UEFA-Pokal-Finale am 9. Mai 2012 in Bukarest
Einmal im Leben sollte man als Fußballfan ein Europapokalfinale gesehen haben. Wenn es schon nicht mit dem eigenen Verein geht, dann muss das neutrale Finale im UEFA-Pokal herhalten. Das fand in diesem Jahr bekanntermaßen in Bukarest statt und so buchte ich für den Spieltag den Hinflug Hannover-Wien-Bukarest und für den nächsten Morgen zurück Bukarest-Wien-Hannover. So weit so gut, zum Rückflug später mehr. Ein weiterer Magdeburger wurde auch von dem Spiel angezogen und er reiste bereits am Vortag auf „direktem“ Weg von Berlin über Stockholm und Pisa nach Bukarest. Der Hinflug verlief reibungslos und bereits in Wien traf ich auf dem Flughafen zwei weitere Magdeburger, die den gleichen Flug nach Bukarest wie ich gebucht hatten. Der Flughafen in Bukarest empfing uns mit vielen Plakaten anlässlich des Finales.
Die Abholung mit dem Transfershuttle des Hostels klappte vorzüglich und so war ich bereits eine Stunde nach der Landung im Green Frog Hostel, wo ich von meinem Begleiter erwartet wurde, der mir berichtete, dass die Stadt bereits am Abend zuvor voll mit Spaniern, Korrektur: mit Basken, gewesen sei und er in der Altstadt bis morgens um drei mit den Bilbao-Fans gefeiert hat. Dabei zeigten sich die Basken mit Gesängen und Bengalos in den engen Gassen, in denen auch Sonnenschirme standen, extrem gut aufgelegt. Und welch ein Zufall, im Hostel war der überwiegende Teil der Gäste ebenfalls aus Spanien angereist.
Wir warteten nicht lang und zogen gleich los. Wir wollten unbedingt die Atmosphäre in der Stadt aufnehmen. Doch zunächst hatten wir noch einen anderen Weg vor uns. Der rumänische Fußballverband hatte kurzfristig freundlicherweise direkt vor das Finale noch ein Erstligaspiel gelegt. Auf der Internetseite des Heimvereins Sportul war zu lesen, dass die Kartenhäuschen bereits um 17 Uhr schließen würden, wobei Spielbeginn 18 Uhr war. Auch wenn uns klar war, dass das wahrscheinlich nicht stimmen wird, wollten wir auf Nummer sicher gehen. Nach ein paar Stationen mit dem Bus, dank des Finaltickets konnten die öffentlichen Verkehrsmittel den ganzen Tag kostenfrei genutzt werden, und einem viertelstündigen Fußmarsch vom Gara de Nord erreichten wir das Stadion, wo natürlich keine Kassen geöffnet waren. Freudestrahlend kam uns ein deutscher Hopper mit den Worten „Ich war der Erste!“ entgegen (und was kann er sich dafür kaufen?). Er teilte uns sofort und ungefragt mit, dass er eine Karte und einen Vereinswimpel geschenkt bekommen hat und verwies uns an den Vereinspräsidenten. Er schenkte uns auch zwei Karten, die wir gern bezahlen wollten (Preis ca. 2,40 Euro), was er aber nicht wollte. Wir bedankten uns vielmals und fuhren mit der U-Bahn in die Stadt zum Präsidentenpalast, das größte Gebäude Rumäniens und die berühmteste Sehenswürdigkeit Bukarest.
Auf dem Vorplatz war die offizielle Fanzone von Bilbao aufgebaut, die wir kurz besichtigten und wo wir dank fairer Preise (1,80 Euro für einen halben Liter) ein erstes Bier genossen. Die Fanzone war nicht ganz der Bringer, so dass wir schnell weiter in die Altstadt zogen. Und was ich aufgrund der Berichte vom Vorabend erwartet hatte, wurde weit übertroffen. Ich habe noch nirgends auf der Welt so ein geiles und großes Kneipenviertel gesehen. Normalerweise hat man ein Kneipenviertel rund um einen Platz oder über eine, vielleicht zwei Straßen verteilt. Hier reihte sich über mehrere Straßenzüge eine Kneipe an die andere. Und alle waren natürlich mit Fußballfans voll belegt. Aber nicht nur die Kneipen allein, auch die Straßen selber waren voll.
Wir trafen einen weiteren Deutschen, mit dem wir bei einigen Bierchen das Treiben genossen. Interessanterweise waren in der Altstadt ausschließlich Fans von Bilbao zu sehen. Wir merkten bereits, dass diese in der deutlichen Überzahl sind, was zu erwarten war, da es deren erstes Europapokalfinale nach 35 Jahren war und der erste Titelgewinn seit dem Double 1984 lockte, während Atletico Madrid bereits zwei Jahre zuvor den UEFA-Pokal gewann. Überhaupt merkte man den Basken deutlich an, wie stolz sie auf IHR Team sind, schließlich verfolgt Bilbao den selbstauferlegten Zwang, ausschließlich mit Spieler aus der eigenen Region zu spielen. Nach zwei Stunden in der Altstadt fuhren wir zurück zum Stadion von Sportul, wo natürlich bis zum Spielbeginn die Kassen geöffnet waren.
1. Rumänische Liga am 09.05.2012
FC Sportul Studentesc-FC Otelul Galati 0:2
Stadionul Regie, Bukarest, Z: 300 (39)
Das Stadionul Regie ist ein reines Fußballstadion und verfügt über 10.000 Sitzplätze.
Die waren weniger als spärlich gefüllt. 300 Zuschauer, darunter etwa 50 deutsche Hopper und 39 Gästefans ließen den logischen Menschenverstand zweifeln, ob es sich wirklich um ein europäisches Erstligaspiel handelt. Für die Spieler von Galati muss die Situation besonders kurios gewesen sein. Sie spielten im Herbst noch in der Champions League in einer Gruppe mit Manchester United, dem FC Basel und Benfica Lissabon. Erst vor 75.000 Zuschauern in Old Trafford und nun vor 300 in Bukarest. Die 39 Gästefans waren sehr aktiv und sangen fast das ganze Spiel über.
Ganz im Gegensatz zum acht Mann umfassenden Fanblock des ältesten Sportvereins Bukarests. Die hatten zwei kleine Schwenkfahnen dabei, die nicht zum Einsatz kamen und einmal vernahmen wir einen leisen Schlachtruf. Ob sie sich angesichts des vorletzten Tabellenplatzes schon mit dem Abstieg abgefunden hatten? Wer weiß. Das Spiel war auch nicht berauschend, am Ende gewann Galati verdient mit 2:0 und wir waren irgendwie froh als es vorbei war. Mit der U-Bahn fuhren wir bis zur Station, die dem Stadion am nächsten gelegen ist, und absolvierten in heller Vorfreude den etwas mehr als ein Kilometer Marsch bis zum Stadion, wo der eigentliche Grund unserer Reise wartete:
UEFA-Pokal-Finale am 09.05.2012
Atletico Madrid-Athletic Bilbao 3:0
Arena Nationala, Bukarest, Z: 52.347 (9.000, 15.000)
Der Einlass war leicht chaotisch aber irgendwann überstanden. Beim Betreten des Stadions bestätigte sich die Ansicht von Fotos, die man vorher gesehen (irgendwie logisch, oder?): das Stadion ist eine Fast-Kopie des neuen Frankfurter Waldstadions. In der Mitte über dem Rasen hängt ein Videowürfel und das Dach lässt sich auf die gleiche Weise schließen.
Allgemein muss man sagen, dass es hässlichere Neubauten heutzutage gibt (u.a. das Stadion in München, wo wenig später das Finale um den Europapokal der Landesmeister stattfinden sollte). Und im Stadion bestätigte sich auch die in der Stadt wahrgenommene Überzahl der Bilbao-Fans. Beide Vereine hatten offiziell je 9.000 Tickets zugeteilt (in meinen Augen ein Witz). Die Madrilenen waren auch 9.000 Fans in den ihnen zugewiesenen Blöcken. Auf der anderen Seite waren schätzungsweise 15.000 Basken, die es teilweise geschafft hatten, komplette andere Blöcke für sich zu vereinnahmen. Das Spektakel konnte beginnen. Nach der offiziellen Eröffnungszeremonie der UEFA
zeigte der Fanblock von Madrid eine Choreographie mit dem sinngemäß übersetzten Spruchband „Wir sind stolz!“. Dazu waren im Unterrang Pappen in den Vereinsfarben rot und weiß zu sehen. Im Oberrang wurde die spanische Fahne dargestellt, was aufgrund der Autonomiebewegungen der Basken eine eindeutige Anspielung war.
Vielleicht spielte auch die Tatsache eine Rolle, dass Atletico Madrid vor über 100 Jahren aus einer Abspaltung von Athletic Bilbao hervorging. Eine interessante Anekdote auf jeden Fall.
Stimmungsmäßig waren die Basken am Anfang zunächst überlegen. Egal wo im Stadion die Fans saßen, alle stimmten in die Gesänge mit ein. Wenn dabei noch die Schals geschwungen wurden, entstand neben den sehr lauten Gesängen ein gutes Bild.
Auch sportlich hielt das Finale, was es vorher versprochen hatte. Bereits nach sieben Minuten netzte der Goalgetter Madrids Falcao nach einem eleganten Dribbling durch den Strafraum mit einem sehenswerten Schlenzer ins lange Eck ein. Die Basken waren natürlich, wenn auch nur kurz, geschockt, dafür waren die Madrilenen nun umso besser drauf. Beide Seiten schenkten sich sowohl auf dem Rasen als auch auf den Rängen in der Folgezeit nichts. In Minute 37 folgte ein weiterer sehenswerter Angriff von Atletico. Nach einer Flanke hat Falcao im gegnerischen Strafraum die Abgeklärtheit, mit einem kleinen Tänzchen erst zwei Gegenspieler aussteigen zu lassen, um dann den Ball elegant über den Torwart ins Netz zu schießen. Traumhaft! Es war klar, dass Bilbao in der zweiten Halbzeit kommen muss, sonst würde das mit dem Titel, den wir ihnen gönnten, nichts werden. Und Bilbao kam und startete Angriff auf Angriff. Das sah bis zur Strafraumgrenze sehr gut aus, aber im Strafraum stand immer wieder ein Atletico-Spieler, der ein Bein oder Kopf vor den Ball bekam. Es war fantastisch mitanzusehen, wie Fußball auf höchstem Niveau aussieht und wie eine Mannschaft, nennen wir sie Atletico Madrid, innerhalb eines Spieles souverän zwei verschiedene Spielstile spielen kann. In der ersten Halbzeit Angriffsfußball und in der zweiten ab in die Defensive und vereinzelte gefährliche Konter fahren. Mit abnehmender verbleibender Spielzeit wurden die Basken immer leiser und die Madrilenen immer lauter. Teilweise war der ganze Madrid-Block eingehakt am Hüpfen und Singen. Politisch nicht ganz fair sangen die Madrilenen zwischendurch auch „Viva Espana!“, was die Basken mit einem gellenden Pfeifkonzert quittierten. Kurz vor Schluss machte Diego endgültig Schluss mit allen Hoffnungen Bilbaos. Am Ende war es ein verdienter Sieg Madrids und somit bleibt ein elitärer Klub aus nur zwei Mannschaften bestehen: Celtic Glasgow und dem 1. FC Magdeburg. Beide Vereine haben einen Europapokaltitel nur mit Spieler aus der eigenen Region gewonnen und Bilbao hätte in diesen Klub eintreten können.
Nach dem Spiel wollten wir noch nicht zurück ins Hostel, sondern noch etwas die Stimmung in der Altstadt genießen. Wir entschieden uns, da keine U-Bahnen mehr fuhren, für das Taxi und wurden trotz guter Verhandlungen unsererseits (so dachten wir zumindest) noch abgezockt, haben wir doch den fünffachen Preis statt des normal üblichen bezahlt. Aber gut, auch die Taxifahrer witterten das Geschäft ihres Lebens und unserer hatte sich z.B. die Zahlen in 10er Schritten auf Spanisch notiert, um Antworten für spanische Fahrgäste geben zu können. Bei unserer Ankunft in der Altstadt war noch nicht so viel, was sich aber in kürzester Zeit änderte, als nach und nach immer mehr Fans aus dem Stadion ankamen. Wir kamen noch mit ein paar Bilbao-Fans ins Gespräch und so erfuhren wir, dass Athletic 35.000 Vereinsmitglieder hat und sich fast alle Vereinsmitglieder auch um ein Finalticket beworben hatten. Für einen Charterflieger Bilbao-Bukarest-Bilbao mit Eintrittskarte aber ohne Übernachtung hatten die Fans 800 Euro gelöhnt. Aber bei so einem Ereignis kann man das schon mal machen. Zwei Wochen später sollte in Madrid im Stadion von Atletico das spanische Pokalfinale zwischen Bilbao und dem FC Barcelona stattfinden. Zu diesem Spiel wollen 40.000 Basken ohne Tickets anreisen, um in Madrid so oder so eine große Party steigen zu lassen. Und dann konnten wir noch die Info erhaschen, die uns am meisten interessierte. Bilbao baut derzeit ein neues Stadion und das alte, in dem der FCM 1986 spielte, wird anschließend abgerissen. Wie in Spanien bei Stadionbauten üblich verzögert sich das immer wieder mal. Ursprünglich sollte bereits ab 2010 im neuen Stadion gespielt werden, sie rechnen aktuell nicht vor 2014 mit einem Umzug. Allgemein merkten wir den Bilbao-Fans an, wie stolz sie trotz der Finalniederlage auf ihre Mannschaft aus der Region waren.
Gegen drei Uhr verabschiedeten wir uns ins Hostel. Wir wollten wieder per Taxi fahren und nach Nennung des Fahrzieles meinten die ersten sechs Taxifahrer 30 Lei. Wir wollten aber per Taxameter fahren und alle schickten uns dann auf einmal weg. Spinner! Der siebente Taxifahrer war endlich vernünftig und siehe da, für 8 Lei inkl. Trinkgeld waren wir da. Nach zwei Stunden Schlaf und einem kleinem Frühstück wurden wir mit dem Shuttle des Hostels zum Flughafen gebracht. Der Fahrer war großer Fußballfan und als wir sagten, wir sind Fußballfans aus Magdeburg, fragte er, ob wir nicht 1974 den Europapokal mit einem 2:0 gegen den AC Mailand gewonnen hätten? Völlig richtig, guter Mann!
Am Flughafen begann eine kleine Odyssee. Aufgrund der zigtausenden Fußballfans platzte das Gebäude aus allen Nähten. Der Airport arbeitete definitiv über seiner Kapazitätsgrenze, allein über 50 Sonderflieger gingen in der Nacht und am Morgen in Richtung Spanien raus. Der Check-In klappte reibungslos und es sah alles gut aus. Bis für unseren Flug nach Wien (mein Begleiter flog von dort nach Berlin weiter) eine Verspätung von 20-30 Minuten angezeigt wurde. Dabei hatte ich in Wien nur 35 Minuten, um meinen Anschlussflug nach Hamburg zu bekommen. Während des Fluges kam die Stewardess zu mir und meinte, ich bin aufgrund der Verspätung auf den Lufthansa-Flug nach Hamburg umgebucht, der eine dreiviertel Stunde später geht. Bei unserer Ankunft in Wien hörte ich noch „letzter Aufruf für den Air Berlin-Flug nach Hamburg“, was mein ursprünglicher Flug war. Wir verabschiedeten uns, ich nahm die Beine in die Hand und kam pünktlich am Gate an. Ich schilderte meine Situation, ob ich nicht doch noch mit diesem Flug mitkann? Das wurde vereint, wenn man einmal in das System der anderen Fluggesellschaft umgebucht wurde, kann man nicht mehr zurückgebucht werden. Muss man nicht verstehen. Er vertröstete mich aber dahingehend, dass der Lufthansa-Flug wahrscheinlich eh eher rausgehen wird, weil die Air Berlin-Maschine noch technische Probleme habe. Auch gut. Dann kam mir aber noch in den Sinn, dass zur gleichen Zeit des Lufthansa-Fluges nach Hamburg noch ein direkter Germanwings-Flug nach Hannover geht. Ich fragte nun am Lufthansa-Schalter, ob ich nicht direkt darauf umgebucht werden kann, es ist ja mein Endziel. Wieder bekam ich nur die Pappnase, das müsse ich mit Air Berlin klären und deren Ticketschalter war ein ganzes Stück weg. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit entschied ich mich für die Hamburg-Variante und in Hamburg bekam ich sogar noch einen Zug eine Stunde eher, was in Summe aber doch kein Gewinn war, da die Zugstrecke zwischen Hamburg und Hannover aufgrund eines Unfalls gesperrt war und der Zug über Bremen umgeleitet wurde, was eine Verspätung von fast einer Stunde nach sich zog. Anschließend bin ich ins Büro und nach einer erfrischenden Dusche dort konnte ich kurz nach dem Mittag den restlichen Arbeitstag in Angriff nehmen.