@ Piw:
"Wenn man sich als OBC nicht unter Wert verkauft, es in Vollzeit macht und erfolgreich ist, dann macht man seine 3-5k Euro/brutto im Monat."
Um dies erreichen zu können, müssen dann aber wirklich sämtliche begünstigenden Faktoren zusammenkommen, die bei dir gegeben, aber sonst bei den allerwenigsten erfüllt bzw. erfüllbar sind (Wohnort extrem nah an einem bedeutenden Flughafen, um den sich auch noch viele OBC-Firmen scharen, direkte Kontakte zu Leitungspersonen relevanter Unternehmen in der Branche, vollständige zeitliche Flexibiltät).
Ich persönlich strebe übrigens eine derartige Vollzeit- bzw. auschliessliche Tätigkeit in dem Bereich gar nicht an; und zwar u.a. weil man sich damit meiner Meinung nach mittelfristig die Gesundheit ruiniert und ein sonstiges, halbwegs normales (Privat-)Leben dadurch praktisch ausgeschlossen ist.
Mich würde diesbezüglich mal interessieren, wie Du das (als einer der Wenigen hier, der oft und kontinuierlich als OBC unterwegs ist) siehst ..
Denn um es als ausschliesslichen Job zu betreiben und damit über die Runden zu kommen, dürften etliche ausgeführte Aufträge monatlich erforderlich sein. Nach meinem Dafürhalten ist allerdings auf Dauer maximal 1 Auftrag pro Woche (was – nebenbei bemerkt – bereits für 90% der potentiellen OBC unerreichbar sein dürfte) möglich, ohne sich dabei kaputt zu machen und sich einen Rest an normalem Leben aufrecht zu erhalten.
Denn bereits die Ausführung eines Aufrages an sich ist schon strapaziös genug, mental und auch körperlich fordernd, sowie Stress und psychischem Druck erzeugend. Und hinzu kommt, dass die Tätigkeit zusätzlich auch in der sonstigen, privaten (Frei-)Zeit erhebliche Einschnitte mit sich bringt, mit starken Auswirkungen selbst noch im auftragsfreien Alltag bzw. der Freizeit.
Das geht los beim möglichst "always ready" sein sowie den Vorkehrungen, um bloss keine Verfügbarkeitsanfrage (und damit einen potentiellen Auftrag) zu verpassen ..
Beispiele:
Das bevorzugte Café ist recht weit weg von Zuhause (wo der Reisepass und die OBC-„Ausrüstung“ liegt) und / oder vom Flughafen? Dann lieber in ein anderes, näher gelegenes gehen, auch wenn es einem nicht so gefällt ..
Eigentlich wäre es ja schön, heute im Freibad mit Freunden den Sommer zu geniessen – doch was, wenn ausgerechnet dann ein möglicher Auftrag winkt, bei dem es auf jede Minute ankommt? Ist doch schon mal passiert. Na dann mal lieber auf dem heimischen Balkon bleiben ..
Im bevorzugten Supermarkt hat das Handy leider nur in wenigen Ecken schlechten Empfang – ok, deshalb besser ausweichen auf einen anderen, um bloss keine Broker-Anfrage ausgerechnet während der 20 Minuten beim Einkaufen zu verpassen ..
Nach dem Sport das Duschen im Gym – lieber auslassen, denn schliesslich ist das Handy während der 10 Minuten ausserhalb der Hör- und Sichtweite im Spind und man könnte ja ausgerechnet dann eine Verfügbarkeitsanfrage bekommen und verpassen ..
Der Drang, alle paar Minuten aufs Handy zu schauen, ist ja so schon die Seuche unserer Zeit - der nun noch verstärkt wird – durch die Notwendigkeit, keine Verfügbarkeitsanfrage zu verpassen bzw. möglichst unverzüglich darauf zu reagieren. Als OBC wird man daher nolens volens zum Hardcore-Smartphone-Neurotiker!
Und wenn dann die ersehnte Verfügbarkeitsanfrage endlich eintrifft, kommt sie oft genau zum ungelegensten Zeitpunkt, noch dazu ohne überhaupt etwas zu bringen (weil letztlich doch wieder kein bestätigter Auftrag daraus wird).
Mir neulich passiert, dass ich ausgerechnet auf einer Geburtstagsparty eine Anfrage bekam und dann etwa zweieinhalb Stunden ständig am Handy tippend in der Ecke sass und auf Bitte des Brokers mehrere alternative Verbindungen recherchierte. Schlliesslich wurde doch nix draus - die Party allerdings war dadurch für mich dadurch auch so gut wie gelaufen und fand weitestgehend ohne mich statt.
Andere Situation, die ebenso unlängst vorkam: Verabredung mit Freunden Abends im Park, einer bringt dafür schöne Weine vom elterlichen Weingut aus der Heimat mit, ausgerechnet dort kommt dann eine Anfrage, die nach langer Zeit - endlich mal wieder! - zu einem bestätigten Auftrag wird.
So hocke ich wieder fast nur abseits, um den Checkin zu erledigen, mit dem Broker zu kommunzieren, mit dem Spediteur die Zeit abzustimmen, zu der er mir – aus dem benachbarten Ausland kommend – mitten in der Nacht die Sendung anliefern wird. Und vom Wein kann ich leider natürlich nur ein wenig nippen, weil ich ja für den Auftrag nüchtern bleiben muss, der schon in wenigen Stunden beginnt.
Oder die Unsitte einiger Broker, die Verfügbarkeit für den Tag anzufragen bzw. sich bestätigen zu lassen, und einen anschliessend – teils selbst bei Nachfrage – über Stunden hinweg im Unklaren zu lassen, ob nun tatsächlich ein Auftrag draus wird oder nicht.
Währenddessen dann das ganze (Privat-)Leben kommt zum Stillstand kommt, keine Pläne gemacht werden können, der angedachte Tagesablauf obsolet ist. und bereits getroffene private Verabredungen wieder in der Schwebe sind ..
Was ich mit all dem illustrieren will, sind die erheblichen Auswirkungen der Tätigkeit auch in der auftragsfreien Freizeit, der zu zusätzlichem Stress selbst dann führt.
Sieht man sich also die Tätigkeit eines OBC mit hoher Auftragsdichte mal neutral an, so wirkt sie wie eine Kombination möglichst vieler Elemente, die psychischen und physischen Stress erzeugen, um auf Dauer die Gesundheit zu zerstören nund einen sicheren Herzinfarkt zu provozieren:
- Anspannung und Stress bei der Auftragsausführung
- nahezu ausschliessliches Arbeiten unter Zeitdruck
- häufiges Schlafdefizit
- wechselnder Schlafrhytmus durch verschobenen Schlaf und Reisen in unterschiedliche Zeitzonen in dichter Abfolge
- keine Chance auf ein normales, geregeltes Sozialleben (und eine feste Partnerschaft)
- Belastungen und Einschränkungen selbst in der Freizeit
- Isolation und Einsamkeit durch das ständige Alleinsein während Aufträgen (was Forschungen zufolge ebenso ein Stressfaktor ist, der die Gesundheit gefährdet)
- Strapazen und körperliche Belastung durch viele Flüge (Kabinenluft, Enge, Luftdruck-Wechsel)
Daher meine Fragen an die Profi-OBCs (die über die Erfahrung verfügen, kontinuierlich über mehrere Monate hinweg sagen wir mindestens 7 Aufträge monatlich ausgeführt zu haben):
Wie seht ihr den Raubbau am eigenen Körper und die Gefährdung der Gesundheit durch die Tätigkeit? Wie geht ihr damit um? Wie lange seid ihr der Meinung, das ohne Folgeschäden durchhalten zu können?