Fortsetzung 47
Und weiter geht es. Nicht für jeden waren Flüge in einer Concorde so begeisternd wie für mich. Mein langjähriger enger Freund Uwe war nach seinen Erzählungen mehrere Male mit Air France supersonic unterwegs gewesen. Aber für ihn war es nur eine schnelle und bequeme Transportmöglichkeit, um von Amerika zu seinen Businessaktivitäten nach Deutschland zu gelangen. Meine Faszination für dieses Flugzeug und das Überschall-Reiseerlebnis konnte er nicht nachvollziehen.
Ende 1989 hatte ich Uwe kennengelernt, natürlich wo anders als in einer Lufthansa Senator Lounge, der in London Heathrow. Zu diesem Zeitpunkt war ich für zwei Jahre Geschäftsführer einer kleinen TV Produktionsfirma auf dem Studio Hamburg Gelände in Hamburg-Wandsbek.
Long time ago, that was in another lifetime. one of toil and blood, when blackness was a virtue, the road was full of mud, um einen Nobelpreiträger zu zitieren. Es war zwei oder drei Tage vor Weihnachten. In unserem elektronischen Schnittpult war ein zentrales Bauteil ausgefallen und der Hersteller in England tat sich schwer, das Teil umgehend zu uns nach Hamburg zu schicken. Der Regisseur flippte aus, schrie herum, er wollte über Weihnachten einige Filmteile fertigstellen und dann in seinen Urlaub. Jede Stunde Verzögerung kostete Geld und
Also setzte ich mich spontan mittags in die Lufthansa, flog nach Heathrow, nahm eines der traditionellen Taxis zum Hersteller in den Outskirts von London, holte einen riesigen Karton mit dem neue Keypad ab. Bis heute habe ich nicht verstanden, warum die Herstellerfirma es nicht per Luftfracht an uns schicken konnte. Offenbar war war die Company schon im kollektiven Weihnachtstaumel. Das wartende Taxi brachte mich durch die weihnachtlich geschmückten Vororte wieder nach Heathrow, 170 Pfund musste ich für die Tour zahlen. Selbstverständlich wollte ich das Bauteil im Wert von vielleicht 60.000 DM nicht aus den Augen lassen und im Flugzeug mit in die Kabine nehmen. Die Lufthansa Check In Lady allerdings erklärte mir, dies sei mit einem so großen Teil als Handgepäck nur möglich, wenn ich ein First Class Ticket kaufen würde. Gesagt, gekauft. First Class war London ohnehin billiger als in Deutschland. So saß ich dann mit dem gigantischen Karton in der alten kleinen Lufthansa First Class Lounge, die es schon lange nicht mehr gibt. In meiner Erinnerung ein eher kleiner verschwiegener Raum mit schwarzen Ledersesseln. Es gab vielleicht 30 - 40 Sitze. Dazu ein Kühlschrank mit Champagner und anderen Goodies, und leckeren Häppchen, die immer schnell nachgefüllt wurden. First innerdeutsch und innereuropäisch bedeute damals zwei Reihen mit 2 und 2 bolligen Sitzen vor einer fest installierten Abtrennung zum Rest der Kabine.
So wartete ich auf die gute alte Boeing 727, die mich auf dem Spätflug zurück nach Hamburg bringen sollte. Doch sie kam nicht und hatte heftige Verspätung. Nebel, Streik, was auch immer. So saß ich da und wartete und wartete. Mit mir hofften auch Anne und Uwe, noch in dieser Nacht zurück nach Hamburg zu kommen. Sie waren die Art von angenehmerBekanntschaften, die man manchmal unterwegs machen kann. Anne, vielleicht 35 Jahre alt, arbeitete als Art Consultant und Kunsteinkäufer für die feine Gesellschaft Hamburgs. Sie hatte längere Zeit in Afrika gelebt, wo sie den Spitznamen Tucumba erhalten hatte. Uwe war 15 Jahre älter als ich und ein ehemaliger Banker aus der Zeit, als dieses Wort noch nicht ein Synonym für Kriminalität war. Er stellte sich als Kleingewerbetreibender vor und ging als Onemanshow undurchsichtigen Geschäften mit Elektronik nach. Nach seinen Jahren in Amerika lebte wieder in seiner Heimatstadt Hamburg. Über die übliche vornehme Hamburger Konversation kamen wir in ein nettes und interessantes Gespräch, dazu betranken uns so langsam zu Dritt. Nach Stunden des Wartens brachte uns dann die Lufthansa doch noch nach Hamburg, wo wir mit einer Ausnahmeerlaubnis trotz des Nachtflugverbots gegen 01:30 noch landen durften. Ich stelle meinen Karton und auf einen Gepäckwagen, legte meinen Mantel darüber und ging einfach an dem einzigen Zöllner vorbei, er dort müde noch auf uns warten musste. Es schrie doch danach erwischt zu werden, aber ich war so unendlich müde und viel zu betrunken, um mir klarzumachen, dass Zollbetrug durchaus auch ernste Folgen haben kann.
Danach haben wir drei, Anne, Uwe und ich, uns einige Male privat getroffen, jeweils zum Dinner, bei dem jeder einmal an der Reihe war, mit dem Kochen. Uwe wohnte in dem edlen Viertel der Reichen und Schönen an der Außenalster nahe der Krugkoppelbrücke. Hamburger wissen, was ich meine.
![Smile :) :)](data:image/gif;base64,R0lGODlhAQABAIAAAAAAAP///yH5BAEAAAAALAAAAAABAAEAAAIBRAA7)
Anne zog sich dann irgendwann zurück, vielleicht auch weil Uwe versuchte, sie auf die Ottomane zu nötigen, vielleicht war es auch nicht so. Schnell entwickelte Uwe sich für viele Jahre zu einem meiner engsten Freunde. Uns verband eine ähnlich distanzierte Sichtweise auf die Welt (wie sie ist) und Interesse an Luft- und Raumfahrt. In Amerika hatte Uwe einige Zeit beruflich mit dem Bau der Mondladefähren für die Apollo Missionen zu tun gehabt, als Manager, nicht als Techniker. Sein Vater war in den 1930ern Pilot der damaligen Lufthansa und hatte häufiger den als „Führer“ bekannten Politiker in einer Tante Ju zu den Wahlkampfauftritten in Deutschland geflogen. Später dann in den Kriegszeiten war die Lufthansa ein enger Verbündeter des Naziregimes.
Wie immer darf ich diese Aussage nur treffen, wenn ich vorsorglich erwähne, dass die heutige Lufthansa von Carsten nicht der Rechtsnachfolger der damaligen Firma mit ähnlichem Namen war. Was ich hiermit tue.
Da Uwe und ich aus doch recht unterschiedlichen Lebensmilieus kamen konnten wir vielfältig voneinander profitieren. Er hatte in Amerika Volkswirtschaft studiert und für eine große deutsche Bank gearbeitet, die schon seit langem nicht den besten Ruf besitzt. Nach seinen Erzählungen war der im Jahre 1989 von der RAF getötete Bankmanager lange Zeit sein Mentor gewesen. Später hatte Uwe viele Jahre für einen amerikanischen Elektronikkonzern gearbeitet und für ihn Auftrag einige der sich im wirtschaftlichen Niedergang befindlichen mittelständischen Unternehmen der Unterhaltselektronik übernommen. Nach seinen Erzählungen war er in dieser Zeit oft mit der französischen Concorde unterwegs. Nach dem goldenen Handschlag war er nach Hamburg zurückgekehrt. Nach seiner Scheidung und ohne Kinder lebte Uwe wie ein Loner, ohne, mit Ausnahme meiner Person, engere Kontakte zu anderen Menschen zu haben. Manchmal haben wir abends, wenn ich meine Runde um die Außenalster gejoggt hatte, noch etwas zusammengesessen. Neben persönlicher Sympathie erinnere ich viele spannende Diskussionen über Politik, Wirtschaft, Geschichte, über Gott und die Welt.
Anfang des Jahrtausends hat er mir sehr geholfen, als ich meine Freundin heiraten wollte und der Beamte im Standesamt Hamburg Mitte mir erklärte, es könnte Monate dauern, da meine Frau Ausländerin und geschieden sei, die Papiere sorgfältig geprüft werden müssten und ohnehin homosexuelle Ehen gerade politisch Vorrang hatten. Auch müssten wir damit rechnen, dass ein Vertreter des Ausländeramts zu einem Hausbesuch kommen könnte, um nachzugucken, ob wir auch tatsächlich zusammen leben und keine Scheinehe führen. Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte, und empfand es als völlig unangemessen und übergriffig. Es gelang mir nur sehr mühsam, mich von Dummheiten zurückzuhalten. Mit Uwes Hilfe konnten wir dann ohne Probleme schnell in der kleinen Schleswig-Holsteinischen Gemeinde heiraten, in der er aufgewachsen war. Innerhalb von einer Woche. Ein Behördenschrat hat uns nie heimgesucht. 2005 ist Uwe qualvoll an Krebs gestorben. RIP
Blicke ich auf die zweite Hälfte der 1990er zurück, so war es in meinem Leben die Zeit der schnellen technischen Veränderungen: In meinem Zuhause stand nun ein Faxgerät, ich schloss meinen ersten Handyvertrag bei Mannesmann D2 ab, nahm als Gerät das Siemens-Telefon S3 und benutzte meinen ersten Laptop. Es war ein Apple Powerbook Duo 270c, zu dem ein Dock gehörte, um es auch mit einem Monitor auf dem Schreibtisch betreiben zu können. Gucke ich mir heute dieses Gerät im Internet an, sehe ich einen vorsintflutlichen Computer. Aber für die 1990er war es High-tec.
Dazu begann das Zeitalter des Internets. Mit einem heute unglaublich langsam wirkendes Modem konnte ich sogar zuhause über uralte Telefonkabel ins WWW gelangen.
Fortsetzung folgt.