Das Fed und andere Zentralbanken fürchten sich vor Zweitrundeneffekten, wissen aber selber, dass sie sich eigentlich in ebensolchen befinden.
Ja, dieser Punkt, dass die Fed es möglicherweise übertreibt, ist nun in aller Munde.
Mein Bauchgefühl war letztes Jahr und dieses Jahr, dass die Inflationserwartungen relativ gut verankert sind. Wir hatten und es primär mit Rohstoffpreisschocks, expansiven fiskalischen Schocks (auch letztere wirken mit Verzögerung), Supply-Chain-Störungen und Nachholeffekten nach der Pandemie zu tun.
Die Inflation war nicht wirklich hausgemacht durch zu lockere Geldpolitik, trotz sehr expansiv ausgerichteter Geldpolitik. Pech (eine lange Reihe von preissteigernden Angebotsschocks in Folge), Medienhysterie über die Inflation und die Beobachtung einer stark expansiv ausgerichteten Geldpolitik haben dann dazu beigetragen, dass die Inflation sich verbreitert hat. Zweitrundeneffekte haben das Übrige getan.
Mein Punkt? Es war in gewisser Weise eine ungünstige Konstellation. Natürlich fällt es primär der Zentralbank zu, dieser Verbreiterung der Inflation entgegenzuwirken. Aber die Geldpolitik ist fundamental solide und nicht verzerrt zugunsten von Output/Beschäftigung und zu Ungunsten der Inflation, wie es in den 1970ern vielerorts der Fall war.
Dass die Zentralbanken bei der geldpolitischen Straffung zu forsch sind, hat mittlerweile Anhänger auf allen Seiten des Spektrums. Kürzlich gab es
eine Kolumne vom linken Paul Krugman dazu und der konservative Greg Mankiw
stimmte dem zu.)
Ich glaube, die Situation in Europa ist noch ein wenig anders, weil wir von Energiekrise, Supply-Chain-Problemen und Ukrainekrieg stärker betroffen sind als die USA. So wird für DE immerhin noch ~5% Inflation über das Gesamtjahr (EDIT: 2023) prognostiziert.
Dennoch: Die geldpolitischen Straffungen rund um den Globus verstärken sich wechselseitig. Ich sehe für Euroland noch keine schwere Rezession (eher eine leichte), aber die Risiken steigen.
Und auch in einer Rezession gälte dann, um auf deinen Post zurückzukommen: "The transmission of monetary policy is thought to have long and variable lags."