Tag 14 – Freemansund, Zodiac-Cruise und kurze Anlandung an der Würzburger Hütte
Um 5:20 Uhr klingelt mein Wecker, denn planmäßig sollen wir um 5:30 Uhr in den Freemansund, der uns die Durchfahrt zwischen Barentsøya und Edgeøya ermöglicht, einfahren.
Ich ziehe mir schnell ein paar dicke Sachen an und mache mich fertig. S. dreht sich derweil nochmal um.
Um kurz nach halb sechs stehe ich zusammen mit zwei anderen Personen auf Deck 9. Die Sonne scheint noch immer, auch wenn es etwas bewölkter ist als gestern.
Die Aussicht ist zwar ganz nett, aber von den letzten Tagen sind wir nun sehr verwöhnt. Daher laufe ich gemütlich noch etwas über das Deck und hole mir gegen 6 Uhr einen Kaffee in der Observation Lounge. Und so wechsle ich im Anschluss zwischen Deck 8 und 9 hin und her. Immer wieder kommen Mitreisende, stecken kurz die Nase nach draußen und verziehen sich dann wieder ins Innere. Selten sind wir mehr als eine Handvoll Leute.
Als ich dann mit dem Fernglas das Ufer absuche, entdecke ich plötzliche etwas, dass ein Eisbär sein könte. Ich frage einen Mann neben mir, ob er ihn auch sehen kann, was er nach einer genauen Erklärung wo der Eisbär zu finden ist, bejaht. Gerade als ich die Crew informieren möchte, ertönt auch schon die Durchsage von der Brücke. Eisbär gesichtet, man hat die Motoren soeben gestoppt. Innerhalb weniger Minuten füllt sich das Deck erheblich. Jeder möchte den Eisbären natürlich sehen. Es ist mittlerweile 6:50 Uhr.
Für ein gutes Foto ist er leider doch zu weit weg, durch das Fernglas lässt er sich aber super beobachten.
Nach rund 15-20 Minuten verschwindet der Eisbär dann außer Sichtweite im Hinterland. Und so schnell sich die Aussendecks gefüllt haben, so schnell leeren sie sich dann auch wieder.
Aber auch ich begebe mich nun wieder zurück auf die Kabine, wo S. sich gerade dick einpackt. Da es aber nichts mehr zu sehen gibt, erzählen wir kurz und machen uns langsam fertig.
Auch Hauspost gab es heute Morgen bereits. Leider die Unliebsamste der Reise, Informationen zur Abreise. In einem zweiten Umschlag erhalten wir noch die Einladung ins l’esprit für heute Abend.
Um 8 Uhr, mit Öffnung des Hanseatic, laufen wir zum Frühstück und lassen an der Rezeption direkt noch die Kreditkarte für die Zahlung hinterlegen.
Kurz nachdem wir uns gesetzt und unser Essen bestellt haben, erhalten wir per Lautsprecher die Info, dass eine außerplanmäßige Zodiac Cruise um Kapp Lee vorbereitet wird. Hier gibt es mehrere Hütten, eine achteckige Trapperhütte aus dem Jahr 1904 sowie zwei rechteckige Bauten aus den 1960er-Jahren, errichtet von Mitarbeitern einer Ölfirma.
Am Strand sowie überall zwischen den Steinen liegen alte Schädel, Kiefer und Knochen – stille Überreste eines der größten Walross-Schlachtplätze Spitzbergens. Hiervor muss die heute am Strand liegende Gruppe weiblicher Walrosse aber keine Angst mehr haben.
Da wir heute die zweite Farbgruppe sind, müssen wir uns nun beeilen. Nachdem wir unsere beiden Egg Benedict gegessen haben, geht’s also direkt wieder auf die Kabine zum Anziehen. Gegen 8:40 Uhr erfolgt dann auch der Aufruf.
Wir fahren entlang der Küste und können von dort einen Blick auf die Walrosse am Strand werfen. Und wir können sie auch riechen.
Auch im Wasser um die Zodiacs sieht man immer wieder Walrossköpfe hinausschauen. Damit diese auf dem Weg zurück zum Strand nicht verunsichert/verwirrt werden, ziehen wir uns vorsichtig an die Seite zurück.
Während der Zodiac Cruise erhalten wir noch einige Infos von der mitreisenden Expertin für Polargeschichte.
Um 9:30 Uhr sind wir zurück auf der Kabine.
Wir sammeln kurz unsere Sachen zusammen und machen es uns einmal mehr auf Deck 8 bequem. Wir spielen Rummikup, trinken einen Tee und lesen ein bisschen. Die HANSEATIC spirit steuert in der Zwischenzeit die Diskobukta und den dortigen Canyon an.
Aufgrund des etwas kleiner ausgefallenen Frühstücks entscheiden wir uns mit Öffnung des Lido pünktlich um 12 Uhr dort zu Mittag zu essen, da das Hanseatic erst um 12:30 Uhr öffnet und wir aber wieder die zweite Farbgruppe der heute Mittag geplanten Anlandung sind.
Gegen 12:30 Uhr erreichen wir Diskobukta.
Doch diese Reise ist gesegnet mit einem außergewöhnlichen Eisbärenreichtum. Denn auch hier können die Eisbärenwächter eine Eisbärenmutter und ihr Junges sowie ein weiteres Tier in der Nähe ausmachen. Diese Anlandung muss somit gestrichen werden, um niemanden zu gefährden, weder uns noch die Tiere.
Doch ein Ersatzplan ist schnell gefunden, wir drehen bei und fahren flugs zurück in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Unser neues Ziel ist die Würzburger Hütte am Sundneset, an der wir gegen 14 Uhr anlegen sollen. Genau deshalb heißt es eben Expedition - man weiß nie, was kommt.

Zumindest bleibt uns somit etwas mehr Zeit um gemütlich zu Mittag zu essen.
Nachdem wir unseren Plan B erreicht haben, landen zunächst die Eisbärwächter und Experten an, sichern das Gelände und dann kann auch schon mit dem Landgang begonnen werden. Wir stehen um 15 Uhr am Sidegate und kommen wenige Minuten später an Land an.
Barentsøya wirkt zunächst wie ein Ort der Jagd, doch hier steht seit jeher die Forschung im Vordergrund. Zwischen 1959 und 1967 diente die Insel als Freiluftlabor für die Staufferland-Expeditionen, die die Geomorphologie, also die Entstehung und Veränderung der Landschaft unter dem Einfluss von Eis, Frost und Zeit untersuchte.
Wir werfen einen Blick in die Reste der Hütte und laufen den stellenweise erstaunlich grünen Hügel hinauf…
…als plötzlich eines der Baywatch-Zodiacs, das während des Landgangs, an den Ufern Patrouille fährt, Eisbäralarm meldet.
Das bedeutet sofort den geordneten Rückzug anzutreten. Denn natürlich hat der König der Arktis Vorrang. Alle an Land befindlichen Personen laufen geordnet zurück zur Anlandestelle, wo bereits mehrere Zodiacs warten.
Normalerweise wird immer in ein Zodiac nach dem anderen abgefertigt. Nun wird zeitgleich in mehrere Zodiacs gestiegen. Und so sind innerhalb weniger Minuten nach dem Alarm alle wohlbehalten auf dem Weg zurück zum Schiff.
Vom Schiff aus verfolgen die anderen Passagiere gespannt das Treiben. Wir fühlen uns etwas an die Zodiac Cruise in Südgeorgien erinnert, bei der wir aufgrund des plötzlichen Wetterumschwungs Mühe hatten, zurück an Bord der HANSEATIC inspiration zu kommen.
Um 15:40 Uhr sind wir wieder an Bord der HANSEATIC spirit. Es zieht uns direkt wieder auf Deck 9, denn unser Kapitän gibt uns natürlich die Möglichkeit, den Bären zu beobachten. Nachdem dieser erfolgreich die Besucher verscheucht hat, macht er es sich auf einem Eisfeld gemütlich und döst in der Sonne.
Diese gefiederten Freunde lassen sich nicht so leicht von dem Eisbären aus der Ruhe bringen.
Während wir den Eisbären noch etwas beobachten, kommen wir mit der Expertin für Polargeschichte ins Gespräch, die in unserem Alter ist. Auch sie hat ihr Herz an die Polarregionen verloren und so entwickelt sich ein wirklich nettes Gespräch.
Irgendwann ziehen wir uns dann aber auch hier langsam zurück. Wir verbringen den restlichen Nachmittag auf Deck 8 und 9 mit lesen. Dabei lassen wir den Blick immer wieder in die Ferne schweifen und sind wieder einmal dankbar dafür, was wir hier erleben dürfen.
Gegen 18 Uhr gehen wir dann zurück auf die Kabine, um uns fertig zu machen. Pünktlich um 19 Uhr betreten wir das l’esprit und erhalten einen schönen Tisch am Rand. Wir entscheiden uns beide für das volle Menü, beim Hauptgang entscheidet sich S. heute jedoch für das Beef Wellington von der Tageskarte aus dem Hanseatic Restaurant.
Erneut kann uns das Essen absolut überzeugen und wir verbringen einen sehr schönen Abend.
Nach dem Abendessen treffen wir mit etwas Verspätung im HanseAtrium ein, wo sich der Kapitän und die Crew heute schon einmal offiziell von den Gästen verabschieden. Der Shanty-Chor gibt sein Bestes, indem er ein Best of der Seemannsmusik vorträgt. Auch die Verlosung der Seekarte findet heute statt - leider haben wir kein Glück.
Nach dem offiziellen Ende des Farewell bleiben wir noch einen Moment im HanseAtrium sitzen, bevor es uns gegen 23:30 Uhr nochmal kurz auf den Spirit Walk zieht.
Wir genießen nochmal zu zweit die Ruhe unter der Mitternachtssonne, ehe ein langer und wieder einmal ereignisreicher Tag endet.