Heute in der Sonntagszeitung
Der renommierte Luftfahrtingenieur Peter Frei kritisiert die Untersuchungen zum Absturz der Ju-52 am Piz Segnas scharf
https://epaper.sonntagszeitung.ch/#article/10000/SonntagsZeitung/2020-11-08/8/118044859#ath
“...Scharf kritisiert Frei die Aussage im vorläufigen Schlussbericht der Sust, dass es aufgrund einer «gefährlich tiefen Fluggeschwindigkeit» zum Unglück gekommen sei. Der Spezialist bezeichnet diese Aussage gar als eine «unhaltbare Behauptung». Solche Sätze im Abschnitt «Direkte Ursache» seien «falsch und skandalös». Derartige Formulierungen würden «rein gar nichts» zur Verbesserung der Flugsicherheit beitragen. «Sie sind eine Ohrfeige für alle Hinterbliebenen der Passagiere und Piloten.»
Gemäss Freis Hypothese handelt es sich bei der Unfallursache um eine andere Verkettung von Parametern. Das Flugzeug sei formell und materiell nicht lufttüchtig gewesen, hielt die Sust im vorläufigen Bericht fest. Die Maschine hätte also gar nicht fliegen dürfen, fasst Frei zusammen. Fatal für die beiden Piloten war, dass die offiziellen Unterlagen zur Schwerpunktberechnung der Junkers-Ju-52-Maschine falsch gewesen seien. «Das Flugzeug flog mit einem Schwerpunkt zu weit hinten, im verbotenen Bereich», fasst Peter Frei seine Erkenntnisse zusammen.
Im Sust-Bericht sei ersichtlich, dass die Lage des Gepäckabteils in den Weight&Balance-Unterlagen mit einem zu kleinen Hebelarm eingezeichnet gewesen sei. Die Piloten hätten mit diesen offiziellen - aber fehlerhaften - Unterlagen einen Schwerpunkt im zulässigen Bereich berechnet. «Sie konnten aber nicht wissen, dass der effektive Schwerpunkt deutlich hinter der zulässigen Limite lag.»
Beim Eintritt in den Talkessel könnte das Unglück deshalb seinen Lauf genommen haben: «Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind beim berühmten Martinsloch Passagiere nach hinten zum Fenster der Einstiegstür gelaufen, um eine bessere Sicht zu haben», beschreibt Frei die letzten Minuten vor dem tödlichen Aufschlag. Während des Fluges galt in der Oldtimer-Maschine nämlich kein Sitzzwang, weshalb das Herumlaufen gemäss Aussagen von Ju-52-Piloten üblich gewesen sei. «Ein bis zwei Personen am falschen Ort reichten hier bereits aus, um das Flugzeug in eine Konfiguration kommen zu lassen, die extrem weit im verbotenen, gefährlichen Schwerpunktbereich lag.» Im Geradeausflug sei das Flugzeug so zwar noch steuerbar gewesen, aber mit plötzlich auftretenden Böen, die an diesem Nachmittag zahlreich gewütet haben, habe sich die Situation im Cockpit schlagartig verändert...”