@Berlin-Lawyer:
Hab' mir zu der Frage, die dich so heftig umtreibt, nochmal Gedanken gemacht. So sehr ich's auch versuche - mit deiner Lösung werde ich nicht warm.
Was haben wir?
Allen voran ein Urteil d. EuGH, das du jetzt mehrfach zitiert hast. Nämlich C-559/16.
Darin - auch im Tenor - findet sich jener Teil-Satz, auf den man sich natürlich stürzen bzw. stützen kann: " die Entfernung zwischen dem Ort des ersten Abflugs und dem Endziel"
Mindestens ein Wort - auch - im Tenor sollte allerdings stutzig machen, nämlich: "nur".
Deiner Auslegung geht es ja um eine ERWEITERUNG der zu berücksichtigenden Entfernung. Was jedoch der EuGH getan hat, war die Entfernung zu BEGRENZEN. Daher das Wort "nur".
Zum Verständnis: Dort ging es um den klassischen Fall der Anschlussbeförderung, also A-B-C, wobei die Verspätung auf dem ersten Segment auftrat, also auf A-B.
Vorlagenfrage war sinngemäß, ob nun die Entfernung aus A + B + C zu ermitteln sei (in dem Fall über 1500 km) oder schlicht jene v. A nach C.
Das Ergebnis: Die Entfernung A-C. "Nur" diese Entfernung.
Der für mich entscheidende Punkt ist, dass sich in der Urteilsbegründung nicht der geringste Hinweis darauf befindet, dass der Gerichtshof überhaupt nur an die Möglichkeit gedacht hat, dass sich die Störung auf einem späteren Segment ereignet.
Sprich: Ob auch der "erste Abflugort" heranzuziehen ist , falls die Annullierung/Verspätung etc. erst auf B-C, C-D oder wann auch immer auftritt, wurde schlicht nicht geprüft. Und kann meines Erachtens daher auch nicht schon deswegen als entschieden gelten, weil der Gerichtshof später anrufende Gerichte danach gefragt hat, ob das Urteil die später aufgeworfene Frage beantworte. Wäre natürlich wünschenswert gewesen, eines der Gerichte hätte dies vermeint.
Was nun das Berufungsurteil d. LG Frankfurt am Main anbelangt, fallen zwei Dinge auf:
1. Es hält die entscheidende Rechtsfrage selbst nicht für abschließend geklärt, andernfalls es die Revision nicht zugelassen hätte.
2. Es hat sich um eine Auseinandersetzung gedrückt, indem es aus dem entscheidenden Satz d. EuGH-Urteils das Wörtchen "nur" einfach mal hat verschwinden lassen, ohne darauf irgendwie einzugehen. Das ist mindestens unsauber.
Was GEGEN deine These spricht: Der Wortlaut der VO. Dazu hatte ich früher schon was geschrieben.
Was DAFÜR spricht: Die jüngere Rechtsprechung d. EuGH, der wiederholt betont hat, dass es sich bei Beförderungen, die aus mehreren Segmenten bestehen, um EINEN Flug handelt. U.a. mit dieser Begründung soll es auch möglich sein, selbst eine Nicht-EU-Airline, auf deren Flug ohne EU-Bezug die Störung erst auftritt, auf Ausgleichszahlungen in Anspruch zu nehmen. Bzw. jenes EU-Unternehmen, bei dem der Flug gebucht wurde.
Allerdings ändert die Würdigung v. etwa A-B-C als ein Flug natürlich nichts daran, dass die VO Regeln enthält, auf deren Grundlage die relevante Flugstrecke Flugstrecke zu ermitteln ist. Und da sind wir dann wieder am Anfang.
Zusammenfassend halte ich deine Wertung inzwischen für vertretbar. Für wünschenswert i.S. betroffener Fluggäste sowieso. Aber mein Ergebnis wär's nicht.