebenso allerlei Skurriles aus dem Reich von Marie Laveau – legendäre Voodoo-Priesterin aus dem 19ten Jahrhundert, die in New Orleans durch schwarze Magie zweifelhaften Ruhm erlangte und deren Grab auf dem Saint Louis Cemetery No. 1 noch heute als Pilgerstätte für Anhänger des Voodoo-Kults dient. Warum auch immer, aber bei Voodoo muss ich stets an Baron Samedi als Bond-Gegenspieler in Live and Let Die denken. Und natürlich an Jane Seymour als Solitaire. Äh, wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, bei den Balkonen und Galerien. Falls es die Zeit erlaubt, sollte die geneigte Leserin sich beim nächsten NOLA-Besuch einfach mal treiben lassen und die faszinierende Architektur dieses Stadtteils ausgiebig in Augenschein nehmen. Es lohnt sich. Und nicht vergessen: Eat, eat, eat, as much as you can.













Langsam arbeiten wir uns voran, inzwischen sind wir in der Chartres Street angekommen. Vor uns liegen die Saint Louis Cathedral und der Jackson Square. Ursprünglich im Jahr 1727 fertig gestellt, musste die Kirche nach einem Einsturz im Jahr 1849 komplett neu errichtet werden und ist nunmehr Sitz des römisch-katholischen Erzbistums New Orleans. Vor der Kirche herrscht ein ziemlicher Menschenauflauf, die alle zum Kreuzweg in die Basilika möchten. Ich vergaß, heute ist Karfreitag. In zwei Tagen ist Ostern. Der Einlass wird von der Polizei kontrolliert, die gemeines Touristenpack wie uns von der Andacht fern hält. "Are you here for the stations of the cross?" Einverstanden. Wir spazieren stattdessen über den Jackson Square, der sich direkt vor der Kirche befindet und in dessen Mitte der namensgebende siebte Präsident Andrew Jackson hoch zu Ross zum 'Erhalt der Union' aufruft. Über die Decatur Street mit den wartenden Pferdekutschen geht es weiter zum Washington Artillery Park, wo eine Kanone vom Typ 1861 Parrott Rifle (aus der Zeit des Bürgerkriegs) vor allem an die Soldaten aus den diversen Kriegen erinnert. Und im Hintergrund ist endlich der Mississippi zu sehen, der an dieser Stelle von der Crescent City Connection, zwei stählernen, parallel verlaufenden Fachwerkbrücken, überspannt wird. Im Rucksack kommt Unruhe auf, die Kinder wollen endlich etwas zu trinken. Na gut, es ist bereits nach 15:00 Uhr, Zeit für einen Cocktail.









Im nahe gelegenen French Market finden Enthusiasten außergewöhnlicher Gerichte so ziemlich alles, was das Herz respektive der Magen begehrt. Von Jambalaya, Etouffee, Gumbo und Po' boys bis hin zu Krokodil auf dem Spieß bieten die diversen Stände ein buntes Potpourri an regionalen Köstlichkeiten. Die kleinen Schnapsdrosseln interessieren sich aber vor allem für alkoholische Getränke, insofern entscheiden wir uns am Stand von Organic Banana für einen Mango Daiquiri – Kuba lässt grüßen. Im Gegensatz zu der Gruppe Asiaten vor mir in der Reihe möchte niemand meinen Ausweis sehen; ein untrügerisches Zeichen dafür, dass ich alt werde. Die Dame hinter dem Tresen meinte es wohl gut mit uns, denn der Rum ist deutlich zu spüren. Nicht nur auf der Zunge. Für den kleinen Hunger gibt es noch ein Grilled Shrimp Po' boy, ein traditionelles Sandwich serviert mit Fleisch, Fisch oder Meeresfrüchten in einer Art Baguette. Es hätten zwar ruhig ein paar Garnelen mehr sein dürfen, aber geschmacklich sehr lecker. Anschließend machen wir uns noch einmal auf, die Gegend zu erkunden. Neben den bunten Häusern sind es die oftmals kunstvoll bemalten Garagentore, die auffallen und ihren Weg auf den Speicherchip finden.

















Jetzt möchten wir endlich zum Mississippi. Allein dieses Wort: vier 'S', vier 'I', zwei 'P'; und ja, der Vollständigkeit halber ein 'M'. Obwohl kein Palindrom, so geht dennoch ein gewisser, betörender Charme von dieser Buchstabenkombination aus. Und nein, ich meine nicht die niederländische Band Pussycat mit ihrem gleichnamigen Hit aus dem Jahr 1975. Miii–hiiis–sis–sippi, you roll along the end of time. Bevor wir den Moonwalk Riverfront Park erreichen, kommen wir noch an zwei Statuen vorbei. Zum einen ist da Jeanne d'Arc, die an der Gabelung Decatur und North Peters Street hoch auf ihrem Sockel thront, zum anderen die eher unbekannte Michelle, die sich hinter dem Butcher's Market auf einem Brunnen niedergelassen hat. Während erstere aufgrund der Namensverwandtschaft ein Geschenk der Franzosen aus dem Jahr 1972 ist, wurde letztere im Jahr 1984 von Paul Perret dort platziert. Warum, weiß vermutlich nur der Künstler. Schließlich stehen wir am Ufer des 3778 Kilometer langen Stroms. Irgendwie beeindruckend. Wieder ist im Hintergrund die Crescent City Connection zu sehen. Mit insgesamt acht Fahrspuren bilden beide Brücken – die ältere, südliche Greater New Orleans Bridge aus dem Jahr 1958 und die nördliche Brücke aus dem Jahr 1988 – die am weitesten stromabwärts gelegene Verbindung über den Old Man River. Jetzt muss ich doch an Pussycat denken. Miii–hiiis–sis–sippi, you roll along the end of time. Am Landungssteg Toulouse Street liegt die SS Natchez angedockt, ein Raddampfer mit Heckschaufel, der von der New Orleans Steamboat Company betrieben wird. Gebaut im Jahr 1975, ist der Raddampfer das neunte Boot mit Namen Natchez in Folge mehrerer Dampfer und Militärschiffe. Mit ihr lassen sich Tagesausflüge und Dinner Jazz Cruises auf dem Mississippi buchen, leider fehlt uns dafür die Zeit. Mittlerweile haben sich die Wolken zusammengezogen und ein heftiger Regenschauer bricht los. Manche mögen es Zufall nennen, andere Schicksal, aber just in diesem Moment taucht die grüne Nixe vor uns auf und bietet uns ein Obdach vor dem Sturm. Danke, grüne Nixe, wie du dich um deine Jünger kümmerst. Bei einer Tasse Kaffe – oder war's gar ein Becher – wird das Restaurant fürs Abendessen ausgesucht. Cajun Küche soll es werden. Nachdem der Regen sich beruhigt hat, manchen wir uns auf den Heimweg. Kurz im Hotel frisch gemacht, dann brechen wir auf zur letzten Etappe des Tages.









Wir laufen über die Fulton bis zur Ecke Julia Street, dort befindet sich das Mulate's – The Original Cajun Restaurant. Eigentlich ist es nur unsere zweite Wahl, aber beim anderen Restaurant hätten wir über 90 Minuten warten müssen. Und so lange hält mein Hunger nicht mehr durch. Die Speisekarte liest sich gut, wir bestellen Krokodil zur Vorspeise und die gemischte Meeresfrüchteplatte (gefüllte Krabbe, Garnelen, Tintenfisch, Austern und Welsfilet) als Hauptgericht. Zwar sind die meisten Sachen frittiert, aber geschmacklich gleichwohl sehr lecker. Dazu noch einen Cocktail – die Kinder freut's – und ein schöner Tag neigt sich langsam dem Ende zu. Entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten gebe ich mich vor der Nachspeise geschlagen. Aber heute wird sicherlich nicht die letzte Möglichkeit sein, den berühmten Brotpudding in Karamellsauce zu verkosten. Wieder muss ich an die Dame vom AA Check-in Miami denken. Eat, eat, eat, as much as you can. Aber ich mag nichts mehr. Zufrieden treten wir den Rückweg an und fallen nur noch müde ins Bett. Die Kinder tun es uns gleich und verkriechen sich unter der Bettdecke. Hoffentlich träume ich nicht vom Essen.







Für morgen steht eine ehemalige Plantage sowie Louisianas Hauptstadt auf dem Programm. Aber wie immer ist morgen heute noch ganz weit entfernt. Vor meinem inneren Auge tauchen auf einmal drei verschwommene Gestalten auf. Etwa die Geschwister Sinus und Kosinus? Aber nein, das wären ja nur zwei. Je näher sie auf mich zukommen, desto besser kann ich ihre Gesichter erkennen. Zu spät, die Schwestern Toni, Betty und Marianne Kowalczyk haben mich umzingelt. Miii–hiiis–sis–sippi, you roll along the end of time...
 

Bayer59

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18.09.2013
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Wie immer toll geschrieben und klasse Bilder! Vielen Dank fürs virtuelle mitnehmen! (y)
 
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Travel_Lurch

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15.09.2009
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New Orleans im August.......:help:Frohes Transpirieren!

Frohes Transponieren würde doch bei dem Thread-Titel eher adäquat sein ;-)
SCNR...

Schöne Bilder....gibt schon einen guten Eindruck, was einen tagsüber erwartet. Dass an einigen Ecken ziemlich gute Musik gespielt wird, habt Ihr ein bisschen unterschlagen. Die Bronze-Band gibt ja leider nichts Hörbares zum Besten.
 
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monty2006

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17.11.2011
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Frohes Transponieren würde doch bei dem Thread-Titel eher adäquat sein ;-)

Die Transponierte (einer Matrix) A[SUP]T[/SUP] überfordert aber ggf. den Leser. ;)

Schöne Bilder....gibt schon einen guten Eindruck, was einen tagsüber erwartet. Dass an einigen Ecken ziemlich gute Musik gespielt wird, habt Ihr ein bisschen unterschlagen. Die Bronze-Band gibt ja leider nichts Hörbares zum Besten.

Stimmt natürlich, die Musik im French Quarter ist praktisch allgegenwärtig.
 
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monty2006

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17.11.2011
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Teil 4 (2): Eine kurze Geschichte der Zeit – Ausflug nach Baton Rouge

Eine erholsame Nacht findet langsam ihr Ende. Vorsichtig öffne ich meine Augen, nicht das die Geschwister Kowalczyk noch immer vor dem Bett stehen und mich musikalisch foltern. Mein Blick schweift zum Fenster. Draußen ist keine Wolke zu sehen, die Sonne lacht mir von einem strahlend blauen Himmel entgegen. Guten Morgen, NOLA. Oder um es mit Satchmo zu sagen: And I think to myself what a wonderful world. So angenehm es in der Horizontalen auch sein mag, aber auf der Agenda steht für heute eine Tour nach Baton Rouge. Mittels (zu) heißer Dusche werden verloren geglaubte Lebensgeister geweckt, dann geht es zum Frühstück. Wieder dankt man uns für unsere Loyalität, wieder gibt man uns diesen opulenten Platz am Fenster. Im Fernseher läuft eine Sturmwarnung, die sich über Florida, Georgia und Alabama erstreckt. Gut, dass wir diesen Teil der Reise bereits absolviert haben. Ein Blick in die Karte, also die Speisekarte, nicht die Wetterkarte, eröffnet mir einen kulinarischen Höhepunkt: Buttermilch-Pancakes. "Fantastic choice" wird meine Wahl goutiert, nicht ohne "this is my absolute favorite" hinterher zu schieben. Ich mag die Amerikaner. Kurze Zeit später steht das kleine Kunstwerk inklusive Pekannussbutter und Speck vor mir auf dem Tisch. Obwohl, so klein sind die beiden Pfannkuchen gar nicht. Und zu meiner Schande muss ich eingestehen, dass ich sie nicht bezwungen habe. Asche über mein Haupt. Aber sie waren verdammt lecker.



Nach dem Frühstück folgen eingeschliffene Abläufe. Kinder holen, Toilette, Sonnencreme, Rucksack packen – nicht notwendigerweise in der Reihenfolge. Der Valetservice bringt uns den Charger vor die Haustüre und weist ausdrücklich auf dieses Prachtexemplar Detroiter Ingenieurskunst hin. "Cool car, sir." Den Hype um amerikanische Muscle Cars konnte ich noch nie so richtig verstehen. Unser erster Programmpunkt ist die historische Oak Alley Plantage, die etwa auf dem halben Weg nach Baton Rouge liegt. Die gut einstündige Fahrt führt uns am Mississippi entlang – landschaftlich durchaus sehr ansprechend. Schließlich erreichen wir das 10 Hektar große Grundstück mit dem imposanten Herrenhaus in klassischer Antebellum-Architektur und der 250 Meter langen, namensstiftenden Eichenallee. Wurde hier früher noch Zuckerrohr angebaut, so ist die Plantage seit 1972 im Besitz der Oak Alley Foundation und damit für die Öffentlichkeit zugänglich. Allerdings trügt der idyllische Eindruck, denn wir sind in Louisiana, wir sind in den Südstaaten. Zur Bewirtschaftung der Plantage hat das Ehepaar Jacques und Celina Roman zahlreiche Feld- und Haussklaven beschäftigt, die mitunter bis zu 18 Stunden am Tag ihre Arbeit verrichten mussten. Von einigen Sklaven ist die Geschichte überliefert und wird hier in Oak Alley nacherzählt. Wie etwa die Geschichte von Antoine.









Antoine war der Gärtner der Familie Roman und beschäftigte sich unter anderem mit der Veredelung von Pekannussbäumen. Nach unzähligen Versuchen gelang es ihm letztendlich, eine neue Sorte – 'Paper Shell' Pekannuss genannt – zu züchten, deren Schale so dünn war, dass sie mit der bloßen Hand geknackt werden konnte. Noch heute ist diese Sorte in Louisiana weit verbreitet und wird vor allem in der kommerziellen Verarbeitung bevorzugt. Antoine blieb Zeit seines Lebens Sklave und wurde nach dem Tod von Jacques Roman dem Inventar mit einem Wert von 1000 Dollar hinzugerechnet. Gegenüber dem Herrenhaus, räumlich abgetrennt durch eine kleine Allee, stehen die Sklavenunterkünfte, einfache Holzhütten mit spärlicher Ausstattung, die jeweils von zwei Familien bewohnt wurden. Den Sklaven war es gestattet, in Gärten hintern den Quartieren eigenes Gemüse anzubauen, das sie unter anderem an die Familie Roman verkauften, um etwas Geld zu verdienen. Allerdings ist nur ein einziger Fall auf Oak Alley bekannt, dass ein Sklave sich durch sein Erspartes frei kaufen konnte (und trotzdem weiterhin auf der Plantage lebte und arbeitete). In unterschiedlichen Ausstellungen wird das Leben der Sklaven aufgezeigt, aber ebenso Geräte und Werkzeuge zu deren Bestrafung. Das Ganze wirkt sehr bedrückend, insbesondere wenn man den Reichtum und Wohlstand auf der anderen Seite des Geländes betrachtet, der ohne diese Menschen hier niemals hätte zustande kommen können. Menschen, die wie ordinäre Güter gehandelt und von Plantage zu Plantage weiterverkauft wurden, denen aber zu guter Letzt in Oak Alley ein Name gegeben werden konnte, um sich an sie und ihr Schicksal zu erinnern.















Unser Rundgang endet wieder am Herrenhaus. Es gibt Führungen durch das 180 Jahre alte Gebäude, allerdings darf drinnen nicht fotografiert werden. Im Esszimmer erzählt man uns die Geschichte von Meanna, einer Haussklavin von Celina Roman. Während Celina sich in diesem Zimmer vergnügte, hat Meanna hier gedient und dabei nicht selten ein Gespräch mitgehört, das sich um ihr eigenes Wohl sowie das der anderen Sklaven drehte. Und dennoch durfte sie nichts sagen oder Regung zeigen. Es ist schwierig, sich all das vorzustellen. Ein Raum, zwei vollkommen unterschiedliche Wahrnehmungen. Nach dem Tod ihres Mannes übernimmt Celina die Geschäfte. Für die Sklaven ändert sich jedoch nichts. In einem Brief an ihren Sohn schreibt sie: "Wir werden immer die Herren sein." Mit Ende des Bürgerkriegs und Abschaffung der Sklaverei kam auch das Ende der Ära Roman. Die Großfamilie Roman besaß durchschnittlich etwa 900 versklavte Männer, Frauen und Kinder, die für sie auf den Zuckerrohrfeldern arbeiten mussten. Vom Herrenhaus kommen wir über den Garten zur ehemaligen Garage, wo ein Film über das weiße Gold und die Bedeutung der Kulturpflanze für die wirtschaftliche Entwicklung Louisianas Auskunft gibt. Daneben befindet sich noch ein weiteres Exponat, ein Bürgerkriegszelt, das über die Auswirkungen des amerikanischen Bürgerkriegs auf diese Region von Louisiana informiert. Die Sklaverei wurde zwar abgeschafft, aber so manche Vorurteile sind immer noch in so manchen Köpfen präsent.





Inzwischen ist es früher Nachmittag, die Sonne brennt unerbittlich vom Firmament. Wir verlassen die Plantage und fahren das kurze Stück zurück bis Wallace. Dort passieren wir den Old Man River über die Veterans Memorial Bridge, jedoch nicht ohne ein paar Impressionen oben vom Deich festzuhalten. Die Fahrt führt uns weiter auf dem US Highway 61, der von New Orleans bis hoch nach Minnesota mit einer Länge von 2553 Kilometern das Land einmal komplett durchschneidet und dabei dem Lauf des Mississippi folgt. Zirka eine Stunde später erreichen wir unser Ziel, das USS Kidd Veterans Museum. Die USS Kidd – benannt nach Konteradmiral Isaac C. Kidd, Sr., der beim Angriff auf Pearl Harbour an Bord der USS Arizona starb – ist einer von drei Zerstörern der Fletcher-Klasse, die von der US Navy ausgemustert wurden und seitdem als Denkmal fungieren. Das Schiff selbst wurde niemals modernisiert und ist der einzige Zerstörer, der sich noch immer im WW2-Design befindet. Man kann das Schiff für Geburtstagspartys (sic!) mieten – habe ich schon erwähnt, dass ich die Amerikaner mag – und es diente darüber hinaus als Drehort für den Film 'Greyhound' mit Tom Hanks, der im Mai 2020 Premiere feiert. Vor dem Museumsgebäude erinnert der Memorial Plaza mit seiner ewigen Flamme an die gefallenen Soldaten aus Louisiana sowie eine Ling-Temco-Vought A-7E Corsair an die Vietnam-Veteranen.









Uns verbleibt etwas mehr als eine Stunde, um den 115 Meter langen Zerstörer zu erkunden. Die Kidd war während des zweiten Weltkriegs im Pazifik unterwegs und hat sich an Einsätzen unter anderem auf den Gilbert- und Marshallinseln, Guam und Okinawa beteiligt. Sie trägt noch heute den Tarnanstrich 'Measure 22', der für die Invasion von Japan vorgesehen war. Wir betreten den Zerstörer übers Achterdeck und finden uns neben einem Geschütz vom Typ Mark 12, Kaliber 5"/38 wieder. Derer gibt es fünf an der Zahl – zwei vorne, drei hinten. Des Weiteren besitzt die Kidd mehrere Flugabwehrkanonen, diverse Abwurfvorrichtungen für Wasserbomben sowie fünf Torpedorohre. Wir schreiten das Schiff einmal ab bis zum Bug, wo die vorderen Geschütze und Flugabwehrkanonen in Doppellafettenbauweise zu sehen sind. Trotz ihres Alters wirkt die Kidd immer noch bedrohlich. Weiter geht es auf der Brücke mit den aus heutiger Sicht anachronistisch anmutenden Instrumenten. Wir steigen unter Deck und gelangen in einen Raum, der Bordküche sowie Speise- und Schlafsaal in sich vereint. Komfort sieht anderes aus, aber schließlich handelt es sich um einen Zerstörer und nicht um ein Kreuzfahrtschiff. Es folgt der Ammunition Handling Room, der unterschiedliche 5" Granaten für das darüber liegende Geschütz bereit hält. Eine Treppe – Vorsicht: Kopf einziehen – bringt uns zurück aufs Hauptdeck, direkt zu den Torpedorohren und Geschützturm Nummer 3. Selbiger birgt indes eine Überraschung in sich, denn im Turm ist auch der Bordfrisör untergebracht; ein wahrlich seltsamer Arbeitsplatz. Einmal waschen, schneiden, legen bitte.















Wir verabschieden uns von der Kidd und laufen die South River Road nordwärts bis zum Louisiana State House, dem historischen Regierungsgebäude des Staates. Im Jahr 1846 beschloss die Regierung von Louisiana, den Regierungssitz von New Orleans nach Baton Rouge zu verlegen. Dazu wurde auf einer Anhöhe mit Blick über den Mississippi ein neo-gotisches Schloss errichtet, das – inklusive Neubau im Jahr 1882 nach einem Brand – bis ins Jahr 1932 als Regierungssitz diente, bevor es vom neuen Louisiana State Capitol abgelöst wurde. Unser nächstes Ziel. Auf dem Weg dorthin sammeln wir gerne noch ein Wandbild ein; schließlich erreichen wir den Capitol State Park mit der zentralen, vier Meter hohen Bronzestatue und dem Grab von Huey Pierce Long, dem 40sten Gouverneur von Louisiana und Verantwortlichen für die Erbauung des neuen Regierungsgebäudes. Im Art Déco-Stil gehalten und mit einer lichten Höhe von 137 Metern ist das Louisiana State Capitol nicht nur das höchste Gebäude der Stadt, sondern zugleich das höchste Kapitol der Vereinigten Staaten. Die Treppe zum Haupteingang wird links und rechts jeweils von einer Skulptur aus Kalkstein flankiert und auf den Treppenstufen selbst sind die 50 Staaten in chronologischer Reihenfolge des Beitritts eingraviert. Endlich kann auch ich mir die dreizehn Kolonien merken, die sich 1776 in der Unabhängigkeitserklärung von Großbritannien lossagten. Wir marschieren zurück zum Wagen, da höre ich in der Ferne ein Rufen, das mir nur allzu gut bekannt ist. Die grüne Nixe fordert ihren Tribut. Bei einem koffeinhaltigen Heißgetränk beratschlagen wir über das Abendessen. Flusskrebse sollen es werden. Google empfiehlt Parrain's Seafood Restaurant, damit ist die Sache entschieden.















Die Fahrt dauert zehn Minuten, das Warten auf einen Tisch deutlich länger. Wieder bestellen wir als Vorspeise Krokodil, jedoch gesellen sich heute Austern vom Holzkohlegrill dazu. Ein Traum, ich könnte mich reinlegen. Die Wahl der Hauptspeise fällt auf eine Spezialität des Hauses: halb Flusskrebs-Étouffée, halb frittierte Flusskrebse. Ich bin mit meiner Wahl zufrieden und reserviere mir – im Gegensatz zu gestern – noch Platz für die Nachspeise. Der White Chocolate Bread Pudding wird uns mit Nachdruck ans Herz gelegt, wie könnte ich da widerstehen. Ich verbanne den kalorienzählenden Teil meines Hirns in die hinterste Ecke und genieße jeden Löffel dieser wunderbaren Köstlichkeit. Kulinarisch rangiert Louisiana bei mir auf jeden Fall ganz weit vorne. Es verbleibt noch das Unvermeidbare, die Rückfahrt nach New Orleans. Das Navi sagt 90 Minuten, aber unser Charger schafft die Strecke bestimmt in kürzerer Zeit. Ohne weitere Bewunderung Detroiter Ingenieurskunst wird er vom Valetservice zur Nacht gebettet, und genau das machen wir jetzt auch.







Müde und erschöpft fallen wir ins Bett. Morgen ist Ostersonntag. knutschi erzählt mir noch etwas von einer bunten Osterparade, aber da bin ich schon lange im Land der Träume angekommen. Na ja, das trifft es nicht wirklich. Es ist eher eine Reminiszenz an die Bilder und Erlebnisse des heutigen Tages, die mich beschäftigt. Ich denke an Antoine und Meanna, und an die vielen anderen Sklaven. Auch wir haben dunkle Flecken in der Geschichte unserer Zivilisation. Keine Frage; aber wir haben daraus gelernt. Zumindest hoffe ich das...
 
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thomasN

Reguläres Mitglied
19.06.2014
83
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Vielen Dank für den tollen Bericht.

Zum Thema Sklaverei kann ich den Film "12 years a Slave" empfehlen, der auf einem autobiographischen Buch eines Sklaven aus der damaligen Zeit basiert.
Sehr sehenswerter Film, man könnte meinen, deine Fotos stammen von den Drehorten.

Ich freue mich auf die Fortsetzung.
 
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monty2006

Erfahrenes Mitglied
17.11.2011
2.088
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CH-GR
Vielen Dank für den tollen Bericht.

Besten Dank!

Zum Thema Sklaverei kann ich den Film "12 years a Slave" empfehlen, der auf einem autobiographischen Buch eines Sklaven aus der damaligen Zeit basiert.
Sehr sehenswerter Film, man könnte meinen, deine Fotos stammen von den Drehorten.

Schöner Film - wurde aber m.W. an einem anderen Ort gedreht.

Ich freue mich auf die Fortsetzung.

Ich beeile mich. :)
 

monty2006

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17.11.2011
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CH-GR
Teil 4 (3): Pinguine, Plastik, und der südlichste Punkt – Ostersonntag in NOLA

Heute ist Ostern. Der Morgen beginnt wie jeder andere auch. Ich schäle mich langsam aus dem Bett. Draußen scheint bereits die Sonne. Ein kurzes Intermezzo unter der Dusche, schon bin ich fit für den Tag und seine Herausforderungen. Welche waren das gleich noch mal? "Um zehn Uhr müssen wir an der Saint Louis Cathedral sein", erklärt mir knutschi. Da endet nämlich die alljährliche (bunte) Osterparade. Gesagt, getan. Wir eilen zum Frühstück und für einen kurzen Augenblick wähne ich mich im Playboy Mansion. Mein Blick folgt den Damen des Hauses, die mit Hasenohren auf dem Kopf umherlaufen. Fehlt eigentlich nur noch Hugh Hefner, wäre er nicht schon gestorben, der mir die Hand schüttelt und uns für unsere Loyalität dankt. "Sir? Sir? A table at the window, sir?" Äh, ja bitte. Wir nehmen unseren 'Stammplatz' ein, im Fernseher ist ein Menschenauflauf vor Notre-Dame zu sehen. Stimmt, da war doch was. "What would you like to order for breakfast?" Ich erinnere mich an die Schmach von gestern, die beiden Buttermilch-Pancakes nicht bezwungen zu haben. Okay, challenge accepted. Wieder bestelle ich diese Ausgeburt einer Köstlichkeit, heute allerdings ohne Speck nur mit Pekannussbutter. Wieder versage ich auf ganzer Linie und gebe nach etwa zwei Dritteln auf. Aber verdammt lecker waren sie. Noch schnell die Kinder holen, dann spurten wir los zur Kathedrale. Die Parade ist bereits zu Ende und die Menschen warten nunmehr auf den Einlass zur Ostermesse. In grellbuntes Tuch gekleidet mit Ostereiern auf den Hüten erinnert das Ganze eher an Fasching; in NOLA mag man es eben gerne frappant. Auch Vertreter der Voodoo-Szene posieren für die Kamera. Ich mache mein Bild und gehe schnell weiter, bevor ich noch mit einem Fluch belegt werde. Langsam strömen die Menschen in die Kirche, das bunte Getümmel lichtet sich. Wir verlassen schließlich den Vorplatz und begeben uns auf den Weg zum Mississippi.







Über den Jackson Square erreichen wir wieder einmal den Washington Artillery Park. Heute ist einiges los hier, auch auf dem Wasser. Zahlreiche Tanker und Frachtschiffe befahren den Old Man River flussauf- und flussabwärts. Nicht für jeden ist Ostern eben ein Feiertag. Wir laufen weiter in südlicher Richtung durch den Woldenberg Park, der hier in den späten 80ern auf der Fläche ehemaliger Anlegeplätze und Magazine erschaffen wurde. Benannt nach Malcom C. Woldenberg, dank dessen finanzieller Unterstützung das Vorhaben möglich wurde, entdeckt man selbigen noch heute im bronzenen Kostüm hier sitzend. Am Ende des Parks, an den Ufern des Mississippi gelegen, befindet sich das Audubon Aquarium of the Americas. In diversen Unterwasserwelten, die sich primär auf Regionen in Nord- und Südamerika fokussieren, sind an die 10.000 Tiere aus 530 unterschiedlichen Spezies zu bestaunen. Eigentlich wollten wir an dieser Stelle eine Airboat Tour durch die Sümpfe New Orleans machen, aber der Veranstalter war leider indisponiert. Wahrscheinlich sitzt er gerade mit Eiern auf dem Hut in der Kirche. Insofern verfolgen wir nun Plan B und besuchen das Aquarium.











Für mich ist es immer wieder faszinierend, in diese atemberaubenden Unterwasserwelten mit ihren mannigfaltigen Fisch- und Pflanzenarten einzutauchen. Natürlich dürfen auch unsere watschelnden Freunde aus Afrika nicht fehlen, die nahezu als einzige den Hurrikan Katrina überlebt haben, der anno 2005 über die Anlage hinwegfegte. Die Kinder sind nicht erst seit ihrer Begegnung mit den blauen Zwergpinguinen auf Neuseeland frenetische Anhänger dieser Spezies und fordern sogleich Familienzuwachs. Aus dieser Nummer kommen wir wohl nicht mehr heraus. Wir besuchen den Souvenirladen. Obgleich die Familienplanung schon lange abgeschlossen war, können wir den drolligen Augen eines kleinen Pinguinmädchens nicht widerstehen und nehmen es in unsere Mitte auf. Herzlich willkommen, Lucy! Wir spazieren weiter und treffen auf die Wanderausstellung 'Washed Ashore: Art to Save the Sea' der amerikanischen Künstlerin Angela H. Pozzi. Im Mittelpunkt stehen dabei überlebensgroße Skulpturen unterschiedlicher Wassertiere, die Pozzi aus Plastikabfall entworfen hat, der tagtäglich an unseren Stränden angespült wird. Seit Beginn des Projekts im Jahr 2010 haben über zehntausend Freiwillige etwa 20 Tonnen Plastikmüll gesammelt, aus dem bisher mehr als 70 Skulpturen entstanden sind. Wie ich finde eine sehr scharfsinnige Art und Weise, mittels Kunst das zu Grunde liegende Problem der wuchernden Plastikmüllausbreitung aufzuzeigen. Zwei Fragen bleiben jedoch offen: Ist es Zufall oder Absicht, dass der Haifisch 'Greta' heißt und hat der Clownfisch das Teil '084 TOP GUN' tatsächlich daher, wo ich denke? Nun ja, Google hüllt sich in Schweigen.















Wir verlassen das Aquarium und holen den Charger. Auf unserer Liste steht für heute noch ein Ausflug zum südlichsten Punkt Louisianas. Die Fahrt auf dem Highway 23 führt uns am Mississippi entlang zu den letzten Ausläufern der Sümpfe im Golf von Mexiko. Hierher verirren sich normalerweise keine Touristen. Auf dem Weg dorthin kommen wir an etlichen entlegenen Ortschaften vorbei, die nicht unbedingt zum Verweilen einladen. Trotzdem begegnen uns immer wieder große Tanker und Frachter, die von Kohle und Getreide bis Öl und Gas so ziemlich alles aus dieser Gegend stromaufwärts transportieren. Nach etwa 90 Minuten Fahrt erreichen wir Venice, welch pathetischer Name für diesen öden Landstrich. Die Tidewater Road findet plötzlich ein jähes Ende – wir sind da. Ein Schild weist uns auf die Besonderheit dieses Ortes hin; und natürlich wollen die Kinder ein Selfie. Du warst nicht am südlichsten Punkt, wenn du nicht... Ja, ja, kennen wir schon. Hier also sagen sich Fuchs und Hase respektive Krokodil und Reiher gute Nacht. Auch die Hilcorp Energy Company mit Sitz in Houston, Texas, hat sich an diesem Ort zur Öl- und Gasförderung niedergelassen. Laut Aufzeichnungen der US Küstenwache Venice Station kommt es immer wieder zu kleineren Zwischenfällen und Ölverschmutzungen in der Gegend. Nur allzu gut habe ich die Bilder der brennenden Plattform Deepwater Horizon vor Augen, die am 22. April 2010 nur 86 Kilometer von Venice entfernt im Golf von Mexiko versank. Erst der Plastikmüll, jetzt die Ölteppiche – ich bin nun wahrlich nicht päpstlicher als der Papst, aber zumindest nachdenklich stimmt es einen.













Nachdem wir alles gesehen haben, so viel ist es ja auch nicht, machen wir uns wieder auf den Rückweg. Wir kommen an diversen kleineren Häfen vorbei, wo Fischkutter auf ihren nächsten Fang warten und Petrijünger ein Boot zum Hochseeangeln im Golf von Mexiko chartern können. Der Fisch für unser Abendessen sollte bereits im Restaurant liegen, insofern verzichten wir auf diesen Teil. Worauf ich aber keineswegs verzichten möchte, ist, die lokale Architektur auf Bild festzuhalten. Ja, Hochwasser sind in dieser Region nicht unüblich. Und ja, steht das Haus auf Stelzen, läuft kein Wasser in den Keller. Alte Bauernregel. Aber so mancher Bauherr (m/w/d) muss bei der Berechnung wohl einen Fehler gemacht haben. Gegen 18:30 Uhr erreichen wir das Hotel, es bleibt keine Zeit für die grüne Nixe. Hoffentlich straft sie uns morgen nicht mit Nichtachtung. Der Valetservice übernimmt den Charger und bettet ihn zur Nacht. Wir eilen in die Decatur Street zur Coterie Restaurant & Oyster Bar, wo wir heute Morgen einen Tisch reserviert hatten. Getreu der alten Sportweisheit 'never change a winning team' bestellen wir Krokodil und Austern vom Grill zur Vorspeise. Sagte ich schon, dass ich mich da reinlegen könnte. Als Hauptspeise gibt es bei mir heute geschwärzten Rotbarsch, bei knutschi ein Flusskrebs-Étouffée. Natürlich darf auch die Nachspeise nicht fehlen: Brotpudding in einer warmen Bourbonsauce. Einfach himmlisch!













Glücklich und zufrieden spazieren wir ins Hotel. Das also war unser Ostersonntag in NOLA. Morgen Nachmittag verlassen wir die Stadt schon wieder und machen uns auf zu unserer letzten Etappe auf dieser Reise. Es geht nach Chicago. Im Hotel angekommen warten die Kinder bereits darauf, ein Gruppenfoto mit dem Familiennachwuchs zu machen. Na gut. Lucy darf in die Mitte, dann schießen wir ein paar Bilder nur mit den kleinen und allen Kindern. Wer genau hinsieht, erkennt vielleicht, dass Monty (links hinten) – obwohl er keinerlei Affinität zu American-Football besitzt – einen Pullover und Schuhe von den Saints bekommen hat. Da freut er sich, unser Chefinformatiker. Langsam wird es Zeit fürs Bett. Kinder, Zähneputzen nicht vergessen; dann verschwindet die ganze Bande unter der Decke.





Auch ich begebe mich in die Horizontale. In meinem Kopf geistern noch verschiedene Eindrücke der letzten Tage umher. Obgleich wir nur eine kurze Zeit in New Orleans waren, so haben wir dennoch viel gesehen und erlebt. Offenkundig schreit das nach einer Fortsetzung. Ich schließe meine Äuglein und schwebe davon in die Tiefe der Nacht. Dort sind keine Dreiecke, keine Geschwister Kowalczyk, kein nichts. Aus dem Dunkel heraus heftet sich ein Gedanke an mir fest und hämmert mir unentwegt dieselbe Frage in den Kopf. Stammt das Teil '084 TOP GUN' nun daher, wo ich denke, oder nicht? Ich werde es nie erfahren...