Dir ist aber schon klar, wie lange eine Facharztausbildung dauert und wie teuer sie ist? Und kommt man als angestellter Arzt in die Nähe von Pilotengehältern? Als Radiologe mit eigener Praxis am Starnberger See vielleicht...
Also ich kann hier auch mal ein Schärflein beitragen: Vorab, dass der Vorstand sich sein Gehalt deutlich erhöht hat, zeugt in der aktuellen Situation, wo verlangt wird den Gürtel enger zu schnallen, von wenig Feingefühl. Außerdem trägt meines Erachtens jeglicher Vorstand eines DAX-Unternehmens ein extrem geringes persönliches Risiko, da erstens nahezu kein Vorstand bisher persönlich haftbar war/ist und zweitens meistens ein oder zwei Jahresgehälter bereits ausreichen um seinen gesamten Lebensunterhalt, ohne weiter arbeiten zu müssen, bestreiten zu können. Dies nur nebenbei.
Hauptsächlich möchte ich mich als Element einer Vergleichsgruppe outen und bin bereit Zahlen hierfür zu liefern:
Ich bin Arzt, genauer genommen Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie und als Oberarzt an einem kommunalen Haus beschäftigt. Gestreikt habe ich in meinem Leben theoretisch 2x, davon einmal einen Vormittag in Freiburg (überstundenfrei), ein anderes Mal in der Mittagspause in einer kleinen bayerischen Stadt (die Patientenversorgung wurde natürlich trotz anderer Verlautbarungen aufrecht erhalten). Soviel zu meinem Streikrecht.
Jetzt zu den Zahlen: Verdienst Brutto / Monat 7333 € (ÄTV III Stufe 2) x 12 = 88000 € im Jahr (kein separates Weihnachtsgeld / Urlaubsgeld oder zusätzliches Monatsgehalt). Es kommen hier noch Überstunden dazu und Einsätze während Rufdiensten. Lebensarbeitszeit bis 67, Rente je nach Ergebnis der Kapitalanlage meines Versorgungswerks.
Natürlich würde ich als niedergelassener Kardiologe sehr viel mehr verdienen, allerdings auch bei höherem Risiko und weniger Spaß. Alternativ könnte ich auch morgen in die Schweiz gehen (auch mehr Verdienst) oder ebenfalls nach Dubai, VAE oä (auch mehr Verdienst bei ungleich höherem Risiko da sehr divergente Rechtssysteme und ethische Vorstellungen). Ich weiß nicht ob eine dieser Alternativen und die damit verbundenen Risiken Euch bekannt vorkommt. Dennoch gibt es für mich auch etwas wie Heimat und Spaß, ohne dass ich mich darüber beklage.
Ach ja, ich habe 6 Jahre studiert und 6 Jahre Facharztausbildung hinter mir. Das Studium habe ich mir ebenfalls selbst finanziert durch Nebenjobs und über ein Stipendium, von daher glaube ich, dass Verdienstausfall eingerechnet bestimmt Eure 150 000 € zusammen kommen. D.h. zusammenfassend habe ich eine ungleich langwierigere Ausbildung, sicherlich weniger Gehalt und möchte dennoch nicht mit Euch tauschen. Ich beklage mich auch nicht über mein Gehalt, da ich weiß, dass ich sehr gut verdiene, und trauere auch nicht einer fehlenden Übergangsversorgung von ca. 7 Jahren (60 bis 67) nach.
Wenn es um die Arbeitszeiten geht, mein Rekord vor kurzem waren 18 Stunden am Stück - dies könnte ich nicht mal meinem Arbeitsgeber anlasten, da es sich nicht um ein Organisationsverschulden, sondern um eine unwahrscheinliche Verkettung von Notfällen handelte, die ich letztlich aber behandeln musste.
Diese lange Abhandlung ermöglicht es einem logisch denkenden Menschen möglicherweise zu verstehen, dass es selbst unter relativ gut verdienenden Personen wenig Verständnis für die einzigartige Situation der Piloten bei der LH Group gibt.