Retro Tripreport Good bye Lufthansa

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concordeuser

Erfahrenes Mitglied
01.11.2011
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sorry ich bin schon lange in der Welt der Erwachsenen - da führt kein Weg zurück
 
A

Anonym38428

Guest
sorry ich bin schon lange in der Welt der Erwachsenen - da führt kein Weg zurück

In gewisser Weise ist es ja peinlich Peter Maffay zu zitieren ...




























.... aber :D

Ich wollte nie erwachsen sein
hab' immer mich zur Wehr gesetzt.
Von außen wurd' ich hart wie Stein
und doch hat man mich oft verletzt.

Irgendwo tief in mir bin ich ein Kind geblieben.
erst dann, wenn ich's nicht mehr spüren kann,
weiß ich, es ist für mich zu spät,
zu spät, zu spät.
 
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concordeuser

Erfahrenes Mitglied
01.11.2011
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So...

ich hatte ja versprochen meine Erzählung über meine Vergangenheit mit der Lufthansa zu Ende zu bringen und es gab einige, die das interessierte und freundlich nachgefragt haben.

Zunächst habe ich meinen Text aus dem vergangenen Dezember noch einmal ein wenig redigiert und optimiert - vor allem habe ich Fehler rausgenommen.

Stelle ich jetzt ein als "Was bisher geschah", Aus technischen Gründen in 2 Teilen, weil zu lang. Dann geht es mit Neuem weiter. Einige Folgen wird es noch geben.

Was bisher geschah Teil 1


Ich habe einen Freund verloren. Lange war die Lufthansa in meinem Leben ein guter Freund. Wir mochten uns und unsere Beziehung war mehr als nur Business. Es war wirkliche Freundschaft, gegenseitige Bereicherung und gegenseitiger Nutzen. Das was Freundschaft eben ausmacht so wie im richtigen Leben. Doch die letzten Jahre waren schwierig und die Zeiten haben sich geändert. Mein Freund Lufthansa ist aus Hamburg weggezogen und wir haben uns kaum noch gesehen. Auch hatte er in den letzten Jahren kaum noch Interesse an mir.

Gemeinsame Erlebnisse gab es immer weniger. Zwar hat Lufthansa mehrfach gesagt, ich könne mich ja auch öfter einmal mit German Wings treffen, aber das missratene Kind gefiel mir nicht. „Nein Danke“, es hat sich nicht so entwickelt. So zerfiel meine Freundschaft mit Lufthansa. Nun gucke ich in den Spiegel und stelle fest, es ist vorbei.

Es ist wie im richtigen Leben, man spürt schon, wenn das Gegenüber das Interesse verloren hat. Wenn eine Freundschaft nicht gepflegt wird, zerbricht sie. So ist es eben. Aber ich werde der Reihe nach erzählen. Alles hat ein Anfang und ein Ende.

Vielleicht fange ich mit allermeinem ersten Flug an, auch wenn es noch nicht unser Kennenlernen war. In den fünfziger Jahren war meine Familie bitterarm. Erst mit großer Verspätung traf bei uns ein klein wenig vom deutschen Wirtschaftswunder ein. Im Sommer 1962 schenkte mein Vater meiner Mutter und mir eine Reise nach Berlin. Mit einer Vickers Viscount der British European Airways, einem kleinen Flugzeug mit vier Propellern und fünfundsechzig Sitzen, flogen wir nach Tempelhof. Die Sieger brachten uns in Hitlers Reichshauptstadt. Nur die Alliierten durften die Luftkorridore nach Berlin benutzen. In einer langen Stadtrundfahrt besuchten wir die geschichtsträchtigen Bauten deutscher Vergangenheit, die Siegessäule, das Brandenburger Tor, die Gedächtniskirche und das Kaufhaus des Westens. Auch die ein Jahr zuvor gebaute Mauer und das sowjetische Kriegsdenkmal sahen wir, dazu die Stacheldrahtgrenze und das allgegenwärtige Militär. Amerikanische, französische und russische. Hitlers Hauptstadt blieb mir fremd. Für einen kleinen zwölfjährigen Jungen war es eine unverständliche Welt. Aber ich fand das Fliegen spannend und mein lebenslanges Interesse für Luftfahrt war geweckt.


Unser Kennenlernen

Im Herbst 1978 sollte meine Freundschaft mit der Lufthansa beginnen. Ich hatte mein erstes Studium erfolgreich hinter mich gebracht. Nun hing mit meiner Doktorarbeit an der Uni herum. Ich hatte einige gut bezahlte Jobs erbeutet, die wenig Zeit erforderten, aber relativ viel Geld und Entertainment einbrachten. Ich lebte komfortabel in meiner Nische. Eines Tages klingelte das Telefon und mein Professor fragte, ob ich für ihn nach Nepal zu einem Workshop nach Nepal fliegen könnte. Er sei verhindert. Wow. Sofort sagte ich ja.

Für einen Jungen aus einem Hamburger Armutsstadtteil, der bisher nur einige Länder Europas mit Interrail gesehen hatte, eine gigantische Reise, wie ein Lottogewinn. Es folgte ein Anruf aus einer Behörde in der damaligen Hauptstadt Bonn und ich durfte im Stadtbüro der Lufthansa am Dammtor das hinterlegte Flugticket abholen. Es war wie das Betreten von heiligen Hallen, wie ein heiliger Akt. Fliegen war damals – 1978 – noch immer etwas ganz besonderes. Sicherlich nicht mehr so elitär wie zehn Jahre vorher, aber ein Transkontinentalflug hatte für viele Normalsterbliche Seltenheitswert. Und es war teuer. Von dem Geld, das mein Ticket kostete, hätte ich Ende der Siebziger drei Monate leben können.

Hamburg – Frankfurt – Delhi – Kathmandu und genau so zurück das für mich einbuchte Routing. Einige Tage vor der Abreise ging ich zu einer Fete, die in einer Wohngemeinschaft über dem Abaton Kino an der Hamburger Uni stattfand. Dort lernte ich ein Mädchen kennen, die in einem Reisebüro arbeitete. Sie erzählte mir davon, dass in jedem Ticket ein größeres Potential von Extrameilen für Umwege eingebaut sei, falls man nur mit Umsteigen dahin komme. Und von den Regeln, die dem zugrunde lagen, und von hochstrategischen wie etwa den Imaginary Fair Construction Points.

Die Nutzung eines Imaginary Fair Construction Point bedeutete damals, dass man rechnerisch ein Ticket zu fiktiven Orten kaufen konnte, mit viel Meilenpotential und dann zu den Orten fliegen würde, wo man wirklich hin wollte. Paris, London, Amsterdam. Dieser Weg war sehr viel günstiger, als Tickets zu den Orten zu kaufen, zu denen man eigentlich hin wollte. Und es war legal wie Schachspielen.


Ich verstand schnell, was sie meinte, dass ich mit meinem von anderen bezahlten Ticket eine großartige Reise mit vielen Umwegen und Stopovers machen könnte. Das Mädchen interessierte mich weniger, zugegebenermaßen. Später hat sie bei KLM am HAM Airport gearbeitet und wir haben uns aus den Augen verloren. Doch mit dem Umschreiben und Optimieren von Tickets sollte ich mich lange beschäftigen. Es war das Wissen um möglichst viel Fliegen für möglichst wenig Geld.

Imaginary Fair Construction Point bedeutete, dass man gar ein Ticket zu fiktiven Orten kaufen konnte, mit viel Meilenpotential und dann zu den Orten fliegen würde, wo man wirklich hin wollte. Paris, London, Amsterdam. Dieser Weg war sehr viel günstiger, als Tickets zu den Orten zu kaufen, zu denen man eigentlich hin wollte. Und es war legal wie Schachspielen. Später sollte ich mehrere Tickets nach Bergamo nutzen, obwohl ich nie dort war. Es war wohl in Mitteleuropa einer der Orte mit dem höchsten Meilenpotential.



Am Montag nach der Fete ging ich wieder ins das Lufthansa Stadtbüro. Dort guckten mich die braunen Rehaugen einer freundlichen Lady in blauer Unform an und waren sehr wohlwollend gegenüber meinen Wünschen. Wahrscheinlich wirkte ich völlig naiv und unerfahren wie ein großes studentisches Kind, das ich wohl damals auch war. Das Rehauge nahm mich an die Hand und so wurde aus dem Ticket das Routing KTM DEL BOM ZRH LHR HAM. Und es sollte nicht nur Flüge mit Lufthansa geben, sondern auch mit Indian Airlines (die es damals noch gab) und der Swissair, lange vor der großen Pleite, als sie noch einen legendären Ruf hatte. Am liebsten wäre ich jeden Tag ins Stadtbüro gegangen um mein Ticket um weitere Städte zu ändern, was wohl auch von der inkludierten Mileage her noch gegangen wäre. Aber ich war noch nicht so konsequent wie später.

Einige Tage später ging es endlich los, obwohl mein Vater höchst misstrauisch war, für wen ich denn da unterwegs war. Wahrscheinlich rechnete er damit, dass ich nicht lebend zurückkommen würde. Mit der Lufthansa und dem damals erst kurze Zeit vorher eingeführten A 300 ging es von HAM nach FRA. Zu der Zeit war der erste Airbus eine revolutionäre Neuentwicklung. Ein Großraumflugzeug mit nur 2 Triebwerken und fast 300 Passagieren bei zwei Gängen. Und in Europa gebaut. Für Normalsterbliche wie Science-Fiction.
Für lange Zeit sollte der A 300 mein Lieblingsflugzeug werden.

Spät abends t ging es dann weiter von FRA nach DEL in der DC 10. Ich saß in der Y, daneben gab es nur einige Sitze in der F. Business Class war noch nicht erfunden. Auch nur von einem Sitz in der Föörst zu träumen, wäre jenseits von Gut und Böse gewesen. Ich habe mich nicht einmal getraut hinter den Vorhang zu gucken.

Mein Job war ein zweiwöchiger Workshop der Vereinten Nationen im Rahmen deutscher Außenpolitik und Entwicklungshilfe, bei dem ich als Mitglied der deutschen Delegation dabei sein durfte. Doch es entwickelte sich unglücklich - meinetwegen. Ich hatte keine Ahnung von der 3. Welt und mein Englisch war - sehr wohlwollend gesagt - begrenzt. Mit den vielen fremden Kulturen, den vielen neuen Eindrücken und den politischen Hintergründen unseres Tuns war ich überfordert. Dazu lief ein unseliger Professor aus Pakistan im Workshop umher und hetzte alle gegen Deutschland als Veranstalter auf, es sei alles „zu westlich“- heute würde man sagen, er war ein feindseliger Islamist. Ich hatte doch nur als erster „hier“ geschrien um die Reise machen zu können. Aber trotz einiger peinlicher Momente konnte ich das Ganze überstehen und bekam nach einiger Zeit sogar die vereinbarten 2000 DM Honorar für meine sicherlich wenig erfolgreiche Mitwirkung.

Die ganze Reise habe ich als aufregend und schön in Erinnerung. Von DEL nach KTM ging es mit der Royal Nepalese Airlines, die zwei schon damals uralt wirkende und mittlerweile wahrscheinlich längst verschrottete 727 betrieb, aus der Serie 100, also der ersten Modellreihe, noch mit offenen Gepäckablagen. Kleine gelbe Männer in Fantasieuniformen betraten das Cockpit und flogen uns, offenbar die Piloten. Zwischen Delhi und Bombay saß ich wieder in einer A 300. Bei den Abstechern auf der Rückreise entdeckte ich, wie viel Spaß es bringen kann unterwegs, on the road zu sein. Schließlich lagen für mich als Nachkriegskind die Erfahrungen der tristen Nachkriegsjahre noch nicht so zurück. Und als Deutscher im Ausland zu sein war immer noch etwas komisches und befangenes, zumindest für mich.

Schon einige Jahre vorher, mit sechzehn, auf meiner ersten Reise mit einem Schulfreund nach Schweden, wurde mir klar, dass Auslandsreisen für uns Nachkriegskinder auch immer Momente der Befangenheit mit sich brachten. Gerne habe ich nie gesagt, aus welchem Land ich komme. Deutschland eben. Was für ein beschissenes Vaterland, ich gehörte zu den Verbrechern. Tief saß diese Konditionierung in mir. Es dauerte Jahrzehnte, bis ich im Ausland fast ebenso selbstverständlich aussprechen konnte „Ich bin Deutscher“, wie andere sagen konnten „Ich bin Franzose“. Völlig unbefangen bin ich bis heute nicht. Automatisch spreche ich lieber Englisch als Deutsch.

Meine Jugendfreundin Christine bevorzugt im Ausland Spanisch, wenn sie mit ihrem Mann unterwegs ist. Erst nach Jahrzehnten habe ich begriffen, dass viele meiner Generation ähnlich befangen waren wie ich. Auch sie konnten nicht sagen, ich bin Deutscher, ohne sich seltsam oder mies zu fühlen. Nie war auszuschließen, dass ein Gegenüber abweisend und feindselig reagiert oder aggressiv „Heil Hitler“ schreit und der rechte Arm zum deutschen Gruß herausschießt. Lange Zeit dachte ich wie selbstverständlich, dies sei mein persönliches Problem, mit mir stimme etwas nicht. Obwohl sechs Jahre nach Kriegsende geboren, habe ich lange Zeit für Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg ein diffuses Schuldgefühl mit mir herumgetragen. Scham und Last unserer Eltern hatten mich infiziert, diese Melange aus unbestimmbarer Befangenheit und Minderwertigkeit hatte mich geprägt. Wenn jemand „deutsch“ sagte, ging es mir schlecht. Später kam dann die Zeit, wo ich im Ausland nach der Birne gefragt wurde. Helmut Kohl, was ist dass denn für einer?

Aber ich schweife beim erzählen ab. Mit dieser ersten und dann gleich großen Reise begann meine Freundschaft mit der Lufthansa. Sie war die Verbindung zur Heimat in der großen weiten Welt, wie ein Freund der mich begleitete und unterstützte.

Einige Monate später, im November, bewarb ich mich an einem Forschungsinstitut in München. An sich wollte ich weiterhin mit meinem Zweitstudium eine angenehme Zeit an der Uni verbringen, aber ich war auch neugierig. Mit dem Liegewagen der Bahn fuhr ich an die Isar und ging zum Vorstellungstermin, ohne Sakko, weißes Hemd und Schlips. Ich trug einen alten Anorak und einen Pulli. Dazu war ich unrasiert. Zu meiner Entschuldigung muss ich noch einmal darauf hinweisen, es war 1978, also andere Zeiten, wie den Lesern aus den Folgen mit Ekel Alfred bekannt sein wird.

Ich traf zunächst den Abteilungsleiter, dann den Big Boss, einen Adeligen. Ich erzählte unbefangen wer ich bin und wie ich die Welt sehe. Über Mittag ging ein Mitglied des Vorstands mit mir essen. Wahrscheinlich wollte er den Kohl-Merkel Test mit mir machen, also prüfen, ob ich mit Messer und Gabel essen kann. Wenn ich die Presseartikel über Kohls Memoiren richtig verstanden habe, ist Mutti anfangs dabei durchgefallen. Am Nachmittag soll ich noch einen anderen Häuptling treffen.

In der Wartepause spreche ich mit einem Freak, der in Frankfurt studiert hatte und auch erst vor einigen Monaten hier angefangen hat. Er verrät, mir, dass hier alle Dienstreisen die weiter entfernt als Augsburg sind, mit dem Flugzeug gemacht werden. Also ging ich zu der scharfen Sekretärin, und fragte nach einem Heimflug. Erfolgreich. Nach dem letzten Gespräch wird mir mitgeteilt, in München Riem sei ein Ticket für den Abendflug nach Hamburg für mich hinterlegt. Die Erfindung von Internet und Smartphone oder papierlosen Tickets sollte noch einige Jahrzehnte in der Zukunft liegen. Auf dem Papierticket lese ich den Preis von 297 DM, das Doppelte meiner damaligen Monatsmiete. Abends fing es heftig an zu schneien und eine halbleere 727 brachte mich nach dem Enteisen nach Hamburg. Für mich war ein Flug MUC HAM ein Abenteuer. Ein nettes Mädchen in LH Uniform überreicht mir ein großes Tablett mit dem Abendessen und eine Cola. Ohne der Diskriminierung verdächtigt zu werden, darf ich sie Stewardess nennen. Und ja, es gab einmal ein richtiges Essen auf einem Inlandsflug, das sogar schmeckte, es waren wirklich noch andere Zeiten.

Unterwegs hing meinen Gedanken nach. In der Welt der Erwachsenen könnte es mir gefallen. Eine Woche später hatte ich einen Arbeitsvertrag zum nächsten Ersten in München unterschrieben. Von nun an sollten Reisen mit dem Flugzeug zu meinem Alltag gehören. Und es sollte nun meine wahre Freundschaft mit der Lufthansa beginnen. Bis heute habe ich vielleicht 3000 Legs im Flugzeug zurückgelegt. Da ich über die Jahre meine Aufzeichnungen nicht immer sorgfältig geführt habe, kann ich nur schätzen. Etwa 2400 Flüge werden mit der Lufthansa gewesen sein. Bevor der Leser fragt, ich habe vor kurzem meinen 60. Geburtstag gefeiert.

Im Sommer 1973 war ich Student im 3. Semester und arbeitete ich als Student in den Ferien in einer Spedition am Flughafen Hamburg, genauer gesagt in einer kleinen Speditionsfirma in der Abfertigung von Luftfracht. Schnell weckten der Geruch des Kerosins und die Flughafen-Atmosphäre mein Interesse an Luftfahrt und am Fliegen. Am Flughafen zu arbeiten war aufregend. Mit einem geschenkten Ticket konnte ich sogar einen kurzen Wochenendtrip mit KLM nach Amsterdam machen, denn ich als aufregend und spannend erinnere, doch der Beginn meiner Vielfliegerkarriere sollte noch bis zu der schon geschilderten großen Reise 1978 nach Kathmandu warten müssen.

Nachdem im Februar 1979 mein Job in München begann, sollte ich für die nächsten Jahrzehnte Flugzeuge benutzen wie andere Menschen die U Bahn. Fast ausschließlich flog ich mit Lufthansa, weil Flüge innerdeutsch oder „Europa im Nahbereich“ waren. Ich wäre auch gar nicht auf die Idee gekommen, nicht mit dem Kranich zu fliegen. Es war die Zeit als die 737-100 durch die 737-200, ersetzt wurde, ein Sprung in die Moderne, wie der Kranich verkündete. Erkennbar daran, dass die Gepäckablage nun nicht mehr offen war.Nur auf den Strecken nach Berlin, wo LH nicht fliegen durfte, saß ich in PanAm Clippern, wie diese Gesellschaft euphorisch ihre Flugzeuge nannte. Tatsächlich waren es meist fürchterlich abgerockte und abgewarzte 727, die auf den Transitstrecken hin- und herflogen. Später nutzte ich auch die gemeinsame Tochter von LH und AF mit dem schönen Namen Euroberlin. Sonst war ich meinem Freund Lufthansa treu. Die allermeisten Reisen ergaben sich aus dem Job. Später lebte ich wieder in Hamburg und hatte zeitweise meinen Arbeitsplatz in anderen Städten. Das Gehalt war so, dass ich es mir leisten konnte, mehr oder weniger per Flugzeug zu pendeln.

Ich mochte es, unterwegs zu sein, und immer stärker wurden Flughäfen, Flugzeuge und das Gefühl „on the road zu sein“ wichtige Elemente meines Lebens. „Wichtig“ ist eigentlich nicht wirklich das zutreffende Wort, ich war „gerne“ unterwegs. Eine Stunde am einem Flughafen herumzusitzen fand ich inspirierend, nicht lästig. Vielleicht lag es auch daran, dass ich nicht an ein Haus oder Kinder gebunden war. Besonders wichtig war mein Job nicht, aber ich hatte „zu koordinieren und zu leiten“ und da war es immer gut, „seine Leute“ und Projekte persönlich zu sehen. Willy Wichtig oder ein kapitalistischer Bonze war ich nicht. Es waren ja auch andere Zeiten. Zur Kommunikation gab es damals nur Briefe mit der Post und das Telefon, außerhalb der Ortgespräche und ins Ausland ziemlich teuer, wie im Notfall das Telegramm. Selbst Telefax-Geräte, diese heute so altmodisch wirkenden Kisten mit Thermopapier, aus der Zeit vor der E-mail, gab es in den ersten Jahren meiner Berufslaufbahn noch nicht.

Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger war das Fliegen längst dabei, einem Massenverkehrsmittel zu werden und zugegebenermaßen schon lange nicht mehr so exklusiv wie in den 1950er und 1960er Jahren, doch es weckte immer noch Anerkennung, wenn ich Sonnabendmittags aus München einflog, um nachmittags in Hamburg mit meinen Kumpeln auf einer Wiese im Stadtpark Fußball zu spielen.

Auch muss gesagt werden, dass der Luftverkehr im vergangenen Jahrhundert sehr (!) viel angenehmer war als heute. Zum Einchecken gab es immer ausreichend offene Schalter, ohne die heutigen, so kundenverachtend wirkenden langen Schlangen in Viehgattern. Die so zweifelhaften körperlichen Durchsuchungen und Schikanen waren noch nicht eingeführt. Selbst wenn man nur wenige Minuten vor Abflug ankam, hatte man eine gute Chance seinen Flug noch zu bekommen. Im Flugzeug konnte man bequem sitzen, ohne die so menschenunwürdigen Sitzabstandsverdichtungen. In der Regel blieb auch meist der Platz neben einem leer. Abgesehen von den ganz kurzen 35 Minuten-Legs wie Stuttgart-Frankfurt wurde ein Tablett mit einem richtigen Essen serviert, das in der Regel einer vollen Mahlzeit entsprach, nicht die heutigen Müllsäcke, aus denen ein süßer oder saurer Snack hervorgekramt wird. Mir hat es meist geschmeckt, vor allem nach dem ich entdeckt hatte, dass ich für viele meiner Strecken „vegetarisch“ als Special Meal bestellen konnte.

Ich genoss es, viel unterwegs zu sein. Auch die Stewardessen interessierten mich. Sie galten zwar nicht mehr als die Schönheiten des Landes, die in der Super Constellation oder Convair auf einen Ehemann warteten, weil es für das Gymnasium oder den Beruf der Krankenschwester nicht reichte, sondern freundliche Mädels wie diejenigen, die ich an anderen Orten kennenlernte und mit denen ich mich traf. Manchmal haben sie mich interessiert und es kam auchzu einigen Dates wie man heute sagen würde. Vielleicht auch, weil einige sehr nette Ladies dabei waren, die sich mit dem S-Job und Geist der großen weiten Welt gut eingerichtet hatten.

Auf einem meiner Rückflüge von MUC nach HAM musste ich einmal nebelbedingt lange warten. KAT 3 und die heutigen elektronischen Landehilfen waren noch nicht erfunden. So kaufte mir am Kiosk in Riem ein Buch mit dem Titel „Honkong“ von Rudolf Braunburg, einem Lufthansa Jumbokapitän. Tatsächlich flog er die DC 10, doch damals wurden umgangssprachlich alle großen Maschinen als „Jumbo“ bezeichnet, also 747, DC 10 und Tristar. „Hongkong“ war eine seiner vielen Erzählungen aus dem Milieu der Luftfahrt, die ich später alle interessiert gelesen habe. Noch später hat Braunburg das Magazin der Zivilluftfahrt Aero gegründet. Als ich seine Bücher entdeckte, brach mein Interesse an der Luftfahrt endgültig aus.

Anfangs waren Flugtickets immer flexibel und konnten leicht umgeschrieben werden. Der heutige unsagbare Beschiss aus Steuern, Gebühren und anderer Abzocke war noch nicht eingeführt. Mit dem Insiderwissen um die Optimierung war ich immer gut vertraut. Mehrfach habe ich meine Tickets von MUC nach HAM auf MUC-DUS-HAM umgeschrieben, weil auf dem ersten Leg immer eine DC 10 flog, und ich gerne noch einmal in dem Riesenvogel sitzen wollte. Auch auf das Routing HAM-FRA-MUC habe ich einmal umgebucht, um die letzte 707 kennenzulernen, die morgens immer den 7 Uhr Flug nach Frankfurt durchführte.

Manchmal habe ich mir auch kleine Wochenendtrips aus der inkludierten Extramileage oder den Tricksereien mit den schon erwähnten „Imaginary fare construction points“ zusammengebastelt. Warum sollte ich direkt von Paris nach Hamburg fliegen, wenn ich ohne oder mit nur geringen Extrakosten auch über London, Brüssel oder Amsterdam fliegen konnte. Und sei es nur um einen Kaffee zu trinken, den Menschen nachzugucken und ein wenig das dortige Lebensgefühl aufzusaugen.

Bevor ich die LeserInnen irritiere und mich morgen die Gutmenschen-Polizei mit einem Hausbesuch beehrt und ich gar denn ein Umerziehungslagern in Bautzen oder Guantanamo zugeführt werde, möchte ich darauf hinweisen, dass dies ein „historischer“ Tripreport ist. Sprache und Inhalt entsprechen dem vergangenen Jahrhundert und werden nur aus schriftstellerischen Gründen verwendet.

Selbstverständlich weiß ich, dass ich eine Frau Professor mit „Professorix“ anzureden habe, dass der Angriff mit Zivilflugzeugen am 11.9. 2001 nichts mit einer aggressiven und unterdrückenden Religion zu tun hatte, ein wirklich widerliches Gerücht, Frauen gerne freiwillig ihre Burka anziehen und Claude Juncker nun seine segensreiche Arbeit zur Steuerminimierung amerikanischer Konzerne an der Spitze der EU fortsetzen kann. Auch Negerküsse habe ich schon lange nicht mehr gegessen. Aus meiner Bibel habe ich die Weihnachtsgeschichte herausgerissen, weil sie politisch nicht ganz korrekt ist. Das musste ich sagen und kann jetzt unbelastet weiter von meiner jahrelangen Freundschaft mit der Lufthansa erzählen.

Mein Kopf ist voller Erinnerungen aus unserer gemeinsamen Zeit. Wer viel fliegt, kann viel erleben. Meine wohl gefährlichste Situation unterwegs sollte ich schon 1979 erleben. Auf einem meiner Abendflüge von MUC nach HAM war die 727 gerade aus Riem herausgeklettert und wohl gut 20 Minuten unterwegs, als der Pilot (er war wirklich männlich, Pilotinnen sollten bei der LH erst Jahre später eingeführt werden), dass er ein Triebwerk abgeschaltet habe und wir umgehend in Frankfurt landen würden. Worte wie Notlandung oder Emergency vermied er. Das Triebwerk sei überhitzt gewesen. Nach dem Aussteigen, als wir an den Treppen auf den Bustransfer warten mussten, sahen wir deutlich Rauch- und Schmauchspuren einer Engine. Es muss ganz schön gekokelt haben, aber der eingebaute Feuerlöscher hatte offenbar funktioniert. Einige Paxe waren ziemlich aufgeregt und riefen nach Alkohol. It’s a Man’s world. Ich fand es eher interessant, Angst erinnere ich nicht. Eine Ersatzmaschine brachte uns dann weiter nach Hamburg. Den AvHerald gab es damals noch nicht, sonst hätte ich nachlesen können, was ich genau erlebt habe.

Einmal erlebte ich in HAM ein heftiges Durchstarten, wohl 50 Meter über der Langenhorner Chaussee, da wo Helmut Schmidt wohnt. Die Maschine vor uns war wohl nicht schnell genug abgerollt. Nichts passiert, aber es war fast ein richtiger „touch and go“.

Ein anderes Mal war ich an einem sonnigen Herbsttag unterwegs nach London. Als wir genau gerade Amsterdam passierten, erlitt ein Pax einen Herzinfarkt. Alle Passagiere wurden in den hinteren Flugzeugbereich geschickt und unsere Maschine bekam Priority. Wie vom Lineal gezogen rauschten wir in knapp 20 Minuten durch den Luftraum auf der Ideallinie nach LHR, während man sonst ab Amsterdam meistens noch eine Stunde unterwegs ist und durch Südost-England kurvt. Hat leider nichts genützt, der Pax ist noch an Bord verstorben. RIP.


Ein anderes Mal, es muss Anfang dieses Jahrhunderts gewesen sein, war ich an einem trüben Winterabend unterwegs von HAM über MUC nach BEG um Freunde zu besuchen und Medikamente hinzubringen. Es war kurz nach Ende der Balkan-Kriege. Wir hatten gerade den Steigflug verlassen, als uns der Pilot mitteilte, wir würden umgehend aus „operationellen Gründen“ in Berlin-Tegel landen. Dort stände es eine Ersatzmaschine. Mehr Erklärungen hörten wir nicht. Nicht einmal meine Insider bei Lufthansa konnten mit diesem Ausdruck „operationelle Gründe“ so richtig etwas anfangen. Möglicherweise war ein Gepäckstück an Bord, das da nicht hingehörte. Da in München der letzte Anschluss nach BEG nicht mehr zu erreichen war, habe ich meine Reise in Berlin abgebrochen werden musste. Ohne Probleme gab mir LH einen Übernachtungsgutschein, die Bahnrückfahrt nach Hamburg und das Geld für mein Ticket zurück.

In den achtziger Jahren hatte sich mein Wissen über Flugtickets schnell ausgeweitet. Ein Forschungsprojekt, in das ich neben meinem Hauptjob involviert war, führte mich mehrmals in die Stadtverwaltung Londons. Dazu nahm ich häufiger an Workshops in England teil und reiste mit meiner damaligen Freundin gerne noch regelmäßig bei jeder Gelegenheit nach London. Wir liebten das englische Lebensgefühl und haben uns gerne dort aufgehalten, zum Shopping von Büchern, Schallplatten und Jeans sowie für Theater und Kultur. Zwar war und ist Hamburg eine großartige Stadt, aber mit der Größe, der Geschichte und dem Lebensgefühl in London kann sie nicht mithalten. Schnell hatte ich herausgefunden, dass man in einigen Reisebüros Hamburgs Tickets für Dan Air, einer britische Charterfluggesellschaft, die zwischen Hamburg und Gatwick flog als auch für die Lufthansa nach Heathrow kaufen konnte. Solche Tickets hießen damals Graumarkttickets. Sie waren nicht umbuchbar und man erhielt vom Reisebüro zu jedem Ticket einen fiktiven Voucher für eine Hotelübernachtung. Man sollte ihn vorzeigen, falls man kontrolliert werden würde. Allerdings wurde ich nie kontrolliert. Auch konnte man in Hamburg Tickets zu einem sogenannten Reederei-Tarif kaufen, die eigentlich nur für Mitarbeiter von Schifffahrtsgesellschaften gedacht waren.

Schnell lernte ich auch, dass Flugtickets in unterschiedlichen Ländern höchst unterschiedliche Preise haben. London - Hamburg kostete in England zeitweise nur 50% dessen, was ich in Deutschland dafür zahlen sollte. Besonders ab Athen und Lissabon lohnte es sich, dort Tickets zu erwerben und heftige Umwege einzubauen. In das Ticket Athen-Hamburg-Athen habe ich mehrfach den Abstecher von Hamburg nach Dublin via London und zurück eingebaut, die kostenfrei waren, wen man bei der Lufthansa jemand fand, der wohlwollend am Ticket herumrechnete. Dazu bin ich immer in Zeiten, wo nichts los war zum Flughafen gefahren und zu einem Schalter gegangen, an dem das Lufthansa Mädel ein gutes Karma ausstrahlte, also freundlich und entspannt wirkte. Mit einigen charmanten Bemerkungen habe ich mein Gegenüber eigentlich immer anstiften können, ein wenig zu rechnen. So bin ich unter anderem zu meinen zwei schönen Wochenendausflügen nach Dublin gekommen und konnte bis auf den Ostblock alle Länder Europas kennenlernen. Ob man ein Ticket in der Reihenfolge der Coupons abflog, wurde damals nicht kontrolliert, zumindest ist es mir nie passiert. Es waren ja Papiertickets und man konnte die Coupons, die man verwenden wollte, auch herausreißen und beim Check-In abgeben.

Besonders ab Athen und Lissabon habe ich häufiger auch Tickets der ersten Klasse erworben. Auf Inland- und Europastrecken hatte die Lufthansa bis in die Neunziger Jahre nur zwei Klassen. Vorne gab es die First, meist zwei Reihen mit vier fetten First sitzen. Hinter einer Trennwand saßen dann die anderen, egal wie viel sie für das Ticket gezahlt hatten. In der First Class gab es auf allen Strecken ein warmes Essen, sogar morgens um sieben von Hamburg nach Frankfurt.

Gut erinnere ich mich an meine Flüge in First mit der für eine Europastrecke riesigen A 300-600 von Athen nach Frankfurt. Hier bekamen die Paxe in der First Class als Vorspeise immer Kaviar, der aus einem großen silbernen Eimer vom Wagen serviert wurde. Dann kam das eigentliche Essen. Die Sitze waren breit und fett. In Europa in First zu reisen war in den Achtzigern und Neunzigern ein tolles Erlebnis, bis die First dann abgeschafft wurde.

Alle meine A 300 Flüge fand ich großartig, allein schon in so einem Riesenvogel unterwegs zu sein war erhebend.

Das Wissen um Tickets und ihre Optimierung mag in meiner Kurzdarstellung sehr nach Maximierung klingen, aber ich sage schon einmal vorab, dass ich in meinem bisherigen Lebens viel Geld als treuer Kunde in die Lufthansakasse gespült habe, auch zu Zeiten, als ich viele Reisen günstiger mit anderen Gesellschaften hätte machen können. Insofern habe ich kein schlechtes Gewissen für die kleinen Tricks und vielen späteren Vergünstigen als FTL und Senator. Freundschaft ist immer geben und nehmen.

Einige Reisen sind mir ganz besonders im Gedächtnis geblieben. Wenige Tage vor Heiligabend 1989 musste ich zu meinem wohl kürzesten Besuch nach London. Ich arbeitete damals projektweise in einer Fernsehproduktion. Am Vormittag erfuhren wir, dass ein dringend benötigtes Ersatzteil für den Textgenerator der Schnittanlage noch nicht unterwegs war, sondern noch beim Hersteller in der Nähe Londons herumlag. Da kostspielige Produktionsverzögerungen drohten und es so aussah, als ob der Lieferant wenig Lust hatte, das Teil noch vor Weihnachten zu verschicken, tobte einer der Inhaber in mein Zimmer und forderte mich auf, umgehen „den Scheiß aus England“ zu holen. Nur Minuten später war ich nach Fuhlsbüttel unterwegs zum Flughafen. In London nahm ich eines der schwarzen Taxis und fuhr die gut 80 km zum Hersteller. Unser Teil lag in der Ecke und die Mitarbeiter dort hatten angefangen sich zu besaufen, wegen Feierabend oder Weihnachten oder beidem. Wahrscheinlich hätten wir das elektronische Teil wirklich erst im neuen Jahr erhalten. Mit dem Taxi ging es zurück nach Heathrow. Für den Fahrer war meine Fahrt wohl die Hälfte seines Xmas-Umsatzes.

Der Karton war ziemlich groß, etwa 120 x 40 x 40, vielleicht sogar noch etwas mehr, aber nicht schwer. Von einer wohlwollenden Lufthansa-Lady bekam ich die Zusage, dass ich nebst Karton mitgenommen werde, wenn ich ein First Ticket kaufen würde. Gesagt getan. Dann ging ich in die Senator Lounge. Sie war zu jener Zeit ein kleiner verschwiegener Raum, mit vielleicht 20 fetten Ledersitzen und einem Kühlschrank voller Champagnerflaschen. An das Happy-Happy erinnere ich mich nicht mehr genau, wahrscheinlich gab es noch warmes Essen auf Porzellan. Als ich in der Lounge mit der Champagner-Betankung anfing, wurde mitgeteilt, dass unser Flug 2 Stunden Verspätung hatte. Das konnte ja eine lustige Nacht werden, auch wegen des Nachtflugverbots in Hamburg.

In der Lounge lernte ich Tucumba und Uwe kennen. Auch sie saßen herum und wollten nach Hamburg. Tumcumba war ein freundliches Mädchen, so alt wie ich, die ihr Geld als Kunst-Beraterin verdiente und im vornehmen Stadtteil Rotherbaum wohnte. Der seltsame Name war ihr Spitzname, den sie bekommen hatte, als sie sich zwei Jahre in Schwarzafrika aufgehalten hatte. Uwe war ein Geschäftsmann mit seltsamen Einstellungen und Manieren, aber nicht unsympathisch. Er war so alt wie Bob Dylan, also zehn Jahre älter als ich. Um die Zeit totzuschlagen redeten wir viel und betranken wir uns. Später haben wir uns noch einige Male zu dritt getroffen und jeder hat einmal für die anderen gekocht. Der Kontakt zu Tucumba ist dann irgendwann abgerissen, auch weil Uwe ein Auge auf sie geworfen hatte und sie sich aber nicht auf die Ottomane zwingen lassen wollte. Uwe dagegen sollte bis zu seinem Tod im Jahr 2006 zu einem meiner allerengsten Freunde werden.

Dann kam endlich das verspätete Aeroplan nach Hamburg. Tucumba, Uwe und ich bevölkerten die Erste Klasse, auf einem leeren Sitz war mein Riesenkarton festgeschnallt. Gegen halb zwei nachts landeten wir in HAM. Offenbar hatte Lufthansa eine der seltenen Ausnahmegenehmigungen für eine Landung in der verbotenen Zeit erhalten. Ich war so betrunken, dass ich den Karton auf einen Gepäckwagen legte, meinen Mantel darüber ausbreitete und freundlich grüßend am müden Zöllner vorbei zum Taxi ging.

Durch meine Freundschaft mit Uwe erhielt ich Zugang zu Information über die „Welt der Lufthansa“ und zu den mit einem Status verbundenen Vorteilen. Er hatte eine Senator-Karte und war ein HON, was in Ende der 1980er wohl identisch war (anders als heute). Da ich die Tickets meiner vielen Reisen mit LH im wahrsten Sinne des Wortes in aller Welt zusammengekauft gekauft hatte, auch für die vielen beruflichen Flüge, schickte ich einen großen Schuhkarton mit Tickets und Boardingpass-Schnippseln an das Lufthansa Stadtbüro in die Dammtorstraße. Kurze Zeit später war ich stolzer Besitzer einer FTL Karte.

Auf einer meiner Reisen, es war ein privater Trip nach Lulea mit dem schönen Routing Köln-Berlin-Stockholm-Lulea- Göteborg- Düsseldorf lieh mir Uwe seine Senator-Karte und so konnte ich auf den LH Legs die Annehmlichkeiten von Lounge, VIP Treatment und Upgradings auf den Lufthansa Strecken selbst ausprobieren. Damals war innereuropäisch ein upgrade in die First für einen Senator selbstverständlich.

Mein Trip nach Lulua war eine schöne Reise: im Sommer 1992, verstrickt in Geld und Karriere, verbissen in die Sanierung eines maroden Unternehmens, bin ich mit meinem Schulfreund Bernd für drei Tage in Richtung Polarkreis geflogen, in die nordschwedische Stadt Luleå. Dort spielte Bob Dylan zur Mittsommernacht auf dem Volksfest Sjöslaget. Es blieb hell, die meisten Menschen waren mehr oder weniger betrunken. Eine schöne Sommernacht, es war warm, die Stimmung freundlich und entspannt. Nach dem achten Song, passenderweise Love Minus Zero / No Limit, stand ein Mädchen vor mir. Blond und lächelnd. Sie sagte, meine Brille sei witzig und küsste mich lange. Ich war für sie der Reiz des Fremden. Sie lebte in Umeå und stammte aus Gällivare oder umgekehrt. Ihren Namen habe ich vergessen, mit Schweden war ich versöhnt. Auf dem Rückweg flogen wir dann mit Lynjeflug (oder so ähnlich) bei einem Zwischenstopp in Sundsvall nach Göteborg zu einem 2. Konzert. Dienstag morgen saß ich wieder am Schreibtisch und drehte das Hamsterrad.
 
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Was bisher geschah Teil 2

Mein mobiles Leben war nun in den frühen Neunzigern angekommen. Ich lebte in HAM, hatte einen Job in Aachen und flog via DUS und CGN viel umher. Beruflich und privat. Nach einigen Monaten war ich nicht mehr nur FTL, sondern auch Senator, ein Status, den ich bis auf eine Unterbrechung bis 2013 behalten sollte. Ich war beruflich nicht sonderlich wichtig, ich sanierte nur eine kleine Firma. Aber ich spülte wohl jährlich –ich finde es extrem schwer, dies rückwirkend für die damaligen Tickets und Preise zu schätzen – zwischen 40 000 und vielleicht 60 000 DM mit meinen Reisen in die Kasse der Lufthansa, vielleicht auch weniger oder mehr. Sicherlich war ich einer der recht unwichtigen SENs, nicht vergleichbar den Obermohren von Siemens oder Mercedes etc. Die große Mehrheit meiner Flüge entstand innerdeutsch und innereuropäisch. Also richtige Knochenarbeit. Als SEN durfte ich die Lounges benutzen, schneller einchecken, an den Schlangen vorbei, wurde häufiger upgegradet und, mir besonders wichtig, bei meinen regelmäßigen Heimflügen am Freitag wurde höchst wohlwollend mit den Ticket-Restriktionen in DUS umgegangen. Wenn ich da war, durfte ich fast immer sofort nach Hause fliegen, egal was auf dem Ticket stand. Es war "friendly business" zum gegenseitigen Nutzen. Lufthansa hatte etwas von mir und ich bekam etwas zurück. Und auch wenn es später einem CEO „Franz“ schwerfallen sollte, derartiges zu verstehen, ein Kunde der 50 oder 70 Riesen bringt ist eben wichtiger als einer, der im Jahr einen halben bringt.

1992 führt Lufthansa das Miles & More Programm ein und begann mit dem Aufbau der Star Alliance. Mir kam das zu Gute, denn ich war damals nicht viel, sondern extrem viel mit der Lufthansa unterwegs. Einige Foristen werden sich vielleicht noch daran erinnern, dass M&M anfangs löcherig wie ein Stück Schweizer Käse war. Auch ich habe einmal ein wenig Meilen auf mein Konto geschaufelt - Asche auf mein Haupt. In jedem von uns steckt ja ein kleiner Hacker. Und es war so gotteserbärmlich lächerlich einfach. Die Missbrauchsmöglichkeiten endete meines Wissens nach erst, als ein mittlerer Manager von Siemens aus MUC dabei erwischt wurde, dass er an einem Tag angeblich gleichzeitig auf drei Flügen in der Föörst unterwegs war, auf drei Kontinenten und dafür auch dreimal dafür Meilen begehrte. Idiot. Damals im Spiegel geradezu lyrisch beschrieben in einem längeren Artikel. Nachdem der Spiegel groß berichtete, hat LH die Lücken wohl verschlossen oder auch nicht. I don’t know. Der erwischte Manager von Siemens soll wegen Betrugs zulasten der Lufthansa übrigens vor Gericht gestanden haben, aber ich habe keine Erinnerungen mehr, wie das ausgegangen ist.

Die Freundschaft mit Lufthansa bedeute auch so etwas wie einen „gesellschaftlicher Status“. Ich erinnere mich, einige Male zu Events eingeladen worden zu sein. Besonders angenehm war eine LH Veranstaltung im Rahmen des SH Musikfestivals, wo etwa 250 Leute zu Kultur mit Justus Franz und Essen und Trinken zusammenkamen. Bei 250 Alpha-Tieren mit SEN Karte ist spannend zu beobachten, wer sich bei Happi-Happi und Schampus vordrängelt. Es war ein schöner Tag. Ein anderes Mal wurde ich in die Lufthansa Werft in HAM eingeladen, zur Taufe des ersten A 321 (auf den Namen Finkenwerder). Über eine halbe Stunde ließ ich mir das Cockpit erklären.
Auch gab es in Hamburg in den Neunzigern einmal einen Kundenbeirat, zui dem ich eingeladen wurde. Es wurde durchaus ernsthaft diskutiert und hatte etwa zur Folge, dass der morgentliche A300 aus HAM in FRA nicht mehr auf einer möglichst weit entfernten Außenposition ankam, sondern an einem der Finger. So dass weniger Leute ihren Anschlussflug verpassten. Fast hätte ich ironisch gesagt, "ja, die LH hatte auch mal gute Zeiten". Ein oder zweimal bekam ich sogar ein kleines Präsent, weiß aber nicht mehr, ob zu Weihnachten oder zum Geburtstag.

Einmal schaffte ich es auch in den Simulator und durfte eine A320 landen, genauer gesagt, ich versuchte sie zu landen. Nun ja, ich hätte überlebt, aber wegen zu großer Sink-rate hätte ich dem Vogel vermutlich einige heftige Beulen und Schäden verpasst. So ein Simulator wirkt schon verdammt echt. Als ich unten war, trug ich ein schlitschnasses, durchgeschwitztes Oberhemd. Ich fing an, mich auch für die Technik zu interessieren, die hinter meinen vielen Flügen steckte.

1992 wollte ich auch unbedingt nach NY, um an einem Event mit Bob Dylan teilzunehmen. Ein Künstler, der mir und vielen meiner Generation große Bedeutung hatte. Vielleicht ein kleiner Exkurs in die Kultur: Nichts sollte in den späten Sechzigern so bleiben wie es war. Sam Cooke sang A change is gonna come. In Greenwich Village hing der zwanzigjährige Bob Dylan herum und verkündete, The times they are a-changing. In einem anderen Song, A hard rain’s a-gonna fall, malte er das düstere Bild der Gegenwart, die Klage über den nuklearen Winter, über das Sterben im atomaren Untergang, der uns erwartete. „Where black is the color and none is the number.” Sein Bild vom „Hard Rain“ prägte das Bewusstsein vieler Heranwachsender in der westlichen Welt. Dylans Song Like a rolling stone explodiert in meinem Kopf und in den Köpfen vieler Jugendlicher, so tief und so perfekt fing er den Schmerz des Erwachsenwerdens ein.



Bob Dylan galt als die Stimme unserer Generation, ob er es sein wollte oder nicht, so als ob er unser kollektives Unterbewusstsein besser kannte als wir selber. Er war so viel mehr als nur ein Musiker oder Songwriter. Seine Worte erweckten unsere Gefühle zum Leben und brachten unsere Erfahrungen ans Tageslicht. Dylan war eine herausragende rätselhafte Figur, die unsere Rebellion gegen die bestehende verrottete Nachkriegsgesellschaft genau so in Worte verpacken konnte, wie unsere Ängste und die Unsicherheit unseren Platz in der Welt zu finden. Er sang über die Freude und den Schmerz unserer intimsten Beziehungen.

Dylan sprach für die Underdogs, die Empfindsamen, die Unglücklichen, die Behinderten, die Krüppel, die Verletzten und die seelisch Hungernden, zu denen viele von uns Nachkriegskindern gehörten. "I'll let you be in my dreams if I can be in yours".

Mir bedeutete er etwas und ich wollte zu seinem 30 jährigen Bühnenjubiläum im Madison Square Garden unbedingt nach NY, konnte dafür aber gerade nicht so viel Geld auf den Kopf hauen. Allein das Erbeuten der Eintrittskarte hatte schon ein halbes Vermögen erfordert. Also schrieb ich meinem Freund Lufthansa und fragte, warum mir andere Carrier Tickets für 800 DM anbieten würden, nicht aber der Kranich. Am nächsten Tag kam ein Anruf, ich könne mein Ticket für 800 DM im Stadtbüro abholen. Es wurden unvergessliche Tage in New York.

Aus Wikipedia: „The 30th Anniversary Concert Celebration is a live double-album release in recognition of Bob Dylan's 30 years as a recording artist. Recorded on October 16, 1992, at Madison Square Garden in New York City, it captures most of the concert, which featured many artists performing classic Dylan songs, before ending with three songs from Dylan himself.“


Ich glaube fast, es waren sogar vier Tage, die ich im Big Apple verbrachte. Zwischendrin schleppten mich meine Freunde zur 69. oder 169. Straße oder wohin auch immer, wo es damals einen Heli-Landeplatz gab und wir machten in einem Helikopter, in der Form einer gebogenen Banane, wie auf dem Plattencover von Andy Warhol oder so ähnlich wie in den Vietnam-Filmen, in der Luft die große Ehrenrunde über Manhattan und zur Freiheitsstatue. Auch wurde ich zu einer Künstler-Fete mitgenommen, auf ich ziemlich lange brauchte, um in der bleiernen Müdigkeit meines Jetlag zu begreifen, das die kleine Schüssel mit weißen Pulver nicht mit Sand gefüllt war.

Auf dem Hinflug hatte ich das Glück in die C gesetzt zu werden, zurück saß in einem vollen A 310 in der Y irgendwo eingezwängt. Upgrades erhielt ich in den Neunzigern innerhalb Europas fast immer, auf den Interkontinentalstrecken holperte es manchmal. Man kann nicht alles bekommen. In der Summe ist LH mit mir fair und gut umgegangen, ich werde mich nicht beklagen. Da mir zu diesem Zeitpunkt Flüge mit 2 Motoren über den Atlantik (frei nach Braunburg) noch wenig geheuer waren, fühlte ich mich besonders auf dem Rückflug nicht sonderlich wohl. Aber die Route JFK - DUS flog die A 310, auch wenn eine 747 oder ein anderes viermotoriges Flugzeug für mich auf der Langstrecke immer mehr Stil hatte. Den Rückflug erinnere ich als einen meiner unangenehmsten Flüge. Es war voll, ein Nachtflug, die Crew genervt und unfreundlich. Das Essen schmeckte nicht und ich konnte vor Müdigkeit nicht schlafen. Dazu dauerte es wegen starkem Gegenwind länger als üblich. Außerdem hat einer der Mitpaxe gestunken.

Wenn ich meinen Tripreport in dem Bild einer langen Freundschaft mit der Lufthansa beschreibe, hat es auch und vor allem mit den vielen freundlichen Menschen beim Kranich zu tun, die ich über Jahrzehnte getroffen habe. Selbstverständlich waren auch für mich die allermeisten meiner Reisen „business as usual“, oft war ich zu und bin zum Selbstschutz hinter meiner Firewall durch Flughäfen und Flugzeuge gerauscht, so wie viele andere, ohne groß etwas von meiner Umgebung wahrzunehmen. Doch es gab viele freundliche, fast freundschaftliche Erlebnisse.

Die große Mehrheit der Lufthansaleute, die mir über Jahrzehnte begegneten, machten nur ihren Job, nothing to talk about, meistens in Ordnung und ohne Probleme. Das Kapital eines Dienstleistungsunternehmens sind immer die Menschen, auch wenn die BWL Zahlenfetischisten damit so ihre Probleme haben. Manchmal aber erlebte ich auch weniger vernünftige LH-Leute. In seltenen Situationen gab es auch Volltrottel und RALs (wie der LH interne Code für beschränkte und problematische Personen war). Einmal geriet ich in Göteborg sogar in eine minutenlange Pöbelei. Beim Check In hatte ich einen LH-Mann nach einem Upgrade gefragt. Er sagte, er würde meine Frage später beantworten, was er nicht tat. Beim Boarding stand er an der Maschine. Ich erinnerte ihn durchaus freundlich an seine ausstehende Antwort. Nun ja, auf meine Nachfrage pöbelte er mich deftig an, wörtlich, ich hätte dort zu sitzen, wo er mich hinsetzt. Es war wie eine Steilvorlage, ich glaube, ich habe vor den Augen der Purserin deftig zurückgebellt. Jedenfalls saß ich auf den 2 Stunden nach Düsseldorf wieder vor dem Vorhang und wurde umfassend verwöhnt.

Doch diese unerfreuliche Situation war eine seltene Ausnahme. Je mehr ich nachdenke, desto mehr freundliche und freundschaftliche Kontakte zu Lufthanseaten fallen mir ein, die sich unterwegs und aus meinen vielen Flügen ergeben haben. Vieles war eigentlich schon lange vergessen und fällt mir erst beim Schreiben wieder ein. Über die Jahre habe ich bei der Lufthansa eine Vielzahl großartiger Menschen getroffen - freundliche, kooperative, weltoffene Mitarbeiter, die einen guten Job und oft mehr als das gemacht haben. Mit einigen habe ich immer mal wieder auch einen privaten Plausch geführt, über Reisetipps und das Gefühl viel unterwegs zu sein. Auch private Treffen hat es gegeben.

Mehr als kooperativ war eine freundliche LH Mitarbeiterin in CDG. Es muss so um das Jahr 2000 gewesen sein. Aus Dummheit und Hektik hatte ich unauffindbar meine Brieftasche in einem Hotel liegengelassen, was ich erst beim Check In entdeckte. Außer meiner Senator Kreditkarte hatte ich nichts mehr zur Identifikation, vor allem keinen Personalausweis. Schon zu diesem Zeitpunkt konnte man in Paris nur unter Vorlage eines Ausweises abfliegen. Aber die freundliche Madame nahm mich an die Hand, führte mich endlos durch Gänge und Treppen, an allen Kontrollen vorbei, bis wir vor der Maschine standen und ich einfach einstieg.

Auch in DUS erinnere ich lange Zeit eine freundliche und höchst kooperative Bodencrew, besonders Anfang der Neunziger, als ich fast jeden 2. Tag ab DUS flog. Im Gewusel des 1. Tags der großen Sommerferien hatte ich einen Schichtleiter kennengelernt. Er gab mir eine direkte Telefonnummer, unter der ich dann immer auch telefonisch einchecken konnte, was es damals noch nicht gab. Mobilfunk so wie heute war noch nicht erfunden. Ich hatte zu der Zeit ein Autotelefon mit D Netz, was immer das damals war. Mein Diensttelefon kostete mehrere tausend DM und die Gespräche hatten einen Minutenpreis von 2,67 DM.

Wenn die Zeit knapp war, konnte ich manchmal noch Minuten vor Abflug aus dem Autotelefon meines SAAB 900 anrufen und organisieren, dass ich noch mitgenommen wurde, was oft klappte. Besonders für das Pendeln nach Hause nach HAM an den Freitag- Nachmittagen war es eine riesige Hilfe, „sofort wegzukommen“.

Selbstverständlich habe ich den Schichtleiter und seine Crew zu Weihnachten mit einem größeren Präsent bedacht. Solche Kooperation war für mich das, was meine Freundschaft zur Lufthansa ausmachte und als Reward weiterhin viel Umsatz in Lufthansa Kasse spülte.
 

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Fortsetzung Juli 2015

Und so geht es weiter: ich erzähle von meinen Treffen mit den LH Ladys Anna und Gaby.


Im Mai 1988 bin ich für eine Woche nach New Orleans geflogen. Ab Frankfurt ging es mit einer Kombi 747 (halb Passagiere, halb Frachter) von Frankfurt nach Atlanta über den Atlantik. Die Maschine war zu einem Drittel gefüllt und ich dämmerte nach dem Essen so vor mich hin. Plötzlich kam eine Lufthansa Stewardess (ja, ich verwende das S-Wort) die Treppe vom Oberdeck herunter, die ich vorher nicht wahrgenommen hatte. Wow, sie gefiel mir. Ich quatschte sie an und wir redeten länger miteinander. Es war eh nichts los. Auf meine Bitte ermöglichte sie mir einen längeren Besuch im Cockpit, gerade als wir Grönland überquerten. Spannend, bei klarer Sicht wie aus dem Weltraum. Später verriet sie mir ihren Namen, Gaby und gab mir ihre Telefonnummer. Wenn ihr Dienstplan sie zu einem Layover nach Hamburg führte, haben wir uns getroffen. So auch am 26.6.1988. Wir waren gerade in ihrem Zimmer im Plaza Hotel, diesem so fürchterlichen Kasten am Hamburger Dammtorbahnhof, wo unten das Kongresszentrum gelegen ist. Es war damals das Crewhotel der LH in Hamburg. Vorher waren wir an an der Alster spazieren gegangen und hatten einen Italiener heingesucht.

Plötzlich schreckten wir hoch, als in den Nachrichten der Bericht über den Airbus der Air France kam, der in Habsheim bei einem niedrigen Überflug für eine Flugschau verunglückt war.

Der Flughafen Habsheim war eine Waldpiste. Statt in einer angemeldeten Höhe von ca 100 Metern war der Pilot auf 10 Meter gesunken und hatte die Nase steil aufrichtet, so dass er den Wald am Ende der Piste nicht sehen konnte, in den er dann vor den gut 1000 Zuschauern konsequent flog. In den jahrelangen Prozessen um dieses Unglück kam heraus, dass weder Air France noch der Pilot den Flug sorgfältig und regelgerecht vorbereitet hatten. Ob die Triebwerke wirklich erst verzögert ihren vollen Schub abgegeben haben, oder der Pilot mit der damals neuen Fly by wire Technik des Airbus nicht vollständig vertraut war, wurde nie umfassend geklärt. Jedenfalls flog die A 320 in Wald, von dem der Pilot später behaupte, er sei von Air nicht informiert worden, dass dort Wald sei. Wer bei Youtube das Video des Unfalls oder die entsprechende Folge von Mayday sieht, wird sich noch heute wundern, dass nur drei Menschen gestorben sind und nicht der Großteil der etwa 150 Paxe.

„Das offizielle Ergebnis des Verfahrens ergab eine Reihe von Pilotenfehlern, die den Absturz verursacht haben sollen. Die Piloten hätten das automatische Flugkontrollsystem während des Fluges abgeschaltet, Warnungen wegen zu geringer Flughöhe ignoriert und die Geschwindigkeit sei zu gering gewesen. Die Piloten lasten derartige Probleme jedoch dem Fly-by-Wire-System an – sie waren nicht über die Operational Engineering Bulletins (OEB) auf dem Laufenden gehalten worden, die unter anderem das Verhalten in solchen Flugsituationen betrafen.“ (Wikipedia).

Gaby hatte sich gerade in die Liste zur Umschulung auf die A 320 eingetragen und war entsprechend beunruhigt.

Einige Wochen später sollte ich ein Ticket Around the world geschenkt bekommen. Ich hatte Freunden einen mehr als großen Gefallen getan und sie wollten sich mit einer freundlichen Geste revanchieren. Da Lufthansa solche Tickets nicht anbot, wurde es Singapore Airlines und American Airlines, das Ganze in Business.
Zwar hatte jobbedingt ich nur 4 Wochen Zeit, aber einmal um die Welt war immer einer meiner Träume, seitdem ich bei Rudolf Braunburg von so einer Reise gelesen hatte. HAM-FRA-BKK- SIN-TPE-HNL-SFO-DFW-JFK-FRA-HAM war das Routing. Ich war davon besessen, einmal so eine Reise um die Welt zu machen.

Als ich Gaby von meinen Plänen erzählte, lud sie mich nach Australien, nach Melbourne ein. Ihr Lufthansa Dienstplan war so, dass sie etwa 14 Tage zwischen Honkong und Melbourne auf einer 747 shuttelte, das damals noch 5 x in der Woche vom Kranich angeflogen wurde. Danach sah der Dienstplan ein Long-layover in Melbourne von 5 Tagen vor. So kaufte ich in Singapore ein billiges Ticker dazu, mit Qantas über Sidney nach Melbourne, für viereinhalb Tage. Mehr konnte ich in meiner Weltreise nicht unterbringen. Schließlich wollte ich auch einige Tage für Hawaii haben.

Fortsetzung folgt
 
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Heute sind meine verbliebenen Erinnerungen an diesen Australien-Trip recht zwiespältig. Ich kam einen Tag vor Gaby in Melbourne an und suchte mir ein billiges Hotel, um erst einmal zu schlafen. Ich hatte unterschätzt, wie weit es noch von SIN nach MEL ist. Am nächsten Morgen sah ich Infos zu einer Tagestour, in die „Wildnis“ zu einem Naturpark und einem Weingut in den „blauen Bergen“, wenn ich richtig erinnere. Ich erreichte gerade noch die Abfahrt. Es war schön und endlos fuhr ich in einem Touristenbus mit Guide durch die Gegend.

Als ich abends todmüde zurück nach Melbourne kam, war Gaby angekommen und ich zog zu ihr in ein Luxushotel im Zentrum, das damals Menzies at the Rialto oder so ähnlich hieß, bezahlt vom Kranich mit der günstigen Corporate-Rate für Crews. Ich erinnere nur noch, dass es in einem Hochhaus lag mit 30 oder so Stockwerken. Absoluter Luxus. Die Lufthansa Vorschriften besagten, Angehörige schlafen im Zimmer des Crewmitglieds, also durfte ich legal dort mit wohnen, ohne mich am Empfang vorbei schleichen zu müssen.

Nun war Gaby unternehmungslustig, während ich mit einem bleiernen Jetlag kämpfte. Ihr Körper war durch die Dienste zwischen HKG und MEL besser an die Zeit- und Klimaumstellung gewöhnt als ich, nach Bangkok und Singapore. Am nächsten Morgen organisierte sie zu unglaublich günstig Konditionen einen Mietwagen. Sie rauschte in das Hertz Mietwagen Office, wedelt mit dem Dienstausweis, „I am from Lufthansa you know“. Kurz danach waren wir in einem großen weißen Toyota unterwegs nach Phillip Island, einen geschützten Reservat, wo Gaby unbedingt Penguine sehen wollte. Wir schafften es bei Sonnenuntergang dort zu sein, gerade als die Penguine alle aus Wasser kamen um die Nacht an Land zu verbringen.

Es war ein schöner Ausflug, obwohl ich etwas enttäuscht war, weil die Penguine so klein waren. Ich hatte sie mir immer so groß wie sechs- oder achtjährige vorgestellt.
Die riesigen Entfernungen in Australien waren uns nicht so klar. Es war eine endlose stundenlange Fahrerei dorthin und dann in der Dunkelheit zurück. Auf dem Rückweg blieb uns auch noch das Auto mit defekter Lichtmaschine liegen. Wir trauten uns nicht einmal auszusteigen da wir nicht wussten, welche Tiere da draußen in der Wildnis auf uns warteten. Irgendwann kam endlich Hilfe. Erst nach Mitternacht waren wir zurück im Hotel. Wir fanden einen Griechen, der noch geöffnet hatte und Songs von Johnny Cash spielte. Dort bekamen wir noch Eßbares und haben uns erholt.

Tatsächlich entdeckten Gaby und ich in Melbourne, dass wir uns eigentlich gar nicht kannten und nicht sonderlich gut zusammenpassten. Außerdem gab es noch einen Larry in London, mit dem sie jeden Abend telefonierte, der Bekannte, Verlobte oder was auch immer, der auch nicht wissen sollte, dass sie mit einem Mann unterwegs war. Aber ab einer gewissen Höhe mile high und Entfernung gelten ja für Vielflieger ohnehin andere Regeln.

Wegen des Jetlags wechselten bei mir Phasen von Wachheit und tiefer Erschöpfung. Als Gaby schon schlief habe ich noch lange im LH Handbuch für Crews gelesen. So lernte ich, wo damals die Notaxt auf der 747 versteckt wurde und dass der Uniformrock immer etwas in weiter gemacht werden konnte, wenn sich der Körper auf Langstreckenflügen durch die dünnere Atmosphäre an Bord ausdehnt. Und viele andere Einzelheiten aus dem Leben einer Crew.

Wir verbrachten unseren letzten Tag in Melbourne und dann ging es für mich zurück nach Singapore, um meine Weltumrundung fortzusetzten. Via Taiwan nach Hawaii. Gaby und ich haben uns nie wieder getroffen.

Fortsetzung folgt
 
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1991 und 1992 war ich extrem viel mit meinem Freund Lufthansa unterwegs. Ich hatte mich beruflich weiterentwickeln wollen und guckte mich nach neuen Jobs um. Die mir von mehreren Headhuntern angebotenen Jobs bei Treuhand in Berlin hatte ich ausgeschlagen (Abteilung 37 oder 73 oder so ähnlich). Privatisieren, Zerlegen, Verkaufen oder Plattmachen. Zwei Jahresvertrag für 50 Firmen, vom HO Laden bis zum Kombinat. Instinktiv war es mir zu schmutzig, auch wenn ich im Rahmen der damaligen Unregelmäßigkeiten hätte reich werden können.

Stattdessen übernahm ich die Geschäftsführung einer kleinen hochspezialisierten Firma in Aachen. Aber auch nicht das Gelbe vom Ei. Als ich anfing, entdeckte ich schnell, dass die mir in den Bewerbungsgesprächen vorgelegten Bilanzen mit hohen Gewinnen tatsächlich aus weitgehend uneinbringlichen Forderungen bestanden. Die Gesellschafter hatten sich untereinander alle künstlich reich gerechnet und gefickt. Es waren Ärzte statt Kaufleute. Statt die Zukunft einer erfolgreichen Firma zu gestalten, fand ich mich in einem Sanierungsjob wieder.

So saß ich dann fast jeden Tag in einer LH Maschine, um irgendwo unterwegs an Flughäfen die dort einbestellten Schuldner zu treffen und mit Phantasie, Psychologie und zwei Mädels von der Uni Düsseldorf, die ich mir für Verhandlungs-Rollenspiele geholt hatte, Geld einzutreiben. Rückblickend höchst bizarr, aber auch von einem hohen Unterhaltungswert. Übers Wochenende flog ich immer zurück nach Hause nach Hamburg, manchmal sogar in der Woche über Nacht, wenn es wichtige private Anlässe gab.

Zwei Jahre konnte ich die Firma am Leben halten, dann nahte die Stunde der Entscheidung. Ich forderte von den Eigentümern neues Geld um die Firma zukunftsfest umzubauen. Stattdessen wurde ich wie durchaus erwartet gefeuert. Da die Inhaber meinen Arbeitsvertrag nicht sorgfältig gelesen hatten, ging ich am Ende fröhlich pfeifend mit einer hohen Abfindung vom Hof, denn ich hatte mir von einem guten Arbeitsrechtler einen goldenen Fallschirm basteln lassen. Alles ein wenig seltsam, aber sehr lehrreich für mich. Es waren die bizarren Jahre der späten Kohl-Republik. Als der Zenit überschritten war und der Verfall begann, mit schwarzen Kassen, Geldgebern und Verfassungsbruch. In einer funktionierenden Demokratie hätte der Klops vor Gericht gestanden. Kohlrabien eben.

In der Zeit fuhr ich meinen Dienstwagen, den schon erwähnten SAAB 900 Turbo mit dem altmodischen Autotelefon. Bis zur Verbreitung der Handys in Deutschland sollte es noch einige Jahre dauern. Fast jeden Tag telefonierte ich mit der FTL und Senator Hotline um irgendwelche Flüge neu oder hin- und herzubuchen. Oft Abends oder Nachts, um die nächsten Tage zu planen. So lernte ich Anna kennen, die im Callcenter der Lufthansa arbeitete.

Wie ich in einem der vielen Telefonate erfuhr, saß sie in Frankfurt. Damals erfolgten solche Dienstleistungen noch nicht als Outsourcing, die Zentralisierung aller Callcenterdienste in Kassel sollte erst noch folgen. Und die heutigen Zustände nach der Schließung von Kassel, die Weiterleitung an inkompetente und oft unbefugte Außenposten oder Lohnsklaven irgendwo auf der Welt, wäre unvorstellbar gewesen.

Ganz oft hatte ich Anna am Telefon oder ihre freundliche Kollegin, die aus Umea in Schweden stammte. Freundliche Frauen, mit denen ich schnell auch über Privates telefonierte, manchmal bis zu einer halben Stunde, wenn die regelmäßigen Umbuchungen und Re-Routings erledigt waren. Es waren viele angenehme fast freundschaftliche Gespräche, eine gute Ablenkung vom Alltag der Unternehmenssanierung.

Anna studierte und arbeitete 20 Wochenstunden beim Kranich, um ihr Studium zu finanzieren. Sie lebte in einer WG. Arbeitsplatz war das Lufthansa Gebäude am Frankfurter Hauptbahnhof, von dem ich gar nicht weiß, ob es der Kranich jetzt noch betreibt, da ja die früheren Stadtbüros alle dichtgemacht wurden.. Einmal nutzte ich abends ein Stopover in Frankfurt, um mich vor dem Weiterflug (22.10 Uhr oder so, dem abendlichen Lumpensammler nach HAM) mit Anna zu treffen.

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@Schlauberger "Fliegen, Frauen, Funktelefone... Wieviele Fs kommen noch?"

ein wenig kommt noch, dann das Schlusskapitel
 

bcs

Reguläres Mitglied
08.05.2013
45
4
DUS
weiter, immer weiter, ich bin süchtig wie bei einer guten Fernsehserie
 

AndreasCH

Erfahrenes Mitglied
06.02.2012
3.711
80
Nach F hätte ich noch Titten, Theken, Temperamente....

Nein, toll zu lesen, danke.
 

concordeuser

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So holte ich Anna dann am frühen Abend eines trüben Tages zwischen Landung und Weiterflug am Lufthansa Büro ab. Wir gingen zu einem Italiener und verbrachten einen angenehmen Abend mit Pasta und Wein und mit ganz viel erzählen über das Leben „unterwegs“ und den Job bei der Lufthansa. Dazu auch persönliches. Anna war eine tolle Frau, klug, faszinierend und in meinen Augen wunderschön. Genau der Typ von Frau, bei dem ich mein ganzes Leben lang große Augen bekomme. Wäre ich damals nicht glücklich verbunden gewesen, hätte ich mich sicherlich unsterblich verliebt. So erlebten wir einen schönen Abend, an den ich mich gerne erinnere und der -- so hoffe ich -- auch ihr Spaß gebracht hat. Ich hätte stundenlang mit ihr da sitzen können. Irgendwann musste ich los, um den Lumpensammler zu erreichen. Wir telefonierten noch häufiger, bis dann der Kontakt abriss, weil Lufthansa seine Callcenter umorganisierte. Zu einem weiteren Wiedergesehen kam es nicht mehr. Anna dürfte jetzt vielleicht 50 Jahre alt sein. Ich hoffe und wünsche, sie hatte und hat ein tolles Leben. Neugierig wäre ich, ob sie sich noch an mich erinnert?

Es waren auch die Jahre der ersten Lufthansa Krise, als der damalige CEO Weber bei den großen Firmen angerufenen haben soll, um sie als treue Kunden der LH zu behalten. Gemessen an den nachfolgenden CEO war Weber geradezu eine Management-Lichtgestalt.

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Ende der Achtziger Jahre bekam Lufthansa das erste Mal ein wenig Konkurrenz. Innerdeutsch gab es mit Aero Lloyd und German Wings (hat nichts zu tun mit dem heutigen Billigflieger gleichen Namens) Alternativen im Linienverkehr.

Einige Male war ich auch mit beiden Gesellschaften zwischen HAM, FRA, CGN und MUC unterwegs. Aero Lloyd hatte seine Ladys der Lüfte in stylische Uniformen gesteckt und ermöglichte mir zwei Fluge mit der Caravelle, die zwischen HAM und FRA unterwegs war. Damals ein Oldtimer mit 99 Sitzen, fast ein Museumsflugzeug. Aus luftfahrthistorischen Gründen war ich daran interessiert sie kennenzulernen, eines der ersten Jet-Nachkriegsflugzeuge aus der Generation der 707, DC 8, Comet, Trident oder BAC 1-11. German Wings hatte ein größeres Streckennetz aufgezogene und versuchte es mit viel Platz, gutem Catering und freundlichen Mitarbeitern, doch es sollte sich nicht tragen. Nach kurzer Zeit waren sie Pleite. Lufthansa kaufte die Namensrechte, damit es nie wieder Konkurrenz durch German Wings gäbe. Aero Lloyd zog sich nach einiger Zeit aus den innerdeutschen Verbindungen wieder zurück und ging als Charterflieger 2010 in die Insolvenz.


Im Verlauf der Neunziger war ich dann auch viel mit British Airways und ihrer deutschen Tochter der Deutschen BA unterwegs. Mich faszinierten meine Concorde Flüge am Rande des Weltraums über die ich hier einen längeren Bericht eingestellt habe. Travelling in Style, wie der Werbespruch lautete. Großartige Erlebnisse, nach denen ich eigentlich für konventionelles Fliegen verdorben und verloren war. Zeitweise habe ich in den Jahren bei BA den Gold und Silber-Status geschafft.

In den letzten zehn Jahren, als meine Freundschaft zu Lufthansa am abkühlen war, habe ich es auch zu Silber bei KLM/Air France gebracht und zeitweise zu Gold bei Air Berlin. Doch warum es so kam, erzähle ich im Schlussabschnitt.

Eigentlich könnte ich noch tagelang größere und kleinere Erlebnisse aus meiner Zeit mit der Lufthansa erzählen. Zwei davon möchte ich nochherausheben:
Lufthansa war immer ein zuverlässiger Freund. Wenn immer etwas schiefging haben sie sich gekümmert und geholfen. Mehrfach wurde ich in Hotels untergebracht wenn Eis und Schnee meine Flüge verhinderten. Noch bis Anfang des Jahrtausends gab es an den Check Schaltern und den Kundenschaltern Gutscheinhefte für Umbuchungen, Übernachtungen und Verpflegung, wenn etwas fürchterlich schieflief.

Im Sommer 2003 erlitt ich auf einem Flug der SAS von HAM via CPH nach VNO einen üblen Unfall, bei dem ich mir die Achillessehne bis auf Restfasern durchgerissen hatte. Im Gedränge wurde ich von hinten beim Außenbording geschubst und stürzte ziemlich dumm auf der Treppe zur Maschine. Unterwegs war ich mit einem M&M Ticket der Lufthansa, was damals auf diesem Routing noch ging. Das Ganze wurde zu einem jahrelangen Alptraum aus Missmanagement und ärztlichen Kunstfehlern mit nachfolgend Prozessen bis 2012.

Am Airport CPH hatte mich die SAS zwar zunächst gut versorgt, vom Flugzeug in die Lounge getragen und dort hingelegt, bis der Krankenwagen kam und in das Flughafenkrankenhaus gebracht, doch dort wurde der Achillessehnenriss übersehen und ich mit Krücken und halb weggetreten (33 Grad Wärme, Schock, Schmerzen und bewusstseinsverändernde Medikamente) wieder zum SAS Schalter am Airport gekarrt. Ich war nicht mehr handlungsfähig und wurde mehr oder weniger gegen meinen Willen in einen Rollstuhl verfrachtet und von der SAS dann nach VNO weitergeflogen, wohl auch um den Unfall nicht an der Backe zu haben. Ich war in meinem damaligen Zustand nicht mehr Herr meiner Sinne und Entscheidungen

In VNO kollabierte ich dann beim Verlassen der SAS Maschine und landete ohne Gepäck in einem litauischen Krankenhaus. In meiner Not rief die damalige Senator Hotline meines Freundes Lufthansa an. Und LH war ein verlässlicher Freund, der mir großartig Unterstützung leistete.

Er half, um mich mit T-Shirts, Unterwäsche, Rasierer, Zahnbürste etc auszustatten, organisierte den Rücktransport im Rollstuhl in einer LH Maschine via Frankfurt nach HAM, buchte entgegen allen Regeln mein Ticket um, besorgte einen Lufthansa Arzt (LH zertifiziert), der befugt war, mich nach einigen Tagen transportfähig zu schreiben und übernahm aus Kulanz einen Teil der Kosten, denn SAS brauchte mehrere Tage meine Koffer wiederzufinden (für das Krankenhaus hatte ich gute Versicherung). Auch 12 Jahre später kann ich der Lufthansa nur tief beeindruckt danke sagen.

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Zwar folgte dann nach der Rückkehr in Hamburg noch ein ärztlicher Kunstfehler, der den Achillessehnenriss noch einmal übersah, aber ein Jahr später hatte ich dank eines guten Arztes alles überstanden. Es folgten zehn Jahre mit Prozessen. Shit happens.

Und fast hätte ich etwas Wichtiges vergessen, das ich hier nachtrage: Als ich 1988 bei Lufthansa Gaby in Melbourne war habe ich Keith Richards getroffen. An unserem letzten Tag. Gaby und ich waren so genervt voneinander, dass ich erst einmal raus aus unserem Zimmer wollte und den Fahrstuhl nach unten nahm. Zwei Stockwerke später stieg Keith Richards ein. Ich war so genervt von mir, Gaby und der Welt, dass ich ihn nur entgeistert anstarrte. Natürlich hätte ich ihn auf einen Jim Bean an die Bar einladen sollen und mit ihm über Frauen reden sollen. Vielleicht hätte er ja für mich Dead Flowers gesungen. Doch ich habe es vermasselt. Später habe ich die Zusammenhänge verstanden: die Rolling Stones waren zur Beginn oder Vorbereitung ihrer Tour in Australien. Ich bedauere bis heute, nicht mit ihm geredet zu haben.

Die wichtigen Dinge aus meinem langen Leben mit der Lufthansa habe ich erzählt.

Die Menschen sind verrückt und die Zeiten seltsam, singt Bob Dylan in seinem Song Things have changed, aus dem Film Wonder Boys mit Michael Douglas, für den Dylan als Filmpreis einen Oscar bekommen hat. Doch solange es jemanden gibt, der von dieser Welt erzählen kann, besteht Hoffnung.

Unsere Welt hat sich gedreht, das Fliegen hat sich verändert und ich bin ein anderer. Einige Gedanken davon im Schlussabschnitt.
Heute finde ich Fliegen ziemlich lästig und versuche es meist zu vermeiden. Mich nerven das frühe Erscheinen am Flughafen und die unendlich lästige Prozedur bis es endlich los geht. Besonders die Security. Wenn ich morgens um sieben in einer Warteschlange stehen und mich befummeln lassen muss bin ich eine tickende Zeitbombe. Wahrscheinlich kann man an meinem Gesicht gut sehen, wie ich das finde. Die Sitzabstände sind unangenehm eng geworden, das NEK Campinggestühl finde ich fürchterlich. Die Flight Attendants sind nicht mehr interessant und das Essen meist ungenießbar oder zur Lachnummer verkommen. Auch wenn nicht Billigflieger dransteht ist meist nur noch Billigflieger drin, auch bei meinem Freund Lufthansa. Das Pricing aus Gebühren und Steuern ist intransparent und M&M zur Lachnummer verkommen. Bis Anfang des Jahrtausends bekam man für seine Meilen ein Ticket, ohne die manipulativen Gebühren, die oft teurer sind als ein direkt gekauftes Ticket. Das Zeitalter der Meilenprogramme geht zu ende.

Seit den geschilderten Zeiten hat sich mein Bewegungsprofil deutlich verändert. Als Spin-Doctor und Berater habe ich seit Anfang des Jahrtausends ein anderes berufliches Bewegungsprofil.

Bin ich jahrzehntelang etwa bis zu 40x im Jahr nach Berlin geflogen so nutze ich seit Einstellung der Flüge den ICE. Auch bei Projekten in und um Nürnberg oder in DUS oder Köln und DUS nutze ich häufig und fast lieber die Bahn.

Rechne ich die Reisezeit von Tür zu Tür oder von Schreibtisch zu Schreibtisch, so ist bei vielen meiner Reisen nur noch ein geringer Zeitgewinn des Flugzeugs gegeben. Nicht immer, aber immer öfter. Man kann eben nicht mehr 20 Minuten vorher da sein und zur Arbeit fliegen. Sogar zwischen Hamburg und Orten in der Nähe Stockholm nutze ich manchmal den Zug. Zwar dauert es dann 9-10 Stunden aber der tatsächliche Zeitgewinn mit einem Flieger wäre manchmal auch nur etwa drei bis vier Stunden weniger, all in betrachtet. Außerdem misstraue ich seit meinem Unfall der SAS. auch wenn ich am Ende danke guter Ärzte
Und so schön wie hier auf einer meiner Bahnfahrten über die Ostsee wäre es auch nicht.

Nachfolgend einige Fotos meiner letzten Bahnfahrt. Der ICE ist unten im Unterdeck auf der Eisenbahnfähre während der Überfahrt von Fehmarn nach Dänemark verstaut.


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Ich brauche heute nur knapp 10 Minuten bis ich in Hamburg im ICE sitze und es losgeht. Geht es nach Süden bin ich meist schon hinter Hannover bevor das Flugzeug überhaupt abhebt, hätte ich es gewählt. Im Zug habe einen Tisch an dem ich arbeiten kann, eine Steckdose, mehr Platz und eine angenehmere Umgebung als im Flugzeug. In der Bahn kann ich unterwegs sehr viel besser arbeiten als auf einer Flugreise und meine Zeit nutzen.

Fliegen hat für mich weitgehend seine Faszination verloren, die es einmal hatte. Meine Intercont-Flüge sind selten geworden. Wenn dann buche ich C, aber nicht mehr der Lufthansa. Das Produkt ist in meinen Augen in der Regel deutlich schlechter als bei den Wettbewerbern und wichtiger noch im Vergleich zum Wettbewerb oft absurd überteuert. Solche Flüge sind meist angenehm.

Innereuopäisch war ich in den letzten Jahren viel nach Helsinki unterwegs, aus Hamburg, AMS, BEG und CDG. Wenn es passte bin, ich gerne und viel in der C über VIE mit der AUA geflogen. Besser als via FRA oder MUC. Auf den fast drei Stunden zwischen VIE und HEL gab es noch gutes warmes Essen und ich konnte vegetarisch wählen. Auch der Wein war immer gut. Nicht ganz unwichtig nach langen Arbeitstagen. Die Crews waren immer freundlich und die Fokker inner-europäisch nicht wirklich schlechter als andere. Auch solche Flüge haben mir Spaß gebracht.
Aber vor 1,5 Jahren oder so hat die AUA diese meine Lieblingsstrecke eingestellt. Ich wüsste nicht mehr, wofür ich in Europa Geld für C ausgeben sollte.

Den großen Rest meiner Flüge in Y innerdeutsch und innereuropäisch finde ich ziemlich lästig.

Fortsetzung folgt
 
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