Es ist nicht unethisch, seine Interessen auf Kosten unzähliger Unbeteiligter durchsetzen zu wollen. Es ist unvermeidlich, wenn Arbeitskampf von beiden Seiten inzwischen – zumindest zeitweise – in einer perfiden Art geführt wird, die mit dem ursprünglichen Gedanken dahinter nur noch ansatzweise zu tun hat.
Dieser Vorwurf trifft allerdings nicht nur die eine, sondern auch die andere Seite. Oder wie soll man rechtfertigen, wenn die Arbeitgeberseite sowohl in die erste als auch in die zweite Verhandlungsrunde ohne die Spur eines Angebotes gehen? Andererseits konnte Weselsky nicht für eine Sekunde schlüssig erklären, mit welchem Recht sein versprengter Haufen die Auseinandersetzung mit der sehr viel größeren verfeindeten Gewerkschaft – denn darum und nicht um eigentliche Tarifverhandlungen ging es ihm im Kern – auf dem Rücken der Allgemeinheit ausgetragen hat.
Das ändert aber alles nichts daran, dass solche Auswüchse von einer stabilen Gesellschaft ertragen werden müssen. Nur hat’s unsere Gesellschaft aktuell nicht so sehr mit Stabilität. Und auf die Frage, warum das so ist, sollte sich jeder mal an die eigene Nase fassen. Wer – im Großen oder im Kleinen – Egoismus als angemessene Verhaltensweise propagiert (weil’s angeblich alle anderen ja auch so handhaben), der legt selbst Axt an die Grundfesten eines friedlichen und gedeihlichen Zusammenlebens; und wenn‘s „nur“ die feudalherrschaftliche Forderung nach Abschaffung des Streikrechts ist.
Denn das Problem ist leider, dass der eine oder andere von seinem hohen Ross herab den Blick für die Realität derer vollkommen verloren hat, die „da unten“ leben müssen. Leute, die sich allem Anschein nach für etwas sehr viel Besseres halten, kommen dann auf den verqueren Gedanken, das Streikrecht sei ein Relikt aus der Vergangenheit, obwohl sie selbst mit ihrem Gehabe ein viel größeres Relikt aus noch viel entfernterer Vergangenheit sind. Wie schrubte einer dieser „Feudalherren“ hier im Forum: „Deshalb habe ich für diese Leute nur mehr Verachtung übrig“. So sei es!