Japan: Eine Reise nach der Öffnung

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Tsuruhashi

Erfahrenes Mitglied
11.07.2015
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Vvardenfell
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Abload hat mit dem 01.07.2024 den Betrieb eingestellt. Der Bericht findet sich auf Google Drive unter folgendem Link: https://docs.google.com/document/d/18LdkxPa0M_d_8_3KbWWyASlnlP7WSdNT3xBa_rhyJdM/edit?usp=sharing

Liebe Freundinnen und Freunde der gepflegten Ostasienreisen (und natürlich auch alle anderen!),

nach zweieinhalb Jahren der quasi-Landesabschließung hat Japan mit dem 11. Oktober 2022 die Einreisebeschränkungen für Touristen großteils aufgehoben. Da ich die Reiseberichte in diesem Forum immer gern lese ist es doch an der Zeit auch einmal selbst etwas beizusteuern.

Diversen Aufforderungen meines Arbeitgebers folgend, doch endlich überhaupt mal längeren Urlaub einzutragen ließ ich mich auf drei Wochen im November / Dezember ein und saß bei der Bekanntgabe der Einreiseerleichterungen durch den Herrn Premierminister Kishida gerade auf der Terrasse. Aus der Idee mit den neuen Direktflügen mit EVA Air vom Franz-Josef-Strauß aus Taiwan zu besuchen wurde dann sofort eine Buchung bei der Lufthansa.

MUC - FRA (LH 101, Y)
FRA - HND (LH 716, N)
HND - FRA (LH 717, N)
FRA - MUC (LH 122, Y).

Zu einem nicht günstigen aber noch vertretbaren Preis, allerdings ohne die Sitzplatzreservierungen welche mittlerweile kostenpflichtig sind.

Den Rückflug nach Deutschland konnte ich während der Reise umbuchen auf HND - MUC (LH 715, N). Die Abflugzeit in Haneda hatte sich um 15 Minuten nach hinten verschoben und die freundliche Chat-Assistentin vermittelte mir einen Platz auf dem Direktflug in's Erdinger Moos.

Während der Reise kam noch hinzu:
CTS (Sapporo - Chitose) - ITM (Osaka-Itami, NH 772, V(Y))

Bis zum Abflug waren noch alle Freunde und Bekannten zu informieren und unter einen Hut zu bringen, wodurch sich ein wilder Reiseplan ergab: Tokio - Utsunomiya - Sado - Nagoya - Osaka - Yokohama - Sapporo - Kioto - Tokio.

Railpass und SIM-Karte mit Telefonnummer wurden über einen örtlichen Reiseanbieter gekauft. Yen hatte ich noch vorrätig, der Kurs war zudem momentan so gut wie schon seit 2008 (?) nicht mehr. Die Voranmeldung für die Einreise auf der "Visit Japan Web"-Seite waren auch schnell erledigt. Also blieb nur noch der Einkauf diverser, der Jahreszeit entsprechenden Mitbringsel (Stollen, Lebkuchen, Adventskalender, Hustenbonbons, Nivea-Handcreme in ganz kleinen Dosen) sowie einiger Sonderwünsche wie z.B. ein Paulaner-Weihnachtspullover. Und natürlich noch ein paar neue Socken ohne Löcher für den Eigengebrauch.

Hotels habe ich nur über Rakuten Travel gebucht, nach und nach, je konkreter der Reiseplan wurde. Die Belastung der Kreditkarte zum Zeitpunkt der Buchung ist meines Wissens neu und kann durch Auswahl der Barzahlungs-Option umgangen werden.



Nach über drei Jahren wieder ein Flug, und da mein Fahrdienst den Berufsverkehr auf der Nürnberger Autobahn umgehen wollte war ich viel zu zeitig am Flughafen und konnte mich ausgiebig umsehen. Nicht dass es irgendwas zu sehen gab. Der Zubringer nach Frankfurt war die 787-9 "Berlin" (hier nicht auf dem Bild). Das IFE war nutzbar, Kopfhörer wurden nicht verteilt. Die Maschine war recht gut gefüllt.



Beim Umstieg in Frankfurt (mit Fußmarsch durch den Tunnel) gab es am Gate noch ein Dosenbier, wollte eigentlich ein Römerpils, das war leider nicht verfügbar. Fünf Euro für eine Büchse ist auch ein stolzer Preis. Die Anzahl an Maskenträgern war überschaubar, etwas mehr als in München, aber selbst am Gate bei vielleicht 20%. Im Flug wuchs der Anteil mit der bevorstehenden Landung stetig. Der Service in der PE war in Ordnung und wie üblich bei der Firma Hansen nicht übertrieben aufdringlich, der Sandkuchen stabil, IFE habe ich nicht genutzt und stattdessen lieber abwechselnd "Polizeiinspektion 1" und "Seibu Keisatsu" (eine japanische Polizeiserie aus den späten 70ern) auf dem Tablet gesehen. C und PE waren fast voll, in der Y waren weiter hinten noch einige Sitze frei. Nachteil an der PE in der 747-8 sind die Tragflächen im Bereich der Fenster, da mein Sitznachbar nach dem Mittagessen aber Schlafmaske, Mundschutz und Decke auspackte um bis kurz vor der Landung zu schlafen (etwas neidisch bin ich da schon) war es eh nichts mit dem aus dem Fenster sehen, das Rollo blieb bis kurz vor der Landung zu.



Die 747-8 am Gate in Tokio-Haneda.
Noch am Gate musste man den blauen QR-Code der Visit-Japan-Seite vorzeigen und bekam ein rosa Papier ausgehändigt. Mit diesem durfte man zur Passkontrolle durchgehen, zeitgleich kam ein Flieger aus Südkorea an, bei nur sechs geöffneten Schaltern hat es ca. 20 Minuten bis zum Gepäckband gedauert. Das Gepäck brauchte auch nochmal eine Weile. Die digitale Voranmeldung zum Zoll ist nur bedingt sinnvoll, man muss sich an einem Monitor anstellen und bekommt dort einen QR-Code ausgedruckt. Mit dem klassischen gelben Formular ist man da schneller.
Ab hier war für die nächsten drei Wochen die Maskenträgerquote stabil bei 98 - 100 %.



Bis ich am Bahnsteig der Monorail des Terminal 3 (welches beim letzten Besuch noch Internationales Terminal hieß) stand mussten noch die SIM-Karte abgeholt, der zweite Koffer per Yamato Transport zu Freunden nach Osaka verschickt (den früher direkt am Ausgang gelegenen Schalter gibt es nicht mehr, ist jetzt etwas weiter hinten bei der Sicherheitskontrolle für die innerjapanischen Anschlussflüge) sowie der Railpass umgetauscht werden. Der hat jetzt das Format einer üblichen Magnetfahrkarte, man kann die automatischen Ticketsperren passieren sowie mit einem aufgedruckten QR-Code Reservierungen an den grünen Fahrkartenautomaten vornehmen. Um den Verlust und / oder Beschädigung zu vermeiden empfiehlt sich ein Visitenkarten-Etui. Insgesamt vergingen von der Ankunft am Gate bis zum Besteigen der Monorail fast zwei Stunden.



Ein schneller Umstieg in die Keihin-Tohoku-Bahn in Hamamatsucho, dann am Bahnhof Tokio zum ersten Mal eine Reservierung für den Shinkansen nach Utsunomiya am Automaten herausgelassen. In Summe hat mir diese Neuerung bestimmt die ein oder andere Stunde Wartezeit am personenbedienten Verkauf erspart.



Mittlerweile war ich an die 24 Stunden wach (die Viertelstunde Nickerchen im Flieger mal außen vor gelassen) und besorgte mir als erste "richtige" Mahlzeit ein Tonkatsu-Bento am Bahnhof Tokio. Schmeckt wie fertiges Essen eben so schmeckt, kaltes Fleisch mit weicher Panade, dazu allerlei Plastikmüll. Selber Schuld. Für den Rest der Reise sollte das auch das einzige “Eki-Ben” bleiben.



Central Utsunomiya an einem Samstagnachmittag.
Das gebuchte Candeo Hotel Utsunomiya (geräumiges Zimmer mit Doppelbett für drei Nächte zu je 10.000 Yen) war ein Neubau auf der Ostseite des Bahnhofs Utsunomiya, dort war jahrzehntelang eine städtebauliche Lücke. Neben dem Hotel gibt es noch einen 7/11, Supermarkt, Cafes, Restaurants sowie eine Haltestelle für die fast fertige Straßenbahn (welche am nächsten Tag bei einer Probefahrt entgleist ist).



Im neuen "Utsunomiya Terrace" befindet sich auch eine Rasenfläche wo so gut wie alles verboten ist. Das dahintergelegene Daiwa Roynet habe vor Jahren mal genutzt, war in Ordnung.



Das Abendessen beschränkte sich nach einem Spaziergang um den Bahnhof Utsunomiya herum auf ein paar Kakis, Nashis und Mandarinen. Dafür brauchte ich ein kleines Messer, beim Daiso gab es außerdem diese Masken welche man mir aufgetragen hatte nach Deutschland mitzubringen, die seien hier so teuer. Habe ich noch nicht gekauft, dafür aber später noch welche mit Melonenduft gefunden, war auch wieder nicht richtig, die röchen so künstlich.



Das Dessert bestand aus Spezialitäten der Präfektur Tochigi: Zitronenmilch im Tetrapak (mit "Geschmack welcher an früher erinnert"), einem Beifuß-Mochi und zwei "Aoi-Kintsuba"-Konfekten mit süßer Bohne. Die Milch war viel zu süß, eine Erfahrung welche ich in den folgenden Wochen öfter gemacht habe. In den drei Jahren seit meiner letzten Einreise hat sich mein Geschmackssinn wohl etwas verändert.

Bis hierhin vielen Dank für die Aufmerksamkeit - mal sehen wie ich in den nächsten Tagen dazu komme den Bericht fortzuführen.
 
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Japandi

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06.04.2014
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Danke schonmal für den Bericht!

Auf die Neuerung vom JR Pass (und wohl auch diverser / aller Regionalpässe) hatte ich ja sehr gewartet. Und es spart wirklich viel Zeit, sobald man die Menüführung am Automaten verinnerlicht hat. Zudem konnte ich nun -endlich- problemlos meinen Wunschsitzplatz reservieren, was am Schalter manchmal nur bedingt geklappt hat.

Ich verstehe natürlich deine Vorbehalte gegenüber einem Fertig-Ekiben - einem "frischen" Bento kann das nicht das Wasser reichen und das viele Plastik ist zudem ja generell ein Problem im Land. Aber selbst so ein einfaches Bento ist imho was schönes, diese Wahl hat man hier (in EU) ja gar nicht.
Ich bin aber selbst kein Fan von dem kalten Fleisch und nehme daher immer etwas mit Fisch bzw. Vegetarisch. Wenns denn Fleisch sein soll, dann nach Möglichkeit ein frisch zubereitetes Ekiben - gibts nur nicht überall.

Utsunomiya - hoffentlich steht reichlich Gyoza auf deinem Programm ;)
 
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Reaktionen: ningyo und Tsuruhashi

Tsuruhashi

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11.07.2015
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Zu meiner Schande muss ich gestehen: Es gab in Utsunomiya keine einzige Gyoza für mich. Hatte am ersten Abend noch überlegt zu einem der Läden am Bahnhofsvorplatz zu gehen, dann aber keine Lust mehr.



Schlaflos in Utsunomiya. Zur Festbeleuchtung auf dem leeren Parkdeck sei gesagt dass die Inflation durch höhere Energie- und Stoffpreise in Japan erst so langsam beginnt zu wirken. An den Automaten waren die jahrzehntelang stabilen Preise für ein Getränk teilweise um 10 Yen erhöht, oft aber noch nicht. Gas- und Stromversorger haben Preiserhöhungen angekündigt, aber bei weitem nicht in dem Umfang wie in Deutschland. Zusammen mit dem vorteilhaften Wechselkurs macht das Japan zu einem momentan relativ “preiswerten” Reiseland.



Der Weg führte mich am morgen auf die andere, nicht so hübsche Seite des Bahnhofes. Vorbei an der Gyoza-Statue zum Bus, vor meiner mittäglichen Verabredung wollte ich mir die Zeit im Zentralpark der Präfektur Tochigi vertreiben.



Davor ging es aber noch zur Konditorei Schellenbaum ( https://www.e-baum.jp/index.html ), einem kleinen Betrieb aus Nasu-Shiobara welcher auch eine Filiale in Utsunomiya betreibt. Zum Frühstück habe ich mir hier etwas Süßes gekauft (aber gestern über die Zitronenmilch beschweren, hust). Das japanische Brot entspricht im Falle von Weißbrot eher einer Süßspeise da aus einem Hefeteig mit Milch, Butter und Zucker gemacht. Sauerteigwaren findet man hier und da, sind aber nicht üblich. Gebäcke aus der Konditorei sind aber oft wirklich gut, egal ob Croissants, Ampan, Curry-Brot oder anderes. Die Kreationen mit eingebackenen Wiener Würstel muss man ja nicht kaufen.





Im Park waren die Herbstfarben teilweise in voller Pracht, teilweise noch nicht ganz hervorgetreten. Die Anzahl der Parkbesucher war überschaubar, es war bewölkt mit ca. 15 Grad.



Zu diesem mit süßer Bohne und Sahne gefüllten “Tsuruta-Ampan” gab es noch einen feinen warmen Dosenkaffee aus dem Automaten.



Nach einer guten Stunde Herumgesitze bin ich zu Fuß in Richtung Bahnhof gelaufen, die Einkaufspassage am Bahnhof Tobu-Utsunomiya war teilweise mit leeren Geschäften gesäumt welche entweder die Pandemie nicht überlebt hatten, oder aber dem Einfluss der großen Shoppingmalls in den Außenbezirken Utsunomiyas erlegen waren (Interpark, Bell-Mall, ...). In Tochigi wird wie in ländlicheren Präfekturen üblich hauptsächlich mit dem Auto herumgefahren.
Am Futaara-Schrein war eine Veranstaltung mit Maskottchen welche ich nicht näher angesehen habe.



Am Bahnhof Utsunomiya gab es ein freudiges Wiedersehen mit zwei alten Bekannten. Zum Mittagessen ging es zu einem Spezialrestaurant für Tofu und Yuba (das ist die Haut welche sich auf der Sojamilch bildet, eine Spezialität der Stadt Nikko) namens Gassan ( https://www.tochinavi.net/spot/home/?id=488 ). In guten Restaurants bekommt man mittlerweile eine Hülle um die Maske aufzubewahren.



Aufgetischt wurden frischer, stichfester Tofu mit Sojasauce, Frühlingszwiebeln, Salz und Chili. Mit dezentem Eigengeschmack nach Soja. Sehr fein.



Warmer Tofu mit süßer Misopaste und Walnuss (eher ein Dessert).



Eine frittierte Auster (meine allererste Auster überhaupt, schmeckt nach Meer, frittiert durchaus genießbar) sowie eine Rolle aus der vorher erwähnten Sobamilchhaut Yuba (hat fast keinen Eigengeschmack, Konsistenz erinnert an Avocado).



Der Höhepunkt war aber der mit Sojabohnen im Topf gegarte Reis. Besonders die leicht angebrannte Schicht am Boden (das “o-koge”). Hatte einen leicht salzigen aber nicht zu intensiven Geschmack. Die Menge war für drei Leute fast zu viel, als erste “richtige” Mahlzeit auf japanischem Boden war es aber Grund genug für schönes Wetter zu sorgen und aufzuessen.



Nach dem Essen ging es zu den Beiden nach Hause wo die Katzen bespielt wurden und die gegenseitigen Erfahrungen aus der Coronapandemie ausgetauscht wurden, wie es der Familie geht und so weiter. Dass man für die Schwiegermutter einen Bauplatz in der Nähe gefunden hat und bald die Betonage des Fundaments beginnt, die müsse aber an einem glücksbringenden Tag in der buddhistischen sechs-Tage-Woche stattfinden und so weiter. Der mitgebrachte Stollen wurde von der Dame des Hauses sogleich zur Hälfte verzehrt, soviel zum Thema man sei noch vom Mittagessen satt – Süßes wandert besonders bei den Japanerinnen eben in einen anderen Magen.



Abends stand dann eine Verabredung mit zwei Freunden in der ländlichen Kneipe “Suijin” ( https://goo.gl/maps/EcLrLYr3XDCFi8kq5 )in der Nähe des Bahnhofs Ishibashi an. Mein Spezi hatte extra reserviert, wir waren dann aber der einzige Tisch und wurden gegen zehn Uhr dezent mit einem “So, jetzt die letzte Bestellung bitte!” zum gehen aufgefordert.
 

Tsuruhashi

Erfahrenes Mitglied
11.07.2015
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Vvardenfell


Am nächsten Tag ging es morgens mit dem Shinkansen gen Tokyo. Einen Hotelwechsel für eine Nacht hatte ich verworfen, keine Lust alles zusammenzupacken und den Koffer mitzunehmen. Da waren mir die Fragen warum es denn ein Hotel in Utsunomiya sein musste lieber. In Tokyo angekommen geschwind umgestiegen, eine Station mit der Yamate-Bahn bis Yurakucho gefahren, mein Ziel war das Kabuki-za-Theater auf der Ginza. Die heutige Vorstellung war bereits ausverkauft (teile davon hatte ich zudem in einer anderen Inszenierung bereits gesehen), ich erwarb ein Ticket für das Matinee im Dezember. Der bisher als Ichikawa Ebizo XI (hatte vor vielen Jahren mal einen Skandal verursacht als er einen Gast in einer Bar dazu zwang Tequila aus einem Aschenbecher zu trinken) bekannte Schauspieler durfte seinen Namen wechseln und hieß ab sofort Ichikawa Danjuro XIII. 23.000 Yen für eine Theatervorstellung von zweieinhalb Stunden sind happig, die Abendvorstellungen waren jedoch bereits komplett ausgebucht. Näheres zur Vorstellung dann später im Reisebericht. Auf NHK World läuft momentan eine Dokumentation dazu (zu Herrn Ichikawa).



Am Abend hatte ich ein Stelldichein in Shinjuku und bis dahin noch reichlich Zeit. Also wohin, an einem Montag wenn Museen traditionell geschlossen haben? Zu schon bekannten Orten, z.B. dem Yasukuni-Schrein in Kudanshita. Es hatte geregnet, die Luftfeuchtigkeit war hoch, der Gingko färbte seine Blätter gelb.



Um den Yasukuni-Schrein gibt es immer wieder Diskussionen und wer das angeschlossene Museum besucht darf sich keine Hoffnung auf eine neutrale Darstellung machen. Wenn hochrangige Politiker hier eine Geschenk abgeben führt das in Seoul, Peking und Pyöngyang verlässlich und auch nachvollziehbar zu hohem Blutdruck. Das Eintrittsgeld ist beim Showa-Museum etwas abwärts des Hügels besser aufgehoben. Zur Kirschblüte ist der Park zwischen Haupthalle und großem Torii hübsch beleuchtet, jetzt natürlich nicht. Außer mir waren noch ein paar andere ausländische Besucher anwesend.



Der Burggraben neben dem Budokan befand sich der Jahreszeit entsprechend schon in etwas tristem Zustand da der Lotus (?) bereits verwelkt war. Geht man in die andere Richtung kommt man zum Chidorigafuchi-Gefallenenfriedhof, dem unbelasteten Pendant des Yasukuni-Schreins wo auch die offiziellen Gedenkveranstaltungen mit Mitgliedern der Regierung und des Kaiserhauses stattfinden, vorbei. Über die britische Botschaft, das Nationaltheater, den obersten Gerichtshof und das Parlament kann man einen schönen Spaziergang bis zum Polizeipräsidium machen.



Nach einem Mittagessen aus Tonkatsu bei Bodaiju am Tokyo Dome ( https://goo.gl/maps/AvsyQWsyJ7zmWzhv6 ) habe ich die Chuo-Bahn bis Shinanomachi genommen und mir das neue Olympiastadion angesehen. Der Park um das Stadion wurde ebenfalls neu gestaltet und bietet saubere Toilettenanlagen, Sitzgelegenheiten und die allgegenwärtigen Getränkeautomaten. Da es zwar leicht windig aber sonnig war, ein gutes Wetter um mit Mishima Yukios "Leben zu verkaufen" anzufangen.



Das Stadion kann für 1.400 Yen besucht werden. Von der Ankunftszone der Athleten im Untergeschoss mit deren Gekritzel auf einer Betonwand geht es durch die Kabinen und den Bereich für Interviews (inklusive den Werbeaufstellern und Smartphone-Halter um sich selbst zu befragen) auf die Tartanbahn. Für 3.000 Yen gibt es auch eine VIP-Tour mit Zutritt zu den Loungebereichen.



Man kommt bis in die oberen Ränge. Besonders viel zu sehen gibt es aber nicht (ein leeres Stadion halt). Die Geschichte um den Bau des neuen Olympiastadions war einer der vielen Skandale welche Tokyo 2020 begleitet haben und die geplante Bewerbung Sapporos für die Winterspiele 2030 mit Getöse begleiten. Jetzt steht das Stadion meistens leer, ab und zu mal ein Rugby-Spiel, die Endspiele der Oberschul-Fußballmeisterschaft oder ein Gastspiel der japanischen Fußball-Nationalmannschaft. Die nebenan gelegenen Stadien für Baseball (Jingu-Ballpark der Yakult Swallows) und Rugby (Prinz-Chichibu-Stadion) sollen in nächster Zeit überplant werden.



Auf dem Weg vom Olympiastadion zum Bahnhof Sendagaya kommt man an der Sporthalle der Präfektur Tokyo vorbei, hier fanden 2020 bzw. ja eigentlich 2021 die Tischtenniswettbewerbe statt welche auch für Deutschland erfreuliche Ergebnisse hatten. Der Gewinn des Mixed-Double durch die Japaner Mizutani und Ito ist mir in Erinnerung geblieben, der Herr Mizutani trägt beim Spiel nämlich keine Unterwäsche weil er es mit dem Waschen der Wäsche nicht so hat. Also durfte er seine Partnerin, die 11 Jahre jüngere Ito, immer ohne angezogene Unterhose nur in Shorts ("no-pan") umarmen was ihm auf Twitter diverse, nun, ich nenne es mal "Erwähnungen" eingebracht hat.



Etwas zu früh war ich dann am vereinbarten Treffpunkt, dem Furin-Kaikan in Shinjuku, in der Nähe des Golden-Gai. Wie man erkennen kann befinden sich dort diverse dem "Wasserhandel" zugehörige Geschäfte, die Kundenwerber waren bereits aktiv (nicht belabern lassen und ignorieren, es kann sonst teuer werden wenn man sich nicht auskennt und selbst wenn man sich auskennt ist es nicht billig). Die Dichte an Ausländern war hier etwas höher aber kein Vergleich zu dem was vor Covid in Kabuki-cho so los war.



In der Nähe des Suehiro-Theaters (nichts für mich, finde japanisches Sprechtheater wie Rakugo zwar interessant aber auch sehr anstrengend zu folgen) gab es dann Yakitori und ein paar gepflegte Asahi. Meine Bekannte hatte noch einen Freund eingeladen, einen Japaner der sehr an Deutschland interessiert ist. Besonders an deutscher Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und Zwölftonmusik. Der konnte überhaupt nicht nachvollziehen warum sich ein Ausländer für Kabuki interessiert, die Musik sei doch fürchterlich, alles in allem ein netter Abschluss eines schönen Tages.



Die Rückfahrt in's Hotel nach Utsunomiya wurde dann in der Saikyo-Bahn bis Omiya noch sehr gemütlich. In diesem Sinne, guten Rutsch!
 

Tsuruhashi

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11.07.2015
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Vvardenfell


Der nächste Tag begann mit einer kleinen Verwerfung. Bei Omiya war in der Nacht ein Arbeiter eines Instandhaltungstrupps "verschwunden", die Züge fuhren daher mit reduzierter Geschwindigkeit was den ganzen Fahrplan auf dem eng getakteten Abschnitt zwischen Omiya und Tokyo durcheinanderbrachte. Mein Zug nach Niigata hatte ca. 40 Minuten Verspätung, ich bin einfach in den nächsten "Toki" eingestiegen und sogar noch früher in Niigata angekommen als geplant.



Der Bahnhof in Niigata ist auch so eine nie endende Dauerbaustelle. Mittlerweile sind die Kapspurgleise auf das Viadukt verlegt und der alte, bodengleiche Bahnhof abgetragen. In den nächsten Jahren wird dieser Bereich sowie der Bahnhofsvorplatz mit dem Busbahnhof (die Busse können dort nicht wenden und parken rückwärts an den Haltepositionen ein, auch sehr interessant) umgestaltet. Vielleicht erlebe ich die Fertigstellung ja noch. Aus Gewohnheit gab es dann ein Mittags-Curry bei Coco's bevor der Bus zum Fährterminal von Sado Kisen fuhr.



Die Sado-Dampfschiffahrtsgesellschaft ist Monopolist für den Personenschiffverkehr zur Insel Sado. Die bis Anfang 2020 verkehrende Fähre zwischen Ogi (dem Südzipfel der Insel Sado) und Naoetsu gibt es nicht mehr, man muss also via Niigata nach Sado reisen. Entweder per Tragflächenboot (ca. eine Stunde, ~7.500 Yen) oder Autofähre ( zweieinhalb Stunden, 3.370 Yen). Das Terminal ist schon etwas älter und vermittelt sehr, wie die Japaner sagen würden, den Eindruck der Showa-Zeit.



Es gab vor Jahren mal eine Flugverbindung zwischen Sado und Niigata, die wurde jedoch eingestellt. Ab März will die neue Fluggesellschaft "Toki Air" diese Verbindung wieder aufnehmen und ab 2024 auch Flüge zwischen Sado und Narita anbieten.



In Sado wurde ich von einem Spezi und seiner Frau aufgegabelt, es gab erst einmal Kaffee (echten, nicht den aus der Dose) in einem malerisch gelegenen Café mit Ausblick auf die abgeernteten Reisfelder sowie die nördliche Bergkette.



Da die Uhr noch nichts so weit fortgeschritten war ging es am Daizen-Schrein vorbei. Auf der dortigen Noh-Bühne wird im Sommer durch die Anwohner ein Noh-Theater (Beispiel: https://www.youtube.com/watch?v=F7KW11yFxok ) gespielt, das ist etwa so als würde man bei uns im Bauerntheater statt "Der verkaufte Großvater" etwas von Walther von der Vogelweide aufführen.



Herbstlich war es. Auf Sado wurde Kita Ikki geboren, ein bedeutender politischer Aktivist und Schrifststeller des frühen 20. Jahrhunderts welcher mit seinen Werken Einfluss auf die Entwicklung des japanischen Militarismus hatte, obwohl diese Werke ausnahmslos verboten und er von der Regierung 1937 hingerichtet wurde.



In der Nähe liegt der Myosenji-Tempel mit der einzigen fünfstöckigen Pagode der Präfektur Niigata.



Ein Schüler des nach Sado verbannten buddhistischen Reformators Nichiren hatte den Tempel als Wohnort ausgewählt (der jetzige Standort existiert allerdings erst seit 1589). Das ehemalige Wohnhaus des Priesters (rechts, mit Schilfdach) wird mittlerweile nicht mehr als solches genutzt, die Familie wohnt in einem modernen Haus nebenan.



Der Souvenirverkauf des Tempels (rechts) hat schon länger geschlossen. Links davon befindet sich ein Restaurant mit französischer Küche.



In der Unterkunft wurde zunächst mein Gepäck kontrolliert. Der kurze Schwanz findet sich bei vielen japanischen Straßenkatzen und ist anscheinend genetisch bedingt.



Anschließend haben wir uns zu einem Kimchi-Eintopf betrunken und die Idee noch eine "ländliche Kneipe" zu besuchen verworfen. In der Vergangenheit ist das nämlich immer ausgeartet und wir wollten am nächsten Tag nach Shukunegi, dem Südzipfel der Insel. Da mein Freund sich gern auf Youtube nicht-japanische Verschwörungstheorien ansieht in welchen statt den Koreanern oder der Soka-Gakkai die Rothschilds und Freimaurer die Drahtzieher sind wurde ich ausgiebig dazu befragt. Seine Frau meinte dann er solle sich lieber wieder diese Yoga-Videos mit den attraktiven Damen ansehen, das sei gesünder.



Das Haus meiner Freunde befindet sich etwas abgelegen, kurz bevor die Reisfelder aufhören und der Bergwald beginnt. Auf Sado gibt es übrigens keine Bären.



In Ogi, am Südzipfel der Insel, kann man mit einem Wannenboot ("tarai bune") fahren. Die wurden mal entwickelt um damit Seeohren und Muscheln zu fangen, sind heute nur noch eine Touristenattraktion und daher aus Kunststoff. Kurz vor Ogi gibt es noch ein im Maßstab 1:1 nachgebautes Schiff aus der Sengokuzeit in einer Halle, das hatten wir uns vor Jahren schon einmal angesehen, ist auch empfehlenswert.




Shukunegi ist ein kleines Dorf mit Häusern welche mit Schiffsplanken verkleidet wurden. Die Gebäude sind teilweise bewohnt, zwei oder drei auch gegen Gebühr begehbar. Mittlerweile hatte es zu regnen angefangen, über ein öffentliches Badehaus im Ort Akadomari und die Hokusetsu-Sakebrauerei ging es zurück. Im Onsen saß ein Gast mit Maske im Wasser, hatte sich ausgezogen und gewaschen, aber die Maske anbehalten. Wahrscheinlich ist ihm der Mundschutz so zur Gewohnheit geworden dass er einfach vergessen hat ihn abzulegen.



Ja, ich geh ja schon.



Auf dem Rückweg zum Festland habe ich die Autofähre genutzt, im Spätherbst und im Winter ist der Takt der Verbindung etwas dünn. Ab Ende März gibt es wieder eine Fährverbindung zwischen Ogi und Naoetsu, die vorher dort verkehrende Schnellfähre wurde bereits 2021 nach Spanien verkauft da Covid die Geschäftsgrundlage hatte wegfallen lassen. Die "Akane" fährt jetzt zwischen Algeciras und Ceuta hin und her.
 

PAXfips

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15.12.2016
1.962
433
HAM
Oooh.. kommt man als EU-Durchschnittstourist (also ohne Japanisch) auf Sado zurecht - mit Hand und Fuss?
 

Tsuruhashi

Erfahrenes Mitglied
11.07.2015
348
1.679
Vvardenfell
Oooh.. kommt man als EU-Durchschnittstourist (also ohne Japanisch) auf Sado zurecht - mit Hand und Fuss?

Bestimmt nicht besser oder schlechter als anderswo in der Pampas. Gibt ja mittlerweile die tollsten Übersetzungsapps. Für Sado empfiehlt sich ein Mietwagen, es gibt Busverbindungen welche abseits der Hauptstrecke zwischen Ryotsu und Sawata sehr dünn sind. Englische Reiseführer lagen an den Fährterminals auch aus. Viele Ausländer verirren sich nicht nach Sado, die Einheimischen habe ich als sehr interessiert daran kennengelernt zu erfahren was einen denn hier her bringt.



Das heutige Reiseziel war Nagoya. Da kann man mit dem Shinkansen via Tokyo schnell und einfach hinkommen, es gibt aber auch eine Möglichkeit für die die Fähre von Ogi nach Naoetsu besser gewesen wäre: Via Nagano. Dazu muss man zunächst mit dem "Shirayuki" bis Joetsumyoko fahren.



Den Abend zuvor hatte es ein Fußballspiel gegeben, die japanische Nationalmanschaft mit einer großen Wendung einen Sieg gegen einen Großmeister errungen (die Zeitung verwendet hier einen Begriff aus der Sumosprache) und so hatte die "Seele Yamatos" das Wunder von Doha vollbracht. In den überregionalen Zeitungen wie der Asahi oder der Yomiuri waren nur die Halbzeitergebnisse abgedruckt, lediglich die örtlichen "Niigata Nippo" hatten das Ergebnis nach 90 Minuten auf der Titelseite. Wer kauft heute schon noch eine gedruckte Zeitung.



Der JR-Pass gilt nur bis Naoetsu, von dort bis Joetsumyoko muss man nachlösen da die Strecke mit der Eröffnung der Hokuriku-Shinkansen an eine lokale, von den örtlichen Kommunen bezuschusste Bahngesellschaft abgegeben wurde. So verringert JR West sein Defizit und das der Gemeinden wird größer. 580 Yen kostet das Vergnügen. Die örtliche süße Spezialität am Bahnhof ist ein Weißbrot mit Sahne, kann ich nicht empfehlen, schmeckt nach dem technischen Fortschritt der japanischen Lebensmittelindustrie. Den Bahnhof selbst hat man vor einigen Jahren mitten auf die grüne Wiese gebaut, es gibt jetzt allerdings auch ein öffentliches Badehaus auf dem Vorplatz, wer ein bisschen mehr Zeit beim Umstieg mitbringt und nicht Mitglied der organisierten Kriminalität oder tätowiert ist kann sich da erfrischen.



Eine Station von Joetsumyoko mit dem Schnellzug entfernt liegt Nagano, mit etwas mehr Zeit und ohne Koffer kann man dem Zenkoji-Tempel einen Besuch abstatten, wenn es dafür nicht reicht in Erinnerungen an den Hackl Schorsch und die Katja Seizinger schwelgen. Und einen sehr süßen japanischen Apfel für 400 Yen kaufen.



Die Soba-Nudeln auf dem Bahnsteig sind auch sehr zu empfehlen.



Vor der Abfahrt des "Shinano" nach Nagoya hatte ich noch etwas Zeit.



Calpis, ein süßes Getränk auf Molkebasis hier in warmer Version aus dem Automaten, habe ich früher auch literweise getrunken. Ist mir mittlerweile viel zu süß.



In Nagoya hatte ich das Comfort Hotel Meieki Minami gebucht (Meieki ist kurz für Nagoya Bahnhof, https://www.choicehotels.com/de-de/japan/nagoya-city/comfort-inn-hotels/jp103 ), meine Rakuten-Buchungsübersicht meint 12.700 Yen für zwei Nächte. Zum Abendessen ging es dann den nahe gelegenen Zentralmarkt von Yanagibashi, dort war schon fast Schluss.



Nagoya ist bekannt für Miso-Katsu, ein Schweineschnitzel mit einer Soße aus Misopaste. Der Laden (Wadasen Yanagibashi, https://goo.gl/maps/9AdHRUxJe49DoVCQA ) war recht klein und kurz nach meiner Bestellung wurde schon zusammengeräumt.



Der Check-in ist in den Comfort Hotels weitgehend automatisiert. Name eintippen, angezeigte Reservierung bestätigen, Reisepass einscannen, Geld in den Automaten stecken, Zimmerkarte in Empfang nehmen. Die üblichen "Amenities" wie Zahnbürste, Kamm, Teebeutel etc. muss man sich mittlerweile oft selbst an der Rezeption mitnehmen, natürlich aus hygienischen Gründen. Das Hotel spart sich so die Verteilung der Produkte in den Zimmern. Bei den Münzwaschmaschinen habe ich trotzdem einen Gast im Schlafanzug gesehen. Die Frage ist ob man denn mit dem eigenen, mitgebrachten Schlafanzug im Hotel herumlaufen dürfte ohne ermahnt zu werden.
Bei Rakuten muss man immer ein bisschen aufpassen da pro Hotel gern zig verschiedene Übernachtungspreise präsentiert werden. Da gibt es diverse Frühbucherrabatte (7 Tage vorher, 14 Tage vorher, 30 Tage vorher etc.), Tarife ohne Frühstück (Kettenhotels bieten aber oft ein Buffet an), Tarife für Frauen / Studenten / Rentner, Tarife ohne Zimmerreinigung etc. an. Während meiner Reise startete die große Unterstützungskampagne der Regierung für innerjapanische Reisen, für Ausländer ohne Wohnsitz in Japan nicht nutzbar, also gingen die Hotelpreise überall um den von der Regierung erstatteten Betrag nach oben. Der Fairness halber sei hinzugefügt, im Ausland lebende Japaner dürfen den Rabatt ebenfalls nicht in Anspruch nehmen.



Nagoya finde ich trotz vieler Besuche immer noch eine etwas gesichtslose Stadt mit der ich nicht viel anfangen kann. Trotz einer guten Freundin welche mich jedes Mal dort absteigen lässt.



Anstatt dem Hotelfrühstück gab es Dosenkaffee und Brot mit süßer Bohne auf der Feuerlösch-Einspeisung. In japanischen Polizeiserien wird diese Kombination bevorzugt von Angehörigen der Kriminalpolizei verzehrt.



Beim Besuch japanischer Freunde in Japan fragen diese immer wo ich den hin wolle. Na, dann zum Keramikmuseum der Firma LIXIL in Tokoname ( https://livingculture.lixil.com/en/ilm/ ).



Das Museum ist in verschiedene Bereiche unterteilt, es gibt einen aufgelassenen Ofen in welchem früher Steinzeugrohre zur Entwässerung produziert wurden.



Im Keramikmuseum ist die Urform der berüchtigten Kloschlappen ausgestellt. Extra nach Tokoname fahren würde ich für das Museum nicht, wer sich für Sanitärkeramik interessiert dem sei das Toto-Museum in Kitakyushu empfohlen. In der Stadt gibt es einen Töpfer-Rundweg mit vielen kleinen Ateliers und Läden für preisgünstige Tonwaren. Tokoname-Keramik gehört zu den "sechs alten Brennöfen" und genießt einen guten Ruf.



Es gibt auch ein paar schicke Toiletten für die bei manchen Leuten beliebte Hocke für den "natürlichen Stuhlgang". Finde es persönlich nicht so einfach ohne die Hose dabei auszuziehen aber gut.



Man kann sich auch vorher anmelden und selbst etwas kleines aus Mosaik legen. Allerdings nicht diese Toilette welche laut Museumsbroschüre zu einem Höhepunkt der Ausstellung zählt.



Als Nagoyanerin hat meine Freundin einen recht robusten Fahrstil, Geschwindigkeitsbegrenzungen gelten als grobe Orientierung und sind sowieso viel zu niedrig angesetzt. Die Haltelinien vor den Ampeln werden nur von Auswärtigen beachtet und grundsätzlich noch ein Stück überfahren. Außerdem war ihr Handy-Halter defekt, navigiert wurde über Google Maps mit dem Smartphone in der Hand. Angeblich machen das alle so, aus Mangel an weiteren Bekanntschaften in Nagoya konnte ich diese Aussage nicht verifizieren.
 

Japandi

Erfahrenes Mitglied
06.04.2014
1.403
750
BRN
Die gesamte Route vom Shinano ist wunderschön - hoffe du konntest auch etwas sehen und bist nicht durchgängig im dunkeln gefahren. Ebenso den Abschnitt Nagaoka - Naoetsu auf der Shin-Etsu Line hab ich als sehr abwechslungsreich in Erinnerung.

Geschwindigkeitsbegrenzungen gelten als grobe Orientierung und sind sowieso viel zu niedrig angesetzt.
Wobei das ja auch eine japanische Unsitte ist, die Geschwindigkeitsbegrenzungen über Land sind z.T. extrem tief angesetzt. Klar, dass da jeder mit +20 oder mehr drüber fährt...
(Als Tourist, der sich an die Regeln halten will, eine schwierige Situation)
 
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Tsuruhashi

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11.07.2015
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Die gesamte Route vom Shinano ist wunderschön - hoffe du konntest auch etwas sehen und bist nicht durchgängig im dunkeln gefahren. Ebenso den Abschnitt Nagaoka - Naoetsu auf der Shin-Etsu Line hab ich als sehr abwechslungsreich in Erinnerung.

Spätestens ab Shinonoi war es so dunkel dass ich mich ganz auf das Buch vom Herrn Mishima konzentrieren konnte und es dann auch ausgelesen habe. Taktisch nicht so schlau, die Strecke des Shinano ist auf der ganzen Honshu-Überquerung der schönste Teil, aber um dort noch Tageslicht zu haben hätte ich in Sado die Fähre um sieben Uhr morgens nehmen müssen, hieße um sechs Uhr aufstehen nachdem wieder dem Alkohol zugesprochen wurde, also eher schwierig. Überhaupt war die erste Woche in Japan recht trinklastig.



Die Architektur der japanischen Innenstädte treibt schon interessante Blüten. Mit den verkünstelten Geländern sieht dieses Gebäude aus wie ein Love Hotel, fehlt nur die aufdringliche Neonwerbung. Und eine Mauer, damit man nicht sieht wer hinein und hinaus geht.



Soba mit Tempura 2.500 Yen, für ein Mittagessen relativ teuer und mehr als ich sonst ausgebe, umgerechnet in Euro für die Qualität günstig. Meine Freundin betreibt eine ein-Personen-Aktiengesellschaft und sammelt ständig Belege um diese von der Steuer abzusetzen. Mein Steuerberater in Deutschland stöhnt da immer, ist in Japan anscheinend anders.



Aus irgendeinem Grund schleppte mich meine Freundin dann noch zu einem Osteopathen. Sie gehe da auch regelmäßig hin und das würde mir gut tun, der Herr war sehr interessiert seine Künste an einem Ausländer auszutesten. Der stellte mir dann so Fragen wie "Hier haben Sie sich mal den Fuß verstaucht" (ja, vor 9 Jahren) und "So wie Ihre Füße sind nutzt sich die Sohle außen mehr ab als innen" etc., ein bisschen wie bei einem Wahrsager. Fühlte mich danach aber gelockert und entspannt. Mit dem Foto hat das nichts zu tun, das ist ein anderes Etablissement in der Nähe des Bahnhofs Kamimaezu, dort kann man sich waschen lassen und nein, es ist kein öffentliches Badehaus.



Der Abend wurde mit Abendessen und einer Wasserpfeife dann noch recht spät. Am nächsten Morgen ging es wieder zu Fuß zum Bahnhof Nagoya, vorbei am "Spiral Tower", dort sind drei private Fachschulen untergebracht.



Den Shinkansen-Bahnhof von Nagoya finde ich immer recht betriebsam, ist mit nur zwei Bahnsteigen auch nicht allzu groß. Innerhalb der Sperren gibt es Stände für Kishimen, breite Weizennudeln, leider waren die eh schon kleinen Buden überall recht gut besucht und ich hatte keine Lust mich anzustellen.



In der 1. Klasse bekommt man Erfrischungstücher mit Werbung von Dandy House, einem Schönheitssalon für Herren welcher Japan mit "guten Männern" erstrahlen lassen möchte. Der Herr auf der Verpackung ist ein gewisser Akira von der Boygroup "Exile".



Ab Sonntag hatte ich das Comfort Hotel in Minamikata gebucht, von Samstag auf Sonntag war dort nichts mehr frei, die anderen Hotels im Umkreis von Shin-Osaka waren gut gebucht, nur das Mielparque hatte noch etwas für unter 100 Euro verfügbar ( https://www.mielparque.jp/osaka/ ). Die Unterstützungskampagne der Regierung für die notleidenden Hoteliers hatte nämlich begonnen. Es ist ein schon älteres Hotel und über die Mielparque-Gruppe der japanischen Post zugehörig, war aber sauber und gut gepflegt. Am Nachmittag hatte ich eine Verabredung mit einer weiteren Freundin in Nishinomiya und würde dazu die Hankyu-Bahn nutzen. Also gab's einen kleinen 3-km-Fußmarsch von Shin-Osaka zum Bahnhof Juso, vorbei an einer Tankstelle. Diesel einen Euro (Normalbenzin 166 Yen, Super 178 Yen), sogar mit Bedienung durch den Tankwart.



Juzo ist keine besonders tolle Gegend, es gibt allerdings ein paar günstige Hotels und die Verkehrsanbindung ist nicht schlecht. Man kommt gut nach Kyoto oder Kobe, der Flughafen Itami ist mit einmal umsteigen erreichbar. Habe hier vor Jahren schon mal übernachtet.



Bis 2014 gab es direkt am Bahnhof eine Seitenstraße namens "Biesel-Gasse" wo man günstig trinken konnte und es nicht gut roch. Die ist leider abgebrannt. Am Bahnhof teilen sich die Bahnstrecken nach Kobe, Takarazuka und Kyoto auf, die Hankyu-Bahn überlegt schon seit Jahrzehnten den Bahnhof umzubauen, es scheitert meines Wissens an den Eigentumsverhältnissen im Umkreis.



Zum Mittagessen mussten wir anstehen. Das Restaurant Banba-Tei ( https://goo.gl/maps/iWdc6FpvdTY4iVd17 ) war zwischenzeitlich wohl bekannt geworden, die Chefin erkannte mich noch (bzw. meine Begleitung die dort vor mehr als 15 Jahren als Aushilfe gearbeitet hatte) und entschuldigte sich dass so viel los sei. Vor 15 Jahren musste man nämlich nicht anstehen. Zum Curry-Udon mit Schnitzel kann man noch Reis bestellen wenn's nicht reicht und diesen dann mit dem verbliebenen Curry mischen. Papierlätzchen gibt es nicht, also entweder selbst mitbringen, vorsichtig essen oder Wechselgewand einpacken. Oder sich ärgern.



Später habe ich dann den Zweitkoffer bei meiner Freundin zu Hause abgeholt und bin so auch wieder einiges an Mitbringseln losgeworden. Nach einem Plausch in einem nahen Café (die selbstgemachte Limonade schmeckt dort noch wie vor 15 Jahren) und dem Austausch der üblichen Neuigkeiten über die Familie, die Arbeit etc. hieß es dann auch wieder Abschied nehmen. Später am Abend gab es noch einen Tonkatsu-Burger bei "Mos Burger", sehr zu empfehlen. Die Mos-Läden fand ich bei den Reisen vor Covid immer etwas abgenutzt, man nimmt jetzt aber Geld in die Hand und erneuert die Inneneinrichtung. Konform mit dem Hygiene-Zeitgeist gibt es Plastikwände zwischen den Einzelsitzen, fehlt nur noch noch ein Bambusvorhang und man fühlt sich wie bei Ichiran.



In aller Herrgottsfrühe hieß es am Sonntag dann die beiden Koffer vom Mielparque-Hotel in das Comfort Hotel schaffen. Wenn man es geschickt anstellt muss man dabei auch keine Treppen steigen sondern kann Rolltreppen und Aufzüge nutzen. Im schwülen Sommer würde ich zu einem Taxi raten. Das Maskottchen der Firma Daikin "Pichon-kun" meldet 13 Grad, gutes Wetter um einen Ausflug nach Kawagoe in der Präfektur Saitama zu machen. Der JR-Pass treibt seltsame Blüten, aber dazu im nächsten Teil mehr.
 

Tsuruhashi

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11.07.2015
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Von Shin-Osaka nach Kawagoe dauert es gute vier Stunden. Der Fuji zeigte sich von seiner besten Seite. Aber warum denn ein Tagesausflug nach Kawagoe, in Kansai gäbe es doch genug Alternativen und wenn's nur darum geht den JR-Pass auszunutzen ist Osaka - Tokyo - Osaka nicht die Strecke die mir dafür als erstes einfallen würde.


Herbstlaubfärbung am Naka-in von Kawagoe.
Nun, nachdem Japan seine Abschließung gegenüber Touristen endlich aufgegeben hatte und der Flug gebucht war schrieb ich alle Freunde und Bekannte an welche ich treffen wollte. Die in Kawagoe sesshaft gewordene Dame war jahrelang als Japanischlehrerin in den USA, wir hatten uns seit 2012 nicht mehr gesehen, damals war sie noch Englischlehrerin an einer Oberschule in Kakunodate, Präfektur Akita. Verlobt mit einem Amerikaner welcher in einer Nacht- und Nebel Aktion zurück in die Staaten ist und sie sitzen gelassen hat.


Kita-in in Kawagoe.
Während der Pandemie ist sie nach Japan zurückgekehrt und nun als Japanischlehrerin für Ausländer an einer Universität in Kawagoe tätig.


Shichi-Go-San am Kita-in. Hier zieht man den Kindern entweder einen Kimono oder aber einen Anzug mit kurzen Hosen (bei Buben) an. Und macht schöne Familienfotos. Der offizielle Termin ist der 15. November, wird aber noch an den Wochenenden danach begangen. Die Familie schmeißt sich hierzu in festliches Ornat.


Kawagoe nennt man auch "Klein-Edo". Einige Straßenzüge mit traditioneller Architektur haben sich erhalten, durch die Nähe zu Tokyo kommen viele Tagesausflügler. Leider gibt es keine Fußgängerzone, die Straßen sind recht eng und man muss öfter Autos oder Bussen ausweichen. Rechts im Bild das Gebäude der Industrie- und Handelskammer.


Ein schöner Sonntag im Herbst, dementsprechend voll war es. Hier wird für Yakitori mit Miso-Soße angestanden welches den Google-Bewertungen nach die Wartezeit nicht wert ist. Viele Läden bieten Straßenverkauf an, der Erwerb diverser kleiner Speisen welche man im Herumlaufen isst gehört zu den zentralen Elementen eines Besuches in Kawagoe.


Dieser Uhrturm (ohne Uhr, die Zeit wird durch die Glocke verkündet) ist das Wahrzeichen von Kawagoe. Die in traditionelle Gewänder gekleideten jungen Damen haben sich diese wahrscheinlich in Kawagoe ausgeliehen.


Die Cafes waren alle überfüllt, und überfüllte japanische Cafes sind meist nicht besonders gemütlich. In einer Seitenstraße gab es aber ein türkisches Cafe ( https://goo.gl/maps/4GAD1rJQrYSBRk4m6 ), sehr nett, der Besitzer meinte grinsend den Kaffeesatz bitte nicht auslöffeln. Meine Begleitung redete die ganze Zeit wie ein Wasserfall, hatte ich so überhaupt nicht in Erinnerung.


Auf dem Rückweg zum Bahnhof hatte ich noch Begegnung mit einem Lautsprecherwagen der alljapanischen Konferenz patriotischer Verbände welcher die Passanten hier darüber aufklärte dass Nordkorea und China die japanische Politik unterwandert hätten. Diese Art der Kommunikation finde ich sehr interessant, wenn auch der Inhalt mir nicht gefällt.


Dessert auf dem Rückweg im Shinkansen, eine Melonensüßigkeit aus Hokkaido. Nicht zu empfehlen, man schmeckt den Fortschritt der japanischen Lebensmittelchemie.


Der Umbau des Bahnhofs Tokyo ist mittlerweile ja schon ein gutes Stück weitergekommen, aber immer noch nicht ganz fertig. Ob er mal fertig wird? Oder wie der Bahnhof Yokohama endet, der hat den Beinamen "Sagrada Familia" weil dort seit Jahrzehnten umgebaut wird.


Nach der Ankunft in Shin-Osaka bezog ich mein Hotel im Viertel Minamikata. Ursprünglich aus Bequemlichkeit mal dort abgestiegen (Shin-Osaka in Laufweite und mit der Ubahn oder der Hankyu-Bahn ist man schnell in Umeda) übernachte ich in Osaka nur noch dort, es gibt genügend Hotels, kleine Restaurants und wer daran Interesse hat findet Bars wo man von Damen bedient wird.


Tagsüber ist Minamikata bzw. Nishinakajima ein Geschäftsbezirk, hier befindet sich die Zentrale der Instant-Ramen-Firma Nisshin.


Das ist weder eine Touristeninformation noch eine Agentur für Arbeit (heißt in Japan "Hello Work"), hier kann man sich über die Möglichkeiten der nächtlichen Unterhaltung informieren oder wird aufdringlich und ohne zu fragen darüber informiert. Was als Ausländer im Touristenoutfit nicht passiert. Das Geschäftsmodell ist mir nicht so ganz klar, läuft wahrscheinlich über Provision?
 

plotz

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26.05.2015
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Hi, vielen Dank für diesen Reisebericht, der so ein bisschen Abseits der Hauptkorridore stattfindet! Als studierter Ostasienheini ahne ich schon eine spannende Geschichte: Hast Du Lust, deine Beziehung zu und Geschichte mit Japan ein wenig zu erläutern?
 
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Tsuruhashi

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11.07.2015
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Hi, vielen Dank für diesen Reisebericht, der so ein bisschen Abseits der Hauptkorridore stattfindet! Als studierter Ostasienheini ahne ich schon eine spannende Geschichte: Hast Du Lust, deine Beziehung zu und Geschichte mit Japan ein wenig zu erläutern?

So spannend ist die Geschichte gar nicht. Habe vor vielen Jahren einen Sprachkurs gemacht, dem folgte ein Working Holiday mit eifrigem Selbststudium bis es sprachlich einigermaßen lief. Die anschließende "richtige" Arbeitserfahrung in Japan habe ich nach sechs Monaten beendet, aus familiären Gründen welche mich bis heute an Deutschland binden, aber auch regelmäßige Urlaube in Fernost ermöglichen. Dass mir der Arbeitsethos nicht liegt spielt da auch eine ganz große Rolle. Berufliche Kontakte mit Japan sind nun quasi nichtexistent, was ganz gut ist. Es würde mir die Freude am Land schmälern. Die privaten Kontakte sind dafür um so besser und durch die stete Pflege auch während Covid nicht abgebrochen :) .



Für den ersten vollen Tag in Osaka hatte ich mich mit einem arbeitslosen Freund verabredet. Der hat viel Zeit und war daher froh mich begleiten zu können. Treffpunkt war der "Bigman", ein großer Bildschirm am Bahnhof Umeda der Hankyu-Bahn. Heißt mittlerweile offiziell "Osaka-Umeda" weil angeblich die Touristen verwirrt sind wenn er nur "Umeda" heißt. Verwirrend finde ich ja das Untergrundgewirr um die vielen Bahnhöfe, nicht den Namen.


Auch hier kam wieder die Frage auf: Was machen? Einmal quer durch Osaka fahren? Das klang doch vielversprechend. Wenn man den Japanern da freie Hand gibt und Teezeremonie, Kimono anziehen, Besuch im Schrein etc. schon gemacht hat kommen manchmal komische Ideen raus, mit Schaudern erinnere ich mich an einen Besuch im Doitsu-Mura in Chiba.


Das Hanshin-Kaufhaus war mittlerweile neu errichtet und um die neuen Umeda Twin Towers ergänzt worden.


Das Polizeirevier von Sonezaki (vorderhalb) sah so scheußlich aus wie eh und je. Dahinter gibt es dort wo früher eine Grundschule und später ein Parkplatz war ein neues Wohnhochhaus, das "Umeda Garden". In den unteren Stockwerken befindet sich ein Hotel, darüber Eigentumswohnungen und in den obersten Stockwerken kann man nur mieten. Ca. 13.000 Euro pro qm bei Kauf, zur Miete ab ca. 25 Euro pro qm für die günstigen Wohnungen.


Die Zentrale der Firma Daikin war vom Umeda Center Building in die neuen Twin Towers umgezogen. Der Showroom befindet sich allerdings nicht hier, der ist auf der anderen Seite des Bahnhofs Osaka im Grand Front.


Im Ekimae-3 Building gibt es eine kostenlose Aussichtsplattform ( https://goo.gl/maps/5dAyWURV7jZ8nUDz9 ), der Ausblick nach Ost und West ist gratis, wer nach Norden oder Süden schauen will muss eins der Restaurants im 32. oder 33. Stock besuchen. Hier ein Foto in Richtung Osten, hinten die Berge von Ikoma, rechts der Phoenix Tower (mit einem Restaurant im obersten Stockwerk, https://sun.dynac-japan.com/en/osaka/ ).


Auch nach Westen sieht man Baufortschritt. Die Kräne rechts am "JP Tower Umeda" auf dem Gelände des ehemaligen Hauptpostamtes Osaka, die Kräne links müssten zum Brillia Tower Dojima gehören. Das runde Daiichi-Hotel (rechts, nur halb im Bild) wird in diesem Jahr abgerissen und anschließend neu errichtet.


Am JR-Bahnhof Osaka ist die Brache des ehemaligen Güterbahnhofs immer noch nicht bebaut. Zum Fahrplanwechsel im Frühling geht der neue JR-Bahnhof im Untergrund als Erweiterung des Bahnhofs Osaka in Betrieb, die Expresszüge nach Wakayama und zum Flughafen Kansai halten dann auch in Osaka. Im Anschluss wird die Brache bebaut, geplante Fertigstellung 2027 ( https://umekita2.jp/ ).


Am Bahnsteig der Ringbahn gab es neben der vertrauten Abfahrtsmelodei von Yashiki Takajin ( https://www.youtube.com/watch?v=9GrOq7VY7lM , einem in Kansai sehr bekannten Künstler welcher sich zu Lebzeiten geweigert hat in Tokyo aufzutreten) die üblichen Verspätungen. Einige Züge fielen ganz aus, mein Freund machte sich über JR West lustig. Nicht nur unpünktlich, auch noch Züge ausfallen lassen! Sein Vater war bei der Hankyu-Bahn angestellt, als Anwohner dieser hat er Mitleid mit den Leuten die JR West benutzen müssen.


Osaka richtet 2025 die Weltausstellung aus und über das Maskottchen kann man sich sicher streiten ( https://www.expo2025.or.jp/en/overview/logomark/ ). Mit der Expo bekommt die Landaufschüttung von Yumeshima in der Bucht endlich einen Verwendungszweck, zusätzlich ist ein "Integrated Resort" mit Casino geplant welches für diverse Verwerfungen in der Lokalpolitik sorgt. Ende April sind Kommunalwahlen.


Am Schlosspark Osaka gab es ein paar Ahornbäume mit Rotfärbung, sonst war es nicht sehr herbstlich. Eher sommerlich, ca. 20 Grad, T-Shirt-Wetter. Im Schatten zu kühl, in der Sonne zu heiß.


Wer die Burg mal besucht hat weiß dass es ein Betonnachbau ist, Fotos spare ich mir. Hier spiegelt sich der Crystal Tower im Burggraben.


Nach einem Mittagessen in einem Udon-Laden in Tsuruhashi (mir fällt der Name nicht mehr ein, war demnach weder besonders gut noch besonders schlecht, im Hintergrund liefen Schlager) kam wieder die Frage auf: Was machen? Nach Nara fahren? Ja, warum nicht. Den Auskunftsroboter "Arisa" am Bahnhof Yamato-Saidaiji der Kintetsu-Bahn fand ich gruselig. Kurz vor dem Bahnhof Ishikiri (mein Freund erzählte mir was von einer Bekanntschaft aus Unizeiten die dort gewohnt hatte und mit der er allerlei Erlebnisse hatte) erklimmt die Bahnstrecke einen Anstieg, gut für Fotos.


Auf dem Bahnhofsvorplatz von Yamato-Saidaiji in der Stadt Nara wurde am 8. Juli Abe Shinzo von einem Attentäter angeschossen und verstarb später im Krankenhaus. Mein Freund mit hilfreichen Anmerkungen: "So lang ist das schon her? Ja, erinnere mich dass es an dem Tag heiß war". Der Attentäter hatte einen Groll gegen die "Vereinigungskirche" (Mun-Sekte) und die innenpolitischen Verwicklungen von liberaldemokratischer Partei und religiösen Vereinigungen schaden seinem Nachfolger Kishida nach wie vor.


Ungefähr dort wo der verdächtige Mann mit dem Smartphone ein Video dreht stand damals der Herr Abe. Blumen ablegen ist nicht erwünscht, die Stadt hat Plakate angebracht worauf steht man soll die Sträuße wieder mitnehmen. Pläne ein Denkmal zu errichten gibt es momentan nicht, der Bahnhofsvorplatz wird umgestaltet und eine Statue würde den Verkehrsfluss stören. Über kurz oder lang wird dort etwas stehen, da der Herr Abe eine kontroverse Figur war wird es noch dauern bis ein Kompromiss gefunden ist.


Am Bahnhof Yamato-Saidaiji muss man aufpassen, es verkehren dort auch Züge nach Kyoto. Der namensgebende Saidaiji-Tempel ist nicht weit weg, einen Besuch haben wir sein lassen da am Eingang ein Schild stand welches Besucher die aus nicht-religiösen Gründen kämen auf das Lösen einer Eintrittskarte hinwies. Mein Freund hat sich dann über die uneindeutige Formulierung aufgeregt, und nach einem Dosenkaffee sind wir zum Bahnhof zurück.
 

Japandi

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06.04.2014
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Mir ist das auch schon aufgefallen, dass es auf der Osaka Loop Line häufig Verspätungen gibt. Denke das Hauptproblem ist, dass es nicht eine "reine" Ringbahn wie die Yamanote Line ist, sondern diverse Linien Teile vom Ring benutzen, vor allem den West-Teil zwischen Osaka und Tennoji. Ein paar verspätete Ltd Exp Züge oder ein Problem auf eine der Linien und schon ist der Fahrplan durcheinander.

Hab letztens in Tokyo aber auch diverse Verspätungen gehabt, inklusive einer halben Stunde Stillstand im Narita Express bei Shin-Koiwa wegen "unidentified noise" irgendwo weiter voraus auf der Linie und mehreren Stunden Stillstand auf der Chuo Rapid Line. Gefühlt haben die Unregelmässigkeiten zugenommen, könnte mich aber täuschen.
 

Tsuruhashi

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11.07.2015
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Die verschiedenen Züge aus allen Richtungen dürften der Hauptgrund sein. Und dass die Züge nur drei Türen haben was das Ein- und Aussteigen an den großen Umsteigebahnhöfen verlängert.


Von Yamato-Saidaiji aus kommt man mit der Kintetsu-Bahn direkt nach Namba, dem Unterhaltungszentrum Osakas mit dem Wahrzeichen der Stadt, einigen Werbeplakaten (darüber machen sich die Tokioter gern lustig). Die Gegend war gut besucht, trotz fehlender chinesischer Touristen. Auch an den Restaurants (das mit der großen Krabbe z.B.) gab es Schlangen.


Durch das Gedränge von Sennichimae ging es am Namba Grand Kagetsu (NGK) vorbei, einem Komödientheater der Yoshimoto-Gruppe. Mit 4.800 Yen im Parkett ist das für zwei Stunden gar nicht so teuer, und wenn man Glück hat treten überregional bekannte Künstler wie die Nakagawa-Brüder oder Nishikawa Kiyoshi auf und machen lustige Späße.
Südlich vom NGK liegt die Doguyasuji-Straße, da läuft tagein tagaus eine tolle Melodei welche die dort verkauften Küchenutensilien anpreist (Do-do-do, Doguyasuji https://youtu.be/ubjvbhq2Ymo?t=62 ). Wer die Kappabashi-Straße in Tokio kennt, das hier ist das Gegenstück in Osaka.


Dieser Herr heißt Matsumoto Koichi und verkauft Lifestyle-Produkte für Herren. Mein Freund konnte mich hierzu ausgiebig beraten (er hatte erkennbar bereits Erfahrung mit den Waren), habe aber doch nichts erworben. Wer kauft sich denn ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Love me tenga" ? Bzw. wann zieht man so etwas an?


Wir haben einen relativ langen Fußmarsch bis Shinsekai gemacht, durch Nipponbashi, an allerlei Firmen vorbei wo nicht so ganz klar ist was das eigentlich für Firmen sind. Mein Freund war sehr enttäuscht als er feststellte dass ein Geschäft, in welchem er früher DVDs mit anzüglichem Inhalt kaufte, nicht mehr existent war. Nipponbashi ist die Osaka-Variante von Akihabara, Maid-Cafes gibt es dort ebenfalls, interessant wenn man noch nie in einem war, die japanische Service-Industrie treibt schon komische Blüten. Das unterste Werbeplakat ist von "Nobunaga Shoten", einer bekannten Kette für Erwachsenenbedarf.
(Foto ist von einem anderen Tag).


In Shinsekai war nicht viel los, man merkt die Abwesenheit der Touristen. Diesen komischen Laden in welchem man den Fisch selbst fangen und dann essen kann gibt es aber noch. Tokioter halten diese Gegend für sehr gefährlich und man solle bloß nicht nachts hingehen. Die höchste Verbrechensrate gibt es allerdings im Bezirk Chuo von Osaka, also die Gegend um Hommachi und Namba.


In der Gegend um Shin-Imamiya steigt der Anteil an Rauchern und Obdachlosen spürbar an, der Bezirk Nishinari hat immer noch einen schlechten Ruf. Die Brache nördlich des Bahnhofs ist mit einem Resort-Hotel bebaut worden, so allmählich kriecht die Überplanung näher. Wer in Osaka ein billiges Hotel sucht bekommt Unterkünfte in dieser Gegend angeboten.


Das Arbeiterwohlfahrtszentrum wurde 2019 bis auf die Krankenabteilung geschlossen, die Obdachlosen gingen aber nicht, die Stadt hat dann die Bereitschaftspolizei zur Räumung geschickt. Airin bzw. Kamagasaki hat eine lange Geschichte von Arbeiterunruhen. Das Gebäude soll abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden.
(Foto ist von einem anderen Tag).


Zum Ausklang des touristischen Teils haben wir noch einen Schaufensterbummel in Tobita-Shinchi gemacht, einem Rotlichtviertel. Mehrere Damen hatten das Trikot der japanischen Fußballnationalmannschaft an was meinen Freund wieder darin bestärkte dass die Nationalmannschaft nur etwas für Event-Ottos ist. Er sei schon immer Fan von Gamba Osaka und des europäischen Fußballs, war 1999 während eines Auslandsaufenthaltes in Barcelona beim Champions-League-Finale und halte gar nichts von der um sich greifenden WM-Begeisterung. Die Niederlage Japans gegen Costa Rica am Tag zuvor mag seine Meinung beeinflusst haben. Vor Jahren habe ich beim Aufräumen alte Autogrammkarten von Matthäus, Kuffour und Lizarazu gefunden und ihm geschenkt, da ist er heute noch begeistert davon. Während er sich kurz amüsierte habe ich in einem der mittlerweile hübsch hergerichteten Wartebereiche die anderen Besucher beobachtet. Osakas bekannteste Touristenattraktion welche in keinem (seriösen) Reiseführer steht.
Die heruntergekommene überdachte Einkaufspassage auf dem Weg dorthin wird in Teilen auch renoviert. Die Vorstellung dass man hier einen Laden umbaut um ein Geschäft zu machen verwundert mich, das sind entweder Karaoke-Bars wo man günstig trinken kann oder Ramschläden.


Abendessen gab es dann bei Chiyo in Teradacho ( https://goo.gl/maps/ZBmbu63zA6e3AzcEA ). Dort hat man Covid genutzt um innen zu renovieren. Zunächst ein Tonpei-Yaki, ein Stück Schweinefleisch in Ei gehüllt.


Gefolgt von einem Okonomiyaki nach Osaka-Art (diese zwei Pfannkuchen mit in Soße ersäuften Nudeln sind Okonomiyaki nach Hiroshima-Art). Wird in Reiseführern "japanische Pizza" genannt, verstehe ich nicht, eine Pizza ist doch kein "italienisches Okonomiyaki"?


Gefolgt von Yaki-Soba. Vor Covid gab es hier mal Yaki-Soba mit Matcha-Soße, zum hineinsetzen, wurde leider von der Karte genommen da zu wenig nachgefragt. Habe zu Hause selbst mit der Soße von Otafuku und einigen Teelöffeln günstigem Matchas herumgepanscht, schmeckt genau so gut. Das schöne am Essen aus Osaka ist ja dass das alles billige Zutaten sind. Eier, Mehl, Wasser, Salz, Weißkraut, Schweinefleisch, Reis und Soße.


Als Ausklang noch Soba-Meshi, gebratener Reis mit kleingeschnittenen Nudeln. Nicht im Bild: Mehrere Flaschen Kirin.


Was mich stört: Auf fast allen öffentlichen Toiletten sind die Handtrockner außer Betrieb, um Infektionen vorzubeugen. Den Anteil der Japaner welche sich nicht die Hände waschen erhöht man damit bestimmt nicht und die Ausrede der freihändigen Verrichtung des Geschäftes, nun ja.
 

Tsuruhashi

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11.07.2015
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Kurzer Beitrag -


Ein regnerischer Dienstag, abends noch getrunken und spät aufgestanden. Was weniger an der Alkoholmenge als am Schlafdefizit aus den Tagen zuvor lag. Ein gewisser physiologisch Bedingter Vorteil bei der Verstoffwechslung von Hopfengetränken lässt sich nicht verleugnen, wenn ich auch schon Geschäftsleute getroffen habe die einen ordentlichen Stiefel vertragen haben.
Der erste Weg führte wieder in's Ekimae-3 Buildung, zu Odoru Udon ( https://goo.gl/maps/o6qd3pQ5q9HFBakW6 ). Hier war anstehen angesagt (was man vor 15 Jahren noch nicht musste). Es gab Nudeln mit frittiertem Klapperschwamm.


Auf der Rolltreppe des Bahnhofs Kitashinchi. Die Polizeiinspektion von Tenma warnt Damen davor sich unter den Rock fotografieren zu lassen. Erinnert mich an einen Fall, da hatte jemand Schuhe mit eingebauten Kameras verkauft, um unauffällige Aufnahmen tätigen zu können. Auf der Suche danach im Internet finden sich mehrere Fälle aus verschiedenen Jahren sowie Anleitungen zum Eigenbau.


Auf der Oebashi-Brücke. Links das Rathaus, rechts die Osaka-Filiale der japanischen Notenbank (nicht im Bild). Letztere kann besichtigt werden, Anmeldung bis spätestens 14 Tage vor dem gewünschten Termin, für spontane Reisende nicht geeignet. Wer am Geld interessiert ist, das staatliche Münzamt mit Hauptsitz in Osaka ist nur zwei Kilometer entfernt und einen Besuch wert.


Auf der Yodoyabashi-Brücke. Das niedrige ockerfarbene Gebäude auf der linken Seite war die Zentrale der Sumitomo-Bank welche 2001 mit der Sakura-Bank zur Sumitomo-Mitsui-Bank verschmolz. Rechts der Nakanoshima Festival Tower.
Läuft man nun geradeaus die Midosuji-Straße nach Süden kommt man über Hommachi und Shinsaibashi in Namba heraus. Da es regnet nehme ich die Ubahn und lasse stattdessen Oyang Feifei ihren Nummer-1-Hit von 1971 vortragen, "Die Midosuji-Straße im Regen", ein moderner Schlager. Darin wandert eine Frau die regnerische Midosuji nach Süden und sehnt sich nach ihrem Liebhaber. Im Lied werfen die Gingkobäume ihre vertrockneten Blätter ab, dafür war es bei meinem Besuch noch zu früh.



Eine noch ruhige Straße in der Gegend von Namba. Der Torikizoku ("Vogeladel") ist eine landesweit operierende Kette von günstigen Yakitoriläden mit einem Einheitspreis von momentan 319 Yen (+ Mehrwertsteuer).


Wenn die Kaiserin wüsste dass ihr Name mal für ein Love Hotel in Osaka herhalten muss. Wer sich da nicht sicher ist, wenn draußen ein großes Schild mit Preisen für "Rest" und "Stay" hängt ist es ein Stundenhotel. Oder wenn ihr in's Hotelzimmer kommt und den fälligen Betrag per Rohrpost begleichen müsst. Oder es keine Rezeption sondern nur einen Bildschirm gibt wo das Zimmer ausgewählt wird. Oder ihr den Rezeptionisten nicht sehr weil euch der durch eine kleine Öffnung einen Schlüssel gibt.


Love Hotel ist ein gutes Stichwort - mittlerweile schüttete es wie aus Kübeln, da die Stundenhotels auch allein genutzt werden können (in vielen Fällen checkt man allein ein da die zweite Person erst später kommt) suchte ich mir ein schönes Zimmer mit großem Bad und habe mich ganz entspannt ein paar Stunden eingeweicht. Mit dieser Steckdose wurde das im Raum vorhandene Massagegerät vor Diebstahl geschützt. Ja, ein öffentliches Großbad ist da günstiger, aber dort ist man nicht allein und darf im Bad weder Getränke konsumieren noch ein Matcha-Eis zu sich nehmen.


Nach einem erneuten Besuch in der Doguyasuji-Straße und der Feststellung wirklich nichts zu brauchen - bin länger um ein Nudelmesser und eine Taiyaki-Gussform herumgeschlichen, habe es sein lassen da sich die Anzahl der erworbenen und doch nicht genutzten japanischen Küchenutensilien so weiter vergrößert hätte - gab es Curry mit Schnitzel bei "Joto Curry" in Minamikata. Eine Kette mit hellem Neonlicht, schweigend das Curry in sich hineinschaufelnden Geschäftsmännern sowie dem schmissigen Slogan "No. 1 in Japan if best among Osaka". Schmeckt besser als CoCo Ichibanya.
 

Tsuruhashi

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11.07.2015
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Zur Mitte der Reise war ein Tagesausflug nach Shikoku geplant. Kaum kommt man mit der Bahn über die Seto-Ohashi-Brücke von Okayama herüber, da grüßt der Löschturm der Kokerei von Mitsubishi Chemical in Sakaide mit seinen Dampfschwaden.

Am Bahnhof von Okayama werden Züge nach Shikoku mit dem Gedudel von Koyanagi Rumikos Schlager "Seto no Hanayome" von 1972 angekündigt.


Der Pilgerweg der 88 Tempel auf Shikoku ist sicher dem ein oder anderen bekannt, die heutige Route: 68 - 69 - 76 - 75 - 73 - 72.


Die 88 Tempel sind teilweise gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, meistens aber irgendwo in der Pampas. Ja, ein Mietwagen ist eine Option, bin beruflich allerdings täglich mit dem Auto unterwegs und habe im Urlaub keine Lust mich hinter's Steuer zu setzen. Nach ein bisschen Herumgespiele mit den Fahrplänen von Bahn und Bus war der erste Halt Kanonji an der Yosan-Bahn nach Matsuyama. Etwas weiter liegt Imabari, die Stadt der Handtücher, einer privaten Universität für Tiermedizin welche der Herr Abe Shinzo seinem Spezi Kake Kotaro hat einrichten lassen sowie einer Firma deren Schiff 2021 im Suez-Kanal auf Grund lief.


Nach einer Viertelstunde Fußweg erreicht man den Kanon-ji-Tempel (Nr. 69), welcher sich direkt neben dem Jinne-in (Nr. 68) befindet.


Die Haupthalle des Jinne-in ist ein Betonbau. Die gemeinsame Lage der beiden Tempel ist unüblich und kommt sonst nicht vor. Da muss man eher mit der Gondel den Berg hinauffahren oder einen Bus nehmen welcher im Winter gar nicht fährt.


Die Haupthalle des Kanon-ji. Ausführungen zu den Tempeln und welche Verkörperungen Buddhas verehrt werden spare ich mir. Der Pilgerweg der 88 Tempel hat ca. 1200 km, im Schnitt werden 45 Tage dafür veranschlagt. Wie auf der Karte zu erkennen gibt es Gebiete in denen die Tempel nah beieinander liegen und man in einem Tag mehrere Pilgerstätten besuchen kann, zu den exponierten Tempel an den Südspitzen Shikokus in der Präfektur Kochi ist man 80 km unterwegs.


Ein Schild auf dem Vorplatz weist den Weg zum nächsten Tempel, dem Motoyama-ji (Nr. 70). Der wird aber nicht besucht, es geht zurück zum Bahnhof. Der Großteil der Pilger dürfte die Tempel entweder mit dem eigenen Auto, per Fahrrad oder als Gruppenreise mit dem Bus besuchen. "Richtige" zu Fuß gehende Pilger mit weißem Gewand, Hut und Stab habe ich an diesem Tag keine gesehen. Unterwegs sind davon sicher genug.


Der morbide Charme der japanischen Provinz. Die Unterhaltungssendung "Suiyo do desho" ("Mögen Sie Mittwoch") mit Oizumi Yo und Suzui Takayuki machte um das Jahr 2000 herum drei Pilgerreisen mit dem Auto nach Shikoku, die 88 Tempel wurden darin in drei Tagen abgeklappert ( = vor dem Tempel ein Foto gemacht).


Ein richtiges Frühstück hatte es nicht gegeben (Dosenkaffee und Brot mit süßer Bohne im Zug), auf dem Weg zum Bahnhof fand sich einer der in der Präfektur Kagawa verbreiteten Läden für Udon aus der Provinz Sanuki ( https://goo.gl/maps/vqB7CALmc7q44Sb8A ).


Für 490 Yen kann man sich nicht beschweren. Udon kann man gut selber machen, Mehl + Salz + Wasser vermengen, einige Male darauf herumtreten, ruhen lassen, darauf herumtreten, ruhen lassen, ausrollen, schneiden, kochen, kalt abspülen und in Brühe wieder aufwärmen.


Die Seto-Inlandssee. Fast wie in der Halong-Bucht, nur mit gelegentlichen Schauern, 15 Grad und Wind. Ausser den Tempeln gab es noch einen größeren Schrein sowie ein überdimensionales, aus Sand gefertigtes Bild einer Münze. Aber: Keine Zeit, der nächste Tempel wartet schon.


Umstieg am Bahnhof Tadotsu in Richtung Kotohira. Da könnte man den Kotohira-Schrein besuchen, oder das historische Kanamaru-Kabukitheater (die Vorstellungen im kommenden April sind übrigens abgesagt worden).


Ziel: Tempel 76 von 88, der Konzo-ji. Direkt daneben hätte es wieder Udon gegeben, ich war jedoch noch satt von vorher. Wenn der Zweck der Reise aus Udon besteht und der Tempelbesuch kaum mehr als ein Alibi darstellt sollte man kleine Portionen bestellen.


Eine alte Werbung für Farbfernseher und Kühlschränke von Hitachi.


Tempel Nr. 75, der Zentsu-ji. Hier wurde angeblich Kobo-Daishi / Kukai geboren auf welchen der Pilgerweg der 88 Tempel zurückgeht, die Bedeutung der Tempels erkennt man an der Weitläufigkeit des Geländes sowie den großen Gebäuden.


In der Haupthalle (links) steht ein hölzerner Buddha von 1700, fotografieren nicht gestattet.


Der Tempel teilt sich in einen östlichen und westlichen Bereich auf. Im westlichen Bereich gibt es ein Schatzhaus mit mehreren Nationalschätzen, könnte man besichtigen, würde nicht der nächste Tempel warten.


Mittlerweile hatte es zu tröpfeln aufgehört. Die beiden letzten Tempel befinden sich hinter diesem Berg, der Fußweg führt außen herum.


Es war noch einmal Zeit für Udon ( https://goo.gl/maps/Bt2FfshzaAQdoDb88 ). Die gesunde japanische Ernährung, viele kurzkettige Kohlenhydrate. Der Großteil des für Sanuki Udon verwendeten Weizenmehls kommt übrigens aus Australien.


Hinter diesem Berg befindet sich Tempel 74, der Koyama-ji. Die Uhrzeit sowie der spärliche Busfahrplan führten dazu dass ich ihn ausließ aus Angst dass es hintenraus knapp wird, es hätte doch gereicht.


Mittlerweile kam auch die Sonne heraus. Das Haus mit den orangenen Dachziegeln hat mir gefallen, unüblich für die Provinz.


Mandarinen und Weißkraut? Wirsing? Erinnert mich an einen Bericht von der Mandarinenernte welcher ein anderer User hier mal verfasst hatte. Die Versuchung das Fallobst aufzuklauben war groß.


Anders als die Nachbarpräfektur Ehime ist Kagawa ist nicht als großer Mandarinenexporteur bekannt.


Am Tempel 73, dem Shusshaka-ji. Der Bus hatte Pilger geladen. Es gibt Tagestouren, nach Präfekturen aufgeteilte Touren oder Komplettangebote, 11 Tage für alle 88 Tempel. Japanische Bustouren sind immer komplett durchgetaktet, mit Essen und Führungen, sehr zu empfehlen wenn man sich um nichts kümmern will.


Der Shusshaka-ji ist ein kleiner Tempel. Die rechte Fahne weist auf den 1250. Geburtstag Kobo Daishis im nächsten Jahr hin.


Eine Statue Kobo-Daishis, rechts geht es die Treppe rauf zum Tempel. Vom Berg dahinter hat sich der Mönch als Kind angeblich heruntergestürzt und wurde von Buddha gerettet.


Ein Beutel Mandarinen für 150 Yen.


Den Berg hinab befindet sich Tempel 72, der Mandara-ji (benannt nach einem aus China mitgebrachten Mandala), angeblich der älteste Tempel auf Shikoku.


Die Herbstlaubfärbung lag hier in den letzten Zügen.


Auch die Quitten waren reif und fielen zu Boden.


Nun war ich viel zu früh mit dem Pilgerprogramm durch. Der spärliche Busfahrplan ließ mir noch zwei Stunden Zeit übrig, also zuerst die Mandarinen mit einem Dosenkaffee genossen und dann die Navitime-App befragt ob man noch auf anderem Wege zu einem Bahnhof kommt (nein, zurücklaufen oder ein Taxi waren die einzigen Optionen).
Der Fußweg zur Bushaltestelle an der Hauptstraße führt an diversen Autoverwertungen und Love-Hotels vorbei welche nicht so aussahen - aber laut aktuellen Google-Rezensionen tatsächlich noch in Betrieb sind. Love Hotels auf dem Land haben meist Einzelgaragen mit den Zimmern darüber. Sonst könnte sich die Kundschaft untereinander am Auto erkennen.


An der Haltestelle des Community-Busses angekommen hatte ich immer noch Zeit. Also zum Family-Mart in der Nähe und ein warmes Getränk besorgt, dann gewartet. Der Bus war kostenlos und wie für ländliche Regionen üblich war der Fahrstil des Busfahrers so wie der meiner Freundin aus Nagoya.


Ganz knapp erwischte ich noch den aus Kochi kommenden Nampu-Express nach Okayama und verzehrte dort ein "Demikatsu", ein Schnitzel mit brauner Kraftsauce. Die Kombination hat mir nicht so geschmeckt, normale Tonkatsu-Sauce wäre besser gewesen.


Als Dessert gab es nach der Rückkehr in Shin-Osaka noch ein paar Imagawa-yaki von Gozasoro, gefüllt mit süßer Bohne. Weiß ist nicht mein Favorit, rote Bohne ist besser.


Ein relativ neues Produkt, Asahi Super Dry aus einer Dose welche man oben ganz aufmachen kann. Damit man zu Hause das Faßbier-Gefühl aus der Kneipe genießen kann. Bin nicht überzeugt, man muss es kühlen sonst schäumt es wie verrückt und saut alles voll (hier passiert, nicht auf dem Bild). Wenn man es zu stark kühlt schäumt es gar nicht.

Die Werbung mit der Frau Shiraishi überzeugt mich auch nicht.


Gab es in den 80er schonmal, hier in einer Werbung mit Phoebe Cates:

 

Tsuruhashi

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11.07.2015
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Nächster Tagesausflug - dieses Mal in die Präfektur Shiga.


Neuer Tag, neues Frühstück. Anstatt Brot mit süßer Bohne eine am Shusshaka-ji erworbene Mandarine. Verglichen mit den in Deutschland erhältlichen Mandarinen sind die japanischen Früchte wesentlich milder, aber auch nicht so süß. Das Frischetuch von Dandy House mit dem Herrn Akira ist auch wieder dabei.


Bis Maibara ging es mit dem Shinkansen am Biwa-See entlang, dann weiter im Bummelzug bis Nagahama. Am Horizont verschwinden die Ibuki-Berge in den Wolken.


Das Museum der Firma Yanmar bietet fast keine Exponate und ist was für Familien mit Kindern. So ein modernes japanisches Museum, viel zum anfassen und erleben.


Ausblick vom Dach auf den Biwa-See. Das Wetter war durchwachsen, Nieselregen und kalt. Der See stellt die Trinkwasserversorgung für 14 Millionen Menschen in Kyoto, Osaka und Hyogo sicher.


Der Gründer von Yanmar - Yamaoka Magokichi - stammt aus Nagahama und ging später nach Osaka um dort eine Firma für landwirtschaftliche Maschinen aufzubauen. Darum auch die ganzen interaktiven Stationen, man kann einen Traktor fahren oder ein Boot, also viele "Challenges" austesten. Yamaokas Leben bestand nämlich auch nur aus "Challenges". Die Geschichte wird in einem kleinen Kino erzählt und ist nett gemacht.


Nach einem Besuch auf der Leipziger Messe kam er auf die Idee einen kompakten Dieselmotor zu entwickeln und es ergab sich ein Austausch mit der Firma MAN. In Augsburg hat Yamaoka später den Rudolf-Diesel-Gedächtnishain gestiftet. Die Partnerstädte Nagahama und Amagasaki in Hyogo (Sitz einer Yanmar-Fabrik) gehen ebenfalls auf eine Initiative von Yamaoka zurück.


Die HB-Serie mit ca. 6 PS war der weltweit erste Kompakt-Dieselmotor (so erzählt es das Museum - habe diese Aussage nicht überprüft). Auf dem Typenschild ist schon der Name "Yanmar" groß zu lesen, als Anlehnung an den Namen Yamaoka und das spätere Logo der Firma, eine stilisierte Libelle (auf Japanisch "Yanma").


Das Museum ist erst ein paar Jahre alt und kombiniert mehrere Arten der Wärmeerzeugung. Mich hätte da der Aufbau der eingesetzten Gaswärmepumpe interessiert, aber gut, dafür kann man in den Showroom gehen. Oder in Deutschland beim zuständigen Außendienstler anrufen. Ein Teil der Abwärme geht in das überdachte Fußbad im Außenbereich.


Nagahama hat ein paar Gässchen mit historischen Häusern. Am Meer gibt es eine modern wiedererrichtete Burg sowie einen Gedenkstein für die Partnerschaft mit Augsburg. Habe ich vor Jahren schon einmal gesehen und mir dieses Mal den Weg dorthin gespart. Anstatt Nagahama Ramen (welche eigentlich aus Nagahama in Fukuoka kommen, in Nagahama am Biwa-See hat man den Namen übernommen) war ich bei Mos Burger und habe einen Tonkatsu-Burger verzehrt.


Am Taga-Großschrein. Die von Maibara dorthin verkehrende private Ohmi-Bahn (Ohmi ist der alte Name der Präfektur Shiga) hat einen dünnen Takt, bin von Hikone aus mit dem Taxi gefahren, ca. 3000 Yen hat das für ~ 7 km gekostet.


Der Taga-Großschrein (Schrein = Shinto, Tempel = Buddhismus) wurde schon in den ältesten japanischen Chroniken erwähnt. Verehrt werden die beiden Urgötter Izanami und Izanagi.


Rechts von der Noh-Bühne diskutierten Eltern und Fotograf mit dem Sohn doch jetzt endlich für das Foto zum verspäteten Shichi-Go-San stillzuhalten.


Der Stein ist ein Konglomerat namens "sazare-ishi". In der japanischen Nationalhymne wird ein solcher Stein von Moos bedeckt zum Fels.


Die Gebetshalle des Taga-Großschreins.


Die Spezialität von Taga ist Itokiri-Mochi, flacher Reiskuchen welcher um süße Bohne gewickelt wird.


Der Rückweg ging mit der privaten Ohmi-Bahn von Tagataisha-mae nach Maibara. Das Eisenbahngeschäft ist wie in ländlichen Regionen üblich tief in den roten Zahlen. Der Eigentümer (die Seibu-Gruppe) hatte sich 2020 mit den Anliegergemeinden auf einen Weiterbetrieb geeinigt, man wollte sich überlegen wie man profitabel werden kann. Es wird wie überall auf Subventionen der öffentlichen Hand hinauslaufen.


Von Maibara folgte ein Stück mit dem Shinkansen bis Kyoto um dort am Bahnhof ein paar Souvenirs zu erwerben ("Yatsuhashi", Zimtkekse). Der Herr links auf dem Werbeplakat von Jichudo (einer Firma für Arbeitskleidung) ist Shinjo Tsuyoshi, früher in der MLB als Spieler bei den Mets und Giants, jetzt Trainer der Hokkaido Nippon Ham Fighters. Lässt sich "Big Boss" nennen und bringt die Fighters momentan mehr mit seiner Person als mit sportlichen Erfolgen in die Nachrichten.


Die Einkäufe verschwanden im Hotel, ich traf mich erneut am "Bigman" in Umeda mit meinem Freund zum Abendessen.


Wir landeten in einem kleinen Yakiniku-Laden mit Essen zum Festpreis ( https://goo.gl/maps/sQTEBwLH86fk9jar6 ). Getränke kamen ausschließlich aus der Dose und waren Selbstbedienung. Damit die Kunden nicht zu viel bestellen durfte man pro Person maximal zwei Sachen bestellen und musste vor dem Nachordern mindestens alles Vorhandene auf den Grill gepackt haben. Wichtig bei Restaurants dieser Art ist entweder ein dicht abgetrennter Schrank für Kleidung oder, wie hier, ein Behältnis mit Plastiktüte in welches man Taschen und Gewänder hineinstopfen kann, damit die nicht nach Rauch und Fett stinken. Oder ihr wascht danach alles einmal. Oder nutzt ausgiebig die in japanischen Hotelzimmern immer vorhandene Flasche Febreze.
Von den verdächtigen Wiener Würsten muss ich dringend abraten. Kann man auch im Supermarkt kaufen, die Marke heißt "Schauessen".


Auf dem Rückweg nach Umeda. Die Passage zum Hankyu-Bahnhof ist wie so vieles in Japan um diese Jahreszeit romantisch beleuchtet.


Wir nahmen noch einen Gute-Nacht-Kaffee bei Tully's ein. Japanische Innenräume sind ab dem Spätherbst oft überheizt. Reinkommen, sofort schwitzen und erst einmal alles ausziehen.
 

Tsuruhashi

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Letzter Tag in Osaka - zu Fuß vom Comfort Hotel nach Minamikata, von dort mit dem Lokalzug nach Umeda. Hier wartet die Bahn nach Hibarigaoka-Hanayashiki auf ihre Ausfahrt. Direkt neben dem Bahnhof Hankyu-Umeda ist im Flying-Y-Building übrigens die Zentrale der Firma Yanmar.
Das Comfort Hotel liegt in der Einflugschneise des Flughafens Osaka-Itami, gehört habe ich davon nicht viel. Zum Planespotting eignet es sich nur bedingt, in japanischen Hotels kann man die Fenster ohne zusätzliches Werkzeug meist nur einen Spalt breit öffnen.


Im UG des Bahnhofs befindet sich eine Möglichkeit zum Geldwechsel. Sofern die Transaktion einen Wert von zwei Millionen Yen (ca. 14.000 Euro) nicht überschreitet ist es weder nötig sich auszuweisen noch einen Namen oder eine Telefonnummer irgendwo einzutragen. Es ist also einfacher als eine Karte fürs Kabuki zu kaufen. Oder ein Hotelzimmer zu buchen. Oder einen Koffer zu verschicken (gut, da ist es sinnvoll auch erreichbar zu sein).


In Kansai gibt es einen Pilgerweg, ähnlich den 88 Tempeln auf Shikoku: Den Saigoku-Pilgerweg mit 33 Tempeln. Die Tempel auf Shikoku gehören alle zum Shingon-Buddhismus, hier sind auch Tempel von Tendai, Hosso und anderen buddhistischen Strömungen vertreten. Verehrt wird mit Kannon aber immer der Boddhisatva des Mitgefühls.


Der Soji-ji ist Nr. 24 von 33. Ein langwieriges Unterfangen von mir ist es irgendwann alle 33 besucht zu haben, bei jeder Japanreise wird mindestens ein Tempel "abgehakt". Mittlerweile sind nur noch die nicht so einfach zu erreichenden Orte übriggeblieben.


Im Pilgerbüro kann man für 300 Yen einen Zettel mit Stempel + Datum des Besuchs bekommen. Würde aber den Kauf eines Buches empfehlen in welches diese direkt vermerkt werden.


Vom Tempel zum Hankyu-Bahnhof Sojiji: Ein seit ca. 2003 aufgelassenes und heruntergekommenes Einkaufszentrum, das Kaufhaus "Star".


Der Hankyu-Bahnhof Oyamazaki liegt in der Präfektur Kyoto. Auf dem Weg zur Yamazaki-Brennerei der Firma Suntory muss die Grenze nach Osaka überquert werden.


Beschilderung mit Fehler. Yamasaki oder Yamazaki?
Kyoto und Osaka mögen sich nicht so besonders. In Osaka ist man eher direkt, in Kyoto nicht. Beispiele (überspitzt): Wenn euch jemand aus Kyoto sagt "Ihre Tochter spielt aber schön Klavier" heißt das so viel wie es nervt, die soll damit aufhören. Und wenn euch nach einem Geschäftstermin bei Nintendo oder Kyocera noch Tee angeboten wird, nicht annehmen, das ist eine Aufforderung zu gehen.


Die Yamazaki-Brennerei von Suntory ist nur nach Voranmeldung besuchbar, das gilt auch für den Shop. Kam mir etwas dumm vor es so probiert zu haben, steht schließlich groß auf der erst danach besuchten Webseite. Die Dame am Empfang wird sich ihren Teil gedacht haben. Für Dezember waren alle Führungen ausgebucht.


Mit "Kagiu" ( https://goo.gl/maps/YjFZ2hak59o7H9sp7 ) gab es nicht weit entfernt ein ordentliches Udon-Restaurant, modern und gepflegt, preislich weit über den Läden auf Shikoku. Mit 1300 Yen für Tempura und Nudeln aber immer noch günstig.


Auf dem Rückweg zum Bahnhof Oyamazaki zeigten sich Ausläufer der Herbstlaubfärbung.


Zurück in Umeda traf ich mich mit einem Freund im Yodobashi Camera, er wollte die Batterie seiner Armbanduhr tauschen lassen. Nach einem Kaffee beim Ausbeuter aus Seattle sowie einem kurzen Abstecher in die Alkoholika-Abteilung (der Yodobashi verkauft mittlerweile auch alles mögliche) waren wir uns einig noch einmal Okonomiyaki zu essen. Die Wahl fiel auf "Hanatare", die "Rotzglocke" ( https://goo.gl/maps/5gVvPwg48ZysZNaz7 ) im Viertel Sonezaki. Mitten im Love-Hotel-Bezirk, das Publikum bestand dementsprechend aus vielen Pärchen die sich vor der sportlichen Betätigung noch stärken wollten? Die handgeschriebene Karte war jedenfalls nicht so einfach zu lesen.


Nein, das ist kein Okonomiyaki nach Osaka-Art sondern ein "Nagata-Yaki", benannt nach dem Stadtteil Nagata in Kobe. Beim Okonomiyaki wird alles vermischt und gebraten, beim Nagata-Yaki kommt der Teig auf das heiße Blech, die Zutaten werden darauf gelegt. Bei Hanatare ist der Geschmack sehr intensiv, will sagen: Man schmeckt nur Soße. Auch das Yaki-Soba war recht würzig. Wenn ihr mal in der Nähe seid, geht lieber zu Hirokazuya ( https://goo.gl/maps/jPJ9xCsQfBshdgUV6 ). Der Laden hat bis morgens um vier geöffnet, praktisch wenn es nach dem Stelldichein noch einer Stärkung bedarf.


Das ist ein Verkaufsautomat für Süßkartoffeln.


Wer in Japan war weiß dass richtiges Bier dort - im Vergleich zu Deutschland - teuer ist. Das liegt an der hohen Steuer auf Malz. Es gibt Ersatzprodukte mit wenig bis gar keinem Malz, oder man greift zu den harten Sachen. Eine große Flasche "Torisu" für sechs Euro, das ist nicht ganz der Preis für drei Halbliterdosen Bier. Ein paar Flachmänner kamen mit in's Souvenirgepäck, mein Freund war entsetzt wie ich so einen Fusel verschenken könne. Die Rückmeldungen der Beschenkten waren bisher durchweg positiv :LOL:.
 

cas_de

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Herrlicher Bericht. Wie schon Bob Harris so schön sagte - for relaxing times, make it Suntory time!

Da unsere Konzernmutter in Tokyo sitzt hat es mich auch schon ein paar Mal nach Tokyo verschlagen. weiter als bis nach Kyoto und Hakone hab ich es noch nie geschafft (leider). würde aber bei mir schon Dank mangelnden (nicht existenten) Japanischkenntnissen scheitern Oder zumindest schwierig werden. Danke für die ganzen Insights!
 

hch

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25.05.2009
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611
INN
Ein sehr schöner Bericht! Da freue ich mich auch schon wieder auf meine erste Japanreise Ende März, auch wenn die primär geschäftlich und nur mit einem kleinen privaten Anhang ist. Übrigens bin bisher abseits der großen Städte auch ohne Japanischkenntnissen ganz gut durchgekommen, aber in den ganz kleinen Dörfern war ich noch nicht, eher kleine Großstädte oder große Kleinstädte und auch im einen oder anderen kleinen Skigebiet.
 
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Mulder_110

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04.05.2012
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Danke, sehr schöner Reisebericht! Ich werde übernächste Woche auch zum ersten mal seit gut drei Jahren wieder nach Tokyo fliegen. Leider hauptsächlich geschäftlich, aber ich versuche ein Wochenende Skifahren auf Hokkaido dran zu hängen ...
 
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Tsuruhashi

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11.07.2015
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Da unsere Konzernmutter in Tokyo sitzt hat es mich auch schon ein paar Mal nach Tokyo verschlagen. weiter als bis nach Kyoto und Hakone hab ich es noch nie geschafft (leider). würde aber bei mir schon Dank mangelnden (nicht existenten) Japanischkenntnissen scheitern Oder zumindest schwierig werden. Danke für die ganzen Insights!

Hmm - mittlerweile gibt es doch genug Übersetzungs-Apps welche auch Speisekarten (sofern nicht handgeschrieben) zuverlässig übersetzen? Man fährt ja nicht einfach so z.B. nach Kazamaura auf der Shimokita-Halbinsel und steht dann da ohne zu wissen warum man überhaupt gekommen ist. Navitime hat eine englischen "Japan Travel"-App in welcher die Fahrpläne aller Busunternehmen enthalten sind. Also nicht nur Fernbusse, auch Nahverkehrsbusse. Man kommt also erstmal überall hin, wenn man weiß wohin man möchte. Aber vielleicht denke ich da zu naiv weil mir die Erfahrung mit solchen Situationen fehlt.


Morgens um sechs klingelt der Wecker. Es verabschiedet sich Osaka in Gestalt von Pichon-kun bei vier Grad. Der zweite Koffer, vollgestopft mit Souvenirs welche sich um die Hälfte im Volumen reduzieren ließen würde man die Verpackung wegwerfen und nur die Kekse einpacken, ging per Kofferversand vom Comfort Hotel zur Unterkunft in Tokyo. Da noch einige Tage bis zur Ankunft in der Hauptstadt dazwischen lagen habe ich den Tag vor der Ankunft als Zustellzeitpunkt angekreuzt. Das Gepäck liegt so lange irgendwo bei der Firma Yamato Transport herum.


Zwischen den Flüssen Ibi und Nagara steht etwas westlich des Bahnhofs Gifu-Hashima die Solar-Arche ("Solar Ark"). Wer schon länger nicht mehr in Japan war und sich wundert: Im Jahr 2012 wurde die Sanyo-Beschriftung durch Panasonic ersetzt. Wer den Anblick der dort verbauten, minderwertigen Solarmodule (Sanyo hatte im Jahr 2000 fehlerhafte Solarmodule ausgeliefert, die Kunden bekamen nach einem Skandal Ersatz und die Rückläufer wurden hier verbaut) noch einmal genießen möchte muss sich schicken, Panasonic hat den Grund im November 2022 an eine Immobiliengesellschaft verkauft welche die Arche bis Ende 2023 abreißen wird.


Zur Abwechslung einmal der Fuji in den Wolken.


Die Reservierungspflicht für Gepäck in Übergröße (H+B+T größer als 160 cm, wozu mein Koffer noch nicht gehört) im Tokaido-Shinkansen ist eine nette Idee. Wie man den Zustieg von Touristen mit großen Koffern aber ohne eine solche Reservierung verhindern will, ich bin gespannt. Durch den Wegfall der Ticketkontrollen in den reservierten Bereichen (läuft alles elektronisch) hat man die Anzahl von früher vier auf nunmehr noch noch zwei oder drei Schaffner reduziert, Ansagen werden von der "Purserin" gemacht. Das ist die Dame welche die Erfrischungstücher mit dem aufgedruckten Herrn Akira verteilt. Und den Fahrgästen mitteilt welche Sorten des immer steinhart gefrorenen Speiseeises im fahrenden Verkauf erworben werden können. Meistens Matcha oder Vanille.


Zwischenstopp in Shin-Yokohama. Ein für den Koffer ausreichend großes Schließfach war am Taxistand noch frei. Dann ging's per U-Bahn zum Bahnhof Yokohama (die bereits erwähnte, nie fertiggestellt werdende "Sagrada Familia" der japanischen Bahnhöfe), einem Einkauf von Mitbringseln im Untergeschoß des Kaufhauses Sogo folgte eine Fahrt mit der Sotetsu-Bahn in den Bezirk Asahi. Dort empfingen mich schon eine Freundin und ihr Sohn.
Ab kommendem März geht eine Verbindungsstrecke zwischen der Sotetsu- und der Tokyu-Bahn in Betrieb, man kann dann unter Umgehung des Bahnhofes Yokohama direkt via Shin-Yokohama nach Shibuya fahren (was man jetzt schon mit der Verbindungsbahn von Sotetsu und JR tun kann, aber nicht via Shin-Yokohama).


Da meine Freundin zwischenzeitlich einen zweiten Sohn bekommen hatte war sie untröstlich nichts unternehmen zu können, Ausflüge mit dem "kleinen Monster" seien schwierig. Mir kam das ganz gelegen. Herumsitzen, Tee trinken, mit dem älteren Sohn Pokemon-Karten ansehen und sich erklären lassen dass sein Berufswunsch Pokemon-Master sei. Nach der Übergabe von Mitbringseln und Mitnehmseln wurden gemeinsam ca. 100 Gyoza gemacht, dazu gab es Kimchi und Reis. Der Mann meiner Freundin hatte in der Schulzeit nebenher in einem Gyoza-Laden gearbeitet. Seine gelungene Falttechnik sieht man leider nicht.


Beide bestanden darauf mich zurück nach Shin-Yokohama zu fahren, mit dem abendlichen Stau auf der Ringstraße 2 wurde das eine Punktlandung. Gegenüber vom Bahnhof ausgestiegen, über die Fußgängerbrücke zum Schließfach gesprintet, den Koffer herausgerissen, rein in den Aufzug, durch die Fahrkartensperren gehechtet und am Bahnsteig angekommen als der Hikari gerade einfuhr. Auf dem Foto ist der Anschlusszug am Bahnhof Tokyo angeschrieben: Hayabusa 41 nach Shin-Aomori.


Ein Halt in: Morioka. Die Anzahl der geöffneten Restaurants am Bahnhof ist übersichtlich, als letzter Kunde des Tages bekam ich bei Yabu-ya ( https://goo.gl/maps/ExkRTBJARCYkwH7y7 ) noch eine Schale mit Tanuki-Soba.


Der Anschlusszug nach Shin-Hakodate-Hokuto war fast leer. Die Strecke ist in den roten Zahlen. Im Seikan-Tunnel gibt es mittlerweile durchgehenden WLAN-Empfang, das war vor einigen Jahren noch nicht so, meine ich.


Das Ziel des heutigen Tages: Shin-Hakodate-Hokuto bei Minusgraden und Schnee. Fast 1350 km von Shin-Osaka entfernt.


Nach einer kurzen Nacht im Hotel La'gent Plaza Hakodate-hokuto ging es weiter in Richtung Sapporo.


In dem Tunnel da hinten soll einmal die Fortführung der Hokkaido-Shinkansen verschwinden. Geplant ist 2030, pünktlich zu den möglichen olympischen Winterspielen in Sapporo. Da passen Berichte wonach die Baukosten etwas teurer werden nicht dazu. Und man immer noch keine Deponie für den von Schwermetallen belasteten Tunnelabraum in der Gegend von Otaru hat.


Wer isst bei Minusgraden eine Melonen-Eiswaffel zum Frühstück? Die Einwohner Hokkaidos natürlich.


Der "Hokuto 3" dieselte dann in der gewohnten Gemütlichkeit am Komagatake-Berg vorbei in Richtung Sapporo.


Am Bahnhof Shin-Sapporo endete die Fahrt, die nächsten Tage hatte ich mich bei Freunden, deren neuem Baby, deren Eltern und vier Hunden welche nicht Gassi gehen und in die Küche koten einquartiert.


Nach einem Wiedersehen sowie der Übergabe von Gastgeschenken war ich schon wieder draußen und im Zug zum Bahnhof Sapporo. Das ehemalige Gebäude der Präfekturverwaltung wird saniert und auch sonst gibt es um den Odori-Park einiges an Bautätigkeit. Mittag war vorbei, Zeit für einen Nachmittagsimbiss bei Kaishoro in Susukino ( https://goo.gl/maps/2ttbg8i5dmqHjByVA ).


300 Yen für einen Hefekloß mit Füllung, sehr zu empfehlen. Hat bis früh morgens geöffnet, wenn man eine Stärkung braucht.


In Susukino gilt wie auch in Minamikata: Das ist keine Touristeninformation. Geht da nicht rein wenn ihr nicht wisst was ihr wollt. Und wenn ihr es wisst braucht ihr so ein "Auskunftsbüro" nicht. Und geht erst recht nicht mit irgendwelchen Kundenwerbern auf der Straße mit, es hat schon einen Grund dass hier und da Schilder hängen mit "Kundenwerbung ist verboten, gez. die Stadtverwaltung".


Das spezielle an Susukino ist die Nähe von normalen Restaurants und Bars zu Etablissements des horizontalen Gewerbes. Anhand der Schilder kann man viele neue, unanständige Wörter lernen.


Eine Räum- und Streupflicht existiert in Japan nicht. Schnee tritt sich fest und wird zu Eis. Nehmt also festes Schuhwerk und Steigeisen mit. Früher hatte Hokkaido den Werbeslogan "tamesareru daichi", kann man mit "Das weite Land welches einen testet" übersetzen. Ein gern gemachter Witz dazu war dass man nicht so viel getestet werden wolle.


Es war Sonntag und kalt, da wollen die Japaner gern ins Warme. Darum musste ich mehrere Love Hotels aufsuchen um ein freies Zimmer zu finden, die gewählte Einrichtung war dann nicht mehr so modern und es gab eine normale Rezeption mit großer Scheibe durch welche man mit dem Angestellten normal sprechen konnte. In neueren Hotels wählt man an Bildschirmen irgendein Zimmer aus, so konnte ich fragen welches Zimmer die größte Badewanne hat (nicht auf dem Bild).


Bevor man aus dem Zimmer herausgelassen wird muss noch am Automaten bezahlt werden.


Wenn man sich unsicher sei solle man hier fragen, verkündet der Aufsteller. Lasst es einfach bleiben.


Das orange Plakat wirbt für ein Internetcafe, das links daneben für einen Host Club, das Moulin Rouge ist ein Kyabakura, da zahlt man Geld um mit Damen sprechen zu können.


Die Susukino-Kreuzung mit der Werbung für Asahi Super Dry.


Die Firma Nikka verspricht auf Ihrem Plakat eine entspannte Nacht.


Pichon-kun meldet minus vier Grad. Ein eisiger Wind pfiff noch dazu.


Der Odori-Park sowie der Fernsehturm waren weihnachtlich beleuchtet. Bin dann zurück zu meinen Freunden, Abendessen.