Merci Iran: 10 Tage in Persiens Großstädten

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Tesla

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13.12.2016
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Werte Mitforisten,

ich bin hier nicht sonderlich aktiv, allerdings habe ich in den letzten paar Jahren viele Reiseberichte verschlungen (die von @journey und @HON/UA sind mir am Liebsten, vielen Dank nochmal an euch!) und nun möchte ich auch gerne einen beisteuern: Für eine Kurzreise nach Iran, in die Städte Schiras, Isfahan und Teheran, für 10 Tage ink. An- und Abreise. Das Ganze fand Ende Mai/Anfang Juni 2022 statt. Zwei ältere, schöne Berichte zu den gleichen/ähnlichen Zielen plus der Stadt Yazd gibt es hier bereits vom Mitglied @carbonaddict_08 (Iran - Unterwegs auf der Achse des Bösen) sowie von Mitglied @grüntee (Kurztrip Iran).

Kleine Vorgeschichte
Bis vor 7 – 8 Jahren konnte ich mit dem Iran, als Reiseziel aber auch sonst, so gar nichts anfangen – man könnte sagen, ich wusste um dessen Existenz, und darüber hinaus nur die üblichen Randfakten aus den westlichen Medien: Es gab einen Präsidenten Ahmadinedschad, der während seiner Amtszeit gerne Israel auslöschen wollte, Islam ist Staatsreligion, es gibt Sanktionen, weil sich die Iraner erdreisten, nukleare Technologie besitzen zu wollen, und überhaupt steht der Staat mindestens mal in einer Reihe mit Nordkorea und sonstigen finsteren Diktaturen (zumindest was die Regierung angeht).

Ich hätte mir darüber möglicherweise nie wieder Gedanken gemacht, hätte ich nicht vor oben genannter Zeitperiode einen rumänischen Rucksacktouristen für ein paar Tage zu Gast gehabt; der kam aus dem Schwärmen über den Iran und insbesondere dessen Menschen gar nicht mehr heraus.

Wenig später, mit einer Iran-Postkarte von besagtem Rumänen am Kühlschrank – die mittlerweile zum Typ Deko gehörte, die man nie beachtet –, lernte ich dann einen Iraner im örtlichen Fitnessstudio kennen. Wir freundeten uns an, es kam zu Gesprächen über sein Heimatland, und jetzt war das Interesse definitiv geweckt. Damals war meine Basis Neuseeland und deswegen wäre eine Iranreise eine eher zeit- und kostenintensive Angelegenheit geworden, sodass der Plan dann in Absprache mit +1 in der imaginären „Irgendwann mal“-Ablage landete.

Anfang 2020, nun ansässig in Europa, kommt die Idee wieder auf. Zack, Corona, Plan wieder begraben. Anfang vorletzten Jahres sah die Sache schon besser aus, und eine kurze Internetrecherche ergab, dass der Iran im November 2021 die Pforten wieder für Touristen geöffnet hatte. Also los!

Visum
Mit Ausnahme einer Handvoll Nationalitäten braucht so ziemlich jeder ein Visum, um in den Iran zu reisen. Stand letzten Jahres gibt es die Möglichkeit eines Visums bei Ankunft, allerdings muss man zuvor auf einer Webseite der iranischen Regierung einen Online-Antrag ausfüllen. Die Beantragung war problemlos, einzig beim Hochladen des Passfotos – nur bestimmte Formate wurden akzeptiert und eine gewisse Dateigröße darf nicht überschritten werden – musste ich kleine Anpassungen vornehmen (es war allerdings wesentlich einfacher als z. B. 2019 beim russischen E-Visum für Kaliningrad oder dieses Jahr beim Antrag für ein chinesisches Visum, wo ich die Weißstufen des Passfotos verstärken musste, damit die Webseiten es akzeptierten).

Man kann sich entscheiden, ob man das Visum vorab von einer Botschaft oder am iranischen Flughafen der Ankunft abholen möchte. Da das AA zur Visumserteilung am Flughafen damals schrieb „Der Bearbeitungsprozess kann sich je nach Aufkommen über einige Stunden hinziehen […]“ und ich auf so etwas null Bock bei Ankunft am frühen Morgen habe, habe ich mich für die Beantragung und Abholung in der Botschaft entschieden – ich wohne ohnehin in Berlin.

Schlussendlich musste ich zweimal vor Ort antanzen, da beim ersten Besuch meine Zahlung der Gebühr (hatte ich voraus per Überweisung getätigt) nicht verifiziert werden konnte, da die zuständige Mitarbeiterin an dem Tag wohl nicht da wäre. Auf meine Frage hin, ob man mir den Pass – den die Botschaft, obwohl es keinen Visumsaufkleber mehr gibt, trotzdem im Original benötigt – nicht per Post samt Ausdruck des e-Visums zusenden konnte: Skeptisches Gesicht.

„Wohnen sie etwa nicht in Berlin?“
„Doch, aber ich brauche fast eine Stunde hierher und dann auch nochmal zurück zu meiner Wohnung.“
„Dann können Sie den Pass hier abholen!“
„Per Post schicken geht also nicht?“
„Naja, gut, das können Sie machen, aber schicken Sie uns einen frankierten Umschlag zu, ja?“
„Öhm...“

Das Konzept ist bei Botschaften anderer Länder völlig normal (man stelle sich vor, ich wäre aus Wittenberge oder anderen entfernten Winkeln Brandenburgs angereist). Warum nun beim Iran nicht, wer weiß...

Nach eine Debatte mit mir selbst habe ich mich dann dem originalen Gedankengang des Konsularmitarbeiters angeschlossen, den Pass ein paar Tage später abgeholt und bin von dort ins Büro gefahren, welches nicht so weit von der Botschaft entfernt liegt. Beantragt hatte ich 10 Tage, gewährt wurden mir 20, natürlich einmalige Einreise.​

visa_grant_notice.png

Anreise
Wenn man direkt von Berlin aus ostwärts jenseits des Bosporus möchte, bietet sich der Weg über die Türkei oder Katar an – QR hatte die besseren Preise. Der Great Circle Mapper (© Karl L. Swartz) ist hier im Forum sehr beliebt, daher werde ich ihn hier auch nutzen:

screenshot_great_circle_mapper.png

Ich bin kein Freund davon, eine Linie von Orten zu besuchen und dann wieder zum Ausgangspunkt zurück zu müssen, außer es bietet sich geografisch an – das wäre hier nicht der Fall. Die Strecke zwischen Schiras, Isfahan und Teheran wurde über Land zurückgelegt.

Der Hinflug sah wie folgt aus:
[QR082] BER ab 16:40 – DOH an 23:20
[QR476] DOH ab 01:55 – SYZ an 4:45

Die Flugzeiten bei TK hatten noch mehr Rote-Augen-Potenzial – generell scheinen Flüge ab Europa nach Iran über die Golfstaaten/Türkei immer mitten in der Nacht anzukommen und abzufliegen, von wenigen Ausnahmen abgesehen.

Wir waren 2 ½ Stunden vor Abflug am BER, und bereits dort gab eine beachtliche Schlange vor der QR-Check-in-Insel. Das Personal arbeitete langsam, und wir mussten über eine Stunde warten, bis nur noch ein Pärchen vor uns war. Mitten in der Schlange gab es eine Flughafen-Mitarbeiterin an einem kleinen Tisch, die die COVID-Erfordernisse des finalen Reiseziels überprüfte. Ende Mai 2022 war das bunt gemischt: Thailand-Reisende mussten zwei oder drei Dokumente vorzeigen, Vietnam-Reisende überhaupt nichts, wir nur unsere Impfung (obwohl der Iran auch offiziell, zusätzlich zur Impfung, einen max. 72h alten PCR-Test verlangte).

Schließlich konnten wir einchecken, mein Visum wurde kurz geprüft (+1 brauchte als chinesische Staatsbürgerin keins – diese Konstellation war für uns eine Premiere), Einstiegskarten erhalten, dann ab durch die Sicherheit.

Zum Flug gibt es aus meiner Warte nichts erwähnenswertes zu berichten und wir landeten pünktlich in Doha. Wegen Corona waren alle Trinkwasserspender mit Plastikfolie abgeklebt, und überall prangten Hinweise, dass Maskenpflicht herrschte...nur das bestimmt 30 – 40 % der Menschen – es war ordentlich was los – keine oder die Maske unter der Nase trugen, Teile des Flughafen- und Sicherheitspersonals eingeschlossen. Die gastronomischen Betriebe haben sich sicherlich gefreut, ihre kleinen Wasserflaschen für umgerechnet 3 – 4 € an den Mann bzw. die Frau zu bringen.

Für den Schiras-Flug mussten wir an irgendeinen Flugsteig weitab vom Schuss – der Flieger war dann, nicht ganz überraschend, vielleicht zur Hälfte voll. Abgesehen von uns und einer Taiwanerin waren alle anderen Passagiere augenscheinlich heimkehrende Iraner.

Die Einreise in SYZ war noch unspektakulärer als vermutet: Der Flughafen ist winzig, etwas heruntergekommen. Vor der Passkontrolle ein kleiner Tisch, an dem man unser PCR-Testergebnis sehen wollte und dieses für etwa 2 Sekunden in Augenschein nahm (ich hätte vermutlich auch ein selbstgetipptes Dokument nehmen können…). An den Einreiseschaltern selbst wurden unsere Pässe mit einem Lächeln und neben dem Witze zwischen Kollegen machen nur kurz eingescannt und wir dann weitergewunken, hat keine Minute gedauert. Der Beamte wollte +1 schon zu einem Nebenraum für ein Visum bei Ankunft schicken, hat sich dann aber auf unseren Hinweis, dass chinesische Staatsbürger kein Visum für Kurzzeitaufenthalte brauchen, entschuldigt, das ganze bestätigt und gehen lassen. Wegen der frühen Stunde haben wir uns von der Unterkunft abholen lassen, was problemlos geklappt und um die 15 € gekostet hat.

Schiras (Shiraz) – Tag 1
Aufgestanden wurde um 12 Uhr mittags – wir haben in unserem Zimmer (mit Klimaanlage) gut geschlafen, welches sich in einem sehr einfachen Gasthaus namens Golshan Hostel, gebucht via WhatsApp, in der verwinkelten Altstadt von Shiraz befand.

Das Gasthaus ist quasi ein rechteckiges Gebäude mit traditionellem Innenhof, wo es einen Brunnen, mehrere Bänke zum Ausruhen und Tische mit Stühlen gibt. Es lief meistens leise persische Musik, die aber von einer Gaststätte eine Mauer weiter erklang. Der freundliche Besitzer bot uns Tee an, und zum späten Frühstück gab es übrig gebliebene Kekse vom Flug – wir wollten sowieso irgendwo persisches Essen ausfindig machen. Weiterhin tauschten wir etwas Startgeld bei ihm ein – an den genauen Wert kann ich mich nicht erinnern, dürften irgendwas um die 50 bis 100 € gewesen sein. Euro nehmen die Iraner gerne und können quasi bei jedermann getauscht werden.

Man sollte auf jeden Fall großzügig kalkulieren, ergo mehr tauschen als man denkt dass man braucht – oder sich vorher sehr gut informieren bzgl. Feiertagen, denn wir hatten immer mal wieder Schwierigkeiten, an Bares zu kommen. Mehr dazu später.

Wenn wir eine Stadt besuchen, laufen wir an Tag 1 und 2 i. d. R. erst einmal planlos herum und lassen alles auf uns wirken, so auch hier. Im Iran fällt das Wochenende auf Donnerstag und Freitag; es war Freitag, sodass so ziemlich alle Geschäfte geschlossen hatten.

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Eine schöne Moschee:

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Da die Altstadt unweit vom Zentrum liegt, dauerte es nicht lange, bis wir an der Zitadelle von Karim Khan angelangt waren. Vielleicht vorab: Historische Ausführungen o. ä. wird es in diesem Bericht nicht geben, ich bin leider ein absoluter Kulturmuffel… Diese Zitadelle liegt so ziemlich in der Mitte der Stadt, und die Umgebung könnte man als kulturelles Zentrum (Einkaufen, essen, usw.) bezeichnen. Interessant: In der Hauptfußgängerzone gibt es Sprühwasseranlagen, die am „Sonntag“ allerdings abgeschaltet blieben.

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Auf dem Weg dorthin kamen wir an einigen wenigen offenen Gaststätten vorbei, wo wir beim vorbeilaufen zum ersten Mal von einer draußen sitzenden Familie auf Englisch angesprochen wurden. Wo wir herkämen, wie uns der Iran bzw. Schiras gefallen würde? Wir hatten ein kurzen und netten Plausch, und kaum fiel das Wort Deutschland, wurde das mit (sinngemäß) „Dachten wir uns schon! Wir wohnen in Hannover!“ kommentiert. Auf die Überraschung folgte dann die Info, dass die Familie auf Heimatbesuch bei der lokalen Verwandschaft sei. Diese Geschichte sollten wir in den kommenden Tagen noch öfter hören… Es gab auch einige Marktstände in diesem Teil der Stadt, wo wir unsere ersten iranischen Süßigkeiten erstanden. Diese reichen von sehr lecker bis ungenießbar (da viel zu süß).

Wir haben Fotos an der Zitadelle gemacht, wo es ein „I love Shiraz“-Aufsteller gibt. Einige lokale Kinder und Jugendliche erspähten uns – und schon begann die Foto-Session; westliche Touristen sind seit Corona vermutlich noch seltener geworden.

Ich hatte auf OpenStreetMap einen Berg am nordöstlichen Stadtrand ausgemacht, wo es scheinbar einen offiziellen Weg (alias Treppe) zu einem Aussichtspunkt gab; ich liebe eine gute Aussicht von weit oben, also machten wir uns per Pedes auf den Weg – OSM gab etwa 40 Minuten Gehzeit an. Auf dem Weg gab es durchaus etwas zu sehen - rechts ein Schrein (?), links eine Spendenbox, zumindest in Shiraz häufig zu finden:

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Persische "Street Art":

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Straßenszene in Schiras' Außenbezirken. Man sieht dort eigentlich nur die iranischen Automarken IKCO und Saipa - und Peugeots. Viele Peugeots...die haben wohl als einziger westlicher Autohersteller ein Werk im Iran, trotz Sanktionen. Schon clever, die Franzosen.

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Ausgetrocknetes Flussbett inmitten einer Siedlung. Vermutlich in dieser Jahreszeit normal, aber schon irgendwie bedrückend.

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Diese Vorrichtung sieht man häufig auf Bürgersteigen. Ist wohl dazu da, damit die Mopedfahrer bei Stau nicht auf den Fußweg ausweichen. Interessant fand ich, dass die "Blindenleitlinien" exakt so wie in China aussehen.

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Unangenehmerweise verfolgte uns einer Jugendlichen von der Zitadelle, auch wenn er gänzlich unbedrohlich – und vermutlich erst um die 18 Jahre alt – war. Er versuchte mit uns zu kommunizieren, was mangels nahezu nicht existenter Englischkenntnisse sehr schwierig war. Dann verschwand er für eine Weile, nur um 10 Minuten später mit Eiscreme und irgendwelcher Limonade aufzutauchen...die er für uns gekauft hat! Wir konnten das unmöglich annehmen, ihm aber immerhin klarmachen, dass er einen Beutel für sich nehmen soll und wir uns den anderen teilen. Man kann das Zeug ja schlecht wegschmeißen…

Auf dem Weg sahen wir unter anderem das „Hotel Shiraz“, ein wahrhaft schönes Beispiel des Brutalismus. Man hätte mal die Zimmerpreise erfragen sollen…

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Ein bisschen hegte ich die Hoffnung, dass ihm der Aufstieg auf den Berg in der prallen Sonne – Schatten gibt’s de facto nicht – zuviel werden würde, aber nein, er stieg den gesamten Weg mit uns nach oben. So kam auch er in den Genuss der folgenden Aussicht:

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Noch in der Unterkunft hatte ich dank WLAN herausgefunden, dass diesen Abend ein Couchsurfing-Treffen im Nordwestteil der Stadt stattfinden sollte. Das sollte unser Ziel für den Abend sein; ich hoffte auf Insiderwissen, welches iranische Essen man bestellen sollte und generell nette Gesellschaft.

Mangels SIM-Karte, die es weder am Flughafen noch am Wochenende irgendwo zu kaufen gab, konnten wir leider an Tag 1 nicht Snap, die lokale Version von Uber, ausprobieren. Sicherlich hätte man ein Taxi heranwinken und sich durch Zeichensprache und Smartphone zum Lokal kutschieren lassen können, aber ich bin gerne zu Fuß unterwegs...und manchmal ein bisschen stur, sodass wir auch diese 60 Minuten dorthin zu Fuß gingen (+1 war etwas genervt). Der Nordwesten der Stadt machte auf uns den Eindruck eines Mittelklasse-Quartiers, wo alles sichtbar moderner und urbaner aussieht.

Endlich angekommen, fanden wir eine Gruppe von etwa 10 – 12 Iranern und einer Spanierin vor, welche in einem durchaus als „Hipster“ zu bezeichnenden Café lebhafte Diskussion führten. Der Gastgeber/Veranstalter Mohammed begrüßte uns herzlich und stellte uns sogleich der gesamten Gruppe vor; wir hatten einen lustigen Abend bei typisch iranischer „Gurkenlimonade“ (Namen habe ich leider vergessen), und ich musste nach nur einem Tag im Land feststellen, dass die Gastfreundlichkeit wirklich so überragend ist, wie ich zuvor gehört hatte!

Unseren Jugendlichen hatten wir bei Ankunft übrigens immer noch im Schlepptau, und nun hatten wir endlich Einheimische, die für uns mit ihm kommunizieren konnten. Wie sich herausstellte, war er ein afghanischer Flüchtling, welcher im Iran Zuflucht gefunden hatte und lediglich Ausländer kennenlernen wollte. So eine Situation finde ich immer schwierig – einerseits würden wir uns gerne austauschen, andererseits macht es die Gesamtsituation nicht unbedingt leicht; wir sind schließlich „nur“ Urlauber, und er muss sein Leben fortan im Iran bestreiten. Er fuhr schlussendlich mit ein paar anderen Anwesenden am Ende der Veranstaltung im Auto mit.

Generell scheinen so ziemlich alle Iraner ein Auto zu besitzen; einer der Jungs fuhr uns zu einer Art lokalen Imbiss, wo wir nach Rücksprache mit einer neuen Bekanntschaft, der ebenfalls mit uns aß, einen „Chicken Salad“ für 6 - 7 € bestellten – und der war riesig (leider keine Fotos gemacht, zu viele Eindrücke an jenem Tag bzw. Abend). Besagte Bekanntschaft sollte mit uns via Instagram – alles und jeder im Iran nutzt Instagram – in Kontakt bleiben, was sich als Glücksgriff herausstellen sollte…

Um Mitternacht oder so waren wir wieder im Gasthaus und fielen in die wohligen Federn.

Ihr seht schon: Ich schreibe gerne. Gerne Rückmeldung geben ob das so interessant oder zu viel ist, dann kürze ich bei den nachfolgenden Tagen. Ach, und wer sich über den Titel des Berichts wundert – „merci“ ist im Iran gängig für „danke“. Ja, das gleiche Wort wie im Französischen, gleiche Aussprache. Wo genau es herkommt, habe ich nicht herausbekommen bzw. recherchiert...

Weiter geht's hier mit Tag 2.
 
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Reyhan

Erfahrenes Mitglied
30.09.2017
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FMO
Bitte nichts an der Schreiberei ändern !!!
Danke fürs MItnehmen...ich bleibe dabei
 
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hiob

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22.08.2011
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Schreib lieber zu viel, als zu wenig. Sehr interessant!
 
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jb1991

Erfahrenes Mitglied
20.10.2010
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DRS
Sehr schöner Bericht. Bin auch immer wieder gern im Iran.
noch 2 Anmerkungen von mir:
Das Flussbett ist eigentlich immer trocken, Wenn ich mich recht erinnere, sagte uns der letzte Reiseleiter, dass der Fluss übersetzt "trockener Fluss" heißt und er 2019 es das erste Mal in seinem Leben mit Wasser sah.
Ansonsten ist Shiraz für sein Eis berühmt, vor allem in Kombination mit frisch gepresstem Karottensaft. In sofern hatte der euch begleitende Jugendliche eine gute Idee.
 

Tesla

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13.12.2016
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@jb1991: Danke für die Info zum Fluss, interessant! Zum Thema Eis: Das haben wir konsequent verpasst, dann aber in Isfahan bestellt...der Karottensaft ist komplett an mir vorbeigegangen. Wird bei der nächsten Iran-Reise probiert!

Schiras (Shiraz) – Tag 2

Freudiges Erwachen am Samstag, dem ersten Arbeitstag der Woche: Heute wollten wir die Stadt in „Action“ sehen und den Vormittag nutzen, um gleich ein paar Dinge zu erledigen...z. B. eine SIM-Karte zu besorgen.

Ich kann mich nicht mehr im Detail erinnern, wo wir die Information herhatten, aber es sollte unweit unserer Unterkunft ein – zwei Läden geben, die SIM-Karten verkaufen. Auf der geschäftigen Hauptstraße angekommen, wo sich ein Laden an den anderen reihte – und zwar für hunderte von Metern in beide Richtungen – waren wir doch ein klein wenig überfordert.

Also den erstbesten Passanten auf Englisch angesprochen, der uns zum Glück verstand, aber nicht wirklich weiterhelfen konnte. Die zweite Person hingegen führte uns in wenigen Minuten zu einem Eckladen, den man – sofern man ihn denn wahrnimmt – in den meisten Ländern als Handygeschäft erkannt hätte. Zwar konnte der Ladenbesitzer kein Englisch, aber ich hatte mir vorab die Offline-Übersetzungsdatenbank für Farsi von Google Translate heruntergeladen und dort erfolgreich eingesetzt. 10 GB und auch Minuten sollte die Karte wohl inkludiert haben, sowie einen Monat oder so gültig sein – und dann der Preis: Umgerechnet 12 €. Angesichts des Preisniveaus im Iran kam mir das eher teuer vor...

Nun muss man wissen, dass ich mich vor eigentlich jeder Reise außerhalb der EU/EWR beim Prepaid SIM Card Wiki dazu informiere, welche SIM man am besten kauft – und auch ein bisschen Sparfuchs in mir steckt. 12 € erschienen mir zuviel, und sind es laut dem Wiki auch. Aber wie es immer so ist: Theorie und Praxis... Wir beschlossen, den Kauf zu vertagen und uns auf den Weg zur „pinken Moschee“ („Pink Mosque“) zu machen, welche keine 10 Minuten zu Fuß entfernt war und einer der Sehenswürdigkeiten für Touristen in Schiras sind.

„Pink“ rührt von dem Sonnenlicht im Inneren der Moschee in den Morgenstunden her, welches durch die bunten Bleiglasfenster fällt und für allerhand Fotomotive (erwähnte ich, dass Instagram im Iran beliebt ist?) sorgt, vor allen Dingen für das schöne Geschlecht – auch wenn das ganze Gebäude eher als bunt denn pink zu bezeichnen ist. +1 musste das natürlich auch haben, war dann aber doch etwas überrascht, dass sie zusätzlich zu ihrem Hijab (welches sie sich von einer türkischen Freundin ausgeliehen hatte) nun einen farbenfrohen Ganzkörperschleier tragen musste – allerdings ohne verdecktes Gesicht. Die resoluten Damen am Eingang der Moschee achteten peinlichst darauf, dass alle Frauen und Mädchen diese Regel einhalten.

Wenn meine Notizen korrekt sind, hat der Eintritt pro Person zum damaligen Kurs umgerechnet etwa 4,60 € gekostet. Kurz vor dem Eingang warteten schon einige „Guides“, die ihre Dienste anboten und auch recht gutes Englisch sprachen. Man bot uns eine Tour von pinker Moschee, Persepolis und anderen Kulturbauten Schiras’ und der Umgebung an, auch einzeln, oder ob wir nur einen Fahr wünschten? Wir lehnten höflich ab. Ich bin eher so der Selber-Entdecken-Typ (+1 zieht i. d. R. mit), und meinem Eindruck nach ist das im Iran trotz fehlender Sprach- und Lesekenntnisse ganz gut machbar.

Der Innenhof...

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...sowie +1 unter einem Torgang…

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...und das Innere, einmal +1 an den „berühmten“ Fenstern und wie’s da generell drin aussieht. Für Fotos mit Kameras muss man eine Extragebühr zahlen (oder es war sogar innen ganz verboten und nur von der Moschee angestellten Fotografen vorbehalten, weiß ich nicht mehr genau), Fotos mit dem Handy jedoch kein Problem.

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Nach einer knappen halben Stunde waren wir mit dem Ganzen auch durch – muss man für meinen Geschmack nicht haben, aber +1 war ganz zufrieden und so war ich’s auch.

Nach kurzem Fußmarsch waren wir wieder in der Unterkunft – wir wollten nochmal mit dem Besitzer bzgl. SIM-Karte sprechen und uns schon mal einen Tipp für’s Mittagessen abholen. Wir trafen ihn an, und nach kurzem Gespräch war klar, dass wir vergessen konnten, eine SIM-Karte zum „lokalen“ Preis von > 5 € zu finden. Früher habe ich versucht jeden Euro Ersparnis mitzunehmen, aber mit zunehmendem Alter werde ich, wie wir alle, bequemer und beschloss, dass wir das Ding jetzt einfach kaufen.

Gesagt, getan – endlich mobiles Internet, die Snapp-App hatte ich schon vor Abreise auf mein Handy geladen. Die Registrierung dort geht sehr schnell, benötigt kaum Daten, und ist zudem auf Englisch umstellbar, was natürlich ein Segen ist.

Während ich diese Sätze schreibe, muss ich immer daran denken, wie faszinierend das Reisen bis etwa Mitte/Ende der 90er Jahre gewesen sein muss… Eine ehemalige Arbeitskollegin war Anfang der 80er Jahre Rucksacktouristin in Südostasien, bevor sie einige Jahre in Sambia zum Arbeiten in den Bergbaufirmen verbrachte. Muss ‘ne krasse Zeit gewesen sein – kein Handy, kein Internet, höchstens – oder wenn überhaupt – ein gedruckter Reiseführer!

Zurück in der Moderne machten wir uns auf den Weg ins Zentrum, um mehr Geld zu tauschen. Die Gegend hinter der Zitadelle, wo sich eine Wechselstube an die andere reiht, war der einzige Ort der Reise, wo wir von Einheimischen belagert wurden; alle möchten, dass du bei ihnen tauschst...man wird auch schon mal in einen Friseurladen hereingezerrt, wo auf einmal nur Geld getauscht wird. Der Kurs schwankte tatsächlich zwischen den einzelnen Geschäften, und wir betraten eine Stube, die halbwegs seriös aussah und schon einige Kunden hatte; nach etwa 5 – 7 Minuten hatten wir viele alte und neue Rialscheine im Geldgürtel.

Das Kuriose im Iran (oder zumindest Schiras, als wir da waren) ist, dass die Wechselstuben hauptsächlich kleine Scheine haben, was ähnlich wie z. B. in Usbekistan, Indonesien oder Myanmar in stapelweise Papier ausartet – Scheine mit großen Nennwerten sind absolute Mangelware. Es gibt wohl auch irgendwie Debitkarten für ausländische Touristen, die man mit Rial aufladen kann, aber damit habe ich mich angesichts der kurzen Reisedauer nicht weiter auseinandergesetzt.

Trivia am Rande: Die meisten Iraner zahlen alles mit lokaler Debitkarte. Dazu wird immer und überall die Geheimzahl abgefragt, die man der kassierenden Person nennt (!) und durch diese auch dann eingetippt wird – schon kurios, scheint aber zu funktionieren. Wie hoch die Missbrauchsrate wohl ist – keine Ahnung…

Nach dem „Chicken Salad“ des Vortags war uns nun aber wirklich nach persischer Küche – einheimische Gerichte durchprobieren ist für uns generell ein Muss auf jeder Reise –, sodass wir uns auf den recht kurzen Weg zum Restaurant auf der anderen Mauerseite unseres Gasthauses, auch in der verwinkelten Altstadt gelegen, machten. Leider haben wir nur Fotos vom Essen gemacht, denn der Standort war wirklich hübsch, mit Innenhof und einfachen, aber irgendwie gemütlichen, manchmal zu einer Seite offenen Essstuben, und einem Dachgeschoss mit Holzüberdachung, wo wir Platz nahmen.

Es gab zwei kleine iranische Salate nach Schiras-Art, die für uns schon an ungenießbar grenzten, weil sie so furchtbar sauer waren (wir hatten ja keine Ahnung, was uns noch in Isfahan blühen sollte…); „Kalam Polo“, gebratener Reis mit Hackfleisch, Kohl und Gewürzen sowie das Gegenstück „Keshmesh Polo“, in dem statt Kohl Rosinen und gehackte Walnüsse zu finden sind. Letzteres habe ich mittlerweile sogar zuhause einmal nachgekocht (mit Safran, den wir im Iran erstanden haben)...Tipp für alle Nachahmer: Nicht übertreiben mit den Walnüssen und Rosinen, sonst wird die Haupt- sogleich zur Nachspeise. Im Restaurant war es schon recht lecker, der Höhepunkt war allerdings „Shole Zard“: Safran-Reispudding – nicht zu süß, aber süß genug, und dieses Aroma...könnte ich mich reinlegen. Dazu hatten wir noch Getränke, ich meine es war 2x die iranische Version von Ayran; das Ganze schlug mit etwa 17,50 € zu Buche.

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Als wir gerade fertig waren und noch ein bisschen die Atmosphäre genossen, sprach uns ein vorbeilaufendes Pärchen, sie waren Anfang 30, an: „Hey, it’s so nice to see tourists here, how do you like Iran?“ Wir kamen ins Gespräch: Sie wohnen in *trommelwirbel* Pittsburgh, Pennsylvania, und sind auf – wer hat’s erraten? – Familienbesuch in der Heimat, gepaart mit etwas Herumreisen. Nach einem kurzen, aber sympathischen Gespräch tauschen wir unsere Kontaktdetails aus, denn genau wie wir sind sie noch eine letzte Nacht in Schiras, bevor es weitergeht.

Es wurde Zeit, sich zur Hauptstraße zu begeben: Am Vorabend hatten wir den Vater unserer neuen Bekanntschaft (dem Iraner, mit dem wir beim Imbiss waren) verpflichtet, heute Nachmittag unser Taxi zum Maharloo-See zu spielen, welcher sich keine 30 km von Schiras’ Zentrum entfernt befindet. Der Salzsee wird im Netz oft als „pink lake“ angepriesen und ist zur richtigen Jahreszeit mit Sicherheit ein Instagram-Spot – klar, dass +1 dort auf jeden Fall hin musste. Ein bisschen Ernüchterung setzte schon kurz vor Abreise ein: Meine Recherche ergab, dass der See Ende Mai, der üblicherweise nur vom „Herbst“ bis in den Frühling Wasser führt, meistens schon ausgetrocknet ist. Wir entschieden uns trotzdem für den Ausflug – und wenn nur, um einmal die Landschaft außerhalb der Stadt mit eigenen Augen zu sehen.

Zur verabredeten Zeit war der ältere, freundliche Mann pünktlich am vereinbarten Treffpunkt; wir telefonierten mit unserer Bekanntschaft, die alles mit uns und anschließend Papa im 3er-Gespräch abklärte, dann ging es los. Die Fahrzeit beträgt je nach Verkehrslage 30 – 40 Minuten. Schon aus der Ferne, noch 10 Minuten entfernt, war klar: Ja, der See ist trocken. Trotzdem kam die Dame auf ihre Kosten, denn es gab immerhin ein künstliches Becken zur Salzgewinnung, welches mit etwas Trickserei beim Fotografieren wie der echte See aussah. Wir entdeckten einen Ute (AU-/NZ-Englisch für „pick-up truck“ – ist hängengeblieben), der scheinbar auf das trockene Seebett hinausgefahren und stecken geblieben war.

Während ich noch mit Sonnencreme zu tun hatte, sprachen meine Holde und unser Fahrer längst mit den zwei Kerlen am Fahrzeug: Sie wären eingesunken und hätten bereits Hilfe aus Schiras angefordert, um den Ute zu bergen. Wartezeit: Unbekannt, es könne sich nur um Stunden handeln. Die beiden waren ebenfalls sehr freundlich, von Beruf Dokumentarfilmer, hatten Interesse an uns als Touristen und luden uns prompt ein, sie in Teheran zu besuchen – was wir natürlich gerne annahmen, denn Teheran stand als drittes und letztes Ziel in ein paar Tagen auf der Liste. Wieder erhielten wir die Kontaktdaten und waren um zwei neue Bekanntschaften reicher...das geht im Iran sehr schnell!

Das Attrappenfoto zum Angeben bei Nutzern von sozialen Medien:

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...und wie das künstliche Becken tatsächlich aussah:

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Der Ute im Seebett.

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Folgendes Foto gefällt mir besonders, hat etwas dystopisches mit den abgehalfterten Schwanentretbooten:

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…und das Panorama aus der Ferne.

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Wir (bzw. auf Anweisung von +1 ich) schossen eine Menge Bilder – so auch von unserem Fahrer, damit er ebenso eine Erinnerung hatte – und verabschiedeten uns von den Dokumentarfilmern, um zurück in die Stadt zu fahren. Nach Ankunft nahe des Gasthauses wollte ich dem Herren die zuvor mit seinem Sohn vereinbarte Summe von umgerechnet 9,30 € für seine Dienste überreichen, wobei ich feststellen musste, dass ich den Rial-Betrag nicht mehr passend hatte; er winkte lächelnd ab und so haben wir am Ende sogar unter 9 € bezahlt. Für etwa 3 Stunden Begleitung, davon etwa 70 – 80 Minuten Autofahrt, wirklich ein Schnäppchen.

Nach etwas Ausruhen in unserem Zimmer stellte sich nun noch die Frage, wo und wie wir Abendessen auftreiben sollten. Warum nicht jemanden fragen, der sich auskennt? +1 kontaktierte das Pärchen vom Mittagessen via Instagram, und nach 10 Minuten stand der Plan: Wir würden sie und weitere Freunde von ihnen treffen, dann gemeinsam zum Grab von Hafis fahren und es uns anschauen, um anschließend bei einem Restaurant namens „Haft Khan“ – wohl eine der populärsten Adressen der Stadt – zum Abend zu essen. Klang nach einem verdammt guten Plan!

Ich meine mich zu erinnern, dass wir nur um die 15 – 20 Minuten zu Fuß zum Treffpunkt gehen mussten, wo nach kurzer Zeit zwei Autos mit unseren neuen Freunden hielten; innerhalb kürzester Zeit waren wir am Grab.

Lokal „Hāfezieh“ genannt, handelt es sich um einen mittelkleinen Park mit einer Art Pavillon über dem Grab von Hafis, einem der berühmtesten Dichter Persiens, der auch noch heute noch regelmäßig gelesen und rezitiert wird. Sobald man mit Iranern über Hafis spricht und das Gegenüber weiß, dass man aus Deutschland kommt, ist folgende Aussage unvermeidlich: „Goethe hat Hafis’ Dichtungen gelesen und bewundert!“ Mehr Trivia: Wie ich im Zuge des Schreibens des vorherigen Satzes nun durch das Internet weiß, gibt es sogar ein Goethe-Hafis-Denkmal in Weimar…

Interessant an dem Ort ist, dass es ein enorm beliebter Treffpunkt des Schiraser Nachtlebens ist: Unzählige Pärchen, Familien, und Gruppen von jungen Erwachsenen treffen sich dort zum Fotos machen, entspannen, und einkaufen – umringt ist der Park nämlich von traditionellen Bauten, im dem allerhand handgemachte Waren, Krimskrams und viele Touristenartikel verkauft werden. Eintritt kostet der Park auch, wir haben jeweils etwa 3 € bezahlt, Einheimische zahlen (wie in vielen Ländern Asiens) weniger.

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Das Ganze ist zwar schick anzusehen, aber wenn man keinen Bezug zu dem Dichter und seinen Werken hat, ist es halt nur ein...(schöner) Park. Verzeiht, ich bin ein echter Kulturbanause. Viel mehr Interesse hatte ich an dem kommenden Mahl, und da wir das Grab kurz vor der Schließzeit besucht hatten, mussten wir nach einer halben Stunde auch gehen.

Das Restaurant „Haft Khan“ liegt unweit vom Hotel Shiraz (diesem spitzenmäßig brutalistischen Bau, den wir am Vortag gesehen hatten) und ist riesig, mit Holzplattformen, auf denen man traditionell auf dem Boden isst, aber auch gewöhnlichen Tischen mit Stühlen. Alles ist auf eine Bühne ausgerichtet, wo es je nach Tageszeit Musik von einheimischen Musikern gibt, so auch an dem Abend, wo wir dort waren. Ist schon witzig mit anzusehen: Da Tanzen in der Öffentlichkeit im Iran aufgrund der strengen muslimischen Gesetze nicht erlaubt ist, klatschen alle nur wie verrückt im Takt zur Musik, wo in anderen Ländern schon längst das Tanzbein geschwungen werden würde.

Die Essensauswahl überließen wir weitestgehend unserer Gesellschaft, also gab es: Gegrillte Hähnchenschenkel, gegrillte Tomate, eine Art Auberginenmus mit Sahne, Gewürzen und Erdnüssen, einen Reiskuchen mit Kruste (der sauer war – bäh), Datteln und noch einiges anderes Fleisch, dazu iranische Limonaden und „Bier“, welches keines ist. Sogar ein Clown war irgendwann am Start…

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Alles in allem also ein sehr erfolgreicher Tag, sodass wir satt und zufrieden gegen Mitternacht wieder auf unserem Zimmer waren – nachdem wir freundlicherweise mit dem Auto zurückgebracht wurden. Merci nochmal an die tollen Iraner!​
 

Tesla

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Schiras (Shiraz) nach Isfahan – Tag 3

Nach zwei intensiven Tagen wollten wir den dritten Tag ruhig angehen lassen: Wir hatten den Gasthausbesitzer zwei Busfahrkarten (9,37 € für zwei Personen) nach Isfahan für uns buchen lassen, Abfahrt irgendwas um 15 – 16 Uhr. Das ließ uns genug Zeit für einen gemütlichen Vor- und frühen Nachmittag, welchen wir zum Besuch unseres ersten Basars nutzten und noch ein wenig durch die Stadt schlenderten. Recht gemütlich fanden wir den Innenhof des (eher kleinen) Basars, auf dem es – mal wieder – ein Wasserbecken mit kleinen Fontänen und Sitzgelegenheiten gab.

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Mangels weiterer Fotos in meiner Ablage kann ich nur vermuten, dass wir die Zeit bis zur Busabfahrt mit Inbrunst vertrödelt haben. Etwa 90 Minuten vor Abfahrt war es dann soweit: Nachdem wir die Papierfahrscheine von unserem Gasthausbesitzer eingesackt, unsere Zeche bezahlt (ca. 67 € für drei Nächte, inkl. aller Services)Ich rief unser erstes Snapp (lokale Version von Uber). Es fand sich prompt ein Fahrer in einem alten Saipa, dessen erste Amtshandlung darin bestand, den Kofferraum zu öffnen, einen riesigen Berg an Fladenbrot zur Seite zu schieben und uns etwas davon anzubieten (leider kein Foto gemacht). Innerhalb von 30 – 40 Minuten kamen wir an dem Busbahnhof an, wo einiges los war. Snapp-Fahrten sind (oder waren) aus mitteleuropäischer Sicht lächerlich billig: Wir zahlten um die 2 – 3 €, und der Fahrer verabschiedete sich mit einem Lächeln von uns.

Wir hatten keine Ahnung, von welchem der 50+ Bussteige unser Vehikel abfahren sollte; zum Glück gibt es aber wenigstens in Schiras Angestellte, die grundlegendes Englisch beherrschen und einen zum richtigen Ort lotsen können. Nach Ankunft des Busses war die Verladung etwas chaotisch, wir fuhren aber mit nur kleiner Verspätung schlussendlich ab. Ich fand den Bus sehr bequem, es gab für jeden Fahrgast eine Plastiktüte mit einer kleinen Wasserflasche sowie zwei iranischen (Industrie-)Kuchen, etwa so wie die „Yes“-Törtchen von Nestlé.

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Es gibt mindestens ein Dutzend Fernbusunternehmen im Iran; bei unsrigem hatte der Bus ein Unterhaltungssystem der Marke Funtofo installiert, welches sehr langsam ist, zu Abstürzen neigt und aus diesen Gründen allein fast unbenutzbar war. Ich hab’s irgendwann geschafft das Ganze auf Englisch umzuschalten – nur war weiterhin fast alle Texte in Farsi. Naja, die fünf - sechs Stunden…

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Mein persönlicher Höhepunkt nach Einstieg war allerdings die strategisch platzierte Notfalltaschentuchbox an der Fahrzeugdecke:

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Aussicht während der Fahrt – hier wird klar, dass viele Teile Irans so trocken wie eine Wüste sind:

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Irgendwann zwischen 21 – 22 Uhr erreichten wir in der Dunkelheit die Stadtgrenze von Isfahan, wo abgesehen von uns nur drei anderen Personen ausstiegen; es handelte sich um einen Nachtbus nach Teheran, welches das Ziel der meisten Gäste war.

In der Nähe des Busbahnhofs wartete bereits unser Couchsurfing-Gastgeber Reza (Name geändert) auf uns, der uns herzlich begrüßte und im Nu in seinem Peugeot in seine Wohnung in einer Satellitensiedlung fuhr, ein paar Kilometer außerhalb von Isfahan. Vom Couchsurfing im Iran – das gleichnamige Buch kann ich übrigens empfehlen – rät das AA ab, da es wohl in der Vergangenheit schon für einige Touristen Ärger gab – ich schätzte das Risiko eines Problems allerdings gering ein. Außerdem liebe ich die (sich leider stetig verkleinernde) CS-Gemeinschaft und habe schon die tollsten Menschen dadurch kennengelernt; seitdem habe ich zum Ziel, in jedem neuen Land wenigstens einmal via Couchsurfing unterzukommen oder notfalls jemanden darüber zu treffen.

Reza ist, wie so ziemlich alle Iraner, unglaublich gastfreundlich und hat uns gleich noch ein kleines Abendessen zubereitet: Eine Art Omelett mit Fladenbrot, dazu sauer eingelegte Gurke, Zitrone und Tomaten.

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Ich war etwas erstaunt über die sehr moderne Zwei-Zimmer-Wohnung, die so auch (abgesehen von einigen Dekorationselementen) genauso in irgendeinem deutschen, möblierten Neubau zu finden sein hätten können – aber dann stellte sich im Anschluss sofort die Frage, wieso man den Iranern so etwas absprechen sollte? Ich würde mich als relativ weltoffen betrachten, aber nicht vorurteilsfrei; umso besser sind solche Reisen! Man muss dazu sagen, dass Reza als von der Regierung angestellter Arzt jedoch deutlich besser verdient als der Durchschnittsiraner, vielleicht war es also doch etwas „Besonderes“.

Nach dem Herrichten von den zwei Sofas schliefen wir erneut erst nach Mitternacht ein, und fieberten innerlich schon Isfahan entgegen.


Isfahan – Tag 4

Da Reza dieser Tage Urlaub hatte, konnten wir in aller Ruhe ausschlafen und unser Gastgeber fuhr uns nach einem Frühstück mit noch mehr Fladenbrot, iranischem Ziegenkäse, Honig, einer Art Tomatenbrei, Safrantee und Mini-Weintrauben​

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in Isfahans Stadtzentrum: Zum etwa 500 Jahre alten Naqsch-e-Dschahan-Platz, dem zweitgrößten öffentlichen, von Menschen angelegten Platz der Welt (nur der Tian’anmen-Platz in Peking ist größer). Er führte uns zunächst in einige alte, den Platz umgebende Gänge und Straßen:

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Dort gibt es scheinbar noch kleine, traditionelle Wohnungen, mit jeweils zwei Türklopfern: Links für Männer, rechts für Frauen. Die unterschiedlichen Klänge lassen die Bewohner wissen, welches Geschlecht geklopft hat – das ist wichtig, da (wenn ich mich recht entsinne, es gibt irgendwelche islamischen Regeln) bspw. Frauen keinen Männern die Türen öffnen dürfen.​

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Durch ein Wirrwarr von Gängen ging es dann schließlich zum eigentlichen Platz, dessen Arkaden mit Basaren durchzogen sind:

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Im Iran gibt es unglaublich viel handgemachtes Tischgedeck, Teppiche, Dekoration – hier drei Frauen, die an Tellern mit fantastischen Mustern arbeiten:​

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...und natürlich Goldschmuck, …
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...Gewürze…

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...oder andere interessante Sachen (wer weiß was das ist?):

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Aufgrund der doch recht drückenden Hitze legten wir eine Pause in einem schattigen Café in einem weiteren Hinterhof des Platzes ein, wo wir Tee bestellten; Reza war der Ansicht, dass wir auch Wasser bräuchten. Als dann die folgende Flasche kam, dachte ich, es handelt sich um Autoscheibenreiniger, aber tatsächlich ist das eine in Restaurants und Cafés übliche Wasserflasche im Iran:

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Mittlerweile hatten wir wirklich Hunger bekommen – gut, dass sich ein (auch bei Touristen) berühmtes „Museumsrestaurant“ in der Nähe befand, welches ausgezeichnetes Biryani – Achtung, hat außer dem Namen nicht viel mit dem indischen Gericht gemein – serviert.

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Wir waren nun gestärkt, und Reza verabschiedete sich für’s Erste von uns, er hatte andere Dinge zu erledigen. Er setzte uns in der Nähe einer Flaniermeile ab, wo wir zunächst spazieren und in einen Park gingen.

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Leider wurden wir von einer Gruppe Jugendlicher entdeckt und belästigt, die mindestens 20 Fotos mit uns schoss, uns laut Sätze auf Farsi an den Kopf knallte und ständig in Gelächter ausbrach; obwohl es trotz keiner gemeinsamen Sprache offensichtlich war, dass wir sie mehrfach zum Gehen aufforderten, suchten sie erst das Weite, als uns eine Einheimische im mittleren Alter zu Hilfe kam.

Nach etwas Dösen auf der Parkbank brauchten wir etwas Zuckrig-Kaltes, um das Energielevel wieder auf Vordermann zu bringen. Zeit für Schiras-Eis:

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Eines von Isfahans berühmtesten Bauwerken, die Si-o-se Pol (übersetzt schlicht „Bogenbrücke“), lag in unmittelbarer Nähe – das wollten wir uns nicht entgehen lassen. Diese Brücke ist etwa 400 Jahre alt und ein beliebter Treffpunkt für alle Altersgruppen in Isfahan.

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Am überbrückten Fluss kann man – na klar – Schwanentretboot fahren...allerdings nur mit Aufpassern, die aller Regelmäßigkeit mit ihren Trillerpfeifen den beigeisterten Bootfahrern bedeuteten, dass sie außerhalb des erlaubten Radius’ unterwegs waren:

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Jugendliche Pärchen nutzen den halb verdeckten Außenrand der Brücke außerdem, um das in der Öffentlichkeit verbotene zu tun: Vor der Heirat Zeit miteinander verbringen, und vielleicht sich sogar zu berühren.​

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Wir blieben noch eine Weile, dann holte uns Reza mit dem Auto ab, und verbrachten einen entspannten Abend in seiner Wohnung. Wie wir feststellen mussten, besorgte er sich – wie so einige Iraner – heimlich „Happy Water“, welches er schon in nicht geringer Menge intus hatte, natürlich auch beim Auto fahren. Zitat: „Es gibt ja kein Gesetz gegen Alkohol am Steuer im Iran!“ Tjoa, wenn Alkohol generell verboten ist, erübrigt sich ein Gesetz gegen den Konsum beim Autofahren, jo…

Zwar konnten wir uns nach wie vor gut mit ihm unterhalten, da wir aber selbst keinen Alkohol trinken, war das Ganze am Abend dann doch etwas anstrengend. Schlussendlich mussten wir dann mit ihm seinen Lieblingsfilm anschauen: „Pink Floyd – The Wall“. Ich habe überhaupt nichts gegen Pink Floyd, aber an dem Abend wollten wir einfach nur noch schlafen – naja, die Schattenseite von Couchsurfing...wer A sagt, muss auch B sagen. Free accommodation it is not, und das ist mir auch seit Tag 1 völlig bewusst. Dennoch bin ich froh, dass wir bei ihm untergekommen sind – hat er uns doch einen weiteren Tag in diesem faszinierenden Land durch neue Entdeckungen versüßt, die wir allein möglicherweise nie gefunden hätten.

Hier geht's weiter zu Tag 5.
 
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Isfahan – Tag 5

Ein weiteres Mal ausschlafen wäre schön gewesen...wäre Reza nicht trotz (oder vielleicht wegen?) seinem „Happy Water“ Frühaufsteher, dem es gar nichts ausmacht, um 7 Uhr voller Energie aus dem Schlafzimmer zu stolzieren, um die Musik aufzudrehen und den nächsten Schluck zu nehmen. Immerhin hatte er vor, Frühstück zu machen: Ghormeh Sabzi, einen persischen Bohneneintopf.

Nebenbei schnackten wir noch über verschiedenste Dinge und erfuhren unter anderem, dass Reza die unglaubliche Summe von umgerechnet etwa einem US-Dollar pro Monat für Strom bezahlt. Eine spätere Internetrecherche ergab, dass der Iran tatsächlich einen der weltweit günstigsten Strompreise hat – bei einem Durchschnittseinkommen von nur etwa 400 US$ im Monat und den wohl seit 2020/2021 stetig steigenden Lebenskosten, insbesondere Lebensmittelpreisen, sind die Einheimischen dafür sicherlich dankbar.

Er hatte nach dem (späten) Frühstück wieder etwas vor und wir nicht so richtig einen Plan, was heute anstehen könnte – bis wir nach einem Blick auf OpenStreetMap erkannten, dass Isfahans größtes (?) Einkaufszentrum nur 20 Minuten zu Fuß von Rezas Wohnung entfernt war. Klar, Souvenirs auf dem Basar kaufen ist cooler, aber manchmal ist man einfach faul und will es bequem.

Davor schleppte Reza uns noch in seinen örtlichen „Supermarkt“, welcher sich als das herausstellte, was wir als „Späti“ bezeichnen – nur mit deutlich vielfältigerem Sortiment. Es gab nur recht wenig lokale Produkte, dafür aber z. B. Haribo-Goldbären aus der Türkei, Heinz-Ketschup aus Russland, und allerhand sonstige westliche Produkte, die in nicht-westlichen Ländern vertrieben werden und dann ihren Weg in den Iran fanden. Wie sich herausstellte, besorgte Reza sich auch dort sein „Happy Water“, welches vom Ladenbesitzer selbst hergestellt wurde. Wir kauften Sesamöl in der Plastikflasche, Safran, Pistazienbrotaufstrich und noch ein – zwei andere Dinge. Leider trauten wir uns nicht zu (vielleicht zu Unrecht), den leckeren Schafskäse - ist schließlich super, wie die Verpackung bezeugen kann - zu kaufen und dann mit nach Deutschland zu nehmen.

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Das Ghormeh Sabzi, welches die ganze Zeit vor sich hingeköchelt hat, war dann kurz nach der Rückkehr fertig – und für unseren Geschmack komplett ungenießbar, da extrem sauer. Generell scheinen die Perser die Araber bei der Vorliebe für saure Speisen nochmal um einige Stufen zu überbieten, wie der als Beilage servierte Salat bewies, der wie mit Säure angereicherte Zitrone schmeckte. Andere Länder, andere Sitten… Ich habe das Rezept vom Hauptgericht nachrecherchiert und es scheint mir nicht so, als ob das so sein soll; hm, vielleicht eine regionale oder Reza-Spezialität.

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Am frühen Nachmittag machten wir uns dann auf den Weg durch die Satellitensiedlung, in der Reza wohnte. Dort war erwartungsgemäß nichts los, kein Vergleich mit den wundervollen, baumbestandenen, wuselig-lebendigen Alleen, aus denen die eigentliche Stadt von Isfahan besteht. Aber selbst dort wurden wir beim Vorbeigehen an einem privaten Haus auf einen Tee von einem Einheimischen eingeladen, der gerade das Grundstück verlassen wollte und überrascht war, dort Ausländer anzutreffen. Wir lehnten freundlich ab, da wir keine Ahnung hatten, wie lange wir für das Bummeln und die Rückkehr benötigen würden – unterhielten uns aber noch kurz mit dem netten Mann.

Schweißgetrieben und eigentlich schon wieder erschöpft kamen wir am „Isfahan City Center“ – welches sich, ich erinnere daran, am äußersten Stadtrand befindet – an, ein Monstrum von einem Gebäude.

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Direkt daneben verlief die Autobahn.​

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Innen gab es Geschäfte, die man sonst auch eher ausschließlich auf dem Basar verorten würde:

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Das banalste aller Geschäfte war allerdings unsere erste Anlaufstelle: Ein Supermarkt. Na, fällt euch am Logo etwas auf?

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Wenn wir Reza Glauben schenken, dann ist das nicht lediglich ein Abklatsch von Carrefour, es IST Carrefour, mit einer iranischen Tochtergesellschaft, die als solche natürlich wegen der Sanktionen nicht groß ins Rampenlicht gestellt wird; nachgeprüft habe ich diese Behauptung nicht.

Interessant ist, dass die dort verkauften Lebensmittel – im krassen Gegensatz zu dem „Späti“, den wir zuvor besuchten – fast ausschließlich iranischen Ursprungs sind. Und das in einem Supermarkt, der mindestens doppelt so groß wie ein durchschnittlicher Kaufland in Deutschland ist. Wegen der weitreichenden, internationalen Isolation muss Iran sehr viele Güter des täglichen Bedarfs selbst herstellen, und die großen Ketten werden wohl streng durch die Regierung überwacht. Ich fühlte mich an Südkorea erinnert, wo man (meiner Erfahrung von 2019 nach) in den Supermärkten, zumindest in manchen Warengruppen, auch fast ausschließlich heimische Produkte vorfindet.

Witzig war auch, dass im Iran jede noch so kleine Marke, jedes noch so triviale Alltagsprodukt (u. a. auch Spülbürsten) eine eigene Instagram-Seite hat – hier ein lokales Deo:

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Im Iran ist Deutschland nach wie vor hoch angesehen – hoch genug, dass mit unserer Flagge auf Produkten ("German formula") geworben wird, um sie besser zu verkaufen:

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Wir packten iranische Datteln, Tee, Kekse und noch einiges anderes in den Einkaufswagen – mussten aber entsetzt feststellen, dass unser Bargeld nicht mehr ausreichte. Eine kurze Nachfrage bei einem der Supermarktangestellten ergab, dass es keine Wechselstube im „Isfahan City Center“ gibt; die Banken hier könnten kein Geld wechseln. Was nun?

Zufälligerweise…

...hörte ein anderer Supermarktkunde unser Gespräch mit, sprach uns freundlich an, und bot uns an, Geld zu wechseln. Wie viel Rial wir bräuchten und ob wir Dollars oder Euros hätten?

In jedem anderen Land hätte ich sofort das Weite gesucht. Aus den Erfahrungen der letzten Tage jedoch hatte ich so ein Gefühl: Ja, im Iran kannst du ohne Bauchschmerzen mit einem Wildfremden im Supermarkt Geld tauschen. Die Angestellten waren auch noch da und fanden die Idee ganz hervorragend.

Gesagt, getan: Der Kollege verschwand zu einem Geldautomat wenige Meter vom Supermarkt, tauchte nach einigen Minuten wieder auf und überreichte uns unser Geld, nachdem wir uns auf den in meiner App angezeigten Kurs verständigt hatten. Wir hatten genug Knete zum Einkaufen und der Einheimische harte Währung für die nächste Auslandsreise. Im Wirtschaftsjargon nennt man das wohl „Win-Win“!

Auf der Rückseite des Gebäudes wähnt man sich auf einmal auf dem Hinterhof eines modernen Bürokomplexes:

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Wir hatten bis dato nur eine olle Fußmatte bei uns in Deutschland vor der Haustür. Gut, dass es sowas auch im Hyperstar gab und wir sogleich ein Mitbringsel haben, dass uns immer an diese Reise erinnern wird:

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Als wir den Rückweg antraten, ging bereits die Sonne hinter Isfahans Hausberg namens Soffeh unter.

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Reza war bei unserer Ankunft an seiner Wohnung zurück und er fragte uns, ob wir Isfahan nach dem Abendessen gerne bei Nacht erleben möchten. Na klar, wozu sind wir schließlich hier?

Also ging es wenig später mit seinem Peugeot ins armenische Viertel, wo man u. a. auch Kirchen findet, die trotz der Staatsreligion geduldet werden. Iran hat den Armeniern Anfang des 20. Jahrhunderts Zuflucht gewährt, als sie in Teilen des nahen Ostens verfolgt wurden, und sie haben sich gut integriert und wirtschaftlich einiges bewegt. Unser Ziel: Das Café „Monsieur Arakel“, welches im Innenhof eines armenisch geführten Hotels liegt und auch zu später Stunde noch gut besucht war. Bestellt wurde Tee, Datteln und getrocknete Bananen.

monsieur_arakel.jpg

Nachdem wir die Atmosphäre sowie den guten Tee und Zucker genossen hatten, spazierten wir noch ein wenig durch die nächtliche Stadt, wo trotz des Wochentags und der Tageszeit – es war immerhin bereits nach 23 Uhr – einiges los war. Wenn man denkt, dass es wegen dem Alkoholverbot kein Nachtleben gibt, liegt falsch: Überall waren „Bars“ bzw. Cafés offen, wo sich vor allen Dingen junge Leute versammelt hatten und vorwiegend zusammen Kaffee und Tee tranken. Reza wollte unbedingt einen Cappuccino, also setzten wir uns bei einem der Lokalitäten draußen hin und erzählten etwas miteinander.

Keine fünf Minuten später lugten einige junge Iraner zu uns herüber und sprachen Reza auf Farsi an, fragten, wo +1 und ich herkämen, was wir im Iran taten, usw. Als von meiner Wenigkeit das Wort „Deutschland“ fiel, war eine Iranerin der Gruppe ganz aus dem Häuschen und fragte mich in sehr gutem, fast akzentfreien Hochdeutsch: „In welcher Stadt wohnen Sie?“

Ich war wiedermal beeindruckt: Sie war Mitte 20, hatte mehrere Jahre in Hamburg studiert (Deutsch hat sie neben dem Studium noch gelernt – wow), musste dann aber aus Gründen, die mir entfallen sind, wieder in die Heimat – den Westiran, nahe der irakischen Grenze. Eigentlich hatte sie vor, nach Deutschland auszuwandern, bekam dann aber aus irgendeinem Grund kein Visum mehr und studiert jetzt in Isfahan; sie hatte Pläne, eine kleine Firma im Iran zu gründen. Da sie gerne mehr Zeit mit uns verbringen wollte, fragte sie ob das für uns okay wäre, was wir bejahten – und verabschiedete sich prompt bei ihren Freunden, um uns den restlichen Abend zu begleiten. Ich fand das schon etwas kurios und könnte mir das Ganze in Deutschland umgedreht kaum vorstellen!

Jetzt zu viert, fuhren wir nochmal zum Naqsch-e-Dschahan-Platz, welcher nachts nochmal ein ganz anderes Gefühl aufkommen lässt:

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Zu meiner Überraschung wurde auf dem Platz Fußball gespielt – von Jugendlichen, um 1 Uhr nachts an einem Wochentag. Schon ein krasses Land!

Reza, der mittlerweile schon wieder (bzw. immer noch) gut betrunken war, versuchte krampfhaft, das arme Mädchen zum Übernachten in seiner Wohnung zu überreden, sie wehrte sich jedoch ruhig und standhaft; schließlich fuhr er sie heim, bevor es für uns auch Richtung Bett ging. +1 tauschte vorher noch die Kontaktdaten mit dem Mädel aus – und wieder hatten wir eine neue Bekanntschaft. Könnt ihr hier ein Muster ausmachen?​
 
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Isfahan – Tag 6

Vormittags ging es kurz in ein Geschäft, dass Reza zusätzlich zu seinem Job noch besitzt – was für eines, schreibe ich hier nicht, um seine Identität zu schützen. Dort buchte er uns einen Nachtbus nach Teheran, auf unseren Wunsch hin um 1 Uhr – die Fahrtzeit beträgt knappe 6 Stunden, Busse fahren anscheinend rund um die Uhr einmal pro Stunde nach Teheran, da es auch 2 Uhr, 3 Uhr usw. als Optionen gegeben hätte. Dieses Mal waren die Fahrkarten noch günstiger: 7,63 € für zwei Personen.

Es war etwa gegen 10 Uhr vormittags, also hatten wir noch gute 15 Stunden Zeit, Isfahan weiter zu entdecken und ein letztes Mal zu genießen. +1 hatte ein „traditionelles Haus“, eine Art Mini-Museum, ausfindig gemacht und wollte dort unbedingt hin, um Fotos im luxuriösen Interieur zu schießen. Reza kam mit, und wenig mehr als eine halbe Stunde später standen wir am Eingang vom „Motamedi House“, wo, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, irgendeine königlich-kaiserliche Familie gelebt hatte. Am Eingang wurden wir von einer jungen, bildschönen Einheimischen empfangen, die auch Eintrittskarten an uns verkaufte: 6,67 € für zwei Personen, Reza zahlte weniger (oder vielleicht sogar nichts). Im Iran gilt, wie in so manch anderem Land Asiens, dass Ausländer höhere Eintrittspreise als Einheimische bezahlen – sofern es sich um Stätten handelt, die irgendwie was mit der Regierung zu tun haben.

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Zuerst kommt man in den Innenhof…

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...und ist von dort aus sehr schnell im...puh, Arbeits- oder Residenzzimmer? Keine Ahnung, wichtig ist nur: Viel, viel Glitzer. Dort sahen wir auch als einziges Mal auf dieser Reise einen anderen westlichen Touristen, der von einer Iranerin begleitet wurde.

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Der Flur war mit verschiedenen Lampen mit Buntglas ausgeschmückt…

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...und irgendwo hing dieses fantastische Gemälde einer ehemaligen Bewohnerin (?):

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In eine Richtung vom Innenhof lag eine Art Saal, an den auch eine kleine Küche angeschlossen war. Dort konnte man Getränke und Knabbereien bestellen, wir entschieden uns für ersteres. Ich muss unbedingt nochmal herauskriegen, wie sich das blutorangenfarbene Getränk schimpft, denn das war enorm lecker, während die „Gurkenlimonade“ nur okay ist. Es gab dort sogar einen Samowar für Tee, scheint im Iran auch recht üblich zu sein.

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Kurz danach knurrte uns auch der Magen – wie passend, dass Reza ein gutes, lokales Restaurant in unmittelbarer Nähe kannte. Auf dem Weg begegnete uns noch diese Gruppe: Wir erfuhren von unserem Gastgeber, dass es sich um religiöse Fundamentalisten handelte, die gegen eine Auflockerung der islamischen Gesetzgebung, wie sie die Mehrheit der Bevölkerung wünscht, protestierte. Traurig, dass hierfür Kinder instrumentalisiert werden…

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Diese Gaststätte befand sich erneut im Innenhof eines traditionellen Baus, war wie gefühlt alle Lokalitäten sehr einladend durch das Grün und die Ruhe, und wartete mit Wasserzerstäubern auf, die die Hitze deutlich erträglicher machten – warum gibt es sowas in (Süd-)Ostasien nicht?!

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Wir bestellten pürierte Auberginencreme mit Joghurt, Fladenbrot und Gewürzen – das absolut leckerste, was man in diesem Teil der Welt so bekommen kann –, sowie Lammfleisch mit Safranreis, Brühe und noch mehr Fladenbrot. Ein echtes Festmahl!

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Reza hatte nach dem (mal wieder späten) Mittagessen mal wieder einem Termin im Kalender, sodass ich +1 endlich da hin schleifen konnte, wonach es mich die ganze Zeit dürstete: Auf den Berg Soffeh. Also verabschiedeten wir uns, riefen ein Snapp, dass uns für wenige Rial zum Eingangsbereich brachte; direkt am Fuße des Bergs befindet sich ein Park mit befestigten Wegen, Toiletten, Parkplätzen, Kiosken und so weiter. Der Eintritt war gratis.

Der Eingangsbereich:

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Schrödingers Wasserhahn:

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Ein erster Blick aus der Höhe:

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Auf OpenStreetMap hatte ich schon ausgemacht, dass es dort eine Gondel auf den Berg gab, die allerdings nicht direkt zum Gipfel fährt. Obwohl es bereits später Nachmittag war, hoffte ich, dass wir es nochmal zur Spitze schafften. Für zwei Hin- und Rückfahrten berappten wir 9,37 €...Stichwort Rappen: Obwohl von den Eidgenossen gebaut, ist dieser Fahrtpreis doch deutlich niedriger als das, was für eine vergleichbare Fahrt in der Schweiz verlangt wird.

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Mit steigender Höhe konnten wir auch endlich erfassen, wie groß Isfahan wirklich ist – immerhin besitzt es um die 2 Millionen Einwohner.

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Wir kamen an der Bergstation an – von dort führen einige Wege direkt auf den Gipfel, man braucht allerdings Wanderschuhe oder -stiefel, und +1 hatte sich natürlich wieder die denkbar unpassendsten Schuhe an, die man sich vorstellen kann, sodass ein Aufstieg zu zweit ins Wasser fiel. Da die Dämmerung bereits einsetzte, wollte ich meine Dame auch nicht alleine lassen, obwohl es um die Bergstation, die von Snackständen, Sitzbänken und einigen Souvenirshops umringt war nur so vor Touristen und Einheimischen wimmelte.

Die Bergstation von vorne…

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...und hinten, mit dem Gipfel des Soffeh.

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Wenn ich auf einem Berg bin, suche ich nach der bestmöglichen Aussicht – klar. Also hab’ ich mir die Kamera von +1 geschnappt und ihr mitgeteilt, dass ich einen der Wege zu einem niedrigeren Nebengipfel, der nicht weit entfernt war, nehmen würde. Sie bekam mein Handy – wir hatten ohnehin nur eine lokale SIM-Karte – und los ging’s für mich.

Nach nur kurzem Fußmarsch wähnte ich mich im aufkommenden Abendrot fast auf dem Mars:

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soffeh_mars_2.jpg

...und erblickte im Anschluss die westlichen Ausläufer Isfahans, während der Schleier der Nacht sich langsam auf das Land legte. Ich hielt bestimmt 10 – 15 Minuten inne und besann mich innerlich darauf, durch was für ein unglaubliches Glück ich bei der Geburtenlotterie so gut abgeschnitten hatte und diese Reise durchführen konnte; eine Freiheit, die wahrlich nicht jedem zu Teil wird – schon gar nicht im Iran.

soffeh_isfahan_view_night.jpg

Ich versuchte noch ein paar Fotos zu machen, die aber alle nicht wirklich etwas wurden. Meine Dame wurde vermutlich auch schon ungeduldig, also ging es schnurstracks zurück Richtung Bergstation, wo wir die nächste Gondel Richtung Stadt nahmen; +1 hatte bereits mit Reza Kontakt – er würde in einer halben Stunde an der Bodenstation sein. Mittlerweile war es vollständig dunkel:

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Unten trafen wir Reza, machten es uns auf ein paar Sitzbänken mit Teppichen gemütlich und bestellten gegrillte Maiskolben. Die Iraner sind bei der Zubereitung gewiefter als der Rest der Welt: Nach erfolgreichem Rösten werden die Kolben in Salzwasser getunkt, und die Mischung aus süß, salzig und Grillaroma ist wirklich ganz fantastisch!

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Die Rückfahrt zu Rezas Wohnung war relativ kurz, und wir packten unsere Sachen. Die restlichen Stunden gammelten wir, sprachen noch etwas mit unserem mal wieder betrunkenen Gastgeber, der uns jetzt von seiner Ex-Frau berichtete; wir sprachen ihm Mut zu, dass es nicht die letzte Frau in seinem Leben sein müsse. Mitte 40 ist schließlich kein Alter!

Eine Herausforderung, die keiner bedacht hatte, stand noch an: Reza sah sich kaum mehr in der Lage, uns zum Busbahnhof auf der anderen Seite der Stadt zu fahren, nur...war es bereits fast Mitternacht und ein Snapp ist, zumindest in den Außenbezirken, um diese Uhrzeit schlicht nicht mehr aufzutreiben. Ein Taxi wäre auch zu spät gekommen, da auch dieses erst einmal 20 – 30 Minuten zu uns kommen müsste. Es half nur: Wieder und wieder probieren, und beim 4. Mal, nach der Auswahl eines „teureren“ Wagens (es gibt bei Snapp „Economy Car“, „Luxury Car“ usw.), fand sich zum Glück ein Fahrer. Schwein gehabt!

Kurz vor Ankunft brachten wir unser Gepäck nach unten, und bei Ankunft des Fahrers drückte Reza +1 einen Stapel Geldscheine in die Hand, mit der Aussage, es sei sein Dankeschön für unser Kommen und dass wir damit den Fahrer bezahlen sollen. Obwohl kein großer Betrag, wollten wir das nicht annehmen – aber nach mehrminütiger Diskussion (und wer Chinesen kennt, weiß, wie das sein kann) mussten wir die Gabe annehmen und verabschiedeten uns herzlich von ihm.

Es folgten Augenblicke des Zitterns: Kurz vor dem Busbahnhof herrschte tatsächlich ein Stau, um halb eins in der Nacht! Wir wollten verdammt nochmal nicht diesen Bus verpassen, denn das würde bedeuten, mit dem trunkenen, schläfrigen Reza zu telefonieren – wenn er denn überhaupt noch wach war – und ein Snapp zu finden, was uns wieder zu ihm zurück brächte. Keine 15 Minuten vor planmäßiger Abfahrt erreichten wir die Einfahrt und rannten in das riesige Gebäude; wir hatten keine Ahnung, wo wir hin mussten. Die meisten Schalter waren geschlossen, aber mit Hilfe eines anderen, mürrischen Passagiers und einem der noch offenen Ticketschalter schafften wir es, etwa 8 Minuten vor Abfahrt in der richtigen Wartehalle am anderen Ende des Gebäudes zu sein.

Der Bus war nur halb voll mit Menschen, und wir wurden schließlich auf die beiden Sitze rechts in der ersten Reihe verfrachtet, obwohl unsere Fahrkarten Sitzplätze in der Mitte angaben. Egal: Sitze um etwa 45° angewinkelt (mehr ging nicht), Schlafmaske auf, Ohrstöpsel rein und ab ging das Ganze; nicht so bequem wie in Südostasien, aber es reichte aus. Da wir ohnehin schon sehr müde und erschöpft waren, war es eine Frage von Minuten, bis wir nach der Abfahrt einschliefen.​
 

globetrotter11

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07.10.2015
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Bei dem "blutorangenfarbenem Getränk" könnte es sich um Karkadeh, einem Tee aus getrockneten Hibiskusblüten handeln, der in der arabischen Welt verbreitet ist. Schmeckt sehr gut heiß, aber auch eisgekühlt...
 
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Hene

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27.03.2013
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Nach dem „Chicken Salad“ des Vortags war uns nun aber wirklich nach persischer Küche – einheimische Gerichte durchprobieren ist für uns generell ein Muss auf jeder Reise
Das Problem in Iran ist, dass es in Restaurants nur ein sehr abgespecktes Angebot der persischen Küche gibt: Fleisch gegrillt am Spies mit gelbem Reis oder Fleisch als Stew gekocht mit gelbem Reis. Manchmal noch Fleisch zu Brei gestossen und mit dem Löffelfladenbrot gegessen, das kaum Geschmack hat.

Die guten Sachen bekommt man leider oft nur zu Hause. Vor allem die phantastischen und oft raffinierten Palau-Gerichte, für mich die absolute Oberklasse der persischen Küche.
 
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Bei dem "blutorangenfarbenem Getränk" könnte es sich um Karkadeh, einem Tee aus getrockneten Hibiskusblüten handeln, der in der arabischen Welt verbreitet ist. Schmeckt sehr gut heiß, aber auch eisgekühlt...
Danke! Muss ich mir mal notieren und dann bei der nächsten Reise nach Nahost testen.

Das Problem in Iran ist, dass es in Restaurants nur ein sehr abgespecktes Angebot der persischen Küche gibt: Fleisch gegrillt am Spies mit gelbem Reis oder Fleisch als Stew gekocht mit gelbem Reis. Manchmal noch Fleisch zu Brei gestossen und mit dem Löffelfladenbrot gegessen, das kaum Geschmack hat.

Die guten Sachen bekommt man leider oft nur zu Hause. Vor allem die phantastischen und oft raffinierten Palau-Gerichte, für mich die absolute Oberklasse der persischen Küche.
Ist ja wie auf den Färöer-Inseln, interessant. Eine zweite Iran-Reise ist sowieso geplant, da werde ich mich dann explizit auf die Suche nach "Palau-Gerichten" begeben!

Mit meinem Bericht geht's voraussichtlich am Dienstag oder Mittwoch weiter.
 
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Tesla

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13.12.2016
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Teheran – Tag 7

Als ich die Augen aufschlug, navigierte der Bus bereits über Teherans Stadtautobahnen; die Sonne knallte bereits in vollem Umfang auf die Betonwüste. Vom Aufwachen bis zum Erreichen des Busbahnhofs vergingen noch um die 20 Minuten, dann stiegen wir aus und bekamen einen ersten Eindruck des Molochs, in dem wir jetzt angekommen waren: Häuserschluchten, soweit das Auge reicht...immerhin um die 9 Millionen Menschen (Metropolregion: etwa 16 Millionen, gleichauf mit Istanbul) wohnen hier.

Erste Aufgabe des Tages: Gepäck loswerden, also habe ich sogleich ein Snapp gerufen, um uns zu unserem Hostel zu bringen. Während des Wartens habe ich folgendes Motorrad erspäht – auch eine Möglichkeit, „ich bin gleich wieder da“ auszudrücken:

brot_motorrad.jpg

Nach wenigen Minuten waren wir unterwegs und keine 15 – 20 Minuten später an der auserwählten Unterkunft. Diese sah allerdings so etwas von gar nicht wie auf den Fotos aus: Heruntergekommen, düster, generell das Gegenteil von einladend – und der lethargisch-genervte Rezeptionist, der erst einmal schauen wollte, in welchem Zimmer wir unterkommen sollten, machten das Ganze kaum besser. +1 war dermaßen gefrustet (oder angewidert), dass sie sich standhaft weigerte, dort zu übernachten. Ganz kurz kam wieder der sture Bock in mir durch, aber dann sah ich ein, dass sie auf so einer speziellen Reise durchaus auch mal etwas mehr Komfort verlangen kann.

Ich: „Wo schlafen wir dann?“
+1: „Im 5-Sterne-Hotel! Ich hab’ da schon was rausgesucht!“
Ich: …happy wife, happy life. (gedacht, nicht ausgesprochen)

Nach einem kurzen Anruf bzgl. verfügbaren Zimmern und einer weiteren Snapp-Fahrt hieß es: Willkommen im Persian Plaza Hotel.

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pph_eingangshalle_2.jpg

Kein Foto von mir, aber hier die Frontansicht auf Google: https://optictour.ir/places/4188/tour

Für etwa 80 € die Nacht kamen wir in einem geräumigen Zimmer recht weit oben unter – Farbgebung und Badezimmer teilweise sehr kitschig, aber das war egal. (Wirklich schlimm war nur das kostenlose Duschgel mit Bananengeruch.) Hauptsache, die Holde ist glücklich und wir haben einen bequemen Platz zum Schlafen, denn auch ich hatte das nach den kurzen Nächten bei Reza bitter nötig. Überraschend war, dass unsere Reisepässe an der Rezeption einbehalten wurden – bis zur Abreise, das sei Gesetz, so die Aussage. Ich vermute mal, dass das an Teheran als Regierungssitz liegt, da das in Schiras niemanden interessiert hat.

Frühstück war auch inklusive, allerdings hatten wir dieses für heute verpasst. Grund genug, ein lokales Frühstück zu probieren, welches +1 schon seit Planung der Reise als Ziel hatte: Schafszunge und -hirn, wohl eine Teheraner Spezialität. Ich pack' die Bilder mal in einen Spoiler, falls hier jemand mit schwachem Magen unterwegs ist.​

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schafsfruehstueck_2.jpg


Der Imbiss (allerdings mit Tischen innen, Atmosphäre nicht unähnlich so manchem Dönerimbiss in Deutschland) war keine 20 Minuten zu Fuß entfernt, sodass wir auf die Nutzung von ÖPNV verzichteten. Tatsächlich hatte ich mir vorgenommen, wenigstens einmal mit der U-Bahn hier zu fahren, da ich das sehr gerne mache – schlussendlich kam es aber nicht dazu. Zurück zum Essen: Das war gewöhnungsbedürftig...muss ich nicht nochmal haben, die Holde hingegen war begeistert.

Wir spazierten noch ein bisschen durch die Gegend, wo man hin und wieder doch mal Gebäude erspähte, die aus der Masse herausragten:

thr_strassen_1.jpg

...und versorgten uns mit Obst, welches stets gut und günstig in unzähligen, kleinen Obstläden zu bekommen ist.

Wir wurden dann recht schnell wieder müde, +1 wollte noch ein bisschen schlafen; zurück zum Hotel. Ich duschte mich und legte mich dann ebenfalls hin, sodass wir erst gegen 13 Uhr wieder aufstanden. Runter zur Rezeption, wo wir ein Taxi zum Flughafen IKA buchten, denn der Rückflug nach Katar war für 6:10 Uhr angesetzt – und um 3 Uhr nachts will man sich keinesfalls auf Experimente einlassen, wenn der Flughafen bei ausschließlich leeren (!) Straßen eine Autostunde vom Hotel entfernt ist. Mit umgerechnet 12,49 € aus mitteleuropäischer Sicht immer noch verdammt günstig.

Anschließend ging es zum Geld wechseln in der hoteleigenen Wechselstube. Der Kurs war nicht so gut wie in Schiras oder gar bei dem Kunden im Hyperstar, aber wegen ein paar Euro wollten wir uns nicht erneut auf die Suche machen. Hier begingen wir einen Fehler und tauschten eine relativ kleine Menge an Geld ein, da wir sowieso noch zwei Tage blieben und im Falle des Falles noch weitere Scheine umtauschen könnten...dachten wir. Mehr dazu später.

Wir standen seit der Ankunft in Kontakt mit einem Teheraner, der ein Freund von unserem iranischen Freund in Neuseeland ist und uns einige Tipps gegeben hat; heute sollten wir ihn endlich treffen, er hätte allerdings erst am späten Nachmittag Zeit. Auch nicht schlecht: So konnten wir uns endlich zum Azadi-Turm begeben, welcher inmitten eines riesigen Kreisverkehrs steht und von der Architektur her genau mein Ding ist.​

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Die strukturelle Planung des „Turms der Freiheit“ (vormals „Turm des Shahs“) wurde von niemand geringeren als dem britischen Bauingenieurunternehmen Ove Arup vorgenommen, welches bspw. auch für das Opernhaus in Sydney verantwortlich war. Der monumentale Bau besteht außen ausschließlich aus Marmor und wurde 1972 geöffnet, also sieben Jahre vor der islamischen Revolution im Iran.

Wir machten noch ein paar Fotos aus verschiedenen Perspektiven und genossen den Sonnenuntergang, der uns am Vortag auf dem Soffeh leider verwehrt blieb. Auch hier wurden wir wieder von Jugendlichen angesprochen, die uns gerne die Stadt zeigen würden; allerdings hatten wir bereits andere Pläne für den vorletzten Tag.​

azadi_4.jpg

Schließlich tauchte der Freund unseres Freundes – nennen wir ihn Mahmoud – mit seiner Freundin (einer Dame, die augenscheinlich mindestens 10 Jahre älter als er war; wie genau der Beziehungsstatus zwischen den beiden ausfiel haben wir nicht herausbekommen) im Auto auf. Wir quatschten ein wenig, dann kamen die Pläne der beiden zum Vorschein: Sie wollten heute Abend ins arabische Viertel Teherans, um dort mit Freunden zu essen. Klar, dass wir uns sofort anschlossen.

Nach einer doch längeren Fahrt landeten wir zuerst bei einem Schaschlik-Imbiss, dessen Besitzer super freundlich und scheinbar glücklich über unseren Besuch war: Es gab natürlich gegrilltes Fleisch und Gemüse, welches mit dem persisch-arabischen Fladenbrot zusammen sehr gut schmeckte.

arab_schaschlik.jpg

Irgendwo trafen wir dann auch die Freunde der beiden, zwei Pärchen in mittlerem Alter, die uns auch herzlich in ihrer Runde willkommen hießen. Nachdem endlich zwei Parkplätze gefunden waren – in Teheran genauso schwierig wie in vielen anderen Großstädten der Welt –, schlenderten wir durch die doch sehr vollen Straßen, wo sich Fresstempel und Süßigkeitengeschäfte regelmäßig abwechselten.

Tatsächlich wird das Angebot allen, die in einer deutschen Großstadt leben, recht bekannt vorkommen: Falafel, Schawarma, Köfte – und natürlich Baklava.

arab_baklava.jpg

Aufgrund der doch sehr guten Auswahl wollten wir einiges davon mitnehmen, mussten dann aber feststellen: Wir hatten – mal wieder – kaum noch Geld übrig. Dann der Schock: Es war Donnerstag (= erster Tag vom Wochenende im Iran, wir erinnern uns), Freitag war demnach auch kein Geld zu bekommen (auch nicht im Hotel), und Samstag war irgendein Feiertag, sodass alles geschlossen sein würde – inklusive Teherans großem Basar, den wir somit nicht besuchen können würden. Ohje!

Kleine Unterbrechung des eigentlichen Berichts: Genau das meinte ich im 1. Teil mit „großzügig kalkulieren“ – falls jemand von euch irgendwann zum ersten Mal in den Iran reisen möchte: Seid schlauer als wir, informiert euch über Feiertage und hebt ausreichend Rial ab. Oder tauscht mit anderen Kunden im Supermarkt ;) Darauf würde ich allerdings keine Wetten abschließen...

Zum Glück sind wir nicht in irgendeinem Land, sondern in einem der gastfreundlichsten weltweit: Als Mahmoud unser Dilemma mitbekam, bot er uns an, dass wir am Folgetag mit ihm Geld tauschen könnten – wir müssten uns nur irgendwo mit ihm treffen. Puuh, das klang nach einem Ausweg.

Kurz darauf landeten wir in einer Schnellkostbude, die jeder amerikanischen Kette Konkurrenz hätte machen können: Paniert und frittiert waren dort König – es gab Pommes, eine Art Samosa, „Spare Ribs“ (natürlich vom Lamm) und anderes ungesundes Zeug serviert in Einweg-Aluminiumschalen, garniert mit Zuckerwässerchen aller Art...definitiv ein Essen, was wir nicht vermissen. Aber es ging ja um den gesellschaftlichen Aspekt, insofern Meckern auf hohem Niveau.

arab_samosa.jpg

Es wurde spät, alle wurden müde, und die Rückkehr ins Hotel wurde zunehmend verlockender. Wir waren schon drauf und dran ein Snapp zu bestellen, als Mahmoud und seine Freundin abwinkten: Sie würden uns zum Hotel zurückfahren. Was für wunderbare Menschen! Wieder einmal ging es nach Mitternacht ins Bett; Iraner brauchen einfach keinen Schlaf. Da können sich sogar die Koreaner noch was abgucken…

Die letzten beiden Teile gibt es in etwa zwei bis drei Wochen, da ich eine Woche auf Reisen bin.​
 

oliver2002

Indernett Flyertalker
09.03.2009
8.988
4.463
50
MUC
www.oliver2002.com
Diese Gaststätte befand sich erneut im Innenhof eines traditionellen Baus, war wie gefühlt alle Lokalitäten sehr einladend durch das Grün und die Ruhe, und wartete mit Wasserzerstäubern auf, die die Hitze deutlich erträglicher machten – warum gibt es sowas in (Süd-)Ostasien nicht?!

Weil die relative Luftfeuchte in tropischen Länder viel zu hoch ist... diese 'dry mist' Systeme funktionieren nur bei einer RH <60%. Zum Vergleich Teheran Heute 32°C RH 21%; Singapur: 34° 77%
 

Tesla

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Danke @oliver2002 - wieder was gelernt!

Teheran – Tag 8

Für den vorletzten Tag hatten wir uns mit Naseem (Name wie immer geändert) verabredet, der mit seinem Ute im Maharloo-See stecken geblieben war. Er hatte vorgeschlagen, einen Ausflug in die Berge zu machen – nichts gegen einzuwenden! Zuerst trafen uns jedoch mit Mahmoud an einem vereinbarten Treffpunkt im Westen der Stadt, der für ihn und uns – und direkt im Anschluss Naseem – gut zu erreichen war. Mit ihm dann das letzte Mal Geld tauschen; ist immer nicht einfach, den Restbedarf abzuschätzen, aber gut.

Naseem holte uns direkt im Anschluss mit seinem Ute ab. Schlussendlich steckte er wohl 5 Stunden im See fest und wurde dann befreit. Als Einheimischen hatte ich ihn gefragt, wo ich einen guten Friseur ausfindig machen könnte – er lachte nur, denn er hatte selbst eine Glatze. Trotzdem fuhr er uns zu einer unscheinbaren Straße nicht weit von unserem aktuellen Standort entfernt, wo wir zu meiner Verwunderung ein Wohnhaus betraten. Auch beim Ausstieg im 4. Stock konnte ich keine Zeichen eines Friseurs entdecken; dann öffnete sich plötzlich eine der Wohnungstüren, hinter der sich ein Wohnzimmer verbarg, vollständig umgebaut zum Friseursalon umgebaut. Der Iran – immer für eine Überraschung gut!

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Für etwas über 10 € gab’s dann einen Haarschnitt und Gesichtsmassage – nicht schlecht, wenn auch weniger günstig als z. B. in Südostasien. Danach wieder ab in den Ute, in dem übrigens auch seine Freundin Alma saß, die ich auf Mitte/Ende 20 geschätzt hätte und ihres Zeichens Ärztin war.

Die Fahrt durch Teherans Randbezirke erinnerte mich an China: Überall werden moderne Wohnhochhäuser hingeklatscht, eins hinter dem anderen.

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Wir sind nach einiger Zeit über verschiedene Serpentinen in den Bergen zu einer – scheinbar bei Einheimischen beliebten – natürlichen Attraktion gefahren: Felsformationen mit Löchern/Einkerbungen, soweit das Auge reicht.

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Dort wurden dann natürlich pflichtschuldigst Fotos von uns und unseren Gastgebern gemacht.

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An der Straße, wo wir geparkt haben, befanden sich noch einige kleine Läden, an denen Wasser und Knabbereien angeboten wurden – was wir allerdings nicht in Anspruch nehmen mussten...

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...Naseem hatte uns nämlich schon bei Abfahrt offenbart, was wir in den Bergen machen würden: Grillen! Dazu fuhren wir über eine Schotterpiste neben einem Fluss entlang, der sich durch eine Art Schlucht den Berg herunterwand. Überall neben der Straße waren Grundstücke mit eher ärmlichen Behausungen, irgendwann kamen wir dann aber einem Platz mit einem halbfertigen Betonbau an. Aus westlicher Sicht alles andere als schön, weil drumherum hier und da auch Müll lag, das sahen die Einheimischen allerdings anders: Im Laufe des Nachmittags trafen zwei – drei Autos mit jungen Erwachsenen ein, die alle zu einer Stelle am Fluss, unweit von unserem „Grillplatz“, gingen und dort Spaß hatten.

Mir war aufgefallen, dass die Kopftücher der Damen schon an den Felsformationen erstaunlich oft „vom Kopf rutschten“; hier in den Bergen war nun gar keins mehr nötig.

So ging dann alles seinen Lauf: „Grillaufbau“, vorbereiten der Spieße mit Hühnchen und Tomaten, sodass wir nach einiger Zeit schließlich die leckeren Spieße mit – na klar – Fladenbrot vertilgen konnten:​

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Ein gasbetriebener Samowar durfte natürlich auch nicht fehlen:

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So speisten wir und unterhielten uns über Gott und die Welt – um fast erschrocken festzustellen, dass der Abend nahte. Gut gesättigt fuhr uns Naseem zum Hotel zurück, und als Dank für den schönen Nachmittag boten wir ihm und seiner Freundin an, zusammen im Hotelrestaurant auf unsere Kosten zu frühstücken, was die beiden gerne annahmen.

Von unserem Zimmer aus konnten wir dann gerade noch so den Sonnenuntergang beobachten, bevor am Handy herumgespielt wurde und uns einige Zeit später die Augen zufielen.​

teheran_abend.jpg
 
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Tesla

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Teheran – Tag 9

Die Zeit rast – insbesondere wenn man Spaß hat. An unserem letzten vollen Tag im Iran hatten wir uns eigentlich vorgenommen, nur noch ein paar Orte in Teheran abzuklappern. Jedoch – ich glaube, es war am Vortag – erhielt +1 eine Instagram-Nachricht von Ahmed, dem anderen Dokumentarfilmer und Freund von Naseem: Er möchte sich mit uns treffen, ob sich das arrangieren ließe? Klare Antwort: Ja! Wir verabredeten uns für den frühen Nachmittag, sodass wir noch wie geplant mit Naseem und seiner Freundin frühstücken und uns anschließend zur „Tabiat Bridge“, alias „Brücke der Natur“, aufmachen konnten. Zu Tagesbeginn konnten wir uns erneut an der Aussicht aus unserem Zimmer laben:

hotelzimmer_blick_auf_teheran.jpg

Das Frühstücksbuffet war eine Mischung aus westlichem (u. a. Brot und Brötchen mit Aufstrich) und iranischem Essen (Fladenbrot mit einer Art Quark, „Antipasti“ wie auch die Araber sie mögen, …) – leider kein Foto gemacht. Naseem und Begleitung tauchten pünktlich auf, und nach gemütlichem, gemeinsamen Speisen verabschiedeten wir uns auch 90 Minuten später wieder, da wir alle schon etwas vorhatten.

An diesem Tag hätte ich fast meine Metrofahrt (die wohl um die 0,20 € kostete) bekommen, aber man hätte einen recht großen Umweg fahren müssen – groß genug, dass +1 auf Snapp beharrte. Bei keinen 3 € an Fahrtkosten wird man eher nicht nein sagen…

Also ging es per Verbrenner zu dem Park, welcher die „Brücke der Natur“ umgibt – ein angenehmer Flecken grün in der doch sehr weiß-grauen Betonwüste Teherans. Es gibt gepflasterte, aber auch einige kleine (in Ermangelung eines besseren Wortes) naturbelassene Wege, mit und ohne Schatten, Sitzbänke, Toiletten und überhaupt alles, was man für einen Spaziergang im Park so brauchen würde; nur keine Wiesen, aber nicht einmal Iraner setzen sich bei der Affenhitze in die Sonne.

Nach einigem Spazieren stießen wir dann zufällig auf diesen gigantischen Flaggenmast, dessen Ausmaße sich nicht annähernd in dem Foto widerspiegeln...scheint ein zentralasiatisches Ding zu sein, in Tadschikistan (Trivia: Die Nationalsprache Tadschikistans ist ein persischer Dialekt) gibt es auch einen der größten Flaggenmasten der Welt.​

tabiat_flaggenmast.jpg

Keine 10 Minuten später erreichten wir das Objekt der Begierde: Eine modern-futuristische Stahlbrücke mit zwei Ebenen, die eine gute Aussicht gen Norden gewährt und zum bummeln einlädt.

Die Brücke selbst…

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...Blick nach Norden…

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...und ein „Food Court“ – in einer Brücke. Warum auch nicht? (Sorry für die beiden folgenden unscharfen Fotos)

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Wir folgten dem Beispiel der Einheimischen und ruhten uns im Schatten der 2. Ebene aus, nachdem wir in der knallen Sonne noch einige Fotos geschossen hatten.

tabiat_bruecke_4.jpg

Den Zeitpunkt und unsere Verweildauer hatten wir ganz gut abgepasst, denn keine halbe Stunde später sollten wir uns mit Ahmed an der Parkgrenze treffen. Gesagt, getan. Unser Begrüßungsdialog ging – etwas gekürzt – in etwa so:

Wir: „Schön, dich wiederzusehen!“
Ahmed: „Ebenso! Was wollt ihr machen, habt ihr Hunger?“
Wir: „Es ist ja Mittagszeit. Wir wollen unbedingt mal Disi probieren, weißt du wo wir…“
Ahmed (mit aufleuchtenden Augen): „Ihr wollt DISI probieren?! Ich weiß, wo es das beste Disi der Stadt gibt, in der Nähe meiner Wohnung. Lasst uns fahren!“
Wir: :)

Disi ist im Prinzip eine Art iranisches Gulasch aus Fleisch, Paprika, Tomaten und anderem Gemüse – sowie wohl auch ein Lokalgericht Teherans, welches wir selbstverständlich probieren mussten. In Ahmeds Saipa geht es über die vollen Straßen Teherans gen Osten, wo wir unterwegs kurz anhalten, um frische Mangos zu kaufen.

teheran_mangos.jpg

Das Disi kauft Ahmed in einem einfachen Lokal, wo wir Ausländer ein wenig (positive) Aufmerksamkeit erregen, die sich aber auch schnell wieder legt.

Ahmeds Wohnung in den östlichen Außenbezirken ist deutlich simpler als die Wohnung, in welcher wir bei Reza in Isfahan übernachtet hatten; kaum Möbel, alles etwas altbacken. Ahmed kommt dem Durchschnittsiraner deutlich näher als Reza oder Naseem, was aber nichts an seiner Herzlich- und Gastfreundlichkeit ändert.

Der Clou beim Disi ist, dass es noch püriert werden muss...oder zumindest hat Ahmed das getan; dazu wurde persischer Ayran und – trommelwirbel – Fladenbrot gereicht.

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Das Disi schmeckte sehr gut – Gulasch ist ein recht treffender Vergleich. Im Anschluss dann noch die frischen Mangos, und wir waren alle miteinander satt und zufrieden. Es gab Tee, und wir unterhielten uns ausgiebig mit Ahmed, dessen Englisch zwar nicht so gut, aber ausreichend war: Das Leben im Iran, sein Job, seine Familie. Er hat mittlerweile Schwierigkeiten, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, da die Lebensmittelpreise klettern und klettern – aber er blieb frohen Mutes.

Da unser Rückflug auf der Rote-Augen-Skala einen sehr hohen Wert einnahm, wollten wir am späten Nachmittag wieder zurück ins Hotel, damit wir früh schlafen gehen konnten. Trotz Ablehnung bestand Ahmed darauf, uns zurückzufahren – vorher stoppten wir allerdings noch an einem Feld, wo er wohl des Öfteren hinfährt, um zu spazieren und nachzudenken. Der Ort war nichts besonderes, eine Art Feldweg neben besagten Feldern und einfachen Steingebäuden, die wohl zu den Höfen gehören – aber ich fand es nett, dass er so viele persönliche Dinge mit uns geteilt hat.

Auf der Rückfahrt passierten wir einen Schnellstraßenabschnitt mit unzähligen Landesflaggen, die wie zum Abschied im Wind flatterten.

teheran_schnellstrasse_flaggen.jpg

Vor dem Hotel sagten wir uns auf Wiedersehen; nach einer kurzen Pause auf dem Zimmer gingen wir allerdings nochmal raus – die Mission: Unsere letzten Rial loswerden. Zwar kann man diese wohl an einigen Stellen in Dollar oder Euros zurücktauschen, aber nur zu Verlustkurs, da der Iran so viel harter Währung wie möglich habhaft bleiben will. Außerdem war es ohnehin ein kleiner Betrag (< 15 €), das lohnte sich also doppelt nicht.

Ein paar Blocks vom Hotel fanden wir ein Obstgeschäft, wo es vorzügliche Datteln gab – das perfekte Mitbringsel. Des Weiteren ging es noch in einen Späti, wo +1 noch ein paar Süßigkeiten erstand. Uns fehlten umgerechnet 0,50 € um den Einkauf komplett zu bezahlen...der Besitzer willigte aber ein, uns eine Chipstüte vergünstigt zu überlassen, sodass wir mit 0 Rial in der Tasche und Obst, Datteln und Süßkram in der Hand glücklich zum Hotel stolzierten.

Nach dem Packen der Taschen ging es bei Einbruch der Dunkelheit schnurstracks in die Heier, um für den Rückflug gewappnet zu sein.


Abreise – Tag 10

Der Wecker klingelte um 2:30 Uhr – urgs, nicht wirklich meine Zeit. Etwas frisch machen, anziehen, Zimmer kontrollieren, dann ab in die Lobby, wo sich außer uns und einem Rezeptionist niemand befand. Folgende Flüge warteten auf uns:

[QR491] IKA ab 6:10 – DOH an 6:45
[QR081] DOH ab 07:50 – BER an 12:55

Der Taxifahrer traf kurz vor 3 Uhr ein, und nach Verladung des Gepäcks ging es los über die nahezu leeren Straßen Teherans. Auf der Autobahn Richtung Flughafen gibt es immer wieder riesige Schilder, die in den meisten Ländern Werbung zeigen – im Iran zeigen sie Ayatollah Khomeini, den Führer der islamischen Revolution, meist Seite an Seite mit Ali Chamenei, dem derzeitigen Staatsoberhaupt des Iran.

Trotz leerer Straßen waren wir ziemlich genau 60 Minuten unterwegs – nicht auszudenken, wie lange es wohl dauert, wenn man in der Hauptverkehrszeit mit dem Auto zum Flughafen möchte, der immerhin um die 55 km vom Stadtzentrum Teherans entfernt ist.

Bei Ankunft dann erstmal ein Unfall: Kaum hat unser Taxifahrer geparkt, fährt ihm der Vordermann rückwärts vorne rein – es gibt für 10 Sekunden einen kleinen Aufruhr, dann zucken alle mit den Schultern und es geht weiter wie gehabt. Da wir das Taxi vorbezahlt hatten, verabschiedeten wir uns zügig und betraten das schon etwas in die Jahre gekommene Terminal.

Im Flughafen herrschte das pure Chaos: Es gab irgendwie nur einen Eingang zum Check-in-Bereich, für den man durch eine Sicherheitskontrolle musste. Diese hatte wiederum zwei offene Durchgänge mit Metalldetektor und Röntgenmaschine, und es hatte sich eine lange Schlange gebildet, die sich dann in zwei teilte. Ein Gedrängel und Geschubse vor dem Herrn, und die Sicherheitskräfte waren entweder überfordert oder nehmen ihren Job nicht all zu ernst, denn unzählige Male piepte der Detektor, und Leute wurden einfach weitergewunken. Auch die Gepäcküberprüfung war Sicherheitstheater: Mir ist nämlich am Check-in aufgefallen, dass ich vergessen hatte, meine 1 l-Metallflasche zu leeren – hat niemanden interessiert. Aber wer weiß, vielleicht gibt’s die 100 ml-Regelung ja im Iran nicht mehr…

Danach lief dann alles seinen gewohnten Gang und es passierte nichts mehr erwähnenswertes; interessant war der „Duty Free“-Bereich, welcher zu den kleinsten gehört, die ich je gesehen habe – erinnerte mich an so manche Flughäfen auf den Inseln südpazifischer Staaten. Ein bisschen Süßkram, Parfüms, das war’s dann schon.

Der Flug nach Doha war unspektakulär, und in Doha war der Flugsteig mit dem Flieger nach Berlin wie immer schon sehr voll; sieben Stunden später sollten wir vor unserer Haustür stehen. Müde, aber glücklich – so eben war eine eindrucksvolle und spannende Reise zu Ende gegangen.

Abschließend noch ein paar Gedanken zum Iran als Land:​
  • Ich habe noch nie ein Volk kennengelernt, was seine Regierung derart verachtet. In bspw. Deutschland sind viele von uns ständig genervt von Unfähigkeit, Vetternwirtschaft usw. der heimischen Politiker; im Iran würden die meisten Menschen die fundamentalistische Regierung am liebsten komplett über den Jordan jagen. Leider einfacher gesagt als getan, siehe Proteste dieses und letztes Jahr
  • Gäbe es keine Sanktionen, könnte ich mir gut vorstellen, dass das Land innerhalb weniger Jahre zur wirtschaftlichen Großmacht in Nahost aufsteigen könnte – die Menschen sind gebildet und fleißig, es gibt Ressourcen und Industrie.
  • Ich muss die öffentlichen Toiletten mal hervorheben: Diese finden sich überall, sind oftmals sauberer als so manche deutsche Autobahnrastplatztoilette und haben immer (!) Seife und Wasser zum Hände waschen. Fand ich sehr angenehm, wenn die Hände mal wieder kleben oder man länger keine Gelegenheit hatte, diese zu waschen. Trinkwasser gibt es auch vielerorts aus Wasserspendern/Brunnen
  • Die Gastfreundschaft ist unglaublich und übertrifft nochmal jene, welche ich in Papua-Neuguinea und Vanuatu vor ein paar Jahren kennenlernen durfte
  • Es gibt eine ausreichende Infrastruktur für Touristen und viele Menschen sprechen ausreichendes Englisch – ich würde fast sagen, ein Reiseziel-Geheimtipp. Einzige Hindernisse (für den durchschnittlichen westlichen Touristen, der nicht Amerikaner, Kanadier oder Brite ist) sind der internationale Ruf des Landes und dass man das ESTA-Privileg für die USA bei Besuch verliert
Ich bedanke mich für’s Mitlesen und hoffe, es hat euch trotz der gegen Ende hin vergleichsweise wenigen Fotos gefallen. Bis zum nächsten Mal vielleicht!​