Guten Abend zusammen !
Zunächst einmal, bitte ich um Nachsicht dass es doch so extrem lange gedauert hat, bis der Reisebericht fortgesetzt wird.
Erst jetzt komme ich dazu weiterzuschreiben, und hoffe, dass ich den kompletten Bericht in den nächsten Tagen fertigstellen kann.
Wir erinnern uns zurück, im letzten Teil hatten wir gerade das Abendessen im luxuriösesten Hotel von Aschgabat abgeschlossen.
Am nächsten morgen hieß es früh aufstehen.
Heute stand ein weiteres Event an. Nicht irgendein Event, sondern ein Event bei dem der Präsident höchstpersönlich anwesend sein wird.
Bedeutet die Anwesenheit einer solchen Person auch in "normalen" Ländern schon Sicherheitsmaßnahmen etc., so kann man sich vorstellen was das in einem Land wir Turkmenistan bedeutet.
Das Pferderennen beginnt um 8 Uhr früh, und die Sportanlage ist ca. 40 Minuten entfernt.
Das bedeutet für uns, Punkt 4 Uhr muss abgefahren werden. Hintergrund ist, dass die Ankunft der Gäste am Sportkomplex strikt getaktet ist und die Straßen in Aschgabat an diesem Tag (wir erinnern uns, wir sind in der Woche des Nationalfeiertags) ab 5 Uhr morgens größtenteils für Delegationen etc. gesperrt sind.
Wir müssen also definitv vorher "raus" sein. Da wir sonst feststecken.
In unserem Fall hat alles super geklappt,
Nun erleben wir hautnah, was es bedeutet in einem totalitären Staat zu sein. Ab 7km vor dem Stadion (7 ist die Lieblingszahl des Präsidenten) steht eine Menschenkette bereits jetzt um 04:30 Uhr komplett in Trachten und mit Winkelementen am Straßenrand. Man sagt mir, die Leute würden schon seit 2 Uhr Nachts dort stehen und würden aus ihren Dörfen und Gemeinden dort hingebracht, um dem Präsidenten zuzujubeln.
Wir erreichen als VIPs als letzte (ja, 3 Stunden vorher) das Stadion, wo bereits alle artig auf ihren zugewiesenen Plätzen sitzen.
Jetzt passiert erstmal nichts. Ab 7 Uhr werden wir gebeten ab jetzt auch sitzen zu bleiben, da es gleich los gehen würde. Um Punkt 8 trifft der Präsident ein.
Er wird nicht auf Bildschirm o.ä. gezeigt und ist auch nicht zu sehen, dennoch weiß die Masse scheinbar dass er jetzt dort ist, denn es bricht spontan Applaus aus. Sofort beginnt das Pferderennen. Im wahrsten Sinne des Wortes haben alle, über Stunden, auf den Stargast gewartet.
Des Nachts, auf der Pferderennbahn außerhalb von Aschgabat
Bei unserer Ankunft, alle sitzen bereits
Menschen, die das Publikum "spielen"
Sofort nach Ankunft des Präsidenten, das Pferderennen beginnt
Eine der Zahlreichen Siegerehrungen, insgesamt werden 12 Rennen duchgeführt.
Möchte man Wetten, so ist es sehr einfach hier einen guten Schnitt zu machen, falls der Wettpartner unwissend ist. Im ausliegenden Heft, sind die Eigentümer der Pferde angegeben. Bei jedem Rennen ist auch ein Pferd aus der Stallung des Präsidenten dabei, welches natürlich rein zufällig, in jedem Rennen gewinnt.
Die Jockeys bekommen jeweils 10k USD Preisgeld. Hauptpreis ist ein brandneuer, weißer, Audi Q5.
Dann kommt es zum Eklat. Eines der Pferde stürzt zu Boden. Das Rennen läuft normal weiter, dann nach Erreichen des Ziels, wird sofort ein Sichtschutz herbeigebracht. Ein Krankenwagen (für das Pferd, der Jockey scheint wohl auf) kommt. Mehr ist nicht zu sehen. Das Pferd wird es wohl nicht überlebt haben, der Kollaps sah wohl nicht gesund aus. Solche Sachen können passieren, in jedem anderen Land wäre die Sache erledigt gewesen.
Nicht so in Turkmenistan. Nun bekommen wir, obwohl wir als VIPs, die nicht nur die besten Plätze in der Mitte der Tribüne haben, sondern unter den neidischen Blicken der anderen Besucher (die selbstverständlich nicht aufstehen oder essen und trinken dürfen), permanent mit Snacks und Getränken versorgt werden, doch noch die unangenehme Seite des Staats zu spüren.
Sofort nach dem Unfall rings um uns herum, vermeintliche andere Zuschauer die aufspringen und uns die Sicht zusätzlich versperren. Auf einmal wildes hantieren mit Funkgeräten und auf einmal sind wir von Stasi-Leuten im schwarzen Anzug umgeben.
Eine Person unserer "Auslaender" Gruppe (wieder bestehend aus Geschaeftsleuten, einigen Touristen etc.) hatte wohl im besagten Moment seine Kamera in der Hand. Das führt nun zum riesigen Drama, was sichtlich zur Unterhaltung (keine Schadenfreude, sondern mehr ein peinliches berührt sein, dass die ausländischen Besucher so etwas erleben müssen) der anderen Gäste beiträgt. Man sah, dass es den Turkmenen unangenehm ist, dass wir als Gaeste nun "so" behandelt werden.
In einem unmöglichen Ton werden wir gebeten sofort mitzukommen. Unsere lokalen Begleiter sind in voller Aktion, um die Situation zu beruhigen, sicherlich sind sie in ihremLeben schon öfter in einer solchen Lage gewesen und koennen damit besser umgehen als wir.
In einem Raum wird uns erklärt, dass es nicht erlaubt ist Fotos des Unfalls zu besitzen oder zu veröffentlichen. Sollte dies passieren, wird das Konsequenzen für unsere loakeln Kontakte haben, und weitere auslaendische Gruppen dürfen keinem Pferderennen mehr beiwohnen.
Unabhängig davon, hat jeder seine Fotos einem der Beamten zu zeigen. Sollte ein Foto des Unfalls vorhanden sein, muss dies sofort gelöscht werden. Offiziell sind Pferde die Heiligtümer des turkmenischen Volkes und müssen dementsprechend behandelt werden.
Alle von uns haben die Nase gestrichen voll von diesem Land. Letztlich hatte niemand ein Foto, sodass man uns wieder zurück auf unsere Plätze brachte, wo wir mit schlechter Laune den Rest des Rennens ansahen.
Hier sieht man dann auch wie ein solcher Staat funktioniert, und dass es entgegenlaufende Interessen gibt. Ein Mitarbeiter des Landwirtschaftsministeriums, zu welchem der Pferdekomplex gehört, kommt vorbei und versucht uns aufzuheitern, bringt weitere Snacks und Getränke. Der Mann setzt sich einzeln zu dem ein oder anderen von uns, und unterhält sich über Gott und die Welt. Der Mann spricht sehr gutes deutsch und unterhielt sich einige Zeit mit mir über die Städte die er in Deutschland beruflich schon gesehen hat. (Den Anlass hierfür habe ich nicht erfragen können) Das Fernsehen kommt für die üblichen Propaganda-Aufnahmen, fürs Nationale Fernsehen. Unsere Gesichter sind wohl nicht positiv genug, denn am Abend ist zwar das Rennen im TV zu sehen, wir sind jedoch nicht zu sehen. Normalerweise, wenn man sich die turkm. Nachrichten bei Youtube ansieht, wird eigentlich jede noch so kleine auslaendische Gruppe oder Delegation bis zum bitteren Ende propagandistisch im Fernsehen ausgeschlachtet.
Kurz bevor das Rennen zu Ende ist, werden wir wieder als erste sehr hektisch gebeten die Plätze zu verlassen und uns zum Ausgang zu begeben. Nachdem unsere Gruppe die Halle der Rennbahn betreten hat, werden die Türen zur Tribüne wieder geschlossen und unsere Gruppe wartet zusammen mit den turkm. Regierungsbeamten und den anderen internationalen Gästen (einfach zu erkennen an den Schildchen die getragen werden, man kommt auch ins Gespräch, konnte eine bekannte türkische Baufirma, eine französische Baufirma, sowie einen großen deutschen Mischkonzern, als auch einen deutschen Automobilhersteller ausmachen) auf die Abfahrt des Präsidenten.
Von Sicherheitskräften werden wir von den großen Fensterscheiben zurückgedränkt, jedoch können wir trotzdem das Spektakel draußen verfolgen.
Wie auf Knopfdruck fangen Menschenmassen an zu jubeln und spulen eine Art tänzerische Einlage ab. Und dann kommt der große Augenblick, der Präsident schreitet auf den Vorplatz des Stadions, schaut sich den Tanz 1-2 Minuten lang an, und steigt dann in seinen bereitstehenden weißen Mercedes GLS und fährt eigenhändig davon. Die Menge ruft noch einige Zeit "Arkadag Shohrat" ("Ehre unserem Beschützer" - der Präsident lässt sich mit dem Titel "Arkadag" zu deutsch, Beschützer, anreden).
Dann werden die Türen geöffnet und unter strikter Reihenfolge darf die Rennbahn verlassen werden. Zuerst eine Handvoll, vllt. 10-12, turkm. Politker.
Die Menge ist jetzt komplett still, der Grund warum die Menschen hier sind ist soeben abgefahren, kein Grund noch weitere Energie zum Jubeln für irgendwelche Minister zu verschwenden.
Dann darf unsere Gruppe das Stadion verlassen. Und nun die Überraschung, wir bekommen den gleichen Jubel wie der Präsident. Und ich glaube, dass das nicht einstudiert war, die es ist keine stumpf abgespielte Choreografie, sondern es scheint wirklich, dass die Menschen (hauptsächlich Schüler und Studenten) sich einfach freuen uns zu sehen. Wir wollten anhalten und uns bedanken, werden aber von hinten weiter gedrängt.
Die Menschenkette ist die ganze Auffahrt der Rennbahn bis zur oben liegenden Hauptstraße entlang. Auf den letzen Metern sind links und rechts, natürlich zu Ehren des Präsidenten, verschiedene Darstellungen der turkm. Traditionen zu sehen, z.B. Teppichknüpferei, Musikdarbietung usw.
Es ist einfach unglaublich (und unerträglich) wie der Staat über die Zeit dieser Menschen verfügt.
Beim Heraustreten aus der Halle der Rennbahn
Auf dem Vorplatz der Rennbahn. Bereitstehende Menschen um dem Präsidenten (und uns) zuzujubeln.
Entlang der Auffahrt bis zur Hauptstraße
Beim warten auf die Weiterfahrt, komme ich mit der rechten Hand des Präsidenten ins Gespräch. Ein Mann, der mit seiner weltoffenen, charismatischen Art, sowie seinem perfekten Englisch, modernster und teuerster Kleidung und dem gesamten Auftreten, eher wie ein Manager eines internationalen Konzerns anmutet.
Sämtliche Veranstaltungen bei welchen der Präsident beiwohnt, werden von ihm persönlich geplant und vorher abgenommen. Ihm gehört auch die (wirklich) eindringliche Stimme, welche die Propaganda-Losungen bei sämtlichen Events vorträgt (durften wir ja 2x live miterleben).
Nun fahren wir ca. eine Stunde lang zurück nach Aschgabat, in die dortige Shopping Mall, um uns mit Lebensmitteln für unseren Campingtrip einzudecken.
Hierüber werde ich meinen Bericht in den nächsten Tagen ergänzen.
Wie immer freue ich mich über jeden Kommentar und beantworte gerne jede Frage.
Bis dahin,
viele Grüße,
Pascal