Tag 13 - Torellneset und Bråsvellbreen
Es ist kurz vor 8 Uhr als wir mit einer Borddurchsage aus unserem Snooze-Modus geweckt werden und damit endgültig wach sind.
Die Expedition Managerin gibt durch: traumhaftes Wetter an diesem frühen Morgen des 8. Juli in der Hinlopenstraße.
Und tatsächlich ein Blick aus dem Fenster gibt uns einen ersten Vorgeschmack: strahlender Sonnenschein, windstill, das Glitzern der Sonne auf dem Wasser und eine atemberaubende Kulisse um uns herum. Die Landschaft wirkt fast surreal: schroffe Felsküsten, breite Gletscherzungen, dazwischen karge Tundra, die sich in verschiedenen Brauntönen bis zum Horizont zieht.
Wir machen uns schnell fertig und sind kurze Zeit später auf den Außendecks. Es ist erstaunlich wenig los und so können wir die Szenerie von jeder Position aus bestens bestaunen. Die Passage ist nur wenige Wochen im Jahr, von Juli bis August, befahrbar, denn meist liegt die rund 150 Kilometer lange Meerenge zwischen der Hauptinsel Spitzbergen und dem fast menschenleeren Nordostland unter einer dichten Decke aus Packeis.
In der Ferne sehen wir auf einer kleinen Landzunge eine Kolonie Walrosse. Wie sich kurze Zeit später herausstellt, ist das auch unser Ziel für den heutigen Vormittag. Die Landzunge nennt sich Torellneset, liegt im Südwesten von Nordaustland und ist berühmt für ihre Walrosskolonie.
Um 8:30 Uhr gehen wir wie gewohnt kurz im Hanseatic frühstücken. Wir brauchen keine halbe Stunde und so liegen wir um kurz nach 9 Uhr dick eingepackt mit Decke und Sonnenbrille auf Deck 9 im Liegestuhl. Einfach herrlich.
Auch der Ausblick in die Ferne kann voll und ganz zu überzeugen.
Wir beobachten die ersten Ausbootungen und gehen mit Aufruf der Farbgruppe vor uns zurück auf die Kabine, um uns ebenfalls für die Anlandung fertig zu machen. Wobei das wichtigste eigentlich nur noch die Rettungsweste ist. Durch die Zeit am Außendeck sind wir kleidungstechnisch schon gut gewappnet.
HANSEATIC spirit | Zodiac Torellneset
Um kurz vor 11 Uhr kommen wir an Land an und erhalten eine kurze Einweisung. Wir dürfen uns der Kolonie bis auf gut 50 Meter nähern. Dabei müssen wir natürlich ruhig sein oder maximal flüstern und uns im besten Fall auch auf den Boden setzen, damit die Tiere uns nicht als Gefahr einstufen.
Und so laufen wir den steinigen Strand entlang, bis wir die durch Fahnen markierte Grenze erreicht haben.
Auf den wenigen Metern merken wir bzw. insbesondere +1, dass wir zu dick angezogen sind. Die pralle Sonne sorgt für ordentlich Wärme und so sind die vielen Lagen der Zwiebeltaktik doch ein bisschen zu viel des Guten. Aber zum Glück kann man dagegen ja Abhilfe schaffen.
Etwa fünfzig Walrosse liegen dicht aneinandergedrängt am flachen Ufer, ein Großteil auf dem Kies, andere vergnügen sich im Wasser. Wir beobachten das Geschehen still und mit einer gewissen Ehrfurcht vor den Kolossen. Die Tiere wirken auf den ersten Blick schwerfällig und träge. Immer wieder hören wir ein dumpfes Grunzen oder ein überraschend lautes Schnauben. Ab und an wird sich mit Hilfe der Stoßzähne vehement Platz verschafft.
Video:
HANSEATIC spirit | Walross Torellneset
Die bis zu 1.500 kg schweren Körper der Walrosse sind perfekt für das Leben im kalten Wasser gebaut. Sie ernähren sich hauptsächlich von Muscheln, die sie mit ihrer sensiblen, behaarten Schnauze auf dem Meeresboden aufspüren und aus dem Sand saugen. In der Kolonie herrscht ein ständiges Kommen und Gehen: Einige gleiten schwerfällig ins Wasser, andere robben sich mühsam wieder an Land.
Wir bleiben eine ganze Weile sitzen, um dieses Schauspiel ganz entspannt auf uns wirken zu lassen. Auch hier herrscht, eine gewisse Art der Ruhe.
Entgegen der meisten anderen Gäste laufen wir anschließend nicht direkt zurück zur Zodiac Anlandestelle, sondern nutzen die Möglichkeit und laufen noch einen kleinen Hügel hoch. Auch hier stehen die Experten entlang des Weges und machen uns auf kleine Sehenswürdigkeiten aufmerksam. So beobachten wir eine brütende Schmarotzerraubmöwe, der wir natürlich weiträumig aus dem Weg gehen, um sie nicht unnötig zu stören. Und obwohl die Vegetation recht karg ist, finden sich auch hier immer wieder Pflanzen auf dem Weg.
Als die Experten ihre Ausrüstung einpacken, machen auch wir uns auf den Weg zurück zum Zodiac.
Diesen kleinen Spaziergang hatten wir nur für uns. Manchmal ist es für uns schwer nachzuvollziehen, weshalb so viele Gäste die Zeit der Anlandungen nicht voll ausnutzen. Womöglich liegt der Schwerpunkt bei vielen auf der Kreuzfahrt selbst und die Anlandungen sind eine nette Abwechslung. Für uns hingegen steht das Erkunden dieser abgelegenen Regionen im Vordergrund. Wir würden definitiv auch auf eine Mahlzeit verzichten, wenn gleichzeitig noch etwas Spannendes geboten wird. Wir genießen natürlich auch die Annehmlichkeiten dieses Schiffs, legen unseren Fokus aber mehr auf die Anlandungen und Cruises.
Zurück an Bord machen wir es uns zunächst auf Deck 9 in einer Liege gemütlich. Mit der Zeit wird es doch recht frisch, wir können uns aber mit Wolldecken behelfen. +1 hat sich so eingewickelt, dass man stellenweise nur noch die Nasenspitze sieht.
Gegen 13:15 Uhr machen wir uns dann auf ins Lido für ein Mittagessen. Auch heute setzen wir uns, bei strahlendem Sonnenschein und spiegelglatter See wieder in den Außenbereich.
Nach dem Essen gehen wir direkt wieder hoch auf Deck 9 in die Liegestühle. Herrlich! Die HANSEATIC spirit hat inzwischen Kurs in Richtung Bråsvellbreen genommen.
Den restlichen Mittag genießen wir auf Deck 9, bis wir am frühen Nachmittag die gewaltige Eisfront des Bråsvellbreen erreichen. Ein Anblick, der uns für einen Moment sprachlos werden lässt.
Über 180 Kilometer zieht sich die Kante der Eiskappe Austfonna, zu der der Gletscher gehört, wie eine schier endlose Mauer aus Eis am Horizont entlang.
Langsam fahren wir an der Gletscherfront entlang. Die Sonne lässt das Eis und das Wasser leuchten. Immer wieder entdecken wir Wasserfälle, Höhlen und bizarre Formationen, die wie Skulpturen wirken – geschaffen von Wind, Wasser und Zeit.
Der Bråsvellbreen ist einer der größten Auslassgletscher Spitzbergens. Er transportiert gewaltige Eismassen aus dem Inlandeis des Nordostlands direkt ins Meer – ein kontinuierlicher Strom aus Schnee und Eis, der sich über Jahrhunderte aufgebaut hat.
Gegen 16:45 Uhr meldet sich der Kapitän über die Lautsprecher und erklärt uns, was wir hier gerade machen und wo wir uns befinden. Am Ende bleibt uns dabei ein Satz ganz besonders in Erinnerung “Macht nautisch keinen Sinn, macht aber Spaß”

Ja, dem können wir uns nur anschließen.
Die Sonne lässt das Wasser immer wieder in anderen Farben erleuchten.
Während ich weiter von Deck 9 aus den massiven Gletscher bestaune, macht sich S. auf den Weg zur gebuchten Massage in den Spa-Bereich auf Deck 8. Glücklicherweise verpasst sie nichts von dem Panorama, da die Massagekabine ein großes Panoramafenster mit 1A-Blick bietet. Erholt, entspannt und frisch geduscht sammelt sie mich dann irgendwann wieder auf den Außendecks ein.
Genau rechtzeitig, um ebenfalls zu sehen, wie wir uns ganz behutsam, damit keine starke Bugwelle erzeugt wird, die die Scholle zerbrechen lassen könnte, an diesen beiden kuschelnden Walrossen vorbeischieben.
HANSEATIC spirit | Walrosse auf Eisscholle
Der Kapitän hat mittlerweile den ursprünglichen Kurs wieder eingeschlagen und so verschwindet der massive Gletscher immer weiter am Horizont, während die HANSEATIC spirit wieder aufs offene Meer zusteuert.
Wir können uns dennoch erst wieder losreißen, als der Bråsvellbreen außer Sichtweite kommt.
Daher lassen wir das heutige Precap im HanseAtrium aus Zeitgründen ausfallen und verfolgen dies nur im TV auf der Kabine, während wir uns für das Abendessen fertigmachen.
Auf dem Weg zum Hanseatic Restaurant kaufen wir an der Rezeption noch Lose für die Verlosung der Seekarte am letzten Abend. Wie schon auf der Antarktis-Kreuzfahrt geht der Erlös des Losverkaufs zu einem Teil an die Crew, die sich damit ihre Crew-Partys oder sonstige Ausflüge etc. finanzieren. Und zum anderen geht ein Teil an ein gemeinnütziges Projekt. Das unterstützen wir natürlich gerne. Für uns ist es eine zusätzliche Art des Trinkgelds, insbesondere für das Personal, das nicht so offensichtlich im Gästebereich unterwegs ist.
Um kurz nach 19 Uhr sitzen wir an unserem Lieblingstisch im noch fast leeren Hanseatic. Wir müssen schon gar nichts mehr sagen, sondern werden freundlich begrüßt und zu "unserem" Tisch gebracht.
Nach einem wieder einmal sehr leckeren Abendessen fallen wir fix und fertig ist Bett. Die frische Luft den ganzen Tag über, lässt uns in dieser Nacht wieder wie Babies schlafen.