V&C versuchen der Kälte zu entkommen; ein Winter in 5 Teilen

ANZEIGE

Hene

Erfahrenes Mitglied
27.03.2013
4.891
4.317
BER
ANZEIGE
Wir wählten zwei ‚Khachapuri’, die Signature-Ausführung mit Käse, Eigelb und Butter in mittlerer Größe
0225 32 by HON /UA

sowie die Variante mit Fleisch, Eigelb und Butter.
0225 33 by HON /UA

Erlaube mir diesen spitzfindigen Kommentar, aber ihr habt im Grunde nur ein Khachapuri gewählt. Und zwar ein adscharisches. Das untere Gericht ist ein Hefeteiggebäck mit Fleisch drauf. Sehe ich ehrlich gesagt auch zum ersten Mal so.
 
  • Like
Reaktionen: postville und HON/UA

roffe8

Erfahrenes Mitglied
14.01.2017
549
158
LHR
Ich nehme an ihr sprecht dort russisch (?), käme man denn auch mit Englisch zurecht? Bei der Schrift zumindest ist man ja chancenlos...
 
  • Like
Reaktionen: HON/UA

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.882
7.290
Odessa/ODS/UA
3/1. Tag; 4. Winterreise 2017/18

Nachdem wir am zweiten Tag das Zentrum der Stadt angesehen hatten, waren für den dritten Tag Vororte und religiöse Einrichtungen geplant.

Um diese zu erreichen, hatte ich, zum Ärger aller Taxifahrer, welche uns bisher gefahren hatten, einen Mietwagen bei AVIS für den Rest der Reise gebucht.

So nahmen wir nach dem Frühstück ein Yandex-Taxi zum Courtyard Marriott am Liberty Square, wo wir, trotz des heftigen Verkehrs, um kurz nach 10 Uhr eintrafen. Meine Reservierung wurde von der sehr freundlichen Dame bestätigt, allerdings hatte angeblich, trotz Bestätigung, AVIS Deutschland meinen Status nicht hinzugefügt. Trotzdem, auf Nachfrage, gab es den gewünschten Upgrade um einen Klasse sowie das kostenlose Hinzufügen des Zweitfahrers.

Solange uns die Dame alle möglichen Sehenswürdigkeiten sowie deren Erreichbarkeit anhand einer Karte erklärte, fuhr ein weiterer Mitarbeiter den Wagen, einen Toyota Land Cruiser Prado neueren Baujahrs, vor.
0226 01 by HON /UA

Nachdem wir das Auto inspiziert hatten und trotz nur 41'000 Kilometern unzählige Vorschäden registriert hatten, schwangen wir uns ins Auto und fuhren los Richtung Norden.

Zum Glück hatte sich der Verkehr gelegt und so kamen wir recht zügig aus der Stadt hinaus. Autofahren in Georgien ist eine Gewöhnungssache – und das schreibe ich trotz Erfahrung in vielen Ländern. Hatten wir am Vortag schon erlebt, dass die Überquerung einer Straße an einem Zebrastreifen eine lebensgefährliche Angelegenheit ist, so bestätigte sich heute, dass Georgier eigentlich immer fahren als hätten sie mindestens 2 Liter Wein und eine Flasche Wodka getrunken. Fahrbahnmarkierungen, soweit vorhanden, werden übersehen, der Blinker scheint einen unbekannte Neuerung zu sein etc.

Trotz aller Widrigkeiten schafften wir es unfallfrei aus der Stadt hinaus, alles sehr grau und staubig. Auf der Autobahn vorbei an einem Staudamm,
0226 02 by HON /UA

bevor wir uns auf Nebenstraßen in die Berge quälten. Waren wir schon am Vortag über den Zustand der Bauwerke in Tbilisi schockiert, so waren wir außerhalb der Hauptstadt regelrecht entsetzt. Valentynas Tante, aus den Vorstädten Kievs keine goldenen Wasserhähne gewöhnt, meldete sich von der Rückbank, tat ihr Entsetzen kund. Keine Ahnung wieso dem in Georgien so ist – aber viele Bauten aus der Sowjetzeit, auch dem Ende, also keine 30 Jahre alt, wurden nie fertiggestellt oder zerfallen schon wieder. Sicher, vereinzelt sieht man dies auch in der Ukraine oder Russland – aber eben nicht in diesen Mengen.

Abseits der Hauptverbindungsstraßen ließ auch der Zustand der Straßen sehr nach, ich war froh mit dem Toyota Land Cruiser keine besondere Aufmerksamkeit auf Schlaglöcher legen zu müssen – ich hatte genug zu tun anderen Autofahrern auszuweichen, welche uns in der Straßenmitte entgegenkamen.

Nach guten 30 Minuten Fahrt kam unser erstes Ziel in Sicht, das Jvari Kloster aus dem 6. Jahrhundert mit hervorragendem Blick auf Mzcheta, der historischen Hauptstadt Georgiens.
0226 03 by HON /UA

Die Kirche des Klosters, zwischen 586 und 605 erbaut ist das Urmodell vieler orthodoxen Kirchen der Region,
0226 04 by HON /UA

mit einem zentralen Raum, an welchen vier ¾ Zylinder-Apsiden angeschlossen sind (auch ‚Tetraconch’ bezeichnet).
0226 05 by HON /UA

Bevor wir die Kirche betraten gönnten wir uns zuerst einen Blick auf Mzcheta und den Zusammenfluss der Flüsse Aragwi & Kura.
0226 06 by HON /UA

Durch die exponierte Lage des Klosters auf einem Steilhang wehte ein eisiger Wind – und so betraten wir schnell das Innere der Kirche. Dieses Innere spiegelte für mich die typische orthodoxe Kirche wieder,
0226 07 by HON /UA

dunkel, erdrückend, einfach nur unangenehm. So machte ich schnell ein Foto, ging wieder nach draußen und zurück hinunter zum Auto.

Nachdem wir nun den Ausblick auf Mzcheta genossen hatten, ging es nun in die ca. 3'000 Jahre alte ehemalige Hauptstadt und das heutige religiöse Zentrum Iberiens (Vorgängerstaat Georgiens) bzw. Georgiens. Wir ignorierten die ganzen Parkplatzwärter uns fanden einen kostenlosen Parkplatz an der Hauptstraße, liefen knapp 10 Minuten zur Swetizchoweli-Kathedrale.

Zu unserer Verwunderung durfte man das Gelände betreten ohne Eintritt zu entrichten,
0226 08 by HON /UA

standen vor der ‚Kathedrale der lebensspendenden Säule’.
0226 09 by HON /UA

In der zweitgrößten Kirche Georgiens, errichtet zwischen 1010 und 1029 (das ursprüngliche Kirchengebäude wurde bei der Invasion der Araber, Perser & Mongolen beschädigt bzw. zerstört), wurden über Jahrhunderte die georgischen Könige gekrönt und begraben, zudem ist sie die Hauptkirche der georgischen Apostelkirche.

Um den Ort auf welchem die Kirche steht ranken sich Legenden:

'Es heißt, die Heilige Nino habe den Zusammenfluss von Kura und Aragwi als Platz für die erste Kirche in Georgien ausgewählt und dabei auf eine alte Erzählung zurückgegriffen.
Danach reiste ein aus Mzcheta stammender georgischer Jude namens Elias nach Jerusalem, um im Prozess gegen Christus für ihn zu sprechen. Doch er kam zu spät, erlebte nur noch die Kreuzigung. Am Hügel Golgatha soll er einem römischen Soldaten dessen Gewand abgekauft und es nach Georgien gebracht haben. Daheim in Mzcheta hätte seine Schwester Sidonia es an sich gedrückt und sei sofort gestorben. Weil man das Gewand nicht aus ihrer Umklammerung habe reißen können, sei sie mit ihm begraben worden. Auf ihrem Grab sei später eine riesige Zeder gewachsen.
Die Heilige Nino soll angeordnet haben, die Zeder zu fällen und über dem Grab die Kirche zu bauen. Aus dem Zedernholz sollte eine Säule für den Kirchenbau entstehen. Doch die Säule ließ sich nicht aufrichten. Nino soll eine ganze Nacht gebetet haben, dann sei ein Engel in einem hellen Licht erschienen, der die Arme hob. Darauf habe sich die Säule aufgerichtet, sei zur Erde gesunken und der Bau konnte vollendet werden. Später soll die Zedernsäule eine heilige Flüssigkeit produziert haben, die Menschen von allen Krankheiten heilen konnte.
Die Legende gab der Kathedrale ihren Namen: Sweti zchoweli heißt „lebensspendende Säule“. Die mythische Symbolik der himmlischen Säule hat ihre Parallele in der wundersamen Gründung der armenischen Kathedrale von Etschmiadsin durch den heiligen Gregor, wie sie von Agathangelos überliefert ist.'
(Wikipedia)

Wir betraten die Kreuzkuppelkirche,
0226 10 by HON /UA

0226 13 by HON /UA

betrachteten die Grabstätten
0226 11 by HON /UA

und Fresken.
0226 12 by HON /UA

Was etwas nervte war eine sehr aufdringliche Dame, welche uns (und anderen) mehrfach ihre Dienste als Guide anbot – erfolglos.

Wir verließen das Gotteshaus, sahen zum Erstaunen das Auto des verantwortlichen Geistlichen,
0226 14 by HON /UA

verließen das Gelände in Richtung Samtavro-Kloster.
0226 15 by HON /UA

Dieses Frauenkloster wurde bereits im 4. Jahrhundert gegründet, der Sakralbau der ‚Heilige-Nino-Kirche’ stammt dagegen aus dem 11. Jahrhundert.

Ich warf einen kurzen Blick ins Innere, wurde von einem Herrn sofort zusammengeschissen als ich ein Foto machte – obwohl es kein Schild ‚Fotografieren verboten’ gab.
0226 16 by HON /UA

Wir verließen das Klostergelände und liefen zurück zum Auto, vorbei am für mich interessantesten Bauwerk der Stadt, dem ehemaligen Kinopalast, unter welchem sich eine archäologische Ausgrabungsstätte befindet.

Das Kino befindet sich gerade im Umbau zu einem neuen Kinogebäude mit Restaurant und Außenterrasse (Fertigstellung 2019), so dass man wegen eines Bauzauns nicht das ganze Gebäude betrachten konnte. Das wichtigste war jedoch zu sehen, das große Mosaik aus der Sowjetzeit, welches zum Glück auch nach der Renovierung erhalten bleibt.
0226 17 by HON /UA

Wir setzten uns bei herrlichem Wetter in unser Auto, fuhren nach Westen an der Burgruine Bebrisziche
0226 18 by HON /UA

aus dem 14. Jahrhundert vorbei nach Mukhrani.

In Mukhrani dann die Überraschung:
0226 19 by HON /UA

eine Stalin-Statue, auch noch auf einem Kinderspielplatz. Das ist in ungefähr so als ob man in Deutschland oder Österreich eine überlebensgroße Adolf-Hitler-Büste auf einem Kindergartengelände aufstellen und stehen lassen würde. Wir waren fassungslos!

Ziel war das ‚Chateau Mukhrani’,
0226 20 by HON /UA

dem ehemaligen Wohnsitz des Bagrationi-Adelsgeschlechts, welches in 1876 die Technik der Weinherstellung aus Frankreich nach Georgien brachte.
0226 21 by HON /UA

Wir betraten das Kellergewölbe des in Renovierung befindlichen Schlosses, wo sich neben einem Ausstellungsweinkeller
0226 22 by HON /UA

das Restaurant und der Zugang zur Weinherstellung befand.
0226 23 by HON /UA

Wir suchten einen Tisch, nahmen Platz und erhielten die Speisekarte, welche in Georgisch, Englisch und Russisch ausgeführt war. Allerdings sprach unser Kellner kaum Russisch, bestand auf Englisch – was er aber auch sehr schlecht beherrschte.

Valentyna fragte nach einem Glas trockenen aber leichten Rotweins, bekam zum Probieren ein Glas eines sehr schweren Rotweins. Als sie nach einem anderen Wein fragte, sagte der Kellner recht laut und sehr bestimmt, dass er keine Ahnung von Wein hätte, er nicht unzählige Flaschen Wein öffnen würde bis er einen leichten gefunden hätte – soviel zum ‚rustikalen’ Service in Georgien.

Ich beschwerte mich ob des Verhaltens, worauf der Sommelier erschien, uns einen leichten Rotwein treffend empfahl, sich für das Verhalten des Kellners entschuldigte.

Als Vorspeisen bestellten wir einen Salat mit gebratener Forelle
0226 24 by HON /UA

und zwei ‚Chikhirtma’ Suppen, eine traditionelle Georgische Hühnersuppe.
0226 25 by HON /UA

Der Salat war sehr ‚normal’, das Dressing fettig – die Suppen waren jedoch wunderbar, wurden sehr heiß serviert. Man sollte aber auf der Karte erwähnen, dass man nach dem Genuss dieser Suppe keine Angst vor Vampiren haben muss – denn sie strotzte vor Knoblauch.

Was man allerdings den Herrschaften dieses Restaurants noch beibringen sollte: Vorspeisen gehören gemeinsam serviert, nicht mit einem Abstand von 20 Minuten! Valentyna meinte dass dieses Restaurant wie eine Sowjetische Babuschka in einem Dior-Mantel wäre.

Weiter mit Shashlik vom Kalb, Georgischen Würstchen und Kartoffeln, absolut nichts besonderes.
0226 26 by HON /UA

Die Mädels entschieden sich zu einer 20 minütigen Weintour, mit der Erklärung dass die gesamte Produktion nach Russland und China verkauft würde,
0226 W1 by HON /UA

0226 W2 by HON /UA

0226 W3 by HON /UA
(Holzfässer aus Frankreich)

0226 W4 by HON /UA

ich trank einen Espresso und entspannte, zahlte die Zeche.
 
Zuletzt bearbeitet:

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.882
7.290
Odessa/ODS/UA
3/2. Tag; 4. Winterreise 2017/18

Zurück bei eisigem Wind zum Land Cruiser, wir traten die Rückfahrt nach Tbilisi an. Nachdem ich den ganzen Tag das Programm für die Tante geplant und ertragen hatte, war es nun Zeit für mein Programm.

Wir fuhren von Norden wieder in die Hauptstadt ein, über eine breite Zufahrtsstraße mit Baumärkten, Autohäusern und ähnlichem. Das erste Ziel meiner speziellen Sightseeingtour war das ehemalige Archäologische Museum, erbaut kurz vor dem Zerfall der SSSR im Jahre 1988.

Von der Hauptstraße ab, auf einer Nebenstraße an einem Friedhof vorbei erreicht man das im Zerfall befindliche Bauwerk – mir blutete das Herz.
0226 27 by HON /UA

Ich lief nach oben zum Eingang, betrachtete die typische Architektur, war einen Blick hinunter nach Süden auf Tbilisi und die Rückseite des ‚Heilige-Nino-Denkmals’.
0226 28 by HON /UA

Weiter die Einfallstraße in Richtung Innenstadt und wieder eine schlaglochgespickte Straße den Berg hinauf zum ehemaligen Auditorium der Technischen Universität aus dem Jahre 1976.
0226 29 by HON /UA

Der Zustand war erschreckend, nicht nur des Gebäudes, nein, der ganzen Region. Das Gebäude der Technischen Universität wird heute als Wohnhaus verwendet – unglaublich wie die Menschen dort hausen. So machte ich schnell ein Foto des Auditoriums
0226 30 by HON /UA

und des Flussblicks,
0226 31 by HON /UA

fuhr schnell wieder zur Hauptstraße – sicher fühlten wir uns an diesem Ort nicht.

Das nächste Ziel meiner Tour war Ministerium für Straßenbau, erbaut 1974 direkt am Fluss.
0226 32 by HON /UA

0226 33 by HON /UA

Die Sowjetarchitektur war wahrscheinlich deshalb so beeindruckend und expressiv, da sich die Gebäude nie wirtschaftlich rechnen mussten, es um Repräsentation ging.

Im Nordwesten der Stadt, auf einem Hügel den Stausee Tbilisis überblickend, steht ‚The Chronicle of Georgia’,
0226 34 by HON /UA

einem Monumentalbauwerk über die Geschichte Georgiens, welches ab 1985 errichtet, jedoch nach dem Zerfall der Sowjetunion nie fertiggestellt wurde.
0226 35 by HON /UA

Das über 30 Meter hohe Bauwerk aus Bronze und Kupfer zeigt auf 64 Figuren im unteren Bereich das Leben des Jesus Christus, im mittleren und oberen Bereich die Geschichte Georgiens, deren Helden, Könige und Königinnen.
0226 36 by HON /UA

0226 37 by HON /UA

Obwohl das Denkmal wegen seiner Größe, Lage und Farbe weithin sichtbar ist, ist es den Einwohnern Tbilisis weitgehend unbekannt, was man auch daran bemerkte, dass nur sehr wenige Schaulustige, meist Asiaten, unterwegs waren.

Von diesem eindrucksvollen Bauwerk, welches sich noch in einem ordentlichen Zustand befindet, hat man zudem einen schönen Ausblick auf den Stausee
0226 38 by HON /UA

und die nordwestlichen Trabantenstädte.
0226 39 by HON /UA

Da uns der Unterschied zwischen den Wohngebieten Kievs/Odessas und Tbilisis interessierte fuhren wir durch das ‚Massiv’ – Valentyna und Tante waren schockiert, entsetzt. Was wir hier zusehen bekamen könnte so ohne Änderung in einem Film über das Leben nach einem 3. Weltkrieg eingesetzt werden.
0226 40 by HON /UA

20-stöckige Häuser ohne Aufzug, der Stahlbeton in den unteren Etagen bzw. der Struktur in sichtbarer Auflösung, die riesigen, freiliegenden Fallrohre der Kanalisation im ersten Stockwerk unterbrochen. Auch ich habe schon viel gesehen – aber so ein bewohntes Gebäude noch nicht.

Wir drehten weiter unsere Runden, entdeckten weitere typische Sowjetarchitektur
0226 41 by HON /UA

und zu Wohngebäuden umfunktionierte Büros oder staatliche Gebäude,
0226 42 by HON /UA

oft ohne Türen, abgeänderten Fenstern, einfach deprimierend.

Was aber nie fehlte, selbst vor den heruntergekommensten Gebäuden waren 6er BMW, Mercedes CLS der ersten Serie und weitere ehemalige Luxusautos, oft ohne Stoßdämpfer.

Da wir uns nicht besonders wohl fühlten traten wir die Rückfahrt zum Hotel an, vorbei an unzähligen weiten im Zerfall befindlichen Bürogebäuden, Fabriken, Lokomotiven und Wagons ohne Fenster, Türen. Heute hatte ich von Valentynas Tante nichts darüber gehört wie schlecht das Leben in der Ukraine ist.

Gegen 18 Uhr erreichten wir unser Hotel, zogen uns in unsere Zimmer zurück, erholten uns und verarbeiteten die Eindrücke des Tages.

Um kurz nach 20 Uhr trafen wir uns in der Lobby, wir hatten für unser Abendessen das Restaurant ‚Sirajkhana’ im ‚Museum Hotel’ ausgewählt.

Wir fuhren durch das nächtlich erleuchtete Tbilisi, verfuhren uns wegen Baustellen kräftig und kamen nach 45 Minuten, 30 Minuten später als von Google Maps geplant, am Hotel an. Die Parkplatzsuche gestaltete sich an der Uferpromenade schwierig – aber mit einem Land Cruiser findet sich immer ein noch so abwegiger Platz.

Wir betraten das ziemlich leere, sehr stylisch gemachte Restaurant im Untergeschoss,
0226 43 by HON /UA

nahmen Platz und studierten die nur auf Georgisch und Englisch erhältliche Speisekarte.

Als Vorspeisen wählten wir einen Dip von der Aubergine und roter Paprika, in Honig geröstete Karotten mit Tahini(Sesam)-Sauce sowie warme Aubergiene mit Sauercreme und Adjika.
0226 44 by HON /UA

Die Gerichte wurden vom sehr freundlichen und zuvorkommenden Kellner zusammen serviert, so wie es sein muss. Aber nicht nur der Service war für Georgien außergewöhnlich, auch das Essen schmeckte hervorragend, vor allem die Karotten mit Tahini-Sauce und der Dip – köstlich!

Weiter ging es mit einer typlisch georgischen Joghurt-Suppe (Matsvnis-Supi), mit sehr luftigem Fladenbrot und Dill-Pesto,
0226 45 by HON /UA

leicht säuerlich, heiß, lecker!

Als Hauptgerichte wählten wir saftiges Hühner-Shashlik mit einem Dip aus georgischem Joghurt und Minze, Hackfleischbällchen vom Kalb in Tkemali, einer georgischen scharf-sauren Sauce aus gekochten Kirschpflaumen mit verschiedenen Gewürzen, dazu Kartoffeln.
0226 46 by HON /UA

Auch die Hauptgerichte, wie schon die Vorspeisen, ein Gedicht, speziell die Hackfleischbällchen mit der eher sauren Sauce und etwas Sauercreme.

Ich beglich die Rechnung, gab dem freundlichen Kellner (aus Tomsk in Sibirien) knapp über 10% Trinkgeld – um später festzustellen, dass auf die Rechnung bereits 15% aufgeschlagen war. Egal, der Abend war gelungen, wir glücklich und satt. Nur sollte man dies in Georgien vereinheitlichen, entweder das Trinkgeld generell einrechnen oder nicht – aber nicht einmal so und einmal so.

Wie man am Text und am guten Essen erkennen kann, waren wir am dritten Reisetag mit Georgien, trotz einiger Abstriche, schon mehr versöhnt, vor allem die vielfältige Architektur hatte es mir angetan.

Zurück zum Auto, wieder den Weg zum Hotel gesucht, Google Maps kennt sich in Tbilisi nicht besonders gut aus, und den Abend ausklingen lassen.
 

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.882
7.290
Odessa/ODS/UA
Was sind denn die Vorurteile zu Georgien?
In Odessa kommen viele Klein- und Großkriminellen aus dem Kaukasus, werden von den Einheimischen 'die Schwarzen' genannt. Zudem hatten wir als Gouverneur einen in seinem ehemaligen Heimatland gesuchten und verurteilten Ex-Georgier (nun hat in Holland an der Backe). So kommt man eben zu seinen Vorurteilen, ob berechtigt oder nicht.
 
  • Like
Reaktionen: LINDRS und hpschmid

Hene

Erfahrenes Mitglied
27.03.2013
4.891
4.317
BER
In Odessa kommen viele Klein- und Großkriminellen aus dem Kaukasus, werden von den Einheimischen 'die Schwarzen' genannt. Zudem hatten wir als Gouverneur einen in seinem ehemaligen Heimatland gesuchten und verurteilten Ex-Georgier (nun hat in Holland an der Backe). So kommt man eben zu seinen Vorurteilen, ob berechtigt oder nicht.

Ja, so ist das wohl mit den östlichen Nachbarn, man lässt oft nichts gutes an ihnen: in Polen kommen die Klein- und Grosskriminellen ja angeblich vorwiegend aus der Ukraine, und werden gern zusammenfassend als Russen tituliert. Noch weiter westlich sind es dann die Polen, denen der Stereotyp illegaler Machenschaften anhängt.

Am Herrn Ex-Prasidenten scheiden sich auch in Georgien immernoch die Geister. Die einen loben noch immer seine Errungenschaften, v. a. Im Bereich Korruptionsbekampfung und Vereinfachung von administrativen Prozeduren (Reisepässe werden z.B. binnen eines Tages ausgestellt), die anderen halten ihn für einen geistig kranken Kriminellen mit Verfolgungswahn. Eine Mischung aus beidem trifft es wohl sehr gut.

Und der Stalin auf dem Spielplatz, nun ja, das scheint mir gelebter Postsozialismus zu sein. Mich erstaunt nur, warum Valentina und Tante sich so darüber wundern. In so einigen ehemaligen Sowjetrepubliken werden wieder Massenmörder in Geschichtsbüchern gewürdigt und Straßen und Plätze neu nach ihnen benannt. Finde ich persönlich besorgniserregender als eine vergessene Büste von Josif Wissarionovich. Wobei ich behaupten würde, dass Stalinsympathien in Georgien jetzt selbst in der älteren Generation eher nicht sonderlich verbreitet sind.

Zum traurigen Schicksal vieler Gebäude empfehle ich die Doku 'Power Trip', da geht es um Elektrizitätsversorgung, aber man erfährt viel über den Hintergrund verfallener Infrastruktur in Tbilisi und Georgien. Btw, ich kenne kaum eine Stadt, in der so exzessiv der Wohnraum (selbst bei Hochhäusern) durch den individuellen Anbau von einem oder mehreren Balkonen erweitert wurde. Auch so ein Fall Postsozialismus. Sieht nicht schön aus, überlebt kein Erdbeben, aber hat gute Gründe, die vor allem mit staatlichem Handeln zu tun haben.

Das ehemalige Ministerium für Straßenbau hat sich übrigens die Bank of Georgia unter den Nagel gerissen. Immerhin wird da jetzt die Substanz geschont.

Es freut mich übrigens sehr, dass du noch einen Zugang zu Fruchtsossen und gut gekürzten georgischen Vorspeisen gefunden hast. Das sieht auch wirklich sehr lecker aus, ist auf der Liste!
 
Zuletzt bearbeitet:

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.882
7.290
Odessa/ODS/UA
4/1. Tag; 4. Winterreise 2017/18

Kennt ihr das? Ein Hotel versucht krampfhaft zu stylish zu sein, verdirbt es damit völlig? So passiert im ‚The Grove Design Hotel’ beim Frühstück. Man kann nicht einfach ‚nur’ Eier servieren, es muss ‚außergewöhnlich’ sein – und so werden selbst die einfachsten Gerichte wie ein Omelette oder Spiegeleier verhunzt. Valentyna schwenkte auf hartgekochte Eier um, ich versuchte es, da die Pfannkuchen nicht verfügbar waren, mit einem Cheesecake. Ja, ein Cheesecake! Wo bitte auf der Welt habt ihr auf der Frühstückskarte neben Eiern und Kartoffelpuffern schon ‚Cheesecake’ vorgefunden? Wenigstens war er nicht so schlecht, wenn auch eher ein normaler Käsekuchen.
0227 01 by HON /UA

Um 10 checkten wir aus, warfen bei unfreundlichstem Wetter, Kälte & Nieselregen, unser Gepäck in den riesigen Kofferraum des Toyota und fuhren los – zum Bahnhof, einem Prachtbau der späten Sowjetarchitektur,
0227 02 by HON /UA

mit einer Vorfahrt unten für die Abholer und einer überdachten Auffahrt oben für die Abfahrten, also eher wie ein Flughafen konzipiert.

Ziel war aber nicht der Bahnhof selbst, sondern der riesige Markt, welcher sich anschließt. Wieso ‚Markt’? Weil es in Georgien, trotz ähnlicher Probleme mit Russland wie in der Ukraine, noch Waren aus Russland zu kaufen gibt. Valentyna liegt mir seit Wochen in den Ohren, dass sie sich in Georgien mit Süßigkeiten ihrer Kindheit, welche sie zuhause nicht mehr bekommt, eindecken möchte.

Wir fuhren auf den Parkplatz zwischen Markthalle und Bahngleisen,
0227 03 by HON /UA

stellten das Auto ab und gingen in die eher provisorische Markthalle -
0227 04 by HON /UA

auch hier fühlte ich mich in die ukrainische Provinz vor vielen Jahren zurückversetzt. Da mich dieser Markt nicht besonders interessierte, kehrte ich zum Auto zurück, dies war mir mit all den Sachen im Kofferraum lieber.

Züge fuhren nicht gerade viele,
0227 05 by HON /UA

ich drehte Däumchen bis meine Damen nach geschlagenen 45 Minuten zurückkehrten. Wie es der Zufall so wollte, in der Nacht war genau der Teil des Marktes, in welchem die losen Süßigkeiten verkauft werden, abgebrannt, ein Georgier brachte die beiden zu einem weit entfernten Stand, wo der gesamte noch nicht zu Karamell gewordene Vorrat aufgekauft wurde.
0227 06 by HON /UA

Der Nieselregen, das graue Wetter, machten Tbilisi nicht gerade anziehender, ich quälte mich durch enge Straßen vom Markt zur Uferpromenade, wo wir nach Süden in Richtung Innenstadt fuhren.

Ich wollte eigentlich den ‚Wedding Palace’ oder ‚Palace of Rituals’ betrachten, einen Sowjetbau aus dem Jahre 1984, welcher als Hochzeitsstätte errichtet wurde. Das Design dieses Gebäudes geht auf expressionistische Pläne aus den 20er Jahren zurück, wurde aber auch vom Stil frühzeitlicher georgischer Kirchen beeinflusst.

Leider ist dieses Gebäude heute in Privatbesitzt, 2002 von einem georgischen Oligarchen als Privatresidenz erworben worden, seit 2013 an einen Eventveranstalter vermietet. So kamen wir nicht durch den offiziellen Eingang, mussten eine Seitenstraße finden, einen Bauzaun erklimmen, um dort wenigstens aus der Ferne einen Blick bei denkbar schlechtem Wetter zu erhaschen.
0227 07 by HON /UA

Weiter über die George W. Bush Avenue am Flughafen und zerfallenden Monumenten
0227 08 by HON /UA

vorbei in Richtung Osten, grau-braun schmuddelig, alte Sowjettechnik links und rechts der Straße zum Verkauf.
0227 09 by HON /UA

Aber auch Früchte, geräucherte Fische
0227 10 by HON /UA

und anderes wurde Straßenrand angeboten.

Ca. 20 Kilomater von Tbilisi entfernt bogen wir links ab
0227 11 by HON /UA

in Richtung Telawi, der Regionalhauptstadt der Region Kachetien, dem wichtigsten Weinanbaugebiet des Landes. 50 Kilometer hörten sich nicht besonders weit an – aber Google prophezeite eine Fahrtzeit von 1 Stunde und 20 Minuten. Dies lag daran, dass wir über den 2'000 Meter hohen Gombori-Pass mussten, die Straße in teilweise katastrophalem Zustand. Manchmal, vor allem bei der Abfahrt, betrug die Sichtweite keine 20 Meter, dazu Schneefall und Glatteisgefahr.
0227 12 by HON /UA

War schon Tbilisi ein Schock, hier wurde es nun nochmals schlimmer: die meisten Häuser nur noch als Ruinen existent, die Menschen bitterarm, die paar Fabriken schon vor Jahrzenten stillgelegt.
0227 13 by HON /UA

0227 14 by HON /UA

An einem Staudamm vorbei, durch die Stadt Gombori, der wohl bisher niederschmetternsten Stadt welche wir zu Gesicht bekamen. Keine Ahnung weshalb in dieser Höhe in einem engen Tal eine Stadt mit zahlreichen Wohnblocks errichtet wurde, was die Menschen dort arbeiteten. Heute stehen die grauen Wohnblocks leer, ohne Fenster, erinnern etwas an Pripyat bei Tshernobyl.

Endlich hatten wir den Pass erreicht, fuhren die Serpentinen hinunter ins Tal, wegen des Wetters leider ohne Aussicht, bogen vor Telawi nach links zum Ikalto-Kloster den Berg hinauf ab.

Natürlich nieselte es bei Ankunft, wir waren die einzigen Besucher.
0227 15 by HON /UA

Seit dem 6. Jahrhundert beherbergt dieser Ort ein Kloster, ab dem 12. Jahrhundert kam auf demselben Gelände eine Akademie (Theologie, Astronomie, Philosophie, Mathematik, Jura & Rhetorik), Weinanbau und Schmiedehandwerk hinzu, welche für Jahrhunderte das kulturelle Zentrum Georgiens bildete. Im Jahre 1616 wurde die Akademie, nicht aber die Kirche, von den Persern bei deren Invasion zerstört.

Wir betraten das Gelände,
0227 16 by HON /UA

gingen in die Heilig-Geist-Kirche aus dem 8. Jahrhundert, machten einen Rundgang durch die Anlage
0227 17 by HON /UA

0227 18 by HON /UA

mit seinen insgesamt 59 Gebäudeüberresten unter anderem der Akademie auf der Westseite.
0227 19 by HON /UA

Bedingt durch das Wetter war der Aufenthalt nicht besonders angenehm, verstärkte den erdrückenden Eindruck der Anlage noch. So waren wir recht schnell zurück im Auto, fuhren 15 Kilometer durch graue, dreckige Ortschaften,
0227 20 by HON /UA

vorbei an zerfallenden Monumenten zur Erinnerung des Sieges des 2. Weltkrieges.

nach Nordosten, wo sich das Alaverdi-Kloster aus dem 4. Jahrhundert befindet.
0227 21 by HON /UA

Wir stellten das Auto auf dem neu erstellten Rastplatz mit Parkplätzen, Restaurants und Toiletten ab,
0227 22 by HON /UA

liefen die Befestigungsmauer entlang
0227 23 by HON /UA

zum Eingang.
0227 24 by HON /UA

Im Gegensatz zum Ikalto-Kloster wurde hier in letzter Zeit einiges getan,
0227 25 by HON /UA

auch wenn noch viel Arbeit zu erledigen ist. Wir gingen durch das Portal des Alaverdi-Doms aus dem 11. Jahrhundert,
0227 26 by HON /UA

der drittgrößten und mit 50 Metern zweithöchsten Kirche des Landes., das Innere durch seine Größe und Höhe beeindruckend.
0227 27 by HON /UA
 

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.882
7.290
Odessa/ODS/UA
4/2. Tag; 4. Winterreise 2017/18

Nachdem wir die Kirche besichtig hatten ging es zurück zum Rastplatz, wir verspürten leichten Hunger, Tripadvisor sagte, dass das dortige Restaurant ‚Masoni-House’ sehr gut wäre.

Bei ‚Masoni’ handelt es sich um ein fermentiertes Milchprodukt, ähnlich unserem Joghurt.

Wir betraten das Restaurant, eher ein Bistro, nahmen Platz, erwarteten an einem solchen Ort nicht viel. Umso überraschter waren wir als die von uns bestellten Speisen serviert wurden,
0227 28 by HON /UA

eine heiße Matsoni-Suppe (unten links), Aubergine mit (reichlich) Knoblauch und Masoni sowie ‚Khavitsi’, eine neue Art des Fondues, welches statt aus Käse aus lokalem ‚Tvorog’ (entwässertem Quark) hergestellt wird.

Denn das Essen war nicht nur optisch ansprechend, es schmeckte auch einfach wunderbar, kostete inklusive einem Glas lokalem Rotwein, Coke Zero und Trinkgeld nur knapp US$ 14.

Gesättigt ging es weiter durch die georgische Pampa, nahe der Grenze zu Aserbeidschan. Die Ortschaften wurden immer trister, die ehemaligen Repräsentationsbauten im Zentrum im Endstadium des Zerfalls –
0227 29 by HON /UA

vorbei an interessanten Sowjetzeitmosaiken mit lokalen Themen,
0227 30 by HON /UA

zur Gremi Kathedrale aus dem 16. Jahrhundert mit freistehendem Glockenturm.
0227 31 by HON /UA

Wir schenkten uns den Aufstieg, fuhren die schlechte – aber hübsche – Straße
0227 32 by HON /UA

zurück nach Telawi, drehten eine Runde durch die Stadt. Nun ist Telawi nicht irgendeine Kleinstadt in Georgien, denn sie wurde bereits im 2. Jahrhundert erwähnt, diente ab dem 9. Jahrhundert als Hauptstadt des Königreichs Kachetien-Heretien, lag an der Seidenstraße und wurde ab dem 12. Jahrhundert das Handelszentrum Georgiens mit Palast und Festung.

Umso mehr waren wir vom realen Zustand der Stadt entsetzt, welche im Sowjetfilm ‚Mimino’ eine tragende Rolle spielt (der Hauptdarsteller will nach Hause nach Telawi anrufen, wir aber immer mit Tel Aviv verbunden).
0227 33 by HON /UA

0227 34 by HON /UA

Von den angeblichen Renovierungen in der Innenstadt sahen wir außer der Rekonstruktion des ehemaligen Intourist-Hotels, welche zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Abchasien diente, nicht viel.

Nach weiteren 10 Kilometern Fahrt, wieder an Sowjetmonumenten vorbei,
0227 35 by HON /UA

erreichten wir unsere Unterkunft für die Nacht, das Weingut ‚Schuchmann’.
0227 36 by HON /UA

Die Zimmerreservierung war eine Herausforderung, 8 Emails blieben unbeantwortet, erst mein zweiter Anruf auf dem Mobiltelefon des Weingutdirektors brachte mir eine Reservierungsbestätigung. Zu meiner Verwunderung fand man die Reservierung jedoch nicht – zum Glück waren zwei Zimmer frei. Solche Dinge wunderten mich in Georgien nicht mehr.

Wir bezogen unsere Zimmer,
0227 37 by HON /UA

0227 38 by HON /UA

mit Blick über die Weinberge,
0227 39 by HON /UA

ich ruhte mich etwas aus, versuchte meiner Migräne Herr zu werden (was mir in den nächsten 3 Tagen trotz Tabletten nicht gelingen sollte), die Damen setzten sich vor den Kamin und machten eine Weinprobe.
0227 40 by HON /UA

Um 20:30 ging es ins leere aber gut geheizte Restaurant zum Geburtstagsessen.
0227 41 by HON /UA

Wir begannen mit einer dicken, scharfen Suppe ‚Chartscho’
0227 42 by HON /UA

sowie typisch georgischen Kleinigkeiten aus Paprika, Aubergine, Spinat & Nüssen.
0227 43 by HON /UA

Wie üblich erschienen die Beilagen, Chatschapuri und Kartoffeln
0227 44 by HON /UA

vor Fleisch (Kalb & Lamm) und Fisch (Forelle mit Granatapfelsauce).
0227 45 by HON /UA

Man muss jedoch sagen, dass das Fleisch perfekt zubereitet war, saftig, zart, gut gewürzt, eine echte Freude – denn meist bekommt man Shashlik furztrocken.

Da ‚Geburtstag’ gönnten wir uns zwei Desserts, einen Schokoladenkuchen mit Eis
und einen köstlichen ‚Zefir’-Kuchen:
0227 46 by HON /UA

‚Zefir’, vom Griechischen Gott des Westwindes ‚Zephyr’, ist im Gebiet der ehemaligen UDSSR eine beliebte, mit Schokolade überzogene, luftige Süßigkeit bestehend aus Zucker, Eiweiß und Geliermittel wie z.B. Pektin, Gelatine oder Agar. Je nach Zubereitung werden den Grundzutaten noch pürierte Früchte oder Beeren zugemischt, um eine schöne Farbe und guten Geschmack zu erhalten.

Nach diesem leckeren Essen saßen wir noch am offenen Feuer bei einem Glas Wein bzw. Coke Zero, wollten den Abend gemütlich ausklingen lassen.

Daraus wurde aber nichts, denn der Manager on Duty erschien, verwickelte uns in ein Gespräch, welches damit begann ‚weshalb wir, die aus der Ukraine kommen, russisch sprechen würden, die Sprache der Besatzungsmacht’. Bei dieser Aussage sah ich Valentynas Kopf schon rot werden, die Gesichtszüge sich versteifen, ich denke ihr Blutdruck war bei über 200 Sachen. Natürlich bringt eine solche Diskussion nichts, jeder beharrt auf seinem Standpunkt. Unangenehm fand ich nur, dass ein Hotelmitarbeiter eine solche Diskussion aggressiv beginnt – das sollte man besser lassen, speziell wenn über 50% der Gäste aus Russland kommen, 80% des Weins dorthin exportiert werden.

Um kurz nach 12 verzogen wir uns ins relativ einfache (Laminatboden, Plastikfußleisten etc.) und dafür relativ teure Zimmer.
 

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.882
7.290
Odessa/ODS/UA
Ich nehme an ihr sprecht dort russisch (?), käme man denn auch mit Englisch zurecht? Bei der Schrift zumindest ist man ja chancenlos...
Wir haben uns meist in Russischer Sprache unterhalten, ca. 75% der Georgier verstanden und konnten sich unterhalten (wobei ich bei dem Akzent oft nur Bahnhof verstanden habe). Bei den Jüngeren ist eher Englisch angesagt, wobei auch dies oft sehr rudimentär ist.
 
  • Like
Reaktionen: roffe8

pepone100

Erfahrenes Mitglied
06.12.2011
1.498
131
Wenn ich 45 Minuten auf einkaufende +1 warten müsste dann hãtte ich mir erstmal genüsslich eine geraucht.
[emoji48]
 
  • Like
Reaktionen: HON/UA

Hene

Erfahrenes Mitglied
27.03.2013
4.891
4.317
BER
Zugegeben, der bauliche Zustand vieler Ortschaften in Georgien ist gelinde gesagt besorgniserregend und hat etwas Endzeitliches. Aber sind in der tiefen ukrainischen Provinz die Zustände, gerade in Bezug auf Repräsentationsbauten wie Kulturhauser und Produktionsstatten, wirklich deutlich besser, gerade bei düsterem Winterwetter? Ich kann jetzt nur für Russland und Kasachstan sprechen, aber selbst da sieht es auf dem Land und in Kleinstadten, wo sämtliche Industrie (meist oft nur ein Grossbetrieb) stillgelegt wurde, nicht viel besser aus.
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Like
Reaktionen: HON/UA

crossfire

Erfahrenes Mitglied
15.04.2012
2.105
971
Guter Bericht,mit sehr interessanten, weil diametralen Bildern - wobei ich ehrlich bin und mich die Aufnahmen der Sakralbauten mehr interessierten, als sowjetische Plattenbauten.... Dir scheinen es aber diese angetan zu haben, warum? Sicher gibt es einige tatsächliche Prachtexemplare im stalinschen Zuckerbäckerstil, deren Erhaltung als Zeitzeugen durchaus opportun erscheint, aber diese Art Kulturpalast-Plattenbauten?!
Trotzdem interessant, was Du alles so „ausgräbst“.
 
  • Like
Reaktionen: HON/UA

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.882
7.290
Odessa/ODS/UA
5/1. Tag; 4. Winterreise 2017/18

Der 5. Reisetag sollte unser interessantester aber auch anstrengendster werden – und so standen wir bereits um 7 auf. Ich wollte, wegen meiner anhaltenden Migräne etwas frische, eiskalte Luft schnappen und begab mich auf den Balkon.

WOW!!! Wegen des Schmuddelwetters am Vortag hatten wir keine Ahnung in welcher atemberaubenden Umgebung wir uns befanden:
0228 01 by HON /UA

Wirklich schade – denn die ganzen Kirchen und Klöster des Vortages hätten vor dieser Kulisse nochmals eine ganz andere Wirkung gehabt!

Um kurz vor 8 trafen wir uns im Restaurant und standen als einzige Gäste vor einem sehr einfachen Frühstücksbuffet.
0228 02 by HON /UA

Wir bestellten ein paar weichgekochte Eier (bekamen jeder genau eines) und stillten mit den ziemlich schlechten selbstgebackenen Brötchen (erinnerten an Knack&Back) unseren Hunger. Aber bei der Kulisse im Hintergrund verzeiht man einiges, selbst dass man uns beim Checkout einen höheren Zimmerpreis als auf der Bestätigung angegeben berechnen wollte.

Wir packten unsere Koffer in den mittlerweile recht schmutzigen Land Cruiser, verließen das Dorf,
0228 03 by HON /UA

starteten unsere Fahrt in Richtung Südosten nach Sighnaghi.

Die Straßen waren ‚ukrainisch’, die Autos oft echte Raritäten, welche wir auch in der Ukraine kaum oder nicht mehr zu sehen bekommen. So scheint der gute Schiguli, im Westen als Lada 2101 bekannt, das Standardfortbewegungsmittel zu sein, aber auch ältere Mosquitsch und sogar GAZ 69.

Die Straße führte durch viele ärmliche Dörfer und Städte, parallel des Großen Kaukasus, was die ganze Zeit einen tollen Ausblick garantierte.

Die erste wirklich interessante Stadt, durch welche wir fuhren, war Gurdschaani. Hier befanden sich eindrucksvolle Monumente
0228 04 by HON /UA

und am Hauptplatz Gebäude mit wunderschönen Sowjetmosaiken, welche sich aber auch schon in Auflösung befinden.
0228 05 by HON /UA

0228 06 by HON /UA

Wir kurvten etwas durch die Stadt und fanden das typische Georgien vor,
0228 07 by HON /UA

mit ehemaligen Verwaltungsgebäuden im Zerfall,
0228 08 by HON /UA

0228 09 by HON /UA

versteckt hinter einem geschmacklosen Glasneubau einer Bank.

Wir verließen die relativ schlechte Hauptstraße und fuhren auf einer neuen Nebenstraße hinauf auf den Berg (Gombori Gebirge, das wir am Vortag von Tbilisi kommend weiter nördlich überquert hatten) zum Touristenort ‚Sighnaghi’, legten am Eingang einen kleinen Zwischenstopp auf der Aussichtsplattform mit teilweise zerfallenem Relief ein.
0228 10 by HON /UA

Von hier hatte man einen perfekten Blick auf den Großen Kaukasus und das Alazani Tal,

0228 11 by HON /UA

mit Teilen der städtischen Befestigungsanlage aus dem 18. Jahrhundert.
0228 12 by HON /UA

Valentyna & Tante knipsten ein paar Erinnerungsfotos,
0228 13 by HON /UA

wir fuhren durch ein Tor der Stadtmauer, die Stadt lag zu unseren Füßen.
0228 14 by HON /UA
 
Zuletzt bearbeitet:

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.882
7.290
Odessa/ODS/UA
5/2. Tag; 4. Winterreise 2017/18

Sighnaghi, mit seinen hübschen Kopfsteinpflasterstraßen, ist bereits seit den 70er Jahren ein Touristenmagnet, wurde aufwendig renoviert, macht eher den Eindruck in Österreich als in Georgien zu liegen. Zudem ist Sighnaghi die Hochzeitslocation in Georgien, das Standesamt ist 24/7 geöffnet.

Auch verschiedene Legenden spielen in dieser Stadt, zum Beispiel die von Alla Pugacheva besungene Geschichte des Malers, welcher alles verkaufte um der Schauspielerin, in die er sich verliebt hatte und die sich in Sighnaghi aufhielt, eine Million Rosen zu kauften, den Platz vor ihrem Fenster in einen See aus Rosen zu verwandeln.
http://lyricstranslate.com/de/million-alyh-roses-million-alykh-roz-million-scarlet-roses.html


Da es sich bei diesem Lied um Valentynas Lieblingslied handelt, war Sighnaghi natürlich gesetzt.

Weiter ging es ins nahegelegene Wallfahrtsort Frauenkloster Bodbe, wo der Heilige Nino (der, der das Christentum nach Georgien brachte, dessen Monument vor dem zerfallenden Archäologischen Museum in Tbilisi steht) begraben liegt.

Wir stellten den Wagen direkt vor den Klostermauern ab, gegenüber ein Touristenkomplex mit Restaurant, kleinem Hotel und Toiletten, gingen aufs Klostergelände.
0228 15 by HON /UA

mit dem freistehenden Glockenturm.
0228 16 by HON /UA

Das Kloster stammt ursprünglich aus dem 9. Jahrhundert, wurde aber mehrfach, speziell im 17. Jahrhundert, umgebaut. Da das Kloster ab 1924 von den Sowjets als Krankenhaus verwendet wurde, musste nach der Unabhängigkeit Georgiens aufwendige Renovierungsarbeiten durchgeführt werden, welche bis heute nicht abgeschlossen sind.
0228 19 by HON /UA

0228 20 by HON /UA

Wir betraten die kleine Kirche neben dem Glockenturm, in welcher der Heilige Nino begraben liegt, betrachteten das Innere
0228 21 by HON /UA

mit seinen Wandmalereien
0228 22 by HON /UA

- Fotografieren natürlich verboten, man soll einen Bildband kaufen.
 
Zuletzt bearbeitet:

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.882
7.290
Odessa/ODS/UA
5/3. Tag; 4. Winterreise 2017/18

Wir verließen den Wallfahrtsort, warfen vom Berg einen Blick zurück auf Sighnaghi,
0228 23 by HON /UA

fuhren in Richtung Westen. Nachdem wir die Berge hinter uns gelassen hatten, kamen wir auf eine gut ausgebaute Hauptverkehrsstraße,
0228 24 by HON /UA

gaben dem Toyota Azerbaijanisches Futter.
0228 25 by HON /UA

Das nächste Ziel auf unserer Georgientour sollte das ‚David Gareja Kloster’ an der Grenze zu Azerbaijan sein, Google Maps schlug einen riesigen Umweg fast bis über Tbilisi vor, 145 Kilometer, 3 Stunden Fahrt, ignorierte die kürzere Strecke durch die Pampa über Udabno völlig.

Nun hatten wir einen Land Cruiser Prado – was soll einen also schon aufhalten? Und so entschied ich mich, ohne Absprache mit den Mädels, die kürzere Route zu nehmen.

Noch ein paar Kilometer auf der Hauptstraße, vorbei an zerfallenen Industriebauten,
0228 26 by HON /UA

Bevor ich mich kurz hinter Badiauri links in die Büsche schlug. Vorne weg ein Ford Transit, dann ein Traktor und schließlich ich
0228 27 by HON /UA

– was sollte da schon schief laufen.

Traktor & Transit waren schnell überholt, der Feldweg war anfangs ganz ordentlich,
0228 28 by HON /UA

nichts was jemanden mit über 6000 Kilometern Erfahrung in Namibia und Mozambique aus der Ruhe bringen könnte, 80 bis 100 Sachen waren locker drin.
 
Zuletzt bearbeitet:

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.882
7.290
Odessa/ODS/UA
5/4. Tag; 4. Winterreise 2017/18

Leider blieb der Zustand nicht lange so, es wurde ziemlich übel, Löcher, Schlamm, Wasser – ein RAV4 hätte hier keine Chance mehr gehabt. Aber der Prado, unter Protest der Mädels, pflügte sich seinen Weg, auch wenn wir und Gepäck ziemlich durchgeschüttelt wurden, der Unterfahrschutz einige Male seine Notwendigkeit darlegte.

Auch einige Zwangspausen mussten eingelegt werden,

0228 29 by HON /UA

interessiert beobachteten wir aus dem klimatisierten Auto wie ursprünglich hier noch alles vonstatten geht,
0228 30 by HON /UA

man sich von einem wartenden Auto beim besten Willen nicht aus der Ruhe bringen lässt.
 
Zuletzt bearbeitet:

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.882
7.290
Odessa/ODS/UA
5/5. Tag; 4. Winterreise 2017/18

Nach einiger Zeit bogen wir nach Süden ab, die Straße war wenigstens wieder (mehr schlecht als recht) asphaltiert. Aber die Landschaft, die weichen Hügel, entschädigte für alles.

0228 31 by HON /UA

Langsam ging es wieder hinauf in die Berge, wir hatten freie Sicht auf den Großen Kaukasus linkerhand (Norden), den Kleinen Kaukasus rechterhand (Süden).
0228 32 by HON /UA
 
Zuletzt bearbeitet:

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.882
7.290
Odessa/ODS/UA
5/6. Tag; 4. Winterreise 2017/18

Endlich kamen wir durch Udabno (georgisch: Wüste),
0228 33 by HON /UA

einer kleinen, zerfallenden, kaum noch bewohnten Ortschaft, errichtet in den 80er Jahren. In dieser Ortschaft sollte sich ein kleines Restaurant befinden, betrieben von polnischen Gastgeren. Wir hielten an, gingen hinein und fanden Leere vor, niemand zuhause. Das Restaurant dient auch als Hostel, war nicht besonders sauber und so machten wir uns schnell vom Acker.

Weiter nach Süden durch die georgische Wüste bis wir auf die ‚Straße’ trafen, welche von Tbilisi zum Kloster führt.

Die Landschaft wurde immer eindrucksvoller, selbst den Straßenzustand beachtete man nicht mehr.

0228 34 by HON /UA

0228 35 by HON /UA
 
Zuletzt bearbeitet:

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.882
7.290
Odessa/ODS/UA
5/7. Tag; 4. Winterreise 2017/18

Meine Mädels entschlossen sich ein paar Fotos zu schießen,
0228 36 by HON /UA

ich durchkreuzte diesen Plan ‚etwas’, hatte meinen Spaß.

0228 37 by HON /UA

Nachdem ein paar Fotos im Kasten waren, fuhren wir weiter in Richtung Kloster, immer entlang der Grenze zu Azerbaijan,
0228 38 by HON /UA

man sah die bewaffneten Grenzsoldaten immer wieder auf dem Bergkamm auf uns hinunterblicken.
0228 39 by HON /UA
 
Zuletzt bearbeitet:

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.882
7.290
Odessa/ODS/UA
5/8. Tag; 4. Winterreise 2017/18

Nach gut zwei Stunden Fahrt erreichten wir den Parkplatz des Klosters David Gareja,
0228 40 by HON /UA

welcher über ein Gebäude mit Toiletten und einem Kirchenshop (wo man Wasser, Wein & Kerzen kaufen kann) verfügt.

Ein Blick aufs Kloster vom Parkplatz
0228 41 by HON /UA

und wir liefen hinauf zum Eingang.

Im Inneren konnte man die Zellen des Klosters sehen, welche als Höhlen in den Fels gehauen waren.
0228 42 by HON /UA

Leider finden aktuell Renovierungsarbeiten statt, so dass man diese nicht besichtigen kann.

So begnügten wir uns mit dem Inneren der Kapelle,
0228 43 by HON /UA

liefen durch die mehrstöckige Anlage und wieder zum Ausgang.

Plan war es nun zu Fuß den Bergkamm zu erklimmen, von dort einen Bick auf Azerbaijan zu erhaschen. Anfangs war der Aufstieg zwar steil, aber machbar, mit einem hübschen Blick auf die Klosteranlage von oben.
0228 44 by HON /UA

Leider war der Weg nach oben nicht ausgebaut, d.h. man musste klettern, zudem war alles ziemlich rutschig. Hoch wären wir wahrscheinlich gekommen – heil runter eher nicht. Und so brachen wir das Vorhaben enttäuscht ab. Setzten uns wieder ins Auto und fuhren los.

Aber so leicht gab ich nicht auf, auf dem Hinweg hatte ich einen Schlammweg nach oben gesehen, mit dem Toyota machbar. So bog ich ab und fuhr nach oben, wo ich unterhalb eines Burgturms am Ende des Wegs eine Hütte gesehen hatte, wahrscheinlich einen Kuhstall – dachte ich.

Es war aber kein Kuhstall, denn wir wurden schon von einem Grenzsoldaten mit Maschinenpistole erwartet, welcher sich an seinem Walkie-Talkie mit seinen Kollegen abstimmte. Die Kommunikation war schwierig, der Knabe sprach weder Englisch noch Russisch. Was ich aber mitbekam war: wir sollten uns vom Acker machen – was wir auch taten.

Wir verfolgten unsere Location auf dem Weg und den Abstand zur Grenze, der plötzlich unter 50 Meter betrug – im realen Leben erkennbar an vereinzelt stehenden Hochständen (Wachtürme kann man das nicht bezeichnen) und einem Graben im Erdreich der monotonen Wüste.

Weit genug entfernt von jeglichem Grenzsoldaten aber nahe genug an der Grenze stellten wir das Auto ab, überquerten den Graben und standen so in Azerbaijan; Länderpunkt!
0228 45 by HON /UA
 
Zuletzt bearbeitet:

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.882
7.290
Odessa/ODS/UA
5/9. Tag; 4. Winterreise 2017/18

Plötzlich kam ein zivilier LKW angefahren, der Fahrer erklärte uns, dass wir lieber nicht weitergehen sollten – was wir auch nicht vorhatten. Zurück im Auto suchten wir unseren Weg in Richtung Zivilisation, was nicht Ohne war, denn Wegweiser gab es nicht, nur unzählige Wege ins Nirgendwo, die meisten aber parallellaufend.

Teilweise war der Weg sehr schlecht, wir fuhren mit ordentlich Schräglage, teilweise sprangen wir über Kuppen oder ließen die Stoßdämpfer in Vertiefungen auf Block gehen. Ich hatte Spaß, Valentynas Tante, die sonst solche Urlaube nicht kennt, freute sich über ihren ‚Extremtrip’.

An einer riesigen, recht neuen, aber scheinbar verlassenen Militärbasis mit großem Beobachtungsposten auf dem Berg vorbei, rechts eine große, verlassene Kolchose,
0228 46 by HON /UA

kamen wir zurück auf eine (miserable!) Asphaltstraße.
 
Zuletzt bearbeitet:

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.882
7.290
Odessa/ODS/UA
5/10. Tag; 4. Winterreise 2017/18

Plötzlich ein Monument
0228 47 by HON /UA

und ab der Hauptstraße eine ehemals wunderschöne Kleinstadt, schon aus der Ferne eine architektonische Kleinod aus den typischen roten Steinquadern.

Wir bogen von der Hauptstraße ab über die Schlaglochpiste durch das ehemalige Tor der Siedlung, fuhren herum, sahen vereinzelt Menschen, Familien, welche in den baufälligen Prachtbauten wohnen.
https://www.youtube.com/watch?

Für uns war diese Siedlung ein Schock! Wie kann man etwas architektonisch so einmaliges derart dem Zerfall preisgeben? Hier handelte es sich größtenteils nicht um minderwertige Plattenbauten sondern um hübsch ausgestaltete kleine Mehrfamilienhäuser.

Auf der Rückfahrt zur Hauptstraße kamen uns zwei ältere Frauen in traditioneller Kleidung zu Fuß entgegen. Ich hielt an und Valentyna fragte wie es zu dem Zustand der Anlage kam. Die alte Frau erzählte, dass wir die Anlage vor 15 Jahren hätten sehen sollen, es eine wunderschöne Siedlung in sehr gutem Zustand gewesen wäre, sie seit 40 Jahren hier leben würde. Ehemals handelte es sich um einen Siedlung für Sowjetische Soldaten, nach deren Abzug wurden die leeren Wohnungen jedoch an Flüchtlinge aus Ossetien und Abchasien übergeben, welche bei ihrem Auszug Türen, Fenster, Heizkörper, Rohre, Kabel und sogar Fußböden mitgenommen hätten. Sie beklagte sich auch darüber, dass man vor einem Jahr das Gas komplett abgestellt, die Rohre demontiert hätte, sie nun keine Heizung mehr hätten. Wirklich schade – aber es passt zum Land.

In unseren Augen ist es ein Frevel seine Vergangenheit, einen Teil seiner Kultur und Geschichte, selbst wenn sie einigen nicht gefällt, so verfallen zu lassen. Georgien ist ein Land mit unglaublich vielen Bauten und Monumenten der Sowjetzeit, aber in einigen Jahren wird man diese einmalige Architektur nicht mehr vorfinden.

Weiter ging es durch Rustawi, der viertgrößten Stadt Georgiens, welche schon seit dem 4. Jahrhundert vor Christus existiert, an einer Abzweigung der Seidenstraße liegt.

Auch als eine der ersten Städte wurde Rustawi 1883 ans Eisenbahnnetz angeschlossen – der wunderschöne Bahnhof ist allerdings nur noch eine Ruine.
0228 50 by HON /UA

Zwischen 1944 und 1948 wurde ein riesiges Stahlwerk errichtet, Stalin selbst ordnete die Neugründung der Stadt an. Da sich in der Stadt ein Kriegsgefangenlager für deutsche Kriegsgefangene befand, wurden deutsche Architekten mit der Planung beauftragt, Soldaten für den Bau herangezogen.

Zu Sowjetzeiten befanden sich in der Stadt 118 größere und mittlere Betriebe, von welchen nach dem Ende der UDSSR nur 3 überlebten,
0228 48 by HON /UA

0228 49 by HON /UA

65% der Einwohner wurden arbeitslos, die Bevölkerungszahl sank, die Kriminalität stieg.

Zurück ging es nach Tbilisi, aus Süden die Uferstraße entlang, von wo ich durch Zufall nochmals einen besseren Blick auf den ‚Marriage Palace’ hatte.
0228 51 by HON /UA

0228 52 by HON /UA

Gegen 16:30 waren wir, wegen der Abkürzung, bereits im Hotel, wieder dem ‚The Grove Design Hotel’.. Da wir seit dem Frühstück nichts mehr zu uns genommen hatten, waren wir hungrig, setzten uns in Hotelrestaurant, die Damen bestellten sich Suppe, ich ein ‚Club-Sandwich’.
0228 53 by HON /UA

Während die Suppen geschmacklich nur furchtbar waren, war mein Club-Sandwich mit den scharfen Kartoffeln und der Mayonnaise ein echter Hit! Dennoch war ich ‚lieb’, gab mein halbes Sandwich an die Tante, die Hälfte der Kartoffeln an Valentyna ab.

Nach der ganzen Fahrerei des Tages war ich am Ende, dazu kamen die Kopfschmerzen, trotz Schmerztabletten, durch. So verzog ich mich ins Bett, schlief bis zur Abendessenzeit.

Valentyna & Tante hatten sich nochmals für das Weinrestaurant im ‚Museum Hotel’ entschieden – diesmal kannten wir den Weg, trafen gegen 20:30 ein, nahmen Platz, bestellten ein paar Gerichte, darunter Kebab-Bällchen mit Hagebuttensauce
0228 54 by HON /UA

und Shashlik vom Kalb
0228 55 by HON /UA

- beides sehr lecker!

Da der Toyota ziemlich dreckig war und ich keine Strafe von AVIS riskieren wollte, ging es noch schnell in einen Waschanlage,
0228 56 by HON /UA

wo wir das Auto für US$ 2 mit einem Hochdruckreiniger vom gröbsten Dreck befreien ließen.

Schnell zurück ins Hotel, Koffer und Tasche gepackt, den Wecker auf 2 Uhr gestellt und versucht schnell einzuschlafen.
 
Zuletzt bearbeitet:

LINDRS

Erfahrenes Mitglied
03.04.2013
1.720
1.865
DRS
Freut mich, dass ihr noch mal so schönes Wetter bekommen habt! Als wir letztes Jahr zu Ostern dort waren, war es ähnlich, nur ein bisschen wärmer. Der Kaukasus im Hintergrund ist einfach einmalig, wenn man von Telavi Richtung Norden schaut. Bei Schuchmann waren wir zur Weinprobe damals auch die einzigen, generell war es überall sehr leer.
 
  • Like
Reaktionen: HON/UA

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.882
7.290
Odessa/ODS/UA
Guter Bericht,mit sehr interessanten, weil diametralen Bildern - wobei ich ehrlich bin und mich die Aufnahmen der Sakralbauten mehr interessierten, als sowjetische Plattenbauten.... Dir scheinen es aber diese angetan zu haben, warum? Sicher gibt es einige tatsächliche Prachtexemplare im stalinschen Zuckerbäckerstil, deren Erhaltung als Zeitzeugen durchaus opportun erscheint, aber diese Art Kulturpalast-Plattenbauten?!
Als Gläubiger Atheist interessieren mich natürlich an Sakralbauten rein architektonische, künstlerische Aspekte. Denn wer hatte damals das Geld 'hoch', 'groß' und herausfordernd zu bauen - doch nur die Kirche.

Die Zuckerbäckerbauten der Stalinzeit sind eigentlich die, die mich am wenigsten interessieren, da es nur ein Aufguss von bereits Dagewesenem darstellt. Ich bin ein Verehrer Le Corbusiers, bewundere den Brutalismus (nicht von 'brutal' sondern von 'Beton brut', also 'roher Beton'), im Speziellen des Neuen Brutalismus, der auch als Nebenrolle andere Materialien als Beton zuläßt. Herausragend ist hier übrigens die Stadt Chandigarh im Norden Indiens zu erwähnen, hat mich trotz des mittlerweile schlechten Zustand sehr beeindruckt (Planung, Layout, Bauten).
 
Zuletzt bearbeitet:

gtrecker

Erfahrenes Mitglied
29.06.2009
702
44
CGN
Spannend. Euer Wetter war genauso wie bei uns vor 3 Jahren. Über den gomboripass bin ich bei gleichem Wetter gefahren... Von Ikalto habe ich aber Bilder mit blauem Himmel.

Zum Schuchmann: Wir haben da immer Russisch gesprochen, ohne angepflaumt zu werden. Entschuldigt das ganze natürlich nicht. Unser Kaminabend war harmonischer.

Ps. Stell Dir den Blick mal bei 20 Grad und Sonne im September vor. Das war mein zweiter Besuch dort.