„Die Luftfahrt hat es nicht nur als eine der ersten Branchen erwischt und das auch noch mit am heftigsten. Die Industrie wird sicherlich auch am längsten unter der Krise leiden“, prognostiziert Gerald Wissel vom Beratungsunternehmen Airborne Consulting.
Die Szenarien häufen sich, die wie Wissel davon ausgehen, dass es bis mindestens Ende des Jahres oder gar bis Ostern 2021 dauert, bis die Branche halbwegs zur Normalität zurückgekehrt sein wird. Der Weltairlinesverband IATA geht davon aus, dass bei einem dreimonatigen Shutdown die angebotene Kapazität selbst im vierten Quartal dieses Jahres weltweit immer noch rund zehn Prozent niedriger sein wird als vor der Krise geplant.
Ähnlich beurteilt die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) die Aussichten. In einer ersten Abschätzung – für den besten und den schlechtesten Fall – haben deren Experten die Nachfrageentwicklung beleuchtet.
Im schlimmsten Fall könnte die Zahl der 2020 an den deutschen Flughäfen abgefertigten Passagiere von rund 248 Millionen auf nur noch 131,5 Millionen einbrechen. Im besten Fall können es Ende des Jahres 154,9 Millionen Fluggäste sein.
Das hat mehrere Gründe: Viele Arbeitnehmer müssten während der Coronakrise große Teile ihres Urlaubs nehmen, um sich zum Beispiel um die Betreuung der Kinder zu kümmern, sagt Berater Wissel. Sie hätten kaum noch Urlaubstage für Reisen. Zudem werde überall Kurzarbeit angemeldet. „Selbst wenn die Reisebeschränkungen wieder aufgehoben werden, werden viele Kunden erst einmal nicht bereit sein, in den Urlaub zu investieren.“
Auch im Geschäftsreiseverkehr werde die Erholung erst dann wieder einsetzen, „wenn es einen Impfstoff gegen das Coronavirus gibt“, so der Experte. Auch würden viele Unternehmen aus der Erfahrung in der aktuellen Krise stärker auf Videokonferenzen umstellen. Angesichts der wirtschaftlichen Folgen von Corona kämen die Budgets – dazu gehören Dienstreisen – auf den Prüfstand.
Viele Unternehmen in der Luftfahrt haben nicht genug Reserven, um diesen langen Zeitraum zu überbrücken. Die IATA geht davon aus, dass die Fluggesellschaften allein im zweiten Quartal weltweit in Summe 61 Milliarden US-Dollar „verbrennen“ werden. In der ersten Abschätzung des ADV ist davon die Rede, dass im schlimmsten Fall viele Airlines und touristische Dienstleister Insolvenz anmelden müssten.