Ich habe lange überlegt, ob ich mich zu diesem Thema äußere.
Denn ich habe ähnlich Schwerwiegendes schon zweimal von der anderen Seite erlebt, einmal 2006 und dann noch mal 2017. Nicht als selbst direkt Betroffener, aber als Verantwortlicher von Mitarbeitern. Das zieht dir, auch als nur mittelbar Betroffener, einfach und plötzlich die Beine weg. Beide Anschuldigungen haben sich durch angestrengte Ruhe, Vertrauen zu den Mitarbeitern, fähige Sicherheitsbeamte und das Glück von nicht beteiligten (und damit glaubhaften) Zeugen als sachverhaltsfreie Verleumdung herausgestellt. Schlimm war dabei für mich anzusehen, was die mediale Aufregung und Vorverurteilung bei den direkt betroffenen Mitarbeitern, aber auch bei den Kollegen im Umkreis anrichtet. Das hinterlässt in der Psyche der Betroffenen tiefe Spuren, denn weder Medien, noch SozialPoster oder Demonstranten haben hinterher das Rückgrat, sich wenigstens zu entschuldigen oder gar Lehren aus ihren Vorverurteilungen zu ziehen. Wer also jetzt den Stab über ein „mißglückstes“ Hotelbanner oder eine "zu langsame" Pressemitteilung bricht, sollte sich fragen, ob er da wirklich mitreden kann.
Ich will und werde mich damit nicht auf die eine oder andere Seite der aktuellen Sache schlagen, denn leicht reden lässt sich immer. Und so abgedroschen wie es klingt, so richtig ist es: Immer erst beide Seiten unvoreingenommen hören …! Und aufklären, ob es nicht noch eine dritte (Zeugen)Seite gibt. Das sollte bei dieser (mir bekannten) Örtlichkeit und dem sachlichen Kontext kein Problem sein.
Es ist katastrophal, wie leichtfertig heute Menschen aufgrund solcher Anschuldigungen medial gekreuzigt werden.
Mir wurde vor einigen Jahren auch mal Antisemetismus vorgeworfen. Es war eine ältere Dame, die einfach was umsonst wollte. Ich war nur der, der ihr die Regeln erklären und "Nein" sagen musste. Die Dame beschwerte sich erst bei meiner Chefin und dann (über mich und die Chefin) bei unserer Direktorin. Diese erklärte ihr dann, dass sie selbst Jüdin sei, und sowohl meine (ebenfalls jüdische) Chefin als auch ich (mit meiner jüdischen Frau) seit vielleicht 10 Jahren zu den wichtigen jüdischen Feiertagen Gast in ihrem Haus waren. Trotzdem ging das ganze dann noch vor eine Diskriminierungsstelle, es gab Anhörungen, Paperwork, und am Ende war unser Jewish Street Cred (sowie ein unabhängiger Zeuge, der von seinem Cubicle aus gehört hatte, dass ich ganz ruhig und freundlich war, und sie ausrastete und anfing, von German Antisemite zu schreien) nur knapp gut genug, um eine Abmahnung abzuwenden. Zur Sicherheit hat unsere ganze Abteilung dann noch einen Tag lang Training aufgebrummt bekommen. Nicht auszudenken, wenn die ältere Dame erstmal bei Twitter gepostet hätte, und wir dann innerhalb von einer halben Stunde gleich ein Paar Hundert Protestler vor der Tür gehabt hätten und dann am anderen Ende der Welt durch die Nachrichten gegangen wären! Und selbstverständlich hat sowas gravierende Folgen für die Psyche; ich wusste natürlich, dass die Diskriminierungsstelle das Paperwork noch hatte, und wenn "wieder mal" was gewesen wäre, ich einen schweren Stand gehabt hätte. Entsprechend hatte ich dann immer Bedenken, irgendwo ein Gendersternchen falsch zu setzen, hatte immer im Hinterkopf, bei Treffen lieber Zeugen dabeizuhaben, und habe mir mittlerweile einen Job gesucht, wo man diesem ganzen Schwachsinn nicht so sehr ausgesetzt ist.
Zu der Geschichte in Leipzig kann ich natürlich nichts sagen, aber es kommt mir schon etwas merkwürdig vor, dass ein Hotelangestellter einen Gast auffordert, ein Schmuckstück abzulegen. Ich habe die letzten Jahre immer je um die 250 Nächte in Hotels verbracht, und habe nie erlebt, dass irgendjemand angesprochen wurde, sich an/umzukleiden, selbst bei recht eklatanten Verstößen gegen die "no shoes, no shirt, no service" Regeln. Insofern würde ich eher auf einen verunglückten Witz tippen, "Sie können sich ja mit ihrem Wurfstern an den Anfang der Warteschlange kämpfen" oder sowas. Das ist natürlich im Internet nicht en vogue, aber ich würde empfehlen, erstmal abzuwarten, bevor man die Beteiligten so verurteilt...