Eine niedrigere Hemmschwelle wäre wieder ein sehr günstiges D-Ticket. Das 9-Euro-Ticket hat fast jeder einfach mal gekauft, selbst wenn man es kaum braucht. Wenn man es hat fährt man auch Strecken die man mit dem Auto fährt mal mit dem ÖPNV wenn es kein Problem ist. So ging es mir. Bei 58-Euro kaufe ich es als ÖPNV Gelegenheitsfahrer nicht und nutze halt dann das Auto. Irgendwo bei 30€ pro Monat (=365€ pro Jahr) ist Schluß mit einfach so kaufen. Daran krankt das System.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Deine Argumentation sehr stark von Deiner persönlichen Einschätzung geprägt ist und Du unterstellst, dass viele Leute ähnlich ticken wie Du, also nach den selben Maßstäben abwägen.
"Die Beurteilung krankt" unterstellt außerdem, dass es ein Ziel gibt, das nicht erreicht wird, und zwar hier wegen des Preises, der ein "bedenkenloses" Zugreifen durch den Konsumenten verhindert (und unterstellt, dass dies eine probate Strategie wäre).
Zum Glück gibt es ja aus dem "Nahverkehr deutschlandweit für 9 €"-Großexperiment konkrete Zahlen, die man sich anschauen kann. In den drei Monaten damals wurden insgesamt 52 Mio. 9 € Tickets verkauft, genauer im im ersten Monat 21, im zweiten 17 und im dritten 14 Mio. Tickets jeweils (
https://www.wirtschaftsdienst.eu/in...ngsmechanismen-und-nachfolgeangebot-7220.html)
Man erkennt also klar, dass es ein abnehmendes Interesse gab. Über die Gründe mag man spekulieren und Hypothesen aufstellen (z.B. am Anfang großer Hype und Neugierde, dann Ernüchterung z.B. wegen voller Züge oder Desinteresse bei einigen, da nicht wirklich gefahren; kann natürlich auch sein, dass im Juli und August mehr Leute auf Malle waren und das Ticket sich aus deren Sicht dann nicht einmal für die Fahrt zum Flughafen gerechnet hätte).
Dazu kamen noch ca. 10 Mio. Kunden mit bestehendem lokalen Nahverkehrsabo (darunter dürften auch z.B. Semestertickets fallen). Diese Abos galten automatisch als 9 € Ticket und waren bundesweit gültig (und das mehr gezahlte Geld wurde erstattet für die drei Monate).
In Deutschland gab es ca. 79 Mio. Einwohner über sechs Jahren. Nur ungefähr ein Drittel hatte selbst beim eher symbolischen Preis von 9 € und bundesweiter Gültigkeit sowie sehr einfacher Erwerbbarkeit und Nutzbarkeit (Papierausdrucke waren z.B. kein Problem) Interesse daran. (und hier ignorieren wir außerdem, dass das 9 € Ticket sicher auch von Besuchern aus dem Ausland erworben wurde; die müsste man noch abziehen bei den Verkaufszahlen, aber sei's drum, so viele werden das nicht gewesen sein.)
Für zwei Drittel der Bundesbürger, zuletzt sogar eher mehr, war selbst das 9 € Ticket uninteressant.
Diese Zahlen sollte man sich nüchtern vor Augen halten, wenn man die Frage des Interesses am ÖPNV erörtert.