Liebe Bundesregierung,
liebe Kanzlerin und alle genauso lieben Bundesminister,
ich schreibe Euch heute mal einen Brief:
an einem Wochenende im Juni habt Ihr Euch in Klausur zurückgezogen, um zwei Tage lang ernsthaft nachzudenken, wo man denn sparen könnte. Der Grund war klar: Die einzelnen Ministerien haben einfach zu viel Geld ausgegeben. Wir in meiner Familie machen das auch so, wenn das Geld mal knapp wird. Dann überlegen wir uns auch am Wochenende, wo wir sparen könnten. Bei uns in der Familie kommt dabei meist etwas vernünftige heraus. Euren Sparvorsatz in der Sparklausur fand ich deshalb richtig gut. Ich war also ganz gespannt auf Eure Sparbeschlüsse und hatte mir deshalb an dem Sonntagabend damals im Juni die Tagesschau angesehen:
"Wir sparen!" Das habt Ihr (Angie, Guido, Wolfgang) dann auch in den Nachrichten stolz verkündet und gleich dem Volk erklärt, wie Sparen auf Schäuble-Neudeutsch funktioniert. Wir Minister wollen sparen, indem wir neue Abgaben einführen - zum Beispiel eine Umwelt- und Ökoabgabe auf Flugtickets (wobei Ihr damals noch nicht wusstet, wie man dieses Ding denn juristisch korrekt benennen soll: Gebühr? Abgabe? Steuer?)
In den nächsten Tagen habe ich dann in der Süddeutschen Zeitung nachlesen können, was Ihr Euch bei den Sparbeschlüssen in dieser Klausur so gedacht habt. Auf Flugtickets soll nur in 2011 ein Jahr lang eine Gebührenabgabe erhoben werden, sagte der Peter (also Euer Verkehrsminister, der mit Nachnamen Ramsauer heisst). Maximal 25 Euro sollten es sein. Denn ab 2012 wird es ja den schon beschlossenen umweltgerechten Emissionshandel geben, an dem Air Berlin und Lufthansa teilnehmen und dann viel Geld einzahlen werden. Nur bis dahin sollte die Umweltabgabe erhoben werden. Sozusagen als Überbrückung.
Das fand ich ok. Umwelt finde ich generell immer gut. Ich habe zwar nicht ganz verstanden, was Umwelt mit "Sparen" und der "Sparklausur" zu tun hat, aber der Umwelt zuliebe ist einfach und immer alles so gut, dass man dafür gerne auch mal zusätzlich 25 Euro für einen Langstreckenflug zahlt, wenn dieses Geld denn der Umwelt nachher auch tatsächlich hilft.
Umwelt hin, Umwelt her - ich möchte ganz offen zu Euch sein, liebe Minister der Bundesregierung: Für mich hatte das Wort "Sparen" bis zu Euren Sparbeschlüssen einen andere Bedeutung. Sparen, dass heisst doch weniger Geld ausgeben, oder irre ich mich da? Sparen heisst Kosten kürzen, Preise senken, das Geld in die Sparbüchse werfen oder zur Bank zu bringen (wenn man in eine Bank noch Vertrauen hat). Das ist sparen, habe ich gedacht. Ich habe im alten Duden nachgesehen, ob der das auch so sieht. Ja, tut er! Aber der Duden ist alt. Und ich bin es auch. Aber wir haben eine neue Situation, eine neue Lage, wie ich höre. Da funktionieren alte Rezepte nicht mehr.
Liebe Regierung: Heute habt Ihr Eure Sparbeschlüsse konkretisiert und endgültig verkündet, dass es keine Umweltabgabe oder Gebühr, sondern so etwas wie eine Luftverkehrssteuer wird. Diese soll nun über 2011 hinaus Gültigkeit haben und paralell zum oben genannten Emissionshandel auch später noch erhoben werden. Diese Steuer wollt Ihr auch noch rückwirkend erheben: Es werden alle Flugtickets besteuert, die heute gekauft wurden, bevor das Gesetz ab 1. Januar 2011 in Kraft tritt. Das ist echt cleveres Schäuble-Sparen. Das heisst: Mein heute gekauftes Ticket nach New York wird also nicht billiger, sondern es wird teurer. Nicht wie ursprünglich mal gesagt maximal um 25 Euro, sondern gleich 45 Euro werde ich nachzahlen müssen. Meine Fluggesellschaft (die als Inkassobüro für diese Steuer benutzt wird), wird es mir nachbelasten.
Das ist pfiffig, liebe Angie, Guido, Wolfgang und auch lieber Peter: Das müssen wir dem Duden mitteilen - wir müssen dem Duden sagen, das heute "Sparen" etwas anderes heisst als gestern noch, dass sich die Bedeutung des Wortes geändert hat und heute "Sparen" nicht mehr so funktioniert wie noch vor ein paar Monaten. Ja, das müssen wir dem alten Duden mitteilen, er sollte darüber Bescheid wissen.
Zurück zu dieser Luftverkehrs-Ökosparsache: Es soll also keine Umweltgebühren oder Abgabe werden, habe ich gelesen. Ein Abgabe oder eine Gebühr wäre ja irgendwie zweckgebunden, sagen Juristen. Dann müssten also meine 45 Euro tatsächlich für die Umwelt verwendet werden. Aber es wird nun eine Steuer. Als Steuer getarnt, lieber Sparfuchs Wolfgang, kannst Du das Geld so verteilen, wie Du willst. Das hast Du geschickt eingefädelt. Man muss das Ding nur richtig benennen, damit es juristisch sauber ist.
Gut gemacht, Schäuble: Du kannst diese neue Steuereinnahmen jetzt zum Beispiel Deiner Bundestagsverwaltung geben. Diese kann damit für die Abgeordneten die Flugkosten für ihre Heimflüge bezahlen, die ja durch die Steuer teurer werden. Ich habe gehört, dass die Bundestagsverwaltung schon mal ernsthaft nachgerechnet hat, wie sich diese neue Steuer auf deren Haushalt auswirken wird. Soll ich Dir das verraten, Wolfgang?
Also: Heimflüge der Abgeordneten werden nicht um 8 Euro teurer, sondern um 16 Euro, denn innerdeutsch werden Hin- und Rückflug ja jeweils einzeln besteuert (steht zumindest so im Gesetzesentwurf). Um 8 Euro teurer wird es für Hin- und Rückflug nur dann, wenn der Abgeordnete am Wochenende nicht nach Hause, sondern viel weiter nach New York fliegt und er in London, Paris oder Amsterdam umsteigt. Er muss dort umsteigen, das ist ganz wichtig. Sonst wird es noch teurer und er denkt damit nicht an uns Steuerzahler. Fliegt er mit Lufthansa und steigt in Frankfurt um, dann kostet dieser Flug 45 Euro Steuern mehr. Will dieser Abgeordnete aber Air Berlin nicht benachteiligen und beide deutsche Fluggesellschaft gleich gut behandeln (dann ist er aber ganz blöd!) dann wird es richtig teuer. Nur dumm ist es, wenn er zum Beispiel auf einem Rückflugticket mit Lufthansa von Berlin nach Düsseldorf fliegt, um dort mit einem anderen Ticket in einen Flieger von Air Berlin einzusteigen, um dann nach Amerika zu fliegen. Das kostet ingesamt 61 Euro mehr an Steuern, die in Wirklichkeit wir Bürger als Steuerzahler dem flugreisenden Abgeordneten zahlen, auch wenn wir gar nicht fliegen.
Lieber Sparfuchs Wolfgang, das ist wirklich so! Aber keine Sorge: Das wird die Bundestagsverwaltung Dir bald mitteilen, denn die Flugkosten werden steigen, falls die Abgeordneten weiterhin mit Lufthansa oder Air Berlin fliegen und nicht Fremdfliegen mit Air France oder British Airways. Ich gehe davon aus, dass die Berliner Abgeordneten den deutschen Fluggesellschaften schon treu bleiben. Doch bald muss deshalb schon wieder gespart werden bei den Flugkosten in der Bundestagsverwaltung.
Liebe Bundesregierung, vermutlich habt ihr deshalb ja auch vorsorglich in Euren Gesetzesentwurf geschrieben, dass man (bei der nächsten Sparklausur?) im Jahr 2012 alles überprüfen will. Dann kann man ja nachbessern und schäuble-neudeutsch wieder "sparen" - wie zum Beispiel mit der Einführung einer neuen "Passagierstartsteuer", oder einer "Luftverkehrslandesteuer", oder einer "Flugverkehrsgepäckstücksteuer", oder mit der "Luftraumlärmverkehrssteuer", oder die "Flughafenbenutzungssteuer", oder sogar eine "Vulkanaschewolkensicherheitsluftraumschließungssteuer"...
Jetzt - genau jetzt in diesem Moment, in dem ich gerade die möglichen Steuern zusammen geschrieben habe - jetzt in diesem Moment verstehe ich Eure Sparbeschlüsse vom Juni wirklich, liebe Bundesregierung: Ihr seid sparsam umgegangen mit möglichen neuen Steuern und habt nur eine neue Steuer eingeführt. Das nenne ich sparen, wirklich sparsam! Es hätte ja noch mehr kommen können. Danke dafür!
Also liebe Angie, lieber Wolfgang, Guido, und auch alle anderen Minister:
Macht weiter so! Spart weiter in unserem Sinne.
Herzlichst grüsst Euch Euer
Donnergeräusch
(alias Bergmann im VFT)