zwischendurch nochmal ein kleiner Praxisbericht für die, die hier nicht der ideologischen Grabenkämpfe wegen mitlesen, sondern sich einfach für Elektromobilität interessieren und z.B. überlegen, mal bei einer Miete darauf umzusteigen:
Es ging mit dem Polestar 2 zu einem Termin, erst zu einem Kollegen (der gerade in der Modell-Auswahl für ein BEV-Firmenauto ist, d.h. neugierig auf die Fahrt war) und von da weiter, rund 210 km einfache Fahrt.
- Fahrstil "ab und zu Vollgas / ab und zu Tempomat 130, weil wir uns unterhalten haben / meistens eh weniger, weil der Verkehr nicht mehr hergab".
- Wir waren rund 30 Min. zu früh am Ziel, darum schlage ich vor dass wir noch irgendwo einen Kaffee trinken und bei der Gelegenheit direkt nachladen für die Rückfahrt. Google Maps (das im Auto eingebaute, nicht auf meinem Handy) angeworfen und nach Ladesäulen gesucht, der findet nur einen ionity an der Autobahn, ca. 15 Minuten Fahrzeit. Der Kollege ist enttäuscht, aber dank meinem eigenen Säulen-Sucher wusste ich, dass es ein paar mehr geben muss ... siehe da, der Vormieter hatte einen Filter auf die Ladeleistung gesetzt. Kaum nehme ich den raus, findet er auch einen "langsamen" 150 KW-Schnelllader in der Stadt.
- Ich drücke dem Kollegen meine ADAC/EnBW-Karte in die Hand, er scheitert. Der Hypercharger springt immer, wenn man eine Karte davor hält, ins Hauptmenü zurück statt die Karte zu lesen... wäre man jetzt nur mit Karte (oder dem von Hertz mitgelieferten NewMotion RFID-Transponder) unterwegs, hätte man umparken und die andere Säule nehmen müssen, ich konnte aber den Ladevorgang mit der App starten
- Die Anzeigen waren seltsam. Die Ladekurve ging hoch bis auf fast 150 KW, fiel dann aber wieder ab auf 90. Zeit bis vollgeladen: 5 Minuten. "Das Ding spinnt", wir gehen ins Café
- Drinnen sehe ich eine Push-Nachricht von EnBW: Ladevorgang beendet und abgerechnet, Strommenge 3 kwh. Okay, der hat definitiv eine Macke. Nach dem Kaffee wieder am Auto angekommen dann die Bestätigung, er hat von 38 auf 40% geladen und dann abgebrochen.
- Nach dem Termin (vor Ort konnte man nicht laden) fahren wir los und fahren irgendwann bald an einem McD raus, Kollege versucht den Ladevorgang nochmal: Klappt dieses Mal wie gewünscht. Kollege liest verwundert vor: Ach guck, "5 Minuten bis 40%". Ich werde stutzig, mache die Fahrertür auf und gucke auf die Instrumente ... ahhh: Der Vormieter hat eingestellt, dass das Auto nur bis maximal 40% laden soll, das war auch das Problem mittags. Einstellung auf 100% geändert und in den McD rein, nichts gegessen, nur Termin nachbesprechen, als wir mit dem Teil fertig sind, für den man ein Notebook braucht, ist der Kollege ganz überrascht, dass ich weiter will ("ach so, ich dachte wir müssen noch länger laden").
- Der Polestar erwartet uns mit deutlich über 80% SOC, wir fahren nach Hause, die Reichtweite von >100 km zuhause angekommen würde theoretisch noch für den Termin am Folgetag reichen, aber es ist ja auch kein Problem, den über Nacht zu laden. Allerdings braucht es dafür ein Typ2-Ladekabel: Ich hab's gefunden, mein Kollege aber hätte vielleicht auf Anhieb nicht gewusst, dass unter der Motorhaube noch ein Frunk, und unter dem Kofferraum noch ein aufklappbares Staufach sind.
Fazit: Für ab-und-zu-Fernfahrten ist das absolut praktikabel, und gegenüber meiner
ersten Polestar-Miete von vor zwei Jahren war dieses Mal die Reichweitenanzeige auch sehr verlässlich.
Ich habe knapp sechs Stunden gestern im Auto gesessen (und das lag nicht daran, dass ich "extra E-langsam" gefahren bin) und hätte ich auf dem Rückweg nochmal kurz nachladen müssen, wäre das auch nicht schlimm gewesen - im Gegenteil: Rund 50km vor dem Ziel waren Durst, der Müdigkeitswarner im Auto und meine Blase der Meinung, ich solle nochmal raus, statt dessen hab ich "wie früher" lieber Gas gegeben um gestresst, aber dafür 15 Minuten früher zuhause zu sein.
Aber Fazit auch: Wer bisher nur Verbrenner kennt, und jetzt mal ein E-Auto mietet, sollte vielleicht etwas Zeit einplanen bzw. nicht eine eng getaktete Dienstreise als Versuchsobjekt nehmen. Natürlich habe ich auch schon an Tankstellen erlebt, dass ein Zahlungsmittel nicht funktioniert oder man nochmal die Zapfsäule wechseln muss. Natürlich habe ich auch schon Mietwagen gehabt, wo der Vorbesitzer "Autobahn vermeiden" im Navi eingestellt hat (womöglich der gleiche Spaßvogel, der hier das Ladelimit auf 40% gestellt hat) und das nicht sofort bemerkt. Aber die Themen, mit denen mal bei einem E-Auto konfrontiert wird, sind einfach andere und wo man mit ein bisschen E-Auto-Erfahrung völlig entspannt reagieren kann, ist man als Neuling etwa genauso hilflos wie Oma Else, wenn sie zum ersten Mal im Leben fliegt...