Vielleicht ganz passend in Coronazeiten. Gestern wurde ein Urteil des EuGH aus 2019 veröffentlicht.
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Eine der Vorlagefragen war u.a.:
4. Ist Art. 2 Buchst. j der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass Fälle der Nichtbeförderung, in denen sich ein Luftfahrtunternehmen wegen angeblich „unzureichender Reiseunterlagen“ weigert, einen Fluggast zu befördern, nicht erfasst sind? Ist die Auslegung zutreffend, dass die Nichtbeförderung in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt, wenn aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls gerichtlich entschieden werden sollte, dass die Reiseunterlagen ausreichend waren und dass die Nichtbeförderung unbegründet oder wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht rechtswidrig war?
Angeknüpft wird an den Terminus Nichtbeförderung der VO:
"Nichtbeförderung" = die Weigerung, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Artikel 3 Absatz 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind, z. B. im Zusammenhang mit der Gesundheit oder der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit oder unzureichenden Reiseunterlagen;
Sinn der Regelung: Liegen unzureichende Reiseunterlagen vor, sind diese für die Airline ein vertretbarer Grund, die Beförderung zu verweigern, mit dem Ergebnis, dass der Fall einer Nichtbeförderung nicht gegeben ist und entsprechend Art. 4, der die Rechte bei Nichtbeförderung regelt, nicht anwendbar ist.
Nun könnte eine Airline auf die Idee kommen, im Zweifel immer zu verweigern und damit einerseits weder Ärger von der Immigration des Zielstaates zu bekommen, noch den Pax zurückbefördern zu müssen, wenn sie den Pax mitgenommen hat obwohl sie nicht durfte, noch andererseits den Pax entschädigen zu müssen, falls sie den Pax stehengelassen hat obwohl er hätte mitgenommen werden müssen.
Dieser Methode hat der EuGH nun eine Absage erteilt, die Airline muss sich schon "gehörig anstrengen" bei der Prüfung der Reiseunterlagen, um raus aus der Verantwortung zu sein.
Klarstellung:
auf die vierte Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 2 Buchst. j der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „Nichtbeförderung“ im Sinne dieser Bestimmung Fälle, in denen der Fluggast aufgrund eines dem Bodenpersonal der Fluggesellschaft oder einem ihrer Vertreter oder Bevollmächtigten bei der Überprüfung des Vorliegens ausreichender Reiseunterlagen des Fluggasts am Ausgangsflughafen unterlaufenen Irrtums nicht befördert wurde, erfasst, es sei denn, dass sich in Anbetracht aller Umstände des Falles ergibt, dass der Irrtum trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht vermeidbar war.
Sprich: Liegt ein Irrtum bei der Prüfung der Reiseunterlagen vor, stehen dem Passagier die Rechte wegen Nichtbeförderung zu, es sei denn, dieser Irrtum war trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt unvermeidbar.