54. Tag / 4. Winterreise
Die Zeit bis zu unserem Abflug um 05:20 zog sich, V. schlief im Sessel neben mir ein. Nach fast einem Jahr Indienabstinenz musste ich mich erst wieder an die Geräusche unserer Mitgäste, z.B. extrem lautes Rülpsen in der Öffentlichkeit, gewöhnen. So wandelte ich zwischen Lounge und Raucherraum hin und her, so dass ich nicht auch noch einschlief.
Gegen 04:40 machten wir uns auf den Weg zu Gate 85C, ein Busgate im Erdgeschoss. Bei unserem Eintreffen begann gerade der Boardingprozess.
Zu meiner Verwunderung gab es diesmal keinen Extrabus für die Business-Class, alle Passagiere wurden in einen großen Bus gequetscht bis wirklich niemand mehr hineinpasste.
Nach einer längeren Fahrt über das Vorfeld erreichten wir unsere A321 für den Flug nach GOI. Da wir uns direkt an der Türe platziert hatten kam wir als erste zur Treppe, erklommen den Flieger.
Wie üblich hatte der Airbus 3 Reihen Business-Class mit 2-2 Bestuhlung, wobei man die Monitore in den Rahmen einfach durch Werbedrucke ersetzt hatte.
Seltsam war, dass, obwohl wir als erste einstiegen, auf 3D und 3F bereits ein europäisches Ehepaar im Halbschlaf saß. Wir setzten uns auf unsere Plätze, 2A und 2C.
Und, als hätten wir es geahnt, begann nach kurzer Zeit eine Diskussion hinter uns, ein Passagier wollte auf seinen Platz, 3D. Ohne zu Murren stand die Europäerin auf uns begab sich auf 4D, die erste Reihe der Y-Class. Ihr Mann blieb seelenruhig auf 3F sitzen, niemand beanspruchte den Sitz in der nicht vollen Business-Class für sich. Sehr komisch das Ganze – aber wir sind eben in Indien.
Ich schlief schon ein bevor wir überhaupt losrollten, kann mich an den Start nicht im Geringsten erinnern. Nur irgendwann weckte mich der Purser, ob wir essen wollten. Nach einem kurzangebundenen ‚No!’ schlief ich auch schon wieder, wurde durch das Aufsetzten des Flugzeuges am Flughafen Goa unsanft aus meinen Träumen gerissen. So muss ein Flug sein, einschlafen, aufwachen, angekommen. In meinem früheren Berufsleben hatte ich den Dreh raus, habe bestimmt 90% der Starts verschlafen.
Da es erst 06:40, war alles noch Grau in Grau. Wir dockten an einem Gate an, gingen ins Terminal, wo direkt beim Betreten die Boardingpässe vorgezeigt werden mussten. Nach oben durch einen Gang zur Immigration, wo wir, welch Wunder, unsere Boardingpässe und den VOA-Stempel vorzeigen. Hierauf wurde entschieden, dass wir an der Passkontrolle vorbei zur Rolltreppe durften, wo wir – ja genau – unsere Boardingpässe und den VOA-Stempel vorzeigen mussten. Nach genau einem Meter stand am Eingang zur Rolltreppe ein weiterer Flughafenangestellter, wollte Boardingpässe und VOA-Stempel sehen. Indische Methode der Arbeitsbeschaffung.
Unten angekommen standen wir vor zwei Gepäckbändern, ohne jegliche Beschriftung, Chaos!
Da ein Band gerade einen Direktflug aus Novosibirsk anfertigte wählten wir das Andere und begannen zu warten. Unser Flug war allerdings einer von Dreien, welche gerade angekommen waren – und so mussten wir recht lange warten. Wenigstens kam unser Gepäck wirklich an und wir gingen nach draußen durch die leere Ankunftshalle
zum Taxistand.
Wir entschieden uns für ein Prepaid-Taxi nach Vagator, zu 1'500 Rupien.
Es handelte sich dann um einen sehr einfach gemachten lokalen Toyota mit einem überraschenderweise riesigen Kofferraum. Da das von mir gebuchte Hotel sehr neu ist, hatte der Fahrer keine Ahnung wo es liegen könnte, musste sich zuerst erkundigen.
Aber dann ging es los – und wie es losging. Vettel könnte einpacken! Wir fuhren über eine kurvige, enge Straße den Berg hinunter zum Meer. Trotz Gegenverkehr gab unserer Fahrer richtig Gas, ich wunderte mich was er für einen Motor eingebaut hatte. Nach 10 Minuten Fahrt war klar ‚der hat den Bogen raus’ und so entspannten wir uns auf der Rücksitzbank trotz des Fahrstils – und ich bin Fahren in Indien wirklich gewöhnt.
Auf der Strecke nach Norden wir viel gebaut, Straßen, Einkaufszentren, Apartmentanlagen. Allerdings, Indien, ganz langsam. Die Chinesen würden 20 Brücken in derselben Zeit bauen.
Nach einer Stunde Fahrt erreichten wir unser Hotel für die nächsten Nächte, das funkelnagelneue ‚W Goa’,
angeblich DER aktuelle Hotspot Indiens.
Ich hatte schon vor der Eröffnung gebucht, zu einer Sonderrate, welche Frühstück, Internet und einen US$ 50-Credit pro Stay für Essen & Trinken enthält. Jetzt bin ich ja von Geburt Schwabe. Und was macht der Schwabe? Er bucht nicht einen Stay mit x-Nächten und nur einem US$ 50-Credit, nein, er bucht jede Nacht als einzelnen Stay, gibt ja auch noch die 500 Willkommens-Punkte (da Frühstück in der Rate enthalten). So relativieren sich dann wieder die durchschnittlich US$ 300/Nacht plus Steuern für ein Standardzimmer.
Da wir bereits gegen 08:30 im Hotel ankamen, rechneten wir nicht mit einem Zimmer, wollten uns im Spa frischmachen, an den Strand gehen. Aber, man wird auch mal positiv überrascht, wir bekamen umgehend unser Zimmer. Ich wusste, dass das Hotel ausgebucht war, so war ich nicht überrascht, dass es keinen Upgrade gab.
Ich musste die insgesamt 8 Buchungen unterschreiben, jede mit dem US$ 50-Credit vermerkt. Ich fragte nochmals nach, ‚Ja’, es gäbe für jeden Tag die Gutschrift.
Durch die wirklich eindrucksvolle, offene Lobby
an der Bar vorbei durch die langen Gänge des Hotels durch die Anlage
bis zu unserem Zimmer, ganz am Ende. Beim Gang durch die Gänge haute mich V. schon an, ich solle mir mal anschauen wie dreckig, verschmiert die Türen zu den Zimmern seien.
Wir wurden in unser Zimmer geführt, mit eindrucksvollem Badezimmer
und schön großem Wohn-/Schlafraum.
Bei genauerem Hinsehen bogen sich bei V. jedoch die Fußnägel nach oben, so dreckig und abgewohnt war alles – und das bei einem Hotel, das vor 4 Monaten eröffnet hatte.
Teppichboden, Sofa und Stuhl waren komplett verfleckt,
der Rahmen des Fernsehers fettverschmiert und die Fensterscheiben dreckig. Als ich die Türe zur Terrasse öffnen wollte blieb mein Unterarm regelrecht an der Scheibe kleben.
Dass die Gartenmöbel fleckig und von Vogelkot überzogen waren,
kein Wunder mehr!
Aber der Anblick, der sich uns vor unserer Terrasse bot schockte dann doch auch die Hotelangestellte, welche uns ins Zimmer geführt hatte.
Dies statt Meerblick!
Über andere Kleinigkeiten wie schlecht ausgebesserte Wandfarbe, Streichholz auf dem Zimmerboden etc. wollen wir gar nicht meckern.
Nun wurde die Frontdesk-Managerin hinzugezogen, welcher das Ganze sichtlich peinlich war. Man bot uns einen Zimmerwechsel am Nachmittag an, nachdem ein freigewordenes Zimmer gründlich gereinigt worden wäre. In der Zwischenzeit bot man uns ein kostenloses Frühstück an, um in dieser Zeit unser aktuelles Zimmer auf Vordermann zu bringen, soweit möglich.
Kurz frischgemacht und hinunter ins ‚Kitchen Table’, wo täglich das Frühstück serviert wird.
Die Auswahl war wirklich hervorragend,
drei verschiedene Porridge, indisch, europäisch (inkl. hochwertigem Lachs & Käse), Eierspeisen nach Wunsch, Dosa, Waffelstation und vieles, vieles mehr., zum Glück auf frische Gemüsesäfte auf Bestellung.
Wir gönnten uns zuerst Dosas, für V. Masala-Dosa, für mich ‚plain’. Okay, waren nicht so gut wie letztes Jahr in Südindien oder Delhi – aber besser als nichts.
Wieder ins Zimmer, welches nun bis auf die Flecken und die dreckigen Scheiben okay war, unter die Dusche gehüpft und strandfein gemacht.
Wir entschieden uns gegen den Buggy, liefen zum ‚Rock Pool’,
eine imposante Anlage oberhalb des Meers.
Hier befindet sich auch das typische ‚W’, V. wollte natürlich sofort ein Foto für Instagram (wegen etlicher Nachfragen: tina_mazur).
Wir suchten uns zwei Liegen, zum Glück war recht wenig los.
Der Pool ist schön gemacht,
dafür etwas klein, nicht besonders tief und deshalb die Wassertemperatur recht hoch. Zudem befanden sich überwiegend Familien mit Kindern dort, so dass es eher einem Kinderplanschbecken glich.
Kurz über einen hoteleigenen Weg mit abgeriegeltem Tor und Security zum Meer,
ich wollte unbedingt in die Wellen springen. Traumhaft, mit recht großen Wellen – genau so wie ich es mag. Der Strand ist allerdings öffentlich, das Hotel bietet dort keine Liegen oder sonstigen Service an, so dass es nach dem Bad in den Wellen wieder nach oben zum Pool ging.
Nach etwas Erholung und ein paar Coke Zero mit Eis erhielt ich am frühen Nachmittag eine WhatsApp-Message des Deputy-Hotelmanagers, ich solle zurückrufen. Da nun aber das Wi-Fi-Internet am Pool ausgefallen war und wir auch leichten Hunger verspürten ging es zurück zur Lobby. Dort wurde uns mitgeteilt, dass nun ein anderes Zimmer grundgereinigt worden wäre, wir umziehen könnten. Zwar handle es sich auch nur um ein Standardzimmer, aber mit besserem Ausblick und nur für eine Nacht – dann würde man uns upgraden.
Also kurz unsere Sachen aus dem einen Zimmer ins wirklich saubere Ersatzzimmer gebracht, umgezogen und ins ‚Kitchen Table’ auf einen Snack.
Dort erwartete uns wieder der Deputy-Hotelmanager, erklärte, dass ich die US$ 50-Credit doch nicht ‚per stay’ sondern nur einmal für den gesamten Aufenthalt erhalten würde. Man habe eine policy, dass zwischen den Stays 24 Stunden Abstand liegen müsse. Das kann ich zwar gut verstehen, aber Fragen kostet ja nichts. Also bot ich an, dass man uns den Credit nur für jede zweite Nacht geben solle – worauf er einwilligte.
Die Speisekarte des ‚Kitchen Table’ las sich sehr interessant. Noch während wir wählten bekamen wir einen kleinen Teller mit drei verschiedenen Salaten zum Probieren hingestellt
– eine nette Geste.
Wir wählten einen Quinao Salat
sowie mariniertes Paneer.
Das Paneer war sehr gut, der Salat Spitzenklasse – dafür gebe ich gerne mehr Geld aus als in Indien üblich.
Als Dessert stellte man jedem von uns noch einen sehr leckeren, extrem schokoladigen Kuchen hin.
Noch etwas durch die Anlage gelaufen und wieder zurück ins Zimmer, superfit waren wir nicht, hatten einfach zu wenig geschlafen. Auf dem Zimmer fanden wir dann auch einen außerordentlich einfallsreichen Willkommensgruß des Hotels vor, einwandfrei!
Um 18 Uhr erschienen wir in der ‚WOOBAR’, wo für SPG-Gold- und –Platin-Gäste zwischen 17:30 und 18:30 kostenlose Cocktails serviert werden. Noch ein paar Fotos geschossen, etwas getrunken und wieder ins Zimmer verzogen – denn die Musik war, wie schon am Pool, einfach zu leise.
Darauf angesprochen erklärte man uns am Pool, dass die Inder das ‚W’-Konzept noch nicht verstanden hätten, dass es sich eben um kein Familien-Resort handle, dass es dauernd Beschwerden wegen der lauten uns ‚seltsamen’ Musik hageln würde. Aus diesem Grund habe man sich entschieden, den Musikfaktor des ‚W’-Konzepts momentan zurückzustellen. Ist natürlich blöd – denn dies war einer der Gründe für uns ‚W’ zu buchen. Aber uns ist während des Tages auch schon aufgefallen, dass das Publikum so völlig anders ist als in anderen ‚W’-Hotels. Wenigstens gibt es auf dem Zimmer ein BOSE-System, hören wir eben dort unsere Musik.
Auffällig ist noch, dass sich fast niemand an die Regeln hält. So darf man im Hotel nur in bestimmten Bereichen rauchen – aber die Inder tun das einfach wo sie gerade Lust darauf haben. Auch ich habe jetzt nach einem Aschenbecher für den Nichtraucher-Balkon gefragt, und diesen erhalten.
Am Abend mussten wir in die ‚Stadt’, also das Dorf an welches das W Goa angrenzt, Geld wechseln war angesagt, nach einer SIM-Karte mit Datentarif Ausschau halten. Die Straße hoch ins Dorf ist schon etwas gefährlich, sehr eng, kaum beleuchtet – und die Autos & Motorräder heizen nur so durch. Wären wir Kühe, die Fahrer würden mehr auf uns achten.
Das Dorf lebt von den Touristen, meist Russen, was man daran erkennt, dass fast alles auf russisch angeschrieben ist, die Verkäuferinnen perfekt den Preis in russischer Sprache ansagen können. Egal, wir schafften es Geld bei ‚Seaview’ zu tauschen und ein paar Mangos zu erstehen.
Großen Hunger hatten wir noch nicht, aber etwas essen mussten wir, sonst würde sich der Hunger später einstellen. Bei TA wird ‚Blue Bird’ empfohlen, 15 Minuten zu Fuß vom Zentrum entfernt. Auch ohne Google Maps (SIM-Karte geht erst ab Montag) fanden wir das Restaurant, ziemlich leer, wie fast alle anderen Restaurants auch. Wir suchten uns einen Platz im offenen Obergeschoss, bestellten ‚Goan Beef Chili Fry`, in der Pfanne angebratene Rindfleischstückchen mit Gemüse und Kartoffeln und einen King-Fisch in einer Sauce aus Minze und Koriander, dazu Reis und Roti.
War nicht schlecht – aber wir werden uns daran auch nicht weiter erinnern. Preis? US$ 12 inklusive Getränke.
Wieder per Pedes zurück zum Hotel war uns zu gefährlich, wir entschieden uns für ein Taxi. Als der Fahrer ‚W’ hörte wurde der Preis gleich unverschämt. Am Schluss zahlten wir US$ 3, immer noch viel zu teuer für 2 Kilometer Fahrt.
Nun freuten wir uns auf die Party im Hotel, DJ, Musik, für V. einen Cocktail. Aber bei Ankunft im Hotel
fand dort der Totentanz statt. Zwar legte ein DJ super Musik auf – aber es waren außer zwei Familien mit Kindern niemand zu sehen, alle hatten sich wohl schon in die Zimmer verkrochen. Das ‚W’-Konzept scheint in Indien wirklich nicht anzukommen. Man geht nicht in ein W am Wochenende, um einen Familienurlaub zu machen, um 9 im Bett zu liegen. Schade!
So nahmen wir noch einen Cocktail/Coke Zero (teurer als unser Abendessen), genossen die gute Musik und verzogen uns dann auch irgendwann aufs Zimmer, BOSE muss jetzt die Party richten.