St Maarten – Miami - Chicago
Auch die schönsten Tage gehen irgendwann dem Ende entgegen und so ist es der letzte Morgen auf der Veranda des Summit Resort, den ich in Demut ob des Erlebten genieße. Irgendwann wird es Zeit und das Taxi bringt mich zum SXM Airport. Kaum zwei Stunden werde ich warten müssen bis die Vielfliegerwelt ein neues Kapitel für mich aufschlägt. Diese verbringe ich jedoch voll Dankbarkeit gegenüber den Möglichkeiten die mir das Leben bietet unsere Welt kennen zu lernen. Ich schweife ab....
American Airlines präsentiert eindrucksvoll wie nah die Welt an ihrem Untergang steht. Zumindest aber am Untergang des Abendlandes, des westlichen jedenfalls - oder so. Nennt es spätrömische Dekadenz, aber jede Hochkultur geht ihrem Ende entgegen, auch die Unsere.
Eingeläutet wird das Ende der Welt, in der Genuss und Wohlbefinden noch eine Rolle spielten, an Bord der Boeing 737 bereits vor dem Start mit der Auswahl des Mittagessens: Beef-Enchiladas oder Beef-Enchiladas, keine leichte Entscheidung. Gegen jeden Trend entscheide ich mich für Beef-Enchiladas, dies jedoch nur in Unkenntnis dessen was man mir servieren wird. Aber lassen wir dem Wahnsinn die Zeit die ihm gebührt (Und da stehen sie wieder in Zweierreihen an der Pommesbude und warten auf das, was ihnen... - das aber nur am Rande).
Ein letztes Mal winke ich den glücklich Dagebliebenen, die sich gleich in den Zaun krallen werden, damit ihnen unser Abgasstrahl das Hirn karamellisiert, und schon geht es auf in die Lüfte. Dorthin wo die Menschheit zeigen kann wie nah sie der Schöpfung ist, wo man sogar über den Vögeln schwebt und die Ingenieurskunst eindrucksvoll beweist wozu wir im Stande sind. Der Traum des Ikarus, Otto Lilientahls, der Wright-Brüder und so vieler mehr wurde wahr, in der Luft, dort wo der Mensch noch Mensch sein darf, und dort wo man sich früher mit Geld noch etwas kaufen konnte.
Der erste Akt meines 400. Fluges lässt Gutes vermuten: Warme Nüsse, warum kann sich die Flughansa nicht mal so was abschauen? Bitte liebe Flughansa, wenn ihr was abschaut, dann aber auch NUR das!
Unbeeindruckt meiner kurzen Euphorie wird das nächste Kapitel eingeläutet: Es gibt geschredderte Reste vom Rind in einer Pampe von Analgog-Käse, Analog-Reis und Analog-Weizen, eingebettet in digitaluhrfarbene schwarze Bohnen. Dazu reicht man einen Weißwein, der auf der Liste der Listen ganz oben steht – wenn man die Liste falsch herum hält. Dazu Salat und warme Laugenbrötchen mit gesalzener Butter, immerhin.
Wo sind sie hin, die Zeiten, in denen Genuss noch eine Anliegen und Gastgeben eine Tugend war, und in denen Airlines ihre Gäste verwöhnten, ihnen erlesene Speisen und Getränke servierten. American Airlines bezieht keine Vorreiterstellung auf dem Weg auch zahlende Gäste zu verprellen, wohl aber eine eindrucksvolle Position: Geschmacklich ist das Mahl mit nichts bisher gekanntem vergleichbar und beinah durch nichts zu unterbieten, draußen zeigt die Welt des blauen Planeten, der die Menschheit überdauern wird, eine ihre schönsten Seiten, beinah durch nichts zu überbieten:
Mit dem heutigen 400. Flug bin ich gut davor auch diesen Naturschönheiten ein Ende zu setzen.
Ob dessen was wir erleben bin ich geneigt diesen Schritt in Richtung des bevorstehenden Endes mit den Mitreisenden zu feiern, aber nicht mal Sunny ist gewillt in meinen Freudentaumel einzutauchen. Kein Wunder, hat er als Gnom nicht nur die letzten 500 Jahre überdauert, er wird auch die nächsten 500 Jahre in Gleichmut an sich vorbei ziehen lassen und sowohl die Industrialisierung des Planeten als auch den Wandel der Welt von einer Servicewüste in eine, wo wir nur noch Nahrungsmittelpillen einwerfen, weil wir das ganze nette Drumherum als nicht mehr notwendig ansehen, als einen Wimpernschlag der Geschichte abtun. Seine Aussage: Auf so einem kurzen Flug brauch ich nichts zu Essen, meine Erbse kann ich mir auch am Flughafen kaufen! Ein warmer Cookie der so fett ist, das weder Kalorien noch Kohlehydranten darin Platz finden gibt einen Ausblick und rundet das Bild ab.
Sunny widmet sich derweil Wetterbeobachtungen - wie eigentlich immer.
Ich nehme noch einen letzten Schluck vom Fusel und amüsiere mich kurz über meine Sitznachbarin, die in der USA-Today einen Artikel über glutenfreie Kost studiert, bevor ich - ob des Wohlbefindens - in eine Welt eintauche, von der die Mitreisenden vermutlich nicht in ihren kühnsten Träumen zu träumen wagen.
Kaum vorstellbar erscheint in diesem Moment, dass ich diese Erfahrung heute gleich zwei Mal machen darf. Aber nach der Landung in Miami geht es kurz das Gepäck neu aufgeben und dann in die zweite Runde: Die Boeing wieder vom Typ 737, die gleiche Einrichtung heißt jetzt First und die Lasagne steht noch zur Wahl. Wie von meinem Sitznachbarn geheißen wähle ich diesmal den roten Rebensaft und bin angenehm überrascht. Vielleicht besteht ja doch noch Hoffnung? Zwischen Tallahasse und den letzten 12 Flugminuten befreit mich der Friede meiner inneren Welt von der klimatisierten kalten Äußeren, und ich stelle mir noch die Frage, warum ich weder mit Reisen noch mit Satire mein Geld verdiene, aber das ist dann wieder ein ganz anderes Thema.