Nach langem, stillen Mitlesen gebe ich nun gerne auch meinen Senf im VFT dazu. Hallo an alle!
Vielleicht interressiert es ein paar, wie die Situation momentan in Vietnam aussieht, welches das Virus im grossen und ganzen sehr efektiv bekämpft hat und dies immer noch tut. (Ich wohne seit nun etwas mehr als 2 Jahren hier als Auslandschweizer).
Mitte Januar 2020 wurden die Grenzen vorest mal zu China sofort geschlossen, alle Neuankömmlinge in Quarantäne gesteckt und getestet. Nachdem die Fälle um sich griffen und die Situation sich global mehr und mehr verschärfte, schlossen die Behörden Mitte März 2020 alle Grenzen bis auf weiteres. Dies ist bis heute so.
Als Ausländer kommt man nur mit einem Sponsor, also einem Arbeitgeber der für einen garantiert, rein. Dazu braucht man die Autorisierung des Arbeitsministeriums, der Gesundheitsbehörde, eine Flugbuchung via einem lokalen Büro der Airline, Buchung eines von der Regierung genehmigten Quarantäne-Hotels für 14 Tage plus Buchung des Transfers vom Flughafen dahin.
Die Kosten variiren von ca. 3'000 bis 5'000 USD, mir ist der Fall eines Japaners bekannt, der 30'000 Dollar bezahlt hat, nur um einzureisen.
Das ganze System wurde dann auch noch "missbraucht" von Visa-Agenturen, die Ausländer mit Scheinfirmen ins Land geholt haben. Diese wurden und werden aussortiert und drakonisch bestraft.
Ausgerechnet eine Gruppe Chinesen hatte Ende April 2021 das Gefühl, sie müssten sich nach der Einreise nicht an die Quarantäneregeln halten und könnten ein wenig umherfahren - das Resultat: inzwischen sind wir seit über 3 Monaten in der desaströsen 4. Welle, der grössten bisher mit 175'000 Fällen und inzwischen über 2'300 Toten.
Zum Vergleich: die vorherigen 3 Wellen von Anfang der Pandemie bis April 2021 beinhalteten knapp 3'000 Fälle und 35 Tote INSGESAMT ...
Die ganze Gesundheits-Infrastruktur in Vietnam ist schlicht nicht auf eine Epi- oder Pandemie dieses Ausmasses vorbereitet, geschweige denn imstande, sie aufzunehmen. Die öffentlichen vietnamesischen Spitäler waren schon vor Covid chronisch überlastet, Wartezeiten von mehreren Stunden ganz normal.
Nun werden notfallmässig Zelt-Spitäler aufgebaut und bestehende umfunktioniert, so das man die Leute überhaupt behandeln kann.
Hier in Ho Chi Minh City ist alles abgeriegelt, man kann sein Wohnviertel nicht verlassen ausser in einem Notfall. Im Viertel bewegen und Essen einkaufen geht noch, aber die allermeisten Lieferungen wurden eingestellt, nur die allernötigsten Geschäfte haben offen. Teilweise liegen die Patienten in zeltartigen Not"spitälern", angeschlossen an Sauerstoffgeräte. Die leicht symptomatischen und wenig gefährdeten Fälle (aber nur die) und wo jemand aufpassen kann, dürfen das Virus zu Hause auskurieren ...
Die Warenvorräte sind immer ruckzuck ausverkauft (Fleisch, Gemüse, Babymilch, Hygieneartikel, ... ), die Leute hamstern und frische importe hinken hinterher, weil fast niemand zur Arbeit geht oder gehen kann.
Auf den Highways in die Provinzen rundherum gab es lange Karawanen von Motorrädern (angeführt von der Polizei) , auf denen ihre Besitzer zurück in ihre Heimatprovinz gereist sind. Was sollen sie auch in der Stadt, wo gähnende Leere herrscht ... ?
Die vietnamesischen Behörden betreiben die ganze Covid-Strategie (auf zero-covid ausgelegt) rigoros und konsequent. Wird irgendwo ein F0 (positiver Corona-Fall) entdeckt, wird sofort der gesamte Wohnblock/Strasse/Quartier unter Quarantäne gestellt, alle Bewohner getestet und unter Quarantäne beobachtet. Je nach dem werden dann die Kontakte zurückverfolgt und getestet.
Unter Quarantäne gestellt heisst dabei, keiner kommt mehr rein und raus. Egal wer gerade zu Hause war, wer gerade drin ist bleibt drinnen.
Auch die Maskenpolitik ist sehr strikt. Überall ausser in den eigenen vier Wänden wird konsequentes Maskentragen von den Behörden durchgesetzt und bei Nichtbefolgung mit einer Busse bestraft. Um die 3-6 Millionen Dong pro Person (meinte ich), das sind 130-260 CHF.
Verweigerer oder Zweifler gibt es so gut wie keine, nur ein paar ganz wenige. Zum Glück ?
Die Bevölkerung hält sich an die Massnahmen, auch wenn die Wirtschaft natürlich enorm leidet. Für einfache Geschäfte ist dieser momentane Lockdown ein Desaster, aber trotzdem hilft man einander und gegenseitig - zum Beispiel wurden Stadtbusse zweckentfremdet, um herumzufahren und Gemüse zu Verkaufen.
Einige Restaurants geben gratis Mahlzeiten ab !
Dazu muss man sagen, das die Regierung sehr schnell, strikt und effektiv gehandelt hat - aus diesem Grund vertraut die Bevölkerung ihr auch mehr und ist bereit, den Massnahmen zu folgen, auch wenn sie selber darunter leiden. Ausser bei der neuesten Welle seit Ende April, hier hat man es verschlafen, schnell zu handeln. Resultat: 4. Welle, siehe weiter oben. Auch wurde versäumt, genügend Impfstoff zum richtigen Zeitpunkt zu reservieren - man hat sich lieber auf den bisherigen Erfolgen ausgeruht. Geimpfte geniessen
vorerst noch keinerlei Privilegien, allerdings hat man kürzlich bekannt gegeben, die Quarantäne auf 7 Tage zu reduzieren.
Doch es gibt auch gute Nachrichten: Die Impfkampagne kommt voran, 70% der über 18jährigen in Ho CHi Minh City haben inzwischen die erste Dosis erhalten. Man verabreicht was man kann, ich selber bin mittlerweile auch angemeldet und morgen Montag dran (meine Frau kann nicht wegen einer kürzlichen Geburt).
Dabei wird nicht zwischen Ausländern oder Einheimischen unterschieden, ganz im Gegensatz zu Thailand, das zuerst die eigene Bevölkerung immunisiert und sich einen Dreck um die dort lebenden Ausländer schert ..
Stand heute sind 8.9 Millionen Menschen einmal geimpft, vollständig immunisiert sind knapp 900'000 - von 97 Millionen ...
Verabreicht wird vornehmlich das berühmte AstraZeneca als 1. Dosis und als zweite Pfizer.
Und dann gibt es Leute, die sich beschweren das ihr Impftermin zu einer Zeit ist, die ihnen nicht genehm ist.
Anyway, sorry für den doch etwas längeren Exkurs. hoffen wir das bessere Zeiten kommen. Das Gerücht, das die Grenzen Anfang 2022 aufgehen sollen, hält sich hier hartnäckig auch wenn ich das momentan kaum glauben kann. Man wird es sehen!