Bom dia,
(hier ist schon gleich Frühstück angesagt, morgen Abend bin ich in SIN)
Sie lassen vor allem die Industrie abwandern. Sieht man jetzt gerade bei uns.
Wenn die Energiepreise der allein ausschlaggebende Faktor sein sollten, so lässt man sich da eher ein Stück weit von Medien/Stimmungsmache ins Bockshorn jagen. Ich hätte da jedenfalls wesentlich entscheidendere Punkte.
Es bezieht sich zwar nur auf die Strombörsenpreise (nur ein größerer Teil des Marktes), aber diese sinken tatsächlich trotz kurzfristig extrem hoher Marktpreise - der Durchschnitt betrug 79,6 Euro/MWh 2024.
„Das Jahr 2024 wurde außerdem durch Schlagzeilen zu Extrempreisereignissen geprägt. Ein Großteil dieser Preisspitzen wurde durch
Prognosefehler verursacht. Negative Preise ergaben sich insbesondere durch ein zeitweises Überangebot von Strom aus Erneuerbaren Energien. Zudem führte ein
technischer Fehler am 26. Juni 2024 zur Entkoppelung einzelner Länder aus dem europäischen Markt und extremen Preisausschlägen am Day-Ahead-Markt. Dies haben wir bereits in unserem
Beitrag zu Extrempreisen auf dem deutschen Strommarkt vom 21.10.2024 ausführlicher beleuchtet.
Im November und Dezember 2024 führten zudem Dunkelflauten und damit das Auftreten von geringen Erträgen aus Solar- und Windenergie bei gleichzeitig saisonal hohem Strombedarf zu Extrempreisen von bis zu 936 €/MWh am Day-Ahead Markt. Während die Preisausschläge zu einem gewissen Grad durch den reduzierten Kraftwerkspark zu erklären sind, prüft aktuell das Bundeskartellamt die Preisbildung während der Dunkelflaute genauer und reagiert damit auf die extremen Preisanstiege [5].“
Der technische Fehler war ein einzelner Tag, es demonstriert aber, wie wichtig das europäische Verbundnetz ist und das es keine Sinn macht, nur Deutschland zu betrachten.
Die 2 sog. Dunkelflauten beziehen sich im Extrem auf jeweils etwa 3 Tage, die extremen Day-Ahead-Preise bezogen sich noch kürzere Zeitspannen.
Das ist mindestens der Teil, der durch flexible Kapazitäten (Bedarfskraftwerke, Pump- und Batteriespeicher) gesichert werden muss, um die Linie zu glätten.
Eine wichtige Aussage:
„Von der insgesamt historisch hohen Preisvolatilität auf den deutschen Strommärkten profitierten 2024 insbesondere Speichertechnologien und flexible Lasten Bei einem Verkauf von Strom am Day-Ahead-Markt zu allen Zeitpunkten mit Strompreisen über 800 €/MWh hätte ein Batteriespeicher mit 1 MW im Jahr 2024 innerhalb von 10 Stunden über 11.000 € einnehmen können. Damit verdeutlicht das Jahr 2024 einmal mehr den dringenden Bedarf an mehr Flexibilität, um eine effiziente und verbraucherfreundliche Transformation des Stromsystems zu ermöglichen.“
Vielleicht noch mal ein paar Daten aus Asien:
In
Singapur bezahlt man derzeit generell 27,55 SGD-Ct/kWh netto (reguliert, wird quartalsweise festgelegt, das sind ca. 18 Euro-Ct/kWh, das war schonmal höher und auch niedriger), Großverbraucher können auch Börsenpreise nehmen, aber die Volatilität bezieht sich eher auf die gleichmäßige Auslastung der Gaskraftwerke als auf Schwankungen wie bei Sonne/Wind. Im Mittel sind so Großverbraucher eher etwas TEURER als kleine Verbraucher.
In der TEDA (Tianjin Economic Developement Area, regierungsunmittelbare Sonderwirtschaftszone in
China) sieht das wie folgt aus:
Achtung: Dort sind die Netzgebühren nicht in den kWh-Preisen enthalten sondern werden pro KV Anschlussleistung monatlich berechnet.
Die Spitze liegt bei kleinen, nicht steuerbaren kommerziellen Drehstrom-Verbrauchern (unter 3. ganz unten), bei 1,04 CNY/kWh, das sind 12,8 Euro-Ct/kWh ohne Stromnetzanteile. Das ist das, wofür man derzeit weltweit Gaskraftwerke betreiben kann.
Daher: Vorsicht mit pauschalen Aussagen.
Woran liegt es also nun in Deutschland bzgl. der Preise bei den Verbrauchern (klein und groß):
Über 5 Ct/kWh netto staatliche Abgaben/Umlagen wie Stromsteuer, KWK-Umlage, Offshore-Umlage (deckt nicht etwa Offshore-Netzanschlüsse sondern in Folge von juristischen und Planungsfehlern der öffentlichen Hand die Kosten von nicht rechtzeitig umgesetzten Netzanschlusszusagen) - das alles bezogen auf Netto (ohne Umsatzsteuer). Würden diese wegfallen und das Verteilnetz etwas kompakter (1/6 kleiner) wären wir auf Niveau Singapur. Wohlgemerkt: damit wird nicht der Verbraucher gelenkt, das gilt pauschal auf alles.
Bei meinem Stromversorger werden 6,2 Ct/kWh Netzentgelte berechnet - und zwar nur für das eigene Verteilnetz.
Die Vorlieferung inkl. Übertragungsnetz ist da garnicht mit drin - und da sind halt 79,6 Euro/MWh Stromkosten drin (das sind etwa 1/3 der abgerechneten Arbeitspreise), der Rest ist Übertragungsnetz.
Auch hier: Singapur hat praktisch kaum Übertragungsnetz, dafür mit Gaskraftwerken (und 1 Palmöl-Kraftwerk) deutlich höhere Erzeugerpreise.
Allerdings ist das ganze komplett staatlich reguliert und es fallen nicht nach irgendwelchen Marktmechanismen irgendwelche extremen Gewinne an.
Wenn man auf Brutto geht, so liegt die GST in Singapur bei 9%, die deutsche Umsatzsteuer bei 19%.
Wenn die Arbeitspreise heute deutlich drunter liegen (ich kenne etliche Staaten), dann geht es um staatliche Subventionen in Form von Übernahme der Energiekosten durch den Staat. Da hilft es aber dann nur sehr begrenzt, auf technischer Ebene zu diskutieren.
Ich bin übrigens überzeugt davon, dass die Staatsquote deutlich reduziert werden muss und das Dinge wie Stromsteuer etc. weg müssen und auch hinsichtlich der Privatverbraucher die Mwst. für essentielle Dinge wie Strom auf 7% gesetzt gehört. Das bringt uns hinsichtlich der Dimensionen erheblich schneller an die Wettbewerbsfähigkeit als irgendwelche Kraftwerksdiskussionen und ist schlicht Orientierung am weltweiten Standort-Wettbewerb.
Benchmark ist alles, was durchschnittlich Strom unter 79 Euro/MWh allein oder in Kombination erzeugen kann.
Das Ganze je sauberer, desto besser.