Das Zimmer in Gorak Shep ist sauber und die Betten haben warme Daunenbettwäsche. Aufgrund der 5.160 Höhenmeter nehme ich jedoch nur die erste Tiefschlafphase mit und liege dann von 23 Uhr wach und döse vor mich her. Bei einem Ruhepuls von über 100 Schlägen in der Minute ist das auch kein Wunder.
Ein Tag beim Everest-Trek läuft an sich immer gleich ab. Da man meist recht früh ins Bett gegangen ist wird man vom Sonnenaufgang von alleine wach. Man steht auf, wäscht sich, versucht etwas zu frühstücken (das Frühstück ist meist ziemlich fad, geschmackloser Toast oder Müsli mit Milch aus Milchpulver und solche Sachen) und geht dann mit seinem Rucksack los. Zwischendurch macht man irgendwo Pause, später eine längere Mittagspause und am frühen Nachmittag kommt man meist an seinem Ziel an. Den Nachmittag nutzt man zum „Sightseeing“ (irgendwelche Gompas oder Klöster oder sehr beliebt bei Kaffee und Kuchen abhängen wenn eine Bäckerei mal vorhanden sein sollte). Zum Sonnenuntergang wird in der Lodge der Ofen angeschmissen und man kommt dann mit Trekkern aus aller Welt zum Abendessen zusammen und spricht auf englisch wo man herkommt, wo man hin will, wo man sonst schon überall war und so weiter.
Meine größten Sorgen wie schlechte hygienische Verhältnisse, kein Wasser zum Waschen usw. sind übrigens alle komplett unbegründet gewesen. Bedenkt man dass Nepal eines der ärmsten Länder der Welt ist, so ist man ziemlich überrascht. Natürlich sollte man mit der entsprechenden Einstellung auf so eine Reise gehen und sein übliches Reiseverhalten über Bord kippen. Ihr könnt euch im Khumbu die Füße wundlaufen und noch so viele Nächte in den Lodges verbringen, niemals werdet ihr eine Statuskarte bekommen oder als wichtiger Kunde hofiert werden. Aber: ihr seid immer ein Gast und in Nepal kann man das Wort „Gastfreundlichkeit“ wörtlich nehmen. Ihr werdet gegen wenig Geld dort alles bekommen, was man wirklich zum Leben benötigt (Essen, Trinken, warme Kleidung, ein Bett und manchmal sogar eine deutsche Bäckerei und Romane und Zeitschriften zum Ausleihen). Nicht weniger, aber auch nicht viel mehr.
Nach ein paar Tagen hat man sich daran gewöhnt. Es ist dann einfach die normalste Sache der Welt seine Trinkflasche mit Wasser aus dem Fluß zu zapfen.
So, jetzt habe ich euch aber genug auf die Folter gespannt…
5:20 Uhr. Aufstehen und nach draußen gehen um mich zu waschen. Es ist schon hell und der Himmel ist strahlend blau. Da die Sicht in den frühen Morgenstunden am besten ist und es später schnell zuziehen kann lasse ich das Frühstück weg. Aufgrund der Pizza am Abend vorher sind meine Energievorräte auch noch gut gefüllt denke ich.
Einen 5000er ohne Frühstück besteigen, so eine blöde Idee kann auch nur von mir kommen.
Ich fange mit der Besteigung des Kala Pattar an. Von unten sehe ich wie die ersten Trekker schon ihre Fotoapparate mit Stativ auf halben Weg zum Gipfel aufgestellt haben. Ich fange mit der Besteigung an. Die ersten Meter gehen noch einigermaßen flott, dann wird es schwer für mich. Der Höhenaufstieg gestern war einfach zu viel, ich bin noch nicht ausreichend klimatisiert. Etwa alle zwanzig Höhenmeter muß ich eine Pause einlegen um wieder zu Atem zu kommen.
Irgendwann ein Blick zur Seite und plötzlich steht er da:
Der Chomolungma, der Sagamartha, der dritte Pol, der König der Berge…
Seine Majestät mit 8.848 Metern, der Mount Everest, der höchste Berg der Welt.
Alleine dieser Anblick rechtfertigt diese Reise.
Weiter geht es und jetzt sehe ich warum die Frühaufsteher sich dort positioniert haben. Sonneaufgang am Mount Everest, was für ein Anblick!!!
Man muß bedenken, dass dieses Foto auf einer Höhe von etwa 5.400m entstanden ist, d.h. vor einem geht eine Felswand von über 3.000 Metern in die Höhe. Kein Foto kann diesen Anblick auch nur im Ansatz wiedergeben. Ganz Deutschland von Sylt bis zur Zugspitze mit 2.900 Metern könnte man also dazwischenpacken. Vielleicht gibt dieser Vergleich eine kleine Vorstellung davon, wie es ist wenn man selber vor so einem gigantischen Felsmassiv steht. In so einem Moment, wenn ein so gigantischer Brocken vor einem Steht, dann merkt man wie unbedeutend ein Mensch und auch die ganze Menschheit eigentlich ist. Es ist sicherlich eine große menschliche Leistung zum Beispiel den Burj Khalifa in Dubai mit 818 Metern zu bauen, aber gegen ein so mächtiges Gebildet wie den Himalaya, da ist alles andere einfach klein und unbedeutend.
(geht bald weiter, wird noch besser…)