COUCHSURFING in Japan - März 2025

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Notausgang

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18.03.2023
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Guuuuten Abend!

Nachdem ich hier viele viele Reiseberichte gelesen und genossen habe, möchte ich auch von meiner letzten Reise berichten. Ich bin letzten Monat für 3 Wochen nach Japan zum Couchsurfen* geflogen. Das ist irgendwie langweilig, weil gerade gefühlt jeder nach Japan fährt, aber auch richtig spannend, weil Japaner nicht mal ihre eigenen Freunde allzu regelmäßig ins eigene Wohnzimmer lassen (man geht dann wohl eher auswärts essen). Und es ist spannend, weil ich dadurch kaum Touri-Attraktionen, aber viel mehr nischige Sachen sehen konnte. Aus meiner ersten Couchsurfing Reise wurde schnell die beste Reise bisher (nach 25 Ländern) - ich hoffe ihr versteht im Laufe des Berichts warum.


(*Couchsurfen: Name für Online-Plattform und gleichzeitig Konzept, bei denen man Fremden eine Couch (o.ä.) kostenlos zum Nächtigen anbietet. Sinn ist der kulturelle Austausch, die meisten Host sind auch selbst Surfer)

Kurz Meta-Infos, bevor es richtig los geht:
3 Wochen, Regionen Tokyo & Kansai (Osaka/Kyoto). Flug war LH714/715 MUC<->HND für angenehme ~1000€.
Werde so viel Einblicke wie möglich geben, später auch in die genauen Kostenpunkte der Reise (für Nachahmer).

Abschnitte:
6.-8. März - Nackenschmerzen - Hinflug / Tokyo
8.-11. März - Kaiserschmarrn auf Japanisch - Tokyo

11.-13. März - Nächtliche Klappstuhl-Bier-Romantik - Osaka
14.-18. März - Catan, Kyoto und ein Holzmeister im Wald (Und Toilettenprobleme)
19.-22. März - Bars, Karaoke, Alkohol, mehr Schallplatten
23.-26. März - Baseball (Tokyo Giants), mehr Bars/Karaoke, Sonnenuntergänge und Rückflug



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Juhu!
 
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Notausgang

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18.03.2023
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6./7./8. März - Nackenschmerzen

Ich war Ende 2023 schonmal in Japan. Damals mit einem sehr guten Freund, war halt einfach ein Zielland auf unserer Liste. Klassische Touri-Tour, Tokyo, Osaka, Hiroshima, Kanazawa. Ich fand das japanische Alphabet schon eine ganze Weile cool & hatte damals vorher noch die beiden Grundalphabete & die Zahlen gelernt. Das hat (logischerweise) fast nichts gebracht; aber als ich von dieser Reise auf dem Rückweg war, habe ich mir fest in den Kopf gesetzt, in 1-1,5 Jahren mit richtigem Japanisch zurückzukehren. Letztes Jahr Ende Mai hab ich dann angefangen, zwei dicke Bücher durchzuarbeiten und möglichst viel Youtube auf Japanisch zu schauen. Ich war ehrlich gesagt schon etwas aufgeregt, als es dann mit dieser Reise los ging, am Ende war das ja irgendwie auch eine Prüfung. Was, wenn ich ein unfähiges Opfer bin und trotzdem jedes mal den Übersetzer rauskramen muss? Immerhin hab ich das ja neben der Uni gemacht, mit nur so 30-60min Lernzeit täglich (insgesamt also irgendwas bei 230h)

Ach, und ich wollte unbedingt mal Couchsurfing probieren. Ich hab schon einige Surfer gehosted, aber das war das erste mal als Surfer für mich. Umso perfektere Gelegenheit übrigens, Sprachkenntnisse zu testen/üben!

Abflug
Da ich studiumsbedingt noch Wahlberliner bin und mein Flug ex München ging, bin ich am Vortag zu einem alten Schulfreund nach München gefahren. Am nächsten Morgen ging es dann auch relativ zeitig los. Abflug zwar 12:00, ich war aber nicht in Halbergmoos, sondern irgendwo in München Südwest.
Das war wieder eine der Reisen, wo mit Betreten des Flughafens dieses Kribbeln losging. Ist auch mein erster Lufthansa Flug seit langem, bestimmt 6-7 Jahre oder so. Und ich sollte (teilweise) enttäuscht werden! Aber das Terminal 2 in München ist wirklich ganz nett. Warum ist das FREE_WIFI_MUNICH eigentlich so schnell?

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Blablabla Flug abheben Reisehöhe etc etc das Standardprogramm. Ich fand es echt schön, bei Langlangstrecke (12-14h) mal wieder mit einer deutschen Crew unterwegs zu sein. Trotz Economy war der Service angenehm, aber v.a. der A350-900 war ein Traum. Viel Platz zum Stehen (hinten), scheinbar tolle Druckluftkabine (ich hab ultra-empfindliche Ohren) und allgemein bequem. Aber das Essen.. was ist denn das für ein Essen? Also ich sehe ja total, dass das Economy ist und habe wirklich keine Ansprüche gehabt (ist ja sogar eine Couchsurfing Reise). Aber das Frühstück (mit dem Spinat), das ist doch kein Rührei? Das sieht eher nach Kartoffeln aus. Wurde nach Flügen mit z.B. Etihad (siehe mein Profil, Flugessen-Postings) jetzt bei Lufthansa wieder zurück in die Economy-Realität geholt. Immerhin war der Sitznachbar angenehm, hab mich viel austauschen können.

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Irgendwann war ich dann in Haneda gelandet, Einreise, Gepäckabholung, Zug in die Stadt. Für die erste Nacht hatte ich mir ein Hostel (für zu teure 50€) genommen und erstmal mein Gepäck abgeladen. Es war noch Vormittags, richtig einchecken war also nicht. Auf die Frage, ob ich denn eventuell trotzdem in den Gemeinschaftsduschen duschen gehen könne - ich würde auch einen Obulus entrichten - wurde nur mit Kopfschütteln und "no no no no" geantwortet.
Also stand ich da, etwas verschwitzt und mit brutalen Nackenschmerzen. Geistesblitz! Es gibt doch diese Manga-Cafes! Also diese Comic-Läden, in denen man sich für ein paar Yen eine Kammer oder sogar Dusche für eine Stunde mieten kann! Also hab ich Wechselwäsche aus dem Gepäck genommen und bin in nächste Manga-Cafe gegangen. Hab dann einige hundert Yen (ein paar Euro) bezahlt und konnte zumindest duschen. Nackenschmerzen hatte ich immer noch.

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Für den ersten Tag zu ca. 14:30 war ich mit einem japanischen Studienkumpel verabredet, der die Semesterferien zufällig auch in seiner Heimat verbracht hat. Nach dem duschen war es 13 Uhr durch - auf meiner ToDo-Liste stand eigentlich nur noch eine Mahlzeit. Oh diese Nackenschmerzen! "Ok, bitte was, so krasse Nackenschmerzen hatte ich noch nie - ich suche mir jetzt eine Nackenmassage oder sowas. Oh schau an, da ist eine!". Bin da rein, hab nach 30min Nackentreatment gefragt. Und: Ich hab das komplett auf Japanisch gemacht! Das, und die darauf folgende Konversation, in der die ältere Dame am Tresen wissen wollte wie ich heiße, wo ich wohne, was ich arbeite und was ich hier sehen will. War fairerweise auch nicht wirklich sprachlich anspruchsvoll, waren ja immerhin eher Standardsätze. Und es ist nicht so, dass ich meiner Sprachkenntnisse selbstbewusst genug geworden war. Stattdessen war ich einfach leicht frustriert, jedes mal auf die Mitarbeiter zu warten, wenn sie hinter einem Vorhang verschwinden, um ihr Handy mit Google Translate (auf voller Lautstärke) rauszukramen. Die Massage war übrigens echt gut. Extrem schmerzhaft ("ja, stärke ist gut - nein, tut nicht weh - ja, ich mag tokyo - nein, ich bin nicht aus amerika"), aber danach hatte ich einfach überhaupt keine Schmerzen mehr. Juhu!

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Nach meiner ersten Mahlzeit in diesem Lande (hab einfach irgendwas genommen, so sah es dann auch aus ⬆️) hab ich mich mit besagtem Kumpel getroffen. Nachdem wir eine Weile durch die Straßen geschlendert sind und uns über die wirklich grauenvolle Pollensaison beschwert haben, sind wir Nudeln essen gegangen ("Tsukemen", siehe hier drunter). Das sind irgendwo so Dipnudeln, die man häppchenweise vom Teller nimmt und dann in die Suppe eintunkt, bevor man sie isst. Komplett verstanden hab ichs ehrlich gesagt nicht. Trotzdem: Das war das beste japanische Nudel-Suppen-Erzeugnis, was ich bis heute gegessen hab! War auch irgendein nischiger Laden, wo er wohl vor seiner Deutschland-Ära Stammkunde war.

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Er hatte noch eine Verabredung, ich war super müde, also bin ich in mein Hostel. "Wtf, was ist das für eine riesige Katze?". Und haha, der Fußweg von Shinjuku-Bahnstation zum Hostel ging in etwa 10min. Und das waren lange 10 Minuten:

"SIR! What are you looking for tonight?? Sex?"
"eyyyy yoooo my man, looking for some girls? 😉"
"hey do you want to have some fun tonight?"
"yoo wassup, looking for special massage? 😉"


Das, aber ungefähr 30 mal. Man stelle sich das beim Lesen mit stark klischeehaftem zentralafrikanischen Akzent vor.
Ich glaube, ich habe jetzt verstanden, warum der Kumpel mich ein paar Stunden zuvor so angegrinst hat und meinte: "und das war eine ganz normale Nackenmassage, ja? 😆". Ein paar Googlesuchen später kam die Erleuchtung: Mein Hostel ist in Shinjuku. Im Viertel Kabukicho. Das Top 1 Rotlichtviertel in Japan. Und das statistisch kriminellste! (Wahrscheinlich trotzdem ungefährlicher als so ziemlich jeder deutsche Bahnhof nach 0 Uhr). Und die afrikanischen Männer von vorhin sind beruflich Rotlicht-Anwerber, die wohl vor allem auf männliche Solo-Touristen aus sind. Juhu!

Wie dem auch sei - am nächsten Tag bin ich pünktlich 10:00 aus dem Hotelfahrstuhl in den Sonnenschein Tokyos getreten. Von den Anwerbern von letzter Nacht keine Spur. Ich hab am Vormittag für einen Kumpel noch ein paar Anime-Sachen (so Sticker und Pins und sowas) eingekauft. Überspringe ich hier mal, diese Anime-Läden waren aber auch eine leicht reizüberflutende Erfahrung. Vor allem, weil ich selber nicht so viel damit anfangen kann.

Im nächsten Abschnitt geht es weiter mit der Ankunft bei meinem ersten Couchsurfing-Host. Obwohl eher Plural: dreiköpige Familie, Mann, Frau, Kind. Anfang 30, Anfang 30, 8. Und weil ich schon wusste, dass die praktisch kein Englisch sprechen, wurde das nochmal extra spannend. Und ja, ich war sehr aufgeregt.

Juhu!
 

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Belpmoos

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30.11.2023
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BRN
Hört sich sehr interessant an, da les ich gerne mit! Bin gespannt auf deine Couchsurfing Erfahrungen.
Das erinnert mich an meine erste Japanreise vor 20 Jahren. Hatte da das Glück, 2 Tage bei einem japanischen Freund und seiner Familie verbringen zu dürfen. War eine super Erfahrung.
 
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Notausgang

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8.-11. März - Kaiserschmarrn auf Japanisch

Leicht gequetscht stand ich samt Gepäck dann irgendwann im Zug zur Bahnstation meines ersten Couchsurfing-Hosts. Übrigens ein guter Zeitpunkt, um über das Gepäck zu sprechen: Ich wusste, dass nur Handgepäckkoffer + Rucksack zu wenig wird, um später z.B. Schallplatten und andere Mitbringsel transportieren zu können. Gleichzeitig wollte ich bei Gastgebern aber auch nicht mit einem XXL-Touri-Schrank-Koffer in die Tür fallen, üblicherweise wird Couchsurfing eher mit leichtem Gepäck betrieben. Meine Zwischenlösung war schließlich ein Handgepäckkoffer + ein North Face Duffel Bag der Größe S (später noch zu sehen). Anders ausgedrückt: das Volumen zweier Handgepäckkoffer. Leider musste ich diesen Duffel Bag (da formähnlich einer Reisetasche) auf dem Rücken tragen, was in quetschigen Tokyoter Zügen schon leicht unbequem werden kann. Den anderen Fahrgästen habe ich damit auch keinen Gefallen getan, werde das zum nächsten Besuch wohl definitiv überdenken müssen.

Wie dem auch sei - die Familie hat in Ikebukuro gewohnt, direkt neben einer Bahnstation, die nur ca. 10min von Shinjuku & Shibuya (den beiden größten Bahnhöfen der Welt nach Passagieren) entfernt ist. Mega! Nicht so mega war mein Handyakku, der dank eSIM und ständiger Fotos die Prozente schneller runter ist als ich meine Gastgeber finden konnte. Hab also noch schnell geschrieben, dass ich an der Bahnstation warte und eine große gelbe Tasche auf dem Rücken habe. Nachdem ich ca. 5 Minuten mein Leben überdacht und jedem Japaner kritisch in die Augen geblickt habe (um zu erkennen, ob das die vom Couchsurfing-Profil sind), kam endlich die Erlösung in Form von 3 Menschen (~30, ~30, 8) und einer Powerbank. Nach den ersten Worten auf dem Heimweg (ja, tokyo war toll bisher - nein, ich bin erst gestern gelandet - ja, wir haben wirklich kein generelles tempolimit - ja, sonntags sind wirklich alle läden zu) wurde ich langsam warm mit der Sprache (Englisch war ja nicht).
Kurz darauf durfte ich mein Gepäck in meinem Zimmer für die nächsten Tage abstellen. Richtig gehört, Zimmer: Obwohl japanische Wohnung tendenziell eher (zu) klein sind und Couchsurfing nunmal nicht Roomsurfing oder Airbnb heißt, habe ich ein eigenes (wenn auch überschaubares) Zimmer mit Tisch, einem viel zu bequemen Bett und genug Platz für meine Tasche bekommen. Als Mitbringsel aus Deutschland hatte ich verschiedenste Sorten dieser Hitschies Drachenzungen dabei. Das sind so saure Gummitier-Streifen mit irgendwelchen Fantasiegeschmäckern. Die Tochter (8 Jahre) hat sich riiiessig darüber gefreut, glücklicherweise hatte ich vorher (von vorherigen Couchsurfing-Gästen bei derselben Familie) den Tipp bekommen. Direkt danach gab es Abendbrot. Fun fact: Abendbrot heißt auf Japanisch u.a. 晩ご飯 (bangohan), wörtlich übersetzt Abendreis :D

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Es gab Sukiyaki, eine Art Tisch-Hotpot mit Wagyu (oder wahlweise eben anderem Fleisch). Ich habe mich mit Fotos eher noch zurückgehalten, daher muss es eins aus dem Internet tun. Nach diesem wirklich grandios leckerem Abendessen und ein wenig Austausch über Leben, Arbeit, Studium, Zukunft und co. wurden mir vom Nachwuchs stolz die Spielesammlung präsentiert - darunter auch eingejapanischte Klassiker von HABA und AMIGO. Vor allem aber durfte ich mich im großen Jengaturnier mit der ganzen Familie messen (ich hab verloren). Ich wurde auch gefragt, was ich den konkret in Japan vorhatte. Die Wahrheit war: keine Ahnung, bisschen erkunden halt, die Leute werden schon Interessant genug sein. Das kann man natürlich nicht so sagen, glücklicherweise hatte ich aber für den Fall unerträglicher Langeweile eine lange To-Do-Liste an Tatigkeiten geschrieben, die ich mir auch Solo vornehmen könne. Die wollten sie natürlich prompt sehen und durch ChatGPT (als Übersetzer) jagen - und waren... begeistert?
Bis hierhin war meine Reise echt toll - und auch, wenn ich keine 48h im Land war, hat es sich so angefühlt, als wären es schon 3-4 Tage gewesen.

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Am nächsten Tag (ein Sonntag) ging es gegen 8 Uhr morgens los nach Hajioji - ein Ort am Rande von Tokio, der international für fast gar nichts bekannt ist (und teilweise auch so aussah). Uns sollte dabei ein religiöses Feuerfest erwarten, sowas wie ein japanisches Osterfeuer. Auf die Frage, ob sie denn gläubig sein, wurde mit einem Lächeln abgewunken, das Feuerfest hätte aber online cool ausgesehen (hat es wirklich).
Bevor das passiert ist, ging es aber auf eine überschaubare Bergwanderung von ca. 2 Kilometern, die wir in stolzen 70min geschafft hatten (haha). Der Ausblick von oben war sogar so schön, dass ich auch hier wieder vergessen habe, Fotos zu machen. Das große Feuerfest war allerdings schon bald, daher mussten wir ein wenig schneller runterkommen, als wir hoch sind. Kein Problem: Irgendjemand hat an diesen Hügel einen Doppelmayr-Frankenstein-Economy-Sessellift konstruiert, der uns für 5€ und ohne Sicherheitsbügel in wackeligen 3 Minuten ins Tal zum Feuerfest befördert hat. Dieses Feuerfest lies dann allerdings doch etwas auf sich warten - und nachdem uns bewusst wurde, dass dem ganzen eine Gebet von 1-2h Vorauseilt, wurde sich schleunigst meiner To-Do-Liste gewidmet. (Halloooo, Leute, das war nur für Notfälle, bitte fühlt euch jetzt nicht verpflichtet meinen Scheiß mitzumachen)

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Ein Punkt auf meiner Liste war Sushiro - eine Kette für günstiges Fließbandsushi mit genug Filialen, dass die nächste nur ca. 20min entfernt war. Das war auch super lecker und so, aber in mir hat sich schon etwas die Sorge breitgemacht, dass sich die drei jetzt irgendwie verpflichtet fühlen, mir meine Wunschliste zu erfüllen. Da hatte ich eine andere Idee: Ich koche etwas. Etwas, was bei uns regelmäßig als Hauptspeise & Dessert gegessen wird: Kaiserschmarrn. Begeisterung. (Habe ich noch nie gekocht, aber das schien wie ein solider Kompromiss aus Zutatenmangel und geschmacklicher Kompatibilität). Nachdem wir uns also auf eine erstaunlich lange Suche nach Puderzucker und Rosinen gemacht hatten, ging es Zuhause ans Werk. Ich hab die Hoheit über die Küche übertragen bekommen, die Tochter wollte natürlich mithelfen. Das war soweit auch kein Problem, aber die Tochter spricht nunmal Japanisch. Das Rezept, was ich offen hatte, war Deutsch. Und ich hab gleichzeitig eben zum ersten mal Kaiserschmarrn gekocht.

Als wir die Eier getrennt und verrührt hatten, kam als nächstes der Zucker rein. Nachdem sie stolz die befohlenen 190g in die Schüssel gekippt hat (die Eltern haben aus dem Wohnzimmer leicht verwirrt und gespannt in die Wohnküche geblickt), musste ich stocken: "Oh nein". Die 190g bezogen sich natürlich auf das Mehl, nicht auf den Zucker - hatte ich aber falsch übersetzt (und auf den identisch aussehenden Zucker/Mehl Packungen auch nicht weiter erkannt). Nachdem ich meine innerliche Krise (und Peinlichkeit) überwunden hatte, ging es für mich nochmal zum Supermarkt. 6 Eier. Packung Zucker. Diesmal richtig. Eier trennen. Schlagen. Alles reingeben und mischen. Uuuuund in die Pfanne! Juhuu! Jetzt kann ja nichts mehr schief gehen - dachte ich.
Habt ihr schonmal Eier in einer Eisenpfanne ohne Beschichtung gekocht? Ich war komplett an meine schöne beschichtete Fissler-Pfanne gewöhnt und habe einige Augenblicke gebraucht um zu realisieren, dass ich gerade einen Ei-Teig in einer Eisenpfanne brate. Joa, long story short, das wurde natürlich nichts, das Ei ist unten trotz reichlich Öl die ganze Zeit angebrannt und oben flüssig geblieben. Am Ende kam etwas heraus, was eher an ein schlechtes Rührei erinnert: (Ja, da ist Puderzucker drauf)

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Ich habe gebetet, dass diese Familie noch nie echten Kaiserschmarrn gesehen hat. Ich konnte mit der Demütigung meiner Kochkünste zwar leben, viel mehr beschäftigt hat mich aber, dass ich dieser großzügigen und super lieben Familie etwas serviert habe, was so selbst die Lufthansa Economy unterboten hat. ABER! Aber aber aber! Es hat erstaunlich gut geschmeckt. Die Zutaten waren am Ende immerhin die gleichen und ein wenig Kruste hatte es dank der Pfanne geschmacklich auch noch. Ein Teil davon wurde der Tochter als Schulsnack für den nächsten Tag eingepackt (die arme).

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Nachddem die Tochter irgendwann baden und ins Bett ist, wurde mit "Kirin Grapefruit" aus der Dose angestoßen. Das ist tatsächlich ein Getränk, was ich schon länger mal probieren wollte. Ist wie Schöfferhofer Grapefruit, nur mit mehr Brause, weniger Grapefruit und deutlich mehr Alkohol. Daran, dass man sich dort beim Anstoßen nicht in die Augen schaut, muss ich mich echt noch gewöhnen. Auch daran, dass ich die nächsten 2,5 Wochen wesentlich mehr Alkohol als sonst trinken würde - normalerweise stoße ich 4-5 mal im Jahr auf etwas Besonderes an, nicht 4-5 pro Abend.

Montag, 9 Uhr, Sonnenschein, ich bin super ausgeschlafen und glücklich. Der Hausherr ist auf Arbeit (auf der er dann auch erstaunlich lange blieb), die Tochter in der Schule und die Frau hat Homeoffice gemacht. Ich habe mich - bevor es nach Shimo-Kitazawa ging - daneben gesetzt und eine Bewerbung für ein Sommerpraktikum in Hong Kong geschrieben (die zu meinem Glück inzwischen auch durchging, Flugbuchung steht dann auch bald an). Sie hatte mir nebenbei von ihrer anstehenden Europareise erzählt: Sie und die Tochter wollen nach Barcelona, Venedig, Frankreich - und: Berlin! Na Mensch, was für ein Zufall. Da sie Frankfurt->Berlin noch keinen Zug und Berlin->Venedig noch keinen Flug gebucht hatten, habe ich mich als selbsternannter Flugzeugliebhaber natürlich direkt zum Dienst gemeldet und die Europaneulinge beraten. Was den Flug betrifft: Am Ende wurde es Ryanair, weil das die einzige Direktverbindung zwischen Berlin und Venedig ist. Ja, ich habe sie vorgewarnt - die Freude über den günstigen Preis trotz Kind und großem Rimowa-Aufgabegepäck hat aber deutlich überwogen. Wir haben uns dann noch eine Weile über Lebensziele etc. unterhalten, bevor es für mich los ging nach:

Shimo-Kitazawa. Die Second-Hand und Schallplattenhochburg im Raum Tokyo. Und der Ort, an dem ich mir erhofft habe Trance-Schallplatten (Trance = eine bestimmte Musikrichtung elektronischer Musik) zu finden. Das ist in Läden in DE gefühlt unmöglich, dort wird man lediglich von Jazz und den Beatles erschlagen. Mit großer Hoffnung bin ich also in einen Laden nach dem anderen und hab wie ein Roboter die Regale gescannt. Und Tatsache: "Disk Union" hatte Trance-Schallplatten. Eine beachtliche Auswahl sogar. Der Haken: Ich werde ja noch 2,5 Wochen durch Japan reisen, da will ich ja nicht jetzt schon 10 Stück mitnehmen. Also habe ich erstmal eine mitgenommen und mich wie ein kleines Kind gefreut. (Habe die inzwischen übrigens auch gehört und bin nicht enttäuscht)

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Nachdem ich mich noch in Hardwareshops nach günstigen Wiis (Nintendo Wii, diese Konsole aus den 2000ern mit Bewegungssteuerung) umgeschaut hatte, ging es zurück zur neuen Heimatbasis in Ikebukuro. Auf dem Heimweg habe ich dann noch einen Zwischenstopp im Supermarkt gemacht, um mehr Getränke zu kaufen, ich habe mich am Vortrag schließlich auch bei denen bedient. Das ganze hin- und hergefahre hat erstaunlich viel Zeit gefressen, so war es draußen schon langsam dunkel geworden und die Tochter war aus der Schule zurück. Nachdem mir stolz die Spiele auf der Nintendo Switch präsentiert wurden, gemeinsam Abendbrot gekocht / gegessen wurde und ich ein paar Bilder aus Deutschland gezeigt habe, ging es auch schon ins Bett. Also für die Tochter. Die Gastgeberin und ich haben uns mit einem weiteren Grapefruit-Sprudelalkoholgetränk auf die Couch gesetzt und über unsere liebsten japanischen Youtube-Kanäle ausgetauscht (da gab es tatsächlich eine Schnittmenge). Nachdem wir uns eine Weile über Gott und die Welt unterhalten hatten, saß ich da auf der Couch, mit der dritten oder vierten Dose in der Hand. Und ich hab nachgedacht. Vor allem darüber, wie gut mein Japanisch denn nun eigentlich ist. Scheinbar ja gar nicht so übel; ich bin hier unter Japanern und kommuniziere seit 3 Tagen nur auf Japanisch und bisher komplett ohne Google Translate. Natürlich verstehe ich viele gesprochenen Wörter überhaupt nicht; und natürlich sind manche Umschreibungen komisch (ich musste z.B. aus Miete dann "Haus-Bezahlung" machen, als es um Mietpreise in Tokyo und Berlin ging), aber irgendwie hat es ja halbwegs geklappt. Das war ein tolles Gefühl. Hatte ich so zum ersten mal und werde ich nicht so schnell vergessen. Mit steigendem Alkoholpegel sind mir dann auch Wörter und Sätze rausgerutscht, bei denen ich erst nach dem Aussprechen verstanden habe, was ich gesagt habe (und dass das gar nicht so schlechte Antworten waren). (Das war dann schon etwas verwirrend).

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Irgendwann kam dann der Mann auch nach Hause (japanische Arbeitskultur und so, war schon Mitternacht durch) und nach einem weiteren Highball (Longdrink) hab ich mich an meine Couchsurfing Anfragen erinnert. Da ich noch nicht für alle Tage Gastgeber hatte (genau genommen für keinen einzigen der kommenden Tage), hatte ich am Morgen ein paar Anfragen an potenzielle Gastgeber verschickt. Als ich gerade mein Handy rausholen wollte, wurde ich gefragt, wo ich denn später in Tokyo bin, also ob ich ein Hotel gebucht habe oder wie das läuft. (Kontext: ich fahre am nächsten Tag zwar nach Osaka, verbringe die letzte Woche aber auch nochmal in Tokyo). Ja, antworte ich, ich habe tatsächlich für ein paar Tage Hotels gebucht, aber nur als Backup. Eigentlich steht Couchsurfing auf dem Plan, da warte ich noch auf Antworten.

Sie: キャンセルできる? (Kannst du [die Hotels] noch stornieren?)

ich: そう (Ja, schon)

Er: キャンセルして!(Dann mach!) (mit einem Grinsen)


Ich hab in dem Moment natürlich schon verstanden, dass sie mir gerade anbieten, einfach nochmal vorbeizukommen, aber ich war mir irgendwie nicht 100% sicher. Also hab ich kurz überlegt, wie ich das weiter formuliere... und hab gefragt, wie sie das meinen. Sinngemäß: "Ja, wenn du eh in Tokyo bist und noch keine Verabredung mit einem anderen Host hast, dann komm doch einfach wieder vorbei!". Ich hab mich in dem Moment riiessig gefreut. Das ist auf so einem kurzen Reiseberichtstext gar nicht so leicht rüber zu bringen (vieles lasse ich ja auch aus), aber die 3-4 Tage bei denen waren echt mega schön. Dann auch noch angeboten zu bekommen, später nochmal eine Woche vorbeizuschauen, war mega. Wie kann das alles so gut laufen? Ich hätte auch 3 Wochen alleine in irgendeinem Hotel hocken können.


Am nächsten Morgen ging es dann aber erstmal (zum ersten mal) nach Osaka. Oh, und mir ging langsam die saubere Wäsche aus. Mehr dazu im nächsten Abschnitt ;)
 
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Oliigel

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02.03.2019
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Super Reisebereicht bisher! Vielen Dank! Japan hatte ich bisher null auf der Liste, scheint aber mega interessant zu sein.

Leider haut Couchsurfing bei mir zeitlich nichtmehr hin und meinen letzten Gast hatte ich vor über einem Jahr, Kaiserschmarrn gabs bei mir aber bestimmt auch schon dreimal, wenn jemand hier übernachtet hat (y)
 
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Notausgang

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11.-13. März - Nächtliche Klappstuhl-Bier-Romantik

Dienstag
. Hochmotiviert stehe ich gegen 8 Uhr auf und verabschiede Gastgeber samt Tochter, die auf dem Weg zur Arbeit/Schule sind. Danach lege ich mich wieder schlafen.

Dienstag. Hochmotiviert stehe ich nochmal um 12 auf, gehe ins Bad, packe meine Sachen und verabschiede mich herzlichst von der Gastgeberin. Auf dem Weg zur Tokyo Station (Hauptbahnhof) suche ich mir einen geeigneten Minimarkt, um mich für die bevorstehende Shinkansenfahrt mit Nahrungsmitteln einzudecken. Als ich dann endlich im Bahnhof ankomme, steht mir aber erstmal eine Warteschlange bevor. Vor dem Ticketautomat. Was? Also entweder habe ich etwas missverstanden, oder das kaufen von Shinkansen-Tickets geht nur am Automat vor Ort, nicht etwa über eine Handyapp oder so. Man kann noch seine Mobilitätskarte (eine Art Prepaid-Kreditkarte mit lustigen Bildchen drauf) nutzen, um direkt in den Zug zu steigen, aber dann eben ohne Sitzplatzreservierung. (Ich hoffe ich hab da etwas falsch verstanden, das kann doch im Leben nicht wirklich nur so rückständig gehen; gerne korrigieren). Aber hey: Nach 15min anstehen habe ich mein Ticket und darf zum Gleis pilgern, mich in die erstaunlich früh geformte Schlange stellen und dann irgendwann in den Zug einsteigen. Und ganz ehrlich: Mir wäre ICE fahren lieber - selbst mit einem, der 30min Verspätung hat. Selbst dann würde ich nämlich wesentlich weniger Zeit am Bahnhof verbringen, weil man bei uns eher so 5 Minuten zum Gleis braucht (gut, in Extremfällen wie Zürich oder Stuttgart auch mal länger), ich aber bereits seit einer Stunde durch den Tokyoter Bahnhof watschle. Und ja, ICEs fahren (je nach Region) auch über 300.

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Naja gut, wir wollen mal nicht nur meckern - vor Reiseantritt habe ich mir ein "Ekiben" geholt, also eine Frühstücksbox mit Reis und allerlei Schickschnack (war aber schon lecker). Im Zug selber war es außerdem traumhaft ruhig. Nachdem ich 2 Stunden lang gelesen habe, was gerade in Europa und Amerika abgeht (was zum Teufel), kam ich an in:

Osaka. Das New York von Japan? Vielleicht auch nur das Düsseldorf? Gibt es sowas?
Die Bahnahnsagen waren jedenfalls wesentlich enthusiastischer als die in Tokyo, fast, als hätte die Synchronsprecherin richtig Lust auf ihren Beruf gehabt. Was mir auch direkt auffällt ist der erstaunlich hohe Frauenanteil in Osaka. Wenn ich mich da so in der U-Bahn umsehe, sind das ja fast alles Frauen. Und die Männer sehen eigentlich auch aus wie Frauen. Verrückt.

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Ooohhh och nööööö
- das musste doch jetzt wirklich nicht sein; schnell weg hier. Sorrymasen, Gomennasorry, kommt nicht wieder vor, ich gelobe Besserung

(was habe ich denn die Tage für eine Tollpatschsträhne?)

Eingecheckt ins APA-Hotel meiner Wahl (Booking.com, Sortierung nach günstigste, dann das erste mit Privatsphäre und mehr als 5qm rausgesucht) habe ich erst einmal meinen Wäschebestand überprüft. Ja ja, ich weiß, Couchsurfing und so, aber ich will meinen Gastgebern nicht mit meiner Wäsche auf die Nerven gehen, daher mach ich das in einer Hotelnacht zwischendrin. Ich hatte definitiv genug Schmutzwäsche gesammelt, dass sich das Waschen lohnt - also hab ich alles in eine große Plastiktüte gefüllt und bin 10 Minuten zur nächsten Coin-Laundry (= Waschsalon) gestiefelt. Als ich gerade meine Wäsche reinfüllen will, bin ich dann aber doch etwas irritiert: wo stellt man denn hier die Temperatur ein?

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Bin ich zu doof zum Lesen? Als mir selbst Google Übersetzer nicht helfen konnte, habe ich dann einfach mal bei der groß angehefteten Support-Nummer angerufen - ich wollte ja nicht, dass mir meine ganze Wäsche auf 90 Grad durchgebrüht wird und einläuft. Geht keiner ran. Ok, nochmal mit Japanischer Vorwahl; geht auch keiner ran? Und warum schauen die mich von draußen alle so komisch an?

Einige Google-Suchen später kam dann die Erleuchtung: In Japan wäscht man kalt. I n J a p a n w ä s c h t m a n k a l t . Mit Kaltwasser. Nicht 60 Grad, nicht 40, nicht 30 nicht 20 - Kalt. Hääää??? Das ist doch mega unhygienisch? (Später finde ich dann heraus, dass man üblicherweise einen Haufen Chemikalien reinknallt, um Bakterien etc. abzutöten).
Nachdem ich 40 min online zu japanischen Waschmaschinen gelesen habe, ist meine Wäsche auch schon fertig. Also stapfe ich die 10min mit einem - kaltem - Wäschehaufen zurück zum Hotel und mache mich ans Aufhängen. Das war dann auch recht schnell getan, ich hatte schließlich vorgesorgt und mir eine Reisewäscheleine besorgt: (aufgespannt von Kleiderhaken bis Fenster)

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Da sieht man übrigens auch besagtes Gepäck (nicht vom Rucksack irritieren lassen, der wird bei Ortswechseln in der gelben Tasche verstaut).
Klimaanlage auf hohe Stufe und ab ins Bett. In dem Moment war ich zufrieden. Unterstimuliert - ich hatte heute nichts anderes gemacht außer Zug fahren und Wäsche waschen - aber zufrieden. Und irgendwie habe ich in der knappen Woche genug erlebt, damit ich auch jetzt schon wieder zufrieden nach Hause fahren könnte. Und hey, es kommen ja noch zwei!

Fairerweise wusste ich da noch nicht, dass ich am nächsten Morgen eine Stunde meine Wäsche fertigföhnen durfte. Weder Nacht noch Klimaanlage hatten genug für die Lufttrocknung getan. Nachdem das erledigt war, ging es weiter in ein Hostel. Ich hatte beschlossen, nicht ausschließlich Couchsurfing zu machen, sondern auch mal einige Tage mit einem anderen Deutschen herumzureisen, den ich auch zufällig über die Plattform gefunden hatte. Wir hatten uns 2 Nächte in das Hostel eingebucht (24€ die Nacht) und für den Abend verabredet. Das Hostel war wirklich sehr gut, ich bin eigentlich auch kein Hostelfan, das soll also schon was heißen. Bis zum Abend hatte ich aber noch ungefähr 10 Stunden, also ging es nach Nipponbashi - einer absolut touristenüberfluteten Meile an Konsumtempeln mitten in Osaka. Das hat dann auch die Suche nach einer Frühtücksoption erheblich erschwert. Ich hatte Lust auf ein japanisches Nudel-Suppen-Erzeugnis. Das gab es auch, touribedingt aber für den doppelten Preis (15-20€) wie üblich (7-10€). Die Läden sahen zwar alle schön aus, aber genau deswegen auch extrem unauthentisch und viel zu touristisch. Also bin ich in einer Seitengasse nach der anderen, um genau das zu finden, wovor ich am Ende stand: Ein kleiner, enger Laden, in den man durch die riesigen Vorhänge kaum durchschauen konnte. Und kein einziges lateinisches Zeichen irgendwo in Sichtweite. Suuuper!

いらっしゃいませ‼︎
(willkommen!!)


Der Ramen-Chef deutet vorsichtig in Richtung Bestellautomat. Habe ich jetzt leider kein Bild von, ist aber einfach ein großer Kasten, wo man oben Geld reinwirft, ein Gericht (ohne Bilder) auswählt und am Ende ein kleinen Bestätigungszettel und Wechselgeld bekommt. Ich habe dann das Gericht genommen, von dessen Namen ich die meisten Zeichen entziffern konnte, und habe mich an den leeren Bartresen gesetzt. Na da bin ich ja mal gespannt.

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Das hat .. erstaunlich gut geschmeckt! Und für 5€? Inklusive Wasser? Inklusive Trinkgeld (weil man in diesem Land keins gibt)? Daran könnte ich mich gewöhnen. Vor allem aber sollte ich öfter in kleine, ausladende Geschäfte in der hintersten Ecke gehen. Der Ladenbesitzer ist nicht allzu gesprächig, verbeugt sich bei meinem Verlassen aber wirklich erstaunlich tief und bedankt sich ebenfalls.
Danach bin ich noch ein bisschen über diese Neonmeile gelaufen, war jetzt aber wirklich nicht allzu spannend. War ehrlicherweise mehr Reizüberflutung als alles andere. Irgendwann habe ich dann nochmal Hunger bekommen und zum ersten mal Gyudon (Eine Schale mit Reis und Rind, darüber meist ein rohes Ei) gegessen. Das Schnellrestaurant hatte eine interessante Anordnung - hatte ein wenig so gewirkt, als wollte man explizit nicht, dass Augenkontakt zwischen Kunden entstehen könne.

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Später bin ich zurück zum Hostel - meine Reisebegleitung war auch eingetroffen. Nachdem er sein Gepäck abgestellt hatte, haben wir uns an einen Tisch gesetzt und ausgetauscht, wie denn die letzten Tage und Wochen denn so waren. Er war schon seit 2 Monaten in Japan, einen davon hat er bei einer japanischen Familie verbracht. Nach ein wenig Politik beschlossen wir, dann doch nochmal ein Abendbrot zu suchen und landeten schlussendlich bei diesem Festmahl:

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Am Tag darauf sind wir ca. 20km quer durch Osaka gelaufen. Wir haben das Osaka Castle gesehen, dann aber beschlossen, dass die Ansicht von außen reicht - und wollten dann zum Wasser pilgern. Das haben wir - dank einer wirklich super platzierten Baustelle - leider dann nicht mehr geschafft, aber immerhin hatten wir ausgiebig Gelegenheiten zu diskutieren, ob die Ampeln grün oder blau sind. In Japan sind manche/einige/viele/wenige/keineAhnung Ampeln tatsächlich deutlich bläulicher als unsere - und in der japanischen Sprache sagt man auch "es ist blau, wir können", selbst wenn die Ampel eine Deutsche und damit ganz klar grün ist. Das kommt zusätzlich wohl auch daher, dass man im Japanischen früher nicht zwischen grün und blau unterschieden hat; ähnlich, wie die Russen zwischen zwei Blaus unterscheiden, wir aber eben nicht.
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Oh, und auf dem Weg wurde der eine oder andere Schallplattenladen entdeckt. Mal wieder mit einer wesentlich besseren Auswahl als aus der Heimat bekannt - und ja, ich konnte nicht widerstehen :)
Nach einer weiteren Reis-Rind-Schale wurde es draußen langsam dunkel; wir haben uns im Minimarkt noch ein Dosenbier sowie zuckrige Snacks besorgt und sind langsam zurück ins Hostel, um uns mit Klappstühlen aufs Dach zu hocken.

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Die Atmosphäre war schon echt schön - leichtes Rauschen der Stadt im Hintergrund, klassische Klappstuhl-Bier-Romantik, frische Luft und ein neues Land, das ich gerade erst so richtig angefangen habe zu erkunden. Toll.

Er: "Light pollution ist schon echt krass"

Ich: "Was meinst du?"

Er: "Naja schau dir das doch mal an.. das leuchtet als wäre es erst abends. Wie viel Uhr haben wir?" [23:44]


Er hatte mir dann noch mehr von der Familie erzählt, bei der er war. Ich habe währenddessen umso mehr das Gefühl verstanden, was ich seit dem Verlassen der Couchsurfing-Gastgeberfamilie in Tokyo hatte; Klar, ich hatte mich mit denen einfach richtig gut verstanden und es hat zeitlich und persönlich einfach vieles gepasst, aber da war noch mehr. Zum einen war da auch die Tatsache, dass ich bis kurz vor Reiseantritt eine sehr fordernde Klausurenphase hatte und das jetzt echter Urlaub war. Zum anderen aber.. wie selbstverständlich (für ein paar Tage, am anderen Ende der Welt) in einer so harmonisch wirkenden Familie als Gast aufgenommen zu werden, hat mich viel mehr aus der Bahn geworfen als erwartet.

Okay reicht. Danach sind wir schlafen gegangen, haben uns entschlossen unseren Aufenthalt in Osaka nicht zu verlängern und haben und mental darauf vorbereitet, am nächsten Tag nach Kyoto zu fahren - für den für mich unerwartetsten Teil der Reise. Mehr dazu morgen ;)
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Das erinnert mich an meine erste Japanreise vor 20 Jahren. Hatte da das Glück, 2 Tage bei einem japanischen Freund und seiner Familie verbringen zu dürfen. War eine super Erfahrung.
Das glaube ich :D Vor 20 Jahren sah's ja bestimmt auch nochmal wesentlich weltfremder aus als heute?

Danke!

Leider haut Couchsurfing bei mir zeitlich nichtmehr hin und meinen letzten Gast hatte ich vor über einem Jahr, Kaiserschmarrn gabs bei mir aber bestimmt auch schon dreimal, wenn jemand hier übernachtet hat (y)
Ich hoffe, dass der dann aber besser aussah ;)
 

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