X3: TUIfly: Diverse Ausfälle/Verspätungen und angeblich "wilder Streik"

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spocky83

Erfahrenes Mitglied
21.12.2014
3.770
1.172
MUC, BSL
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Wieso? Das LG behauptet ja (m.M.n. begründet), dass es sich ja in weiten Teilen eben NICHT um eine Erkrankung handelt. Dass es in der Praxis quasi kaum möglich zu unterscheiden, welcher Mitarbeiter nun tatsächlich erkrankt ist und wer dem Arbeitgeber nur ans Bein pinkeln will, stimmt ja aber interessiert hier eben nicht.

Das LG bewertet hier ja nur die Gesamtlage und da ist es eben zu dem Schluss gekommen, dass man in der Gesamtschau der Meinung ist, dass es sich um einen außergewöhnlichen Umstand handelt. Arbeitsrechtlich tangiert das ja niemanden und wenn sich die Situation stellen würde, dass die halbe Belegschaft wegen eines im Betrieb grassierenden Virus diagonal zwischen Bett und Klo hängt, dann kann bzw. muss die Entscheidung bezüglich des Ausfalls auch anders ausfallen.
 
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Fare_IT

Erfahrenes Mitglied
06.12.2012
4.492
20
Farewell City
Das LG behauptet ja (m.M.n. begründet), dass es sich ja in weiten Teilen eben NICHT um eine Erkrankung handelt.

Gibt es dazu eine Quelle?
Also für "das LG behauptet die MA seien entgegen der Willensbekundungen mit Krankenschein gar nicht krank gewesen." ?

Oder ist es nicht viel mehr so, dass das Gericht implizit durch die Anerkennung "aussergewöhnlicher Umstände" indirekt diese Aussage / Einschätzung abgibt?

Ich bin gespannt was das BGH dazu sagt, dass ein Richter am LG entgegen der schriftlichen Willensbekundungen in Form der vorgelegten Krankschreibungen den Mitarbeitern pauschal "unterstellt" sie seien NICHT krank gewesen.

Und das ist doch eigentlich gerade auch Arbeitsrechtlich spannend. Die TUI ist eine AG, und hat einen Vorstand der die Gesellschaft zu führen hat. Wie ist das Verhalten des Vorstands zu bewerten, wenn er einen "Supplier" bezahlt - der aber die Leistung nicht erbringt? Darf er dann einfach sagen: "I don`t care?".

Krankheit ist KEINE höhere Gewalt und stellt keine aussergewöhnlichen Umstände dar - das ist "bisher" eindeutig in der Risikosphäre des Arbeitgebers / Unternehmens angesiedelt. Der Kunde darf dieses Risiko NICHT übertragen bekommen
 

spocky83

Erfahrenes Mitglied
21.12.2014
3.770
1.172
MUC, BSL
Gibt es dazu eine Quelle?
Also für "das LG behauptet die MA seien entgegen der Willensbekundungen mit Krankenschein gar nicht krank gewesen." ?

Gibt es, nämlich die PM des LGs

https://www.landgericht-hannover.ni...016-in-zweiter-instanz-abgewiesen-159736.html

Oder ist es nicht viel mehr so, dass das Gericht implizit durch die Anerkennung "aussergewöhnlicher Umstände" indirekt diese Aussage / Einschätzung abgibt?
Kann man sicherlich so sehen, aber letztendlich nimmt das Gericht nur an, dass es sich tatsächlich um einen "wilden Streik" handelt und das dürfte jetzt keine besonders gewagte Annahme, sondern allgemeiner Konsens sein.

Ich bin gespannt was das BGH dazu sagt, dass ein Richter am LG entgegen der schriftlichen Willensbekundungen in Form der vorgelegten Krankschreibungen den Mitarbeitern pauschal "unterstellt" sie seien NICHT krank gewesen.
Das ist aber letztendlich egal, weil es darum gar nicht geht. Natürlich unterstellt das Gericht bei missgünstiger Betrachtung, dass ein erheblicher Teil der krankgemeldeten Mitarbeiter nicht tatsächlich krank sind, allerdings betrifft das keinen konkreten Mitarbeiter.

Und das ist doch eigentlich gerade auch Arbeitsrechtlich spannend. Die TUI ist eine AG, und hat einen Vorstand der die Gesellschaft zu führen hat. Wie ist das Verhalten des Vorstands zu bewerten, wenn er einen "Supplier" bezahlt - der aber die Leistung nicht erbringt? Darf er dann einfach sagen: "I don`t care?".

Krankheit ist KEINE höhere Gewalt und stellt keine aussergewöhnlichen Umstände dar - das ist "bisher" eindeutig in der Risikosphäre des Arbeitgebers / Unternehmens angesiedelt. Der Kunde darf dieses Risiko NICHT übertragen bekommen

Nochmal: das AG hat erstinstanzlich lediglich darüber entschieden, ob die gegebene Situation in der Risikosphäre des Unternehmens anzusiedeln ist oder nicht. Krankheit ist freilich kein außergewöhnlicher Umstand, damit muss jedes Unternehmen rechnen. Das AG sieht aber, dass es sich hier nicht um einen "normalen" Krankenstand handelt, mit dem man z.B. während einer Grippewelle rechnen muss, sondern, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Ankündigung der Umstrukturierung und dem immensen Krankenstand gibt.

"Damit habe die Airline nicht rechnen müssen, es müsse vielmehr auch einer Fluggesellschaft möglich sein, ihre Betriebsangehörigen über eine mögliche wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens zu unterrichten."

Das ist eben auch der Knackpunkt bei der Geschichte: es geht hier einfach nicht darum, welcher MA konkret krank oder "krank" ist und es geht auch nicht darum ob es sich nun um einen Streik handelt oder nicht. Es geht lediglich darum, dass ein Streik (gleichgültig ob wild oder geregelt) eben nicht mehr im Einflussbereich des Unternehmens ist, wie im Artikel auch m.M.n. korrekt begründet.

Du unterstellst letztendlich, dass es sich NICHT um einen wilden Streik handelt und genau dafür fehlt ja eigentlich der Nachweis. Eine Krankmeldung mag ein Indiz für eine tatsächliche Erkrankung sein, massenhafte Krankmeldungen nach einer entsprechenden unpopulären Ankündigung aber eben eines dagegen.
 

zolagola

Erfahrenes Mitglied
02.01.2014
2.036
215
FRA
Heute gab es den EuGH-Entscheid dazu:

https://www.lto.de/recht/nachrichte...ng-wilder-streik-aussergewoehnlicher-umstand/

Reisende, die von den Verspätungen und Annullierungen aufgrund der Massenkrankmeldungen bei Tuifly im Herbst 2016 betroffen waren, können aufatmen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am Dienstag (Urt. v. 17.04.2018, Az. C-195/17 u.a.), dass sich die Fluggesellschaft in diesem Fall nicht auf Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechte-Verordnung (Fluggastrechte-VO) berufen kann. Danach kann bei Vorliegen von "außergewöhnlichen Umständen" eine Entschädigungszahlung, die Fluggästen bei Verspätungen und Annulierungen aus Art. 7 der Fluggastrechte-VO zusteht, verweigert werden.

Der EuGH betonte, dass ein entsprechendes Vorkommnis seiner Natur nach kein Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit einer Fluggesellschaft sein und der Umstand von der Fluggesellschaft auch nicht beherrschbar sein dürfe. Die massenhafte Krankmeldung war jedoch nach Auffassung der Luxemburger Richter eine unmittelbare Folge einer unternehmerischen Entscheidung der Tuifly und damit von der Fluggesellschaft beherrschbar.
 

umsteiger

Erfahrenes Mitglied
22.01.2012
3.454
45
54
Berlin
www.kanzlei-woicke.de
Gesagt. Getan.

Alter Schwede! Ist ja eine vergleichsweise knackig begründete Entscheidung. Die hat´s in sich. Zwar bezieht sie sich auf die konkreten Umstände, wie sie 2016 bei TUIfly herrschten, aber das Urteil dürfte sich zumindest punktuell auch auf reguläre Streiks beziehen, zumal der EuGH eine pauschale Einstufung in legal und illegal offenbar ablehnt, da die Frage außergewöhnlicher Umstände dann durch jeweils nationales Tarifrecht zu entscheiden wäre, was zu denkbar unterschiedlichen Ergebnissen innerhalb der Gemeinschaft führte.

Zumindest wenn ein Streik auf ein Unternehmen begrenzt ist, er auf eine unternehmerische Entscheidung folgt - und in dem Sinne für die Fluggesellschaft beherrschbar ist, dass sie ihn etwa durch Zusagen, Gehaltsverbesserungen usw. beenden kann, sollte es keine Rolle spielen, ob der Streik nun nach kollektivem Arbeitsrecht legal ist oder nicht.

Hier der Link zum Urteil:

CURIA - Documents
 

ek046

Erfahrenes Mitglied
29.05.2013
3.303
794
Das könnte umgekehrt auch als Druckmittel der Gewerkschaften genutzt werden Forderungen effektiv durchzudrücken, da die Gesellschaften dann nicht mehr auf Zeit spielen können. Stehen gelassene Flieger und Umbuchen kosten Geld, Forderungen darüber Hinaus pro Pax dann richtig Geld.
 

zolagola

Erfahrenes Mitglied
02.01.2014
2.036
215
FRA
Das könnte umgekehrt auch als Druckmittel der Gewerkschaften genutzt werden Forderungen effektiv durchzudrücken, da die Gesellschaften dann nicht mehr auf Zeit spielen können. Stehen gelassene Flieger und Umbuchen kosten Geld, Forderungen darüber Hinaus pro Pax dann richtig Geld.

Das könnte auf der einen Seite aus Kundensicht positiv sein weil dann so eine langwierige Auseinandersetzung wie Cockpit versus Lufthansa der Vergangenheit angehören dürfte. Auf der anderen Seite erhalten dadurch Gewerkschaften zwangsläufig direkten Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen, also genau das was Cockpit bspw. in Bezug auf Eurowings vorgeworfen wurde und in der Sache nicht zulässig war. Ich bin mir sicher, dieses Urteil wird noch für einigen Gesprächsstoff sorgen.
 

roffe8

Erfahrenes Mitglied
14.01.2017
545
155
LHR
Das könnte auf der einen Seite aus Kundensicht positiv sein weil dann so eine langwierige Auseinandersetzung wie Cockpit versus Lufthansa der Vergangenheit angehören dürfte. Auf der anderen Seite erhalten dadurch Gewerkschaften zwangsläufig direkten Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen, also genau das was Cockpit bspw. in Bezug auf Eurowings vorgeworfen wurde und in der Sache nicht zulässig war. Ich bin mir sicher, dieses Urteil wird noch für einigen Gesprächsstoff sorgen.

Naja, so wie ich das sehe hat sich die Art des Einflusses der Gewerkschaften ja durch dieses Urteil nicht direkt geändert, nur das Ausmaß.

Finanziellen Schaden machen die Streiks ob Kompensation gezahlt werden muss oder nicht, nur jetzt eben noch mehr als vorher.

Ob das reicht die unternehmerischen Entscheidungen der Fluggesellschaften tatsächlich deutlich stärker zu beeinflussen, halte ich mal für fraglich, aber auch nicht ausgeschlossen.
 

zolagola

Erfahrenes Mitglied
02.01.2014
2.036
215
FRA
Naja, so wie ich das sehe hat sich die Art des Einflusses der Gewerkschaften ja durch dieses Urteil nicht direkt geändert, nur das Ausmaß.

Finanziellen Schaden machen die Streiks ob Kompensation gezahlt werden muss oder nicht, nur jetzt eben noch mehr als vorher.

Ob das reicht die unternehmerischen Entscheidungen der Fluggesellschaften tatsächlich deutlich stärker zu beeinflussen, halte ich mal für fraglich, aber auch nicht ausgeschlossen.
Es ist in meinen Augen eine Aufwertung der Position der Gewerkschaften, denn die Frage, ob die Airline Passagiere entschädigen muss oder nicht ist losgelöst von der Frage ob es ein legaler oder illegaler Streik ist. Es geht laut Urteil lediglich darum ob der Streik durch eine unternehmerische Entscheidung der Airline verursacht wurde. Die Airlines werden also zwangsweise Gewerkschaften noch mehr in unternehmerische Entscheidungen einbinden müssen um das jetzt gestiegene finanzielle Risiko aus einem Streik wieder zu minimieren.
 

Farscape

Erfahrenes Mitglied
24.09.2010
6.973
7
Wien
Können Gewerkschaften dann nicht auch haftbar gemacht werden für die zu zahlende Kohle?