Hundert Ansichten von Tokyo

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Mantegna

Erfahrenes Mitglied
21.05.2009
3.025
17
MUC
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11. Tag: Rikugien Gardens, Kyu Furukawa Gardens und "Tori no Ichi"-Markt in Asakusa - letzteren entdeckt dank Atsushi, meinem zweiten Guide

Teil 1: Rikugien Gardens


Sorry, ich muss den 11. Tag in mehrere Teile splitten, dem System scheint mein Bericht sonst zu umfangreich zu sein (wahrscheinlich zu viele Bilder).
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Es begann am Vorabend mit einer Riesenüberraschung: In meiner Mailbox fand sich eine Mail mit dem Angebot, von Tokyo Free Guide für den nächsten Tag nochmals einen Guide zu bekommen. Und auch Atsushi selbst - eben der Guide - hatte sich bereits gemeldet.
Natürlich antwortete ich sofort, sagte ihm, dass ich am nächsten Tag nach Rikugien Gardens und Kyu Furakawa Gardens gehen und dann vielleicht noch durch Yanaka schlendern wolle. Vor allem aber warnte ich, dass es mit mir furchtbar langweilig sein könne, da ich viel fotografieren wolle und überhaupt eben ein "slow traveller" sei. Keine zwanzig Minuten später war seine Antwort da: Kein Grund zu Bedenken wegen meiner Langsamkeit, da er selbst auch fotografiere. Vor allem aber schlug er vor, statt nach Yanaka zum Tori-No-Ichi am Juzaisan Chokoku-ji zu gehen. Natürlich sagte mir das gar nichts, fand aber natürlich auf dem Netz gleich einige Websites, die dies interessant erscheinen ließen. Also schnell geantwortet und wie von ihm vorgeschlagen 10 Uhr die Polizeistation neben der Hachikō-Statue an der Shibuya Station als Treffpunkt bestätigt.



Am nächsten Morgen pünktlich am Treffpunkt, wo mich Atsushi bereits erwartete; ich dagegen einige Minuten verspätet, da ich mich noch Durchfragen musste. Atsushi ist, wie er mir erzählte, gerade dabei, den Job zu wechseln und hat die Zeit "between jobs" genutzt, um für TFG aktiv zu sein und Leute kennenzulernen. Er hat Elektrochemie studiert, war Marketingmanager bei eine Firma für Elektrobatterien und begann zwei Tage nach unserem Treffen wieder als Marketingmanager bei einer Firma für regenerative Energie.

Gemeinsam fuhren wir die paar Stationen nach Rikugien Gardens, wo wir uns einfach für einige Stunden durch den Park treiben ließen und beide reichlich Fotos machten.




Einer der wenigen Ahornbäume, dessen Blätter noch fast grün waren.

Rikugien ist einer der klassischen Fürstengärten Tokyos, angelegt für Yanagisawa Yoshiyasu, einen engen Vertrauten des damaligen Tokugawa Shoguns, von dem er das Gelände für den Garten und seinen Landsitz erhalten hatte. Der Name des Garten bezieht sich auf die sechs Grundsätze der chinesischen Dichtkunst, die in Japan übernommen und an die heimische Waka-Dichtkunst angepasst wurden. Aus klassischen Gedichtsammlungen wählte Yanagisawa Yoshiyasu 88 Gedichte aus, nach denen er hierauf bezogene Landschaftsbilder gestalten ließ. Hiervon sind heute noch 32 erhalten, nachdem der Garten im Laufe der Jahrhunderte 2/3 seines ursprünglichen Umfangs verloren hat. Zentrum des Gartens ist wie bei allen Wandelgärten ein künstlicher Teich, hier mit drei Inseln. Alle drei tragen eigene Namen und beziehen sich auf reale oder auch mythische Landschaften.





Tsutduji-chaya - ein archaisch wirkendes Teehaus, das in der Meiji-Ära (1868-1912) aus Azaleen-Holz gebaut wurde.











Blick auf Naka-no-shima, die mittlere der drei Inseln.




Nochmals Naka-no-shima



Sicherlich der bekannteste Blick im Rikugien: Togetsukyo, eine Steinbrücke benannt nach einem berühmten Gedicht; der Name nimmt außerdem Bezug auf die große Brücke über den Hozu-Fluss in Arashiyama (Kyōto). Die Brücke wird von zwei versetzt angeordneten massiven Steinbalken gebildet - ein Motiv, das sich auch in vielen anderen Gärten findet.




Brücke zur Naka-no-shima. An der Kiefer rechts eine Yukitsuri, ein sorgfältig verspanntes Bambusgerüst, das ursprünglich die Bäume vor der Schneelast schützen sollte, heute aber auch rein dekorativ eingesetzt wird.




Panoramablick vom Fuji-yama, der Spitze des Fujishiro-toge, über den Park. Der Name des künstlich aufgeschütteten Hügels - immerhin 35 m hoch - bezieht sich auf einen Bergpass in Kishu (heute Präfektur Wakayama).











Horai-jima - die kleinste der drei Inseln. Der Name bezieht sich auf die Insel der Seligen aus der chinesisch-japanischen Mythologie. Hori-jima oder Horaisan, ein klassisches Gestaltungselement japanischer Gärten, weist nie eine Brücke zum Ufer auf: Symbol dafür, dass dieses Reich der Seligen sterblichen Wesen nicht zugänglich ist.



Am Ende - wir waren schon am Gehen, wollten weiter in den nächsten Garten - gab es noch eine phantastische Überraschung: den Auftritt eines Jongleurs, der klassische Jonglierkunst der Edo-Zeit vorführte, beleitet vom Shamisen-Spieler auf dem nächsten Bild.






Eines seiner Kunststückchen: Einen schweren Metallring auf einem Sonnenschirm zum Laufen bringen, den er immer schneller dreht. Das gleiche wiederholte er dann mit einer Tasse, einer quadratischen(!) Sakeschale und sogar einer Teekanne.



Hier balanciert er die Teekanne auf einem kurzen Stab, wirft sie mehrfach in die Luft und fängt sie wieder auf. Tut mir leid, wirklich beschreiben lässt sich seine Perfektion nicht - um sie auch nur erahnen zu können, bräuchte es ein Video.

Auf dem Weg zum nächsten Garten, den Kyu-Furakawa, überfiel uns - genauer gesagt: mich - der Hunger. Atsushi checkte online - wie offenbar in Japan üblich - die Umgebung nach Ramen-Imbissen. Am ersten gingen wir vorbei - "der ist nicht gut" und landeten dann beim nächsten.





 

Mantegna

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21.05.2009
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11. Tag: Rikugien Gardens, Kyu Furukawa Gardens und "Tori no Ichi"-Markt in Asakusa - letzteren entdeckt dank Atsushi, meinem zweiten Guide

Teil 2: Kyu Furukawa Gardens


Nach dieser kurzen Pause ging es - kaum 10 Minuten Fußweg - weiter zum Kyu-Furukawa Gardens. Wie schon erwähnt ist dies ein Villengarten vom Ende der Zwanziger Jahre. Die Villa selbst und der obere Teil des Gartens wurde im westlichen Stil gestaltet und 1917 vollendet, der tiefer liegende Teil des Gartens dagegen später von Ogawa Jihei (auch: Niwashi-Jihei), einem Gartenarchitekten aus Kyoto angelegt. Grundlegendes Gestaltungsprinzip ist wieder der Wandelgarten um einen zentralen Teich und auch sonst tauchen schon bekannte Motive wieder auf.



Die Villa



Letzte Rosen



Letzte Rosen




Ahorn













Karetaki ("wasserloser Wasserfall"): eine Steinsetzung, die den Betrachter an einen Wasserfall in einer tiefen Bergschlucht erinnern soll - beliebtes Motiv klassischer japanischer Gärten, das sich auch im Kyu-Shiba-rikyu findet.
Falls jemand nachschauen möchte: Im Bericht vom 9. Tag gab es ein Foto des dortigen "Wasserfalls".









Fast ein Wasserfall: Gingko-Blätter, die zwischen zwei Steinen herunterrieseln.






 

Mantegna

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11. Tag: Rikugien Gardens, Kyu Furukawa Gardens und "Tori no Ichi"-Markt in Asakusa - letzteren entdeckt dank Atsushi, meinem zweiten Guide

Teil 3: "Tori no Ichi"-Markt in Asakusa

Es begann schon dunkel zu werden, als wir uns schließlich zum Tori-No-Ichi am Juzaisan Chokoku-ji aufbrachen. Anfangs hatten wir noch leichte Orientierungsprobleme, doch schließlich gefunden war der Juzaisan Chokoku-ji kaum zu übersehen.




Am Eingang die "Werbetafel" für den Tori-No-Ichi.

Bevor ich jetzt allerdings weiterquatsche, endlich eine Erklärung, was denn dieses ominöse Event ist. Wörtlich übersetzt ist dies ein Markt unter freiem Himmel, doch real ist dies ein sehr spezieller Markt oder besser ein Jahresfest, das im November am Tag des Hahnes überall in Japan an vielen Schreinen und Tempeln stattfindet, wobei man zu Gott und Buddha um die Besserung des Schicksals und den wirtschaftlichen sowie beruflichen Aufschwung beten. Vorallem aber werden beim
"Tori No Ichi" Jahrmarkt, der an den Tagen des Hahns (in der Regel zwei, in manchen Jahren drei Tage) im November am "Chokoku-Ji" Tempel und am "Ohtori-Jinja" Schrein stattfindet Kumade verkauft, die für das kommende Jahr zu Glück und beruflichem/geschäftlichem Erfolg verhelfen sollen.
Ursprünglich waren diese Kumade einfache Bambus-Rechen, wobei mir Atsushi eine interessante Erklärung für den Abstand zwischen den einzelnen Zinken gab: Dieser verhindere, dass der Rechen alles zusammentrage und so für die Anderen nichts mehr übrig bliebe; so gut dies zur japanischen Mentalität zu passen scheint, vermute ich doch, dass dies eher eine nachträglich unterschobene Bedeutungszuweisung ist. Doch wie auch immer: Heute sind Kumade aufwendig verziert und mit allerlei Glückssymbolen bestückt und offenbar sehr populär in Japan. Wer sich aufmerksam umschaut, wird sie etwa in Imbissbuden häufiger sehen als er denkt. Für Japaner seien diese Märkte erste Vorboten des Jahreswechsels, verbunden mit einem süßsauren Gefühl von Frühwinter.


Natürlich gab es beim eigentlichen Markt auch Imbißstände


Hier eine eher kleine Kumade. Wichtig sei übrigens, dass die nächste Kumade größer ist als die vorhergehende, denn sonst bringt sie kein Glück.
Typische Elemente sind im Zentrum die Okame-Maske (eine Art Göttin), Daikoku-ten (Gott des Reichtums), Shochikubai (Kiefer, Bambus und Pflaume als heilbringende Bäume) und Tsurukame, Kranich und Schildkröte die ihres langen Lebens für glückliche Tiere gehalten werden.


Hier ein schon aufwendigeres Exemplar


Daruma - ebenfalls ein beliebter Glücksbringer. Er gilt als Helfer bei der Erfüllung von Wünschen. Zunächst wird ein Auge ausgemalt und die Figur an einen Ort gestellt, an dem man möglichst jeden Tag vorbeikommt. Ist der Wunsch in Erfüllung gegangen, wird das andere Auge ausgemalt. Dann kann die Figur in einem Tempel verbrannt werden.



Dem Kauf eine Kumade folgt ein von Rufen begleitetes gemeinsames Händeklatschen ("Ipponjime" im Rhythmus 3,3,3,1) das den Kauf besiegelt und zugleich die Wirksamkeit der Kumade steigern soll.


Der Schrein war rappelvoll, in langen Schlangen stellten sich die Leute an, um zu beten und und Münzen zu opfern, die am Eingang des Schreingebäudes in große Holzbehälter geworfen werden. Atsushi - "Ich bin nicht Shintoist, aber ich mag Schreine." - machte sich den Spaß, aus drei-vier Meter Entfernung über die Köpfe der vor uns wartenden seine Münzen zu werfen.


Da es ja auch um den geschäftlichen Erfolg geht, wird der Schreinbesuch offenbar auch für Betriebsausflüge genutzt. Überbordende Freude und Zuversicht konnte ich hier allerdings nicht entdecken.


So grimmig er schaut: Auch das ist ein Glücksbringer.


Rappelvoll - ich befürchtet immer wieder, meinen Guide zu verlieren, doch erstaunlicherweise passierte das nie.
 

Mantegna

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21.05.2009
3.025
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12. Tag: Koishikawa Korakuen Gardens - ein ganzer Tag in einem einzigen Garten. Zum Schluß ein kleiner Spaziergang durch Yanaka

Ich kann nur warnen: Einen ganzen Tag für einen einzigen Garten "zu opfern" - das ist wirklich extrem oder anders: dafür muss man wirklich so verrückt sein, wie ich es offenbar bin. Drum also: Seid besser gewarnt.

Vielleicht rechtfertigen immerhin Rang und Bedeutung dieses Gartens ein solches Unterfangen: Koishikawa Korakuen Gardens ist die älteste Anlage im Wandelgarten-Stil in Tokio. Begonnen wurde er 1629 von Tokugawa Yorifusa, dem Begründer des Mito-Zweiges der Tokugawa, doch erst 1669 unter seinem Nachfolger Tokugawa Mitsukuni fertiggestellt, wobei die Konzeption des Gartens stark von Zhu Shunshui, einem aus China geflüchteten konfuzianischen Gelehrten, beeinflusst wurde, von dem sich Tokugawa Mitsukuni bei der Anlage des Gartens beraten ließ.
Dieser Einfluss zeigt sich nicht nur im Namen des Garten, der sich auf einen Text von Fan Zongh, einem wichtigen chinesischen Literaten und Politiker des 11. Jahrhunderts bezieht, sondern vor allem in den chinesischen Landschaftszitaten, von denen eine ganze Reihe später zum klassischen Motiv-Kanon der Wandelgärten aus der Edo-Zeit wurden.
Nach so viel "bemüht gelahrter" Einführung aber nun einfach zu einigen Bildern, die ich bei meinem Besuch des Gartens machen konnte; wo ich etwas sinnvolles zur Erklärung sagen kann, gepaart mit einem kurzen Kommentar.


Auch hier in der Mitte des Teichs, die das Zentrum des Wandelgartens bildet, eine Hōraijima: Insel mit Berg der Glückseligen (Pendant des Berges Penglai in der chinesischen Mythologie) Im Zentrum der umfangreichen Steinsetzung der Tokudaiji-seki: Stein des Tokudai-ji, der den Kopf einer Schildkröte zeigen soll, von manchen aber auch als Wasserfall gelesen wird.

Im rückwärtige Bereich des Gartens, dem sog. "Inner Garden", der früher durch ein chinesisches Tor abgetrennt war, unterhielt der Mito-Clan ursprünglich ein Gästehaus im "Shoin"-Stil. Im Zentrum befindet sich ein zweiter kleiner Teich ebenfalls mit einer künstlichen Insel, die mich bereits beim letzten Mal ungemein fasziniert hat, ist sie doch ein bis ins letzte Detail durch und durch gestaltetes Meisterwerk klassisch japanischer Ästhetik.










Am Rande des Teichs fielen mir bereits beim letzten Mal diese Fotografen auf. Damals konnte ich mir keinen Reim drauf machen, warum sie mit solch gigantomanischen Kanonenrohren unterwegs waren, doch konnte ich diesmal immerhin das Objekt ihrer Begierde ausmachen: Ein kleines Eisvögelchen, dem sie für Stunden nachstellten.




Nochmals die Hōraijima mit dem Tokudaiji-seki


Nochmals die Hōraijima mit dem Tokudaiji-seki




Es hat sich wirklich gelohnt, Koishikawa Karakuen Gardens erst am Ende meiner Reise zu besuchen, auch wenn das Licht nicht den ganzen Tag über so ideal war wie in diesem Moment.


Engetsu-Kyo - Voll- oder Rundmondbrücke, die chinesischen Mustern folgend noch aus der Ursprungszeit des Garten stammen soll.


Auffallend im Koishigawa Korakuen die vielfältige Gestaltung der Pfade.








Byōbu iwa: „Stein-Vorhang“ oder Wandschirm-Felsen


Neben chinesischen zeigt der Garten auch japanische Landschaften - hier eine Bucht gestaltet nach dem Oigawa-Fluß im Norden von Kyoto mit aus dem Wasser ragenden Flusssteinen, wie sie häufig in japanischen Flüssen zu finden sind.


Dies Bucht ist für mich eine der faszinierendsten Szenerien des Koishikawa Karakuen.


Nochmals ein chinesisches Landschaftszitat: der Damm des Westsees Xi Hu in Zhe Jang, eine der berühmten Landschaften Chinas, die als Motiv auch in anderen Gärten auftaucht - in Tokyo etwa im Kyu-Shiba-rikyu oder im Hama-rikyu.


Und noch ein chinesisches Landschaftszitat: Shō Ro-san: Lushan-Berge, China
Hier machte ich einen Fehler, vor dem ich nur warnen kann: Auf der Kuppe des Hügels ist ein Aussichtspunkt und ich hatte mir dummerweise in den Kopf gesetzt, die Aufnahme ohne "menschliche Staffage" zu machen. Es dauerte über zwanzig Minuten, bis ich die Aufnahme endlich im Kasten hatte...

Mein anschließender kurzer Besuch von Yanaka hatte in Teilen schon fast skurrile Qualität. Dass die Yanaka Ginza, die kleine Ladenstraße im Zentrum, fast leer war, kann ja mal sein. Dass aber über dieser durch und durch japanischen Edo-/oder besser Vorstadtatmosphäre als Soundtrack aus den Lautsprechern in verhaltener Lautstärke deutsche Weihnachtslieder erklangen, war doch so skurril, dass ich es kaum glauben mochte.


Yanaka Ginza. Beim letzten Mal war sie rappelvoll. An einem Laden dort trank ich damals meine ersten Sake.




Reisladen


Japanreisenden ein vertrauter Anblick. Hier aber standen im Umkreis von nicht mal 10 Metern sechs solcher Getränkeautomaten!


Und das war einer der Gründe, warum ich unbedingt nochmals nach Yanaka wollte: Isetatsu, ein seit 1864 bestehender Papierladen, der auf Chiogami spezialisiert ist, mit traditionellen Edo-Motiven bedrucktes Papier. Ursprünglich im Holzdruck hergestellt gibt es heute auch erschwinglichere maschinengedruckte Varianten.
 

Mantegna

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21.05.2009
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MUC
13. Tag: Yamatane Museum und Ebisu

Oder anders: Der zweitletzte Tag. Und den hatte ich tatsächlich noch nicht verplant, ja war am Vorabend geradezu überrascht, daß ich noch einen ganzen Tag zur freien Verfügung hatte.

Was ich damit machen wollte, war schnell entschieden: Ich geh ins Suntori Mueseum in Roppongi, erst recht wo ich noch nicht in Roppongi war. Mein Reiseführer versprach "eine einzigartige Sammlung von Edo-Wandschirmen mit höfischen Motiven... traditionelle Gebrauchskunst mit Keramik, Lackarbeiten, Textilien und Teeutensilien" - also genau das, was mich besonders interessiert und ich diesmal noch kaum gesehen hatte.

Also nach dem Frühstück - nochmals mit Blick zum Fuji - und danach vorbei an den Hochhäusern von Shinjuku auf nach Roppongi.






Dort landete ich nach etwas Orientierungsschwierigkeiten tatsächlich an der Rezeption des Gebäudes, in dem das Museum ist, und erfuhr: "Das Museum ist heute geschlossen.
"Wie??? Das kann doch nicht sein! Heut ist doch Dienstag! Kein Museum hat am Dienstag geschlossen." Doch leider hatte ich mich getäuscht und vor allem vergessen, auf der Website des Museums nachzuschauen. Denn dort steht deutlich, dass das Museum zwischen den Wechselausstellungen komplett schließt und keine Dauerausstellung seiner eigenen Sammlung hat. Die letzte Ausstellung war am Sonntag zu Ende gegangen und die nächste würde erst am 16. Dezember eröffnet. Und beide wären hochinteressant gewesen: Die eine über Kusumi Morikage, einen wichtigen Vertreter der Kano Schule aus dem 17. Jahrhundert, die andere unter dem Titel "Prayers to Water", die noch bis Anfang Februar zu sehen ist; (Wer aktuell in Tokyo ist: Unbedingt hingehen!!).




Also was tun? Die Porsche Präsentation im Innenhof interessierte mich nicht und nach der Enttäuschung in Roppongi zu bleiben, hatte ich keine Lust. An der Rezeption bekam ich den Hinweis auf eine Ausstellung "Murakami Kagaku and Kyoto Artists" im Yamatane Museum in Ebisu. Vom Museum hatte ich noch nichts gehört und auch der Künstler sagte mir nichts, doch immerhin war ich schon beim letzten Mal in Ebisu in gewesen und hatte gehört, dass es ein interessanter Stadtteil sei. Und zudem war es ab Roppongi einfach zu erreichen.

Natürlich musste ich dort mehrfach nach dem Weg fragen - nochmals: Das funktioniert in Tokyo viel einfacher als oft behauptet wird. Erst recht, wenn man notfalls die Adresse in japanischer Schrift zeigen kann. - bis ich das Museum fand.

Das Yamatane Museum ist einmal mehr ein privates Museum, hervorgegangen aus einer Sammlung von Kunstwerken der Nihonga(-Schule?? - oder Bewegung??), deren Ziel es war, die traditionelle japanischer Malerei in modernisierter Form zu erhalten. Murakami Kagaku war Mitbegründer einer der Künstlervereinigungen dieser Schule, der Kokuga Sosaku Kyokai (Asssociation for the Creation of National Painting), die ähnlich wie entsprechende Künstlergruppen in Europa aus der Kritik des Mainstream damaliger Kunst entstand.
Anlass der Ausstellung war, dass aus der Sammlung des Museums ein zweites Werk von Kagaku zum wichtigen nationalen Kulturgut erklärt worden war. Mir war der gesamte kunsthistorische Kontext unbekannt gewesen und insofern fand ich die Ausstellung wirklich interessant. Andererseits aber waren für mich nueren Bilder etwa ab den Zwanziger Jahren einfach nur kitschig und uninteressant. Bei aller Bereitschaft mich auf Neues und Unerwartetes einzulassen, verließ ich daher die Ausstellung bald, um mich noch ein wenig in Ebisu umzuschauen.

Viel zu erzählen gibt es davon nicht. Das Viertel hat viele kleine Läden, auch viel Restaurants und ist wohl insgesamt eher ein gehobenes Wohnviertel. Hier einige Bilder von Ebisu:


Kamelienblüte in einem Vorgarten


Privater Garten


Gingko-Blätter






Fischladen direkt beim Bahnhof




Bei so viel frischem Fisch war es nur passend, im Imbiss nebenan Fisch zu essen.


Faszinierend, wie der Koch mit einer schnellen Drehung den einseitig gebratenen Teig zu Kugeln formte. War wohl mit geraspeltem Gemüse drin, doch dummerweise hatte ich eben gegessen.


Bei allen Kuriositäten, die wir bei den Namen für Friseurläden in Deutschland erleben - meiner zum Beispiel heisst "Kamm-In" - , "Nuclear Hair" würde wohl hier kein Friseur seinen Laden nennen.




Sake-Behälter. Kann nicht sagen, ob vor einer Bar oder einem Laden. Die Menge hätte jedenfalls für eine Party mehr denn ausgereicht.


Rechtzeitig im Hotel zurück fuhr ich abends noch nach Narita raus, wo ich die letzte Nacht wieder im Hilton Narita war.
 
Zuletzt bearbeitet:

Mantegna

Erfahrenes Mitglied
21.05.2009
3.025
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MUC
14./15. Tag: Rückflug über Budapest

Interessantes oder gar Überraschendes gibt es vom Rückflug nicht zu berichten. Bin recht früh mit dem Shuttle Bus vom Hilton Narita zum Flughafen, da mir aus der Erinnerung die ANA Suite Lounge interessanter erschien als ein ausgiebiges Frühstück im Hilton.

Laut Boarding Pass vom Hinflug war ich nur noch SEN, was ja auch stimmt, doch gab es wieder PA Service in vollem Umfang. Als ich ganz normal am FC Schalter einchecken wollte, wurde mein "Fehler" bemerkt, worauf ich unter wiederholten Entschuldigungen zum Check-In am ANA Suite Counter und dann von der PA zur ANA Suite Lounge gebracht wurde, was ich angesichts der immensen Dimensionen von NRT durchaus hilfreich fand. Und selbstverständlich teilte mir die PA die 30 Minuten Verspätung mit dem Hinweis mit, ich möge einfach in der Lounge bleiben, sie werde mich rechtzeitig abholen.

An Bord dann die einzige Überraschung: Doppelt so viele Fluggäste als beim Hinflug! Doch da der andere Fluggast auf 1K, ich dagegen wieder auf 2A saß, machte dies keinerlei Unterschied, bemerkten wir einander doch kaum.


Erstausrüstung nach dem Boarding. Kenner wissen natürlich, dass es bei der Swiss keine Rimovas, sondern nur popelige Bally-Täschchen gibt, ein Umstand, der schon viele davon abgehalten hat, Swiss auch nur in Erwägung zu ziehen.


Ziemlich bald nach dem Start: Wohl die japanischen Alpen


Und noch einmal dasselbe


Weinprobe I - die Weißen. Ich weiß nicht wie's Euch geht, aber bei mir ist die Frage, ob mir ein Wein schmeckt, immer von dutzenden Faktoren abhängig: meine persönliche Stimmung, die Umgebung, der Anlass, ob und was ich dazu esse... Die allermeisten dieser Einflussfaktoren werden von Markus del Moneta, dem bekannten Uber-Guru und King of the Kings der Weinexperten nicht einmal in Erwägung gezogen, was selbstverständlich nur gegen mich selbst spricht.
Immerhin: Meine Wahl fiel wieder - trotz ABC - auf den Chardonnay. Zumindest in meinem kleinen Kosmos scheine ich also zu Hause zu sein.



Natürlich wäre die Widerholung des Trüffelmenues vom Hinflug noch fantastischer gewesen, aber so viel Glück kann man gar nicht haben. Also gab's Balik-Lachs und Sushi für mich.


Und danach aus den bereits geschilderten Gründen die Weinprobe II - die Roten. Und wieder mit konsistentem Ergebnis: Der Spanier war mein Favorit.


Das war leider etwas trocken geworden.


Irgendwo über Russland..


Zum Schluss Käse und dazu statt dem Eiswein vom Hinflug einen 20 Jahre alten Port.
Die anderen Käse waren zu jung, um dem standhalten zu können, aber der Etivaz, ein ganz besonderer Greyerzer, und der Port waren eine sensationelle Kombination. Und da ich den Etivaz auch in München bekomme, muss ich nicht auf meinen nächsten Swiss First Flug warten, um diesen Genuss wieder zu erleben.


Bereits im Anflug auf Zürich


Nochmals im Anflug.

Der Rest ist schnell erzählt: Der Aufenthalt in Zürich reichte, um zu duschen, nach dem langen Flug wirklich angenehm. Dann weiter nach Budapest, wobei der MdC bekannt war, dass ich eben aus Tokyo angekommen war. In Budapest im Hilton oben an der Burg übernachtet und am nächsten Tag der Rückflug nach München. Letzteres mit kleinem Missgeschick: Von meinen zwei Koffern kam nur einer an, doch wurde der zweite schon am nächsten Tag nach Hause geliefert. Übrigens wohl das erste Mal, dass mein SEN-Anhänger was geholfen hat.

Für mich selbst kann ich nur sagen, dass dies eine tolle Reise war und ich am liebsten sofort wieder los fliegen würde, denn Tokyo ist einfach eine faszinierende Stadt und selbst nach diesem Aufenthalt habe ich immer noch das Gefühl, eigentlich noch nichts gesehen zu haben. Ob ich's nochmals nach Tokyo schaffe, weiß ich nicht, aber klar ist auf jeden Fall, dass ich zumindest noch einmal nach Japan reisen will: Dann nach Kyoto, Nara und die Kii-Halbinsel und das Ganze nicht unter drei Wochen.
Und natürlich am liebsten wieder mit der Swiss in der First.

Euch jedenfalls Danke für Euer Interesse! Es war Arbeit, hat aber auch Spaß gemacht, diesen Trip Report zu schreiben, nicht zuletzt auch, weil es mir geholfen hat, meine Eindrücke nochmals zu sortieren und zu vertiefen.

Sollte ich meinen Plan für Kyoto tatsächlich umsetzen, werde ich auf jeden Fall davon berichten.
 

Fueldumpina

Reguläres Mitglied
19.12.2017
46
0
Ein absolut singuläres Tripreport einer Stadt, die von vielen Japanreisenden zu Unrecht als notwendiges Transit-Übel abgebügelt wird. Vielen, vielen Dank...!
 

Fueldumpina

Reguläres Mitglied
19.12.2017
46
0
Übrigens war für uns in Jp ein early check in nie ein Problem bei vorheriger Anfrage. Einmal sogar bei Ankunft um 7:58 morgens (ohne Aufpreis)...
 

Fueldumpina

Reguläres Mitglied
19.12.2017
46
0
"Beim Ausgang des Schreins gab es dann üblichen Holztäfelchen mit Wünschen und Gebeten, wobei mir neu war, dass diese auch recht konkret sein können (...)
Wobei ich mir allerdings nicht sicher bin, ob sich da nicht jemand einen Jux gemacht hat."

Sie sind meist sehr konkret und ernst gemeint, auch wenn man manchmal losprusten muss.
Z.B. "Dieses Jahr will ich meine Aufnahmeprümfung bestehen. Und endlich eine sexy Freundin haben."
 

Beck

Erfahrenes Mitglied
08.03.2009
532
10
Süd
Mantegna, in Vorbereitung auf unsere 4-wöchige Taiwan- und Japan-Reise "lese" ich gerade Deinen ausführlichen Bericht. Zuviel der Eindrücke darin für den Moment, werde ihn mir genauer in den nächsten Tagen hernehmen. Was mir gefällt, sind Deine Schwerpunkte auf Gartenkunst und Museen. Darum mein besonderer Dank!
Ich war vor über 35 Jahren zum Theaterspielen mit Jugendlichen in Japan, eine Woche in Toyama, danach war ich dann Gastgeber einer Theatergruppe aus Tokio hier.
Unvergessen das alles, auch der so anders aufwendige Flug mit der alten Alitalia (für 800 Mark das Billigste, was es als Gruppe gab, mit Zwangs-Stop für eine Nacht in New Delhi, und noch einem Lay over auf dem alten HKG-Flughafen, 24 Stunden zu spät dann angekommen - welch ein Durcheinander schufen wir für die Festival-Organisatoren!!) - was nun Anlass ist, als Genießer meines Pensionärsdasein einem lang gehegten Wunsch zu folgen und mehr und Genaueres in Japan zu sehen.
Worauf ich mich auch freue, ist auszuprobieren, wieweit mich mein bis dahin 6 monatiges Immersionstraining in Richtung Hörverstehen und (Hiragana)-Lesen gebracht haben wird. Ich bin halt ein alter "Sprachler", und wenn ich wohin reise, will ich nach Möglichkeit mehr als mit Bitte/Danke und Guten Tag überleben.
Sehr gerne mal mündlich. Gehst Du eigentlich zu den VFT-Stammtischen in M?
 

plotz

Erfahrenes Mitglied
26.05.2015
1.105
316
Ich bin zwar nicht Mantegna, kann aber zumindest bestätigen, dass das relativ lautreiche Japanisch im Hörverstehen in Alltagssituationen recht dankbar ist. Immer in Relation dazu zu sehen, dass ich die Komplexität der Sprache (als nicht ganz so alter "Sprachler") als extrem empfinde - wenn man sie richtig lernen will. Du brauchst zum Mitlesen in Japan allerdings neben den Hiragana einige Kanji und die Katakana gleichrangig. Nach Möglichkeit baust Du da noch etwas an, stürzt Dich rein und lernst dann unterwegs live mit. Es gibt ganz gute Apps wie Yomiwa, die dabei helfen.

Die erlernten Kanji kannst Du dann aufgrund der Basis chinesische Langzeichen in Taiwan gleich wieder gewinnbringend einsetzen ;).
 
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Beck

Erfahrenes Mitglied
08.03.2009
532
10
Süd
Danke, Das macht Mut. Mit der Immersion bekommst Du, Dank der Originalproduktionen von Netflix zusätzlich einen guten Einblick in manche Alltagskultur: auf was heben die Produktionen ab, was setzt man dem
m Publikum vor in der Annahme, damit gut rezipiert zu werden. Toll ist, in der Verbindung mit ANKI immer mehr Stücke der wahrlich komplexen Sprechakte zu erkennen. Ein langer Weg das, aber ich freue mich auf das "live". Danke für den Hinweis auf die App.
 

plotz

Erfahrenes Mitglied
26.05.2015
1.105
316
... noch ganz vergessen (wir sind gestern Abend aus Taiwan wiedergekommen): Für Schilder in Taiwan wirst Du wiederum auch Hiragana und Katakana gut verwenden können. Japan ist da Trendsetter, es gibt sogar recht viele Pachinko-Läden. Teilweise wird für Werbeslogans statt des chinesischen 的 (de/dè) das japanische Kana "no" (der Kringel, habe den Zeichensatz gerade nicht hier :) ) verwendet. Die ganz alten Leute können wohl auch noch japanisch. Englisch kannst Du außerhalb von Taibei nicht wirklich erwarten. Wenn Du parallel noch Mandarin (gern nicht im Peking-Dialekt, sondern mit südlichen Aussprachemerkmalen) beherrscht, hast Du allerdings ganz schnell gewonnen.

Hoffe, das war jezt nicht zu weit ab vom Thema.
 
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Beck

Erfahrenes Mitglied
08.03.2009
532
10
Süd
Für alle, die Hörverstehen oder nur einfach "Ohr Öffnen" für die jap. Sprache mit dem VF-Thema verbinden wollen:
auf Youtube gibt es den Onoda, mit den gleichen Themen wie viele "VFT-ler" befasst. Einige seiner Videos haben engl. Untertitel.
Seine Berichte beziehen sich nicht nur auf den asiatischen Raum, er düst kreuz und quer über den Globus. Macht Spaß zuzusehen, wenn er in die "Först" , in die BUS oder in eine Lounge darf....Hotel- und Airline-Reviews, die man durch das Wissen, um was es geht, auch mit Gewinn ansehen kann. Und man hört sich ein...Angenehm: er freut sich wie ein Schneekönig, wenn er ein tolles Produkt erwischt hat, ist ungekünstelt begeistert, ohne Wichtigtuerei.