Ich sehe die 737 nicht weniger kritisch, sondern die Concorde kritischer als Du. Wesentlich riskantere Technik und Reisebedingungen. Mit vielen Dingen ist man technisch ans Limit gegangen.
Beide Flugzeuge sind aus den 60ern und bei beiden ist man an die damals technisch machbaren Limits gegangen. Die Concorde war halt "State of the Art" der damaligen Militärtechnik, die 737 "State of the Art" der damaligen Zivilluftfahrt. Die paarweise verbauten Triebwerke der Concorde waren nicht mehr oder weniger riskant als die 737 Triebwerke unter den Flügeln bei denen ein Versagen mit Trümmern immer andere kritische Bauteile beschädigen kann. Das analoge Fly-by-Wire der Concorde war nicht riskanter als die Flugsteuerung der 737 mit relativ schwachen Aktuatoren und Tabs in Kombination.
Die 727 war technisch noch anspruchsvoller, und nicht umsonst sind in den ersten Jahren mehrere Unfälle passiert, weil Piloten sich an einige der Eigenarten erst gewöhnen mussten.
Zur damaligen Zeit waren praktisch alle zivilen Jets an der Grenze und haben wenig Fehler verziehen.
Die "Reisebedingungen" sind in der Tat extrem interessant, und vor allem für die Flugsicherung eine Herausforderung, denn bei der Concorde ist im Überschallflug Flughöhe und Geschwindigkeit starr verknüpft, du kannst das Flugzeug nicht anweisen zu steigen ohne es auch zu beschleunigen und umgekehrt. Das ist besonders, aber nicht riskant.
Die Concorde war bei jeder Landung am Stall. Der Flügel war nicht zum langsamen Fliegen gemacht.
Die Concorde war bei jeder Landung
im Stall, das ist eine Charakteristik des Deltaflügels, im Langsamflug hast du keine anliegende Strömung auf der Oberseite mehr, dafür ist die abgelöste kontrolliert in gigantischen Wirbeln gebunden. Das Überziehverhalten ist so sogar harmloser, solange du nur den gewaltigen Widerstand mit starken Triebwerken ausgleichen kannst. Von daher auch nicht wirklich riskanter, nur anders. Mehr wie Drachen steigen lassen. Und natürlich in dieser Flugphase extrem unwirtschaftlich. Wie beim Space Shuttle demostriert kann man selbst solche Flugzeuge ohne Motor noch landen, nur der 3° ILS Gleitpfad ist natürlich Utopie...
Vergleichbare Flugzeuge wie z.B. die Vulcan ist nie durch eine schlechte Unfallstatistik aufgefallen.
Das war ein Düsenjäger für 100 Passagiere ohne Schleudersitze und kein "Reisebus" wie eine 737 oder A320.
Weder noch. Düsenjäger sind damals für einen Atomkrieg mit einer Nutzungsdauer im Stundenbereich ausgelegt gewesen, die Unfallraten die man damals beim Militär für akzeptabel gehalten hat sind heute absolut undenkbar.
Lieber tot als rot hat man damals wirklich ernsthaft so gemeint! Die Concorde ist mit einem um Größenordnungen anderen Sicherheitsanspruch entwickelt worden. Auch wenn Boeing heute für sich reklamiert, die 747 wäre das erste Flugzeug gewesen das systematisch für Sicherheit entwickelt wurde, tatsächlich wurde schon bei der Concorde etwas was mit unserer heutigen SSA/FMEA vergleichbares angestellt, das man vor allem den Briten zu verdanken hatten, die bei der VC-10 das erste mal mit soetwas angefangen, und es bei der Concorde dann perfektioniert haben. Zur gleichen Zeit hat das im amerikanischen Flugzeugbau noch niemand gemacht. Auch bei der Entwicklung der 737 nicht, wie Boeing absolut korrekt sagt, haben sie es erst mit der 747 eingeführt...
Man stelle sich nur mal einen Scheibenplatzer beim Concorde-Kabinenfenster auf Reiseflughöhe vor...
Deshalb sind die Fenster ja auch kleiner, damit ist das Risiko wieder das selbe. Die Belastung des Materials ist so viel kleiner, ein Fehler viel unwahrscheinlicher, und das maximal erwartbare Loch auch viel kleiner. Ausserdem darf man bei der Concorde zum Notabstieg die Schubumkehr benutzen, und ist dann ähnlich schnell auf atembarer Höhe wie ein konventionelles Flugzeug. Die Risiken der Concorde sind damals schon sorgfältig gemanaged worden. Vor allem ist man damals Null Risiko eingegangen um Kosten zu sparen... Heute ist das
der Grund kalkulierbare Risiken einzugehen.
Nach heutigen Maßstäben würde man weder eine Concorde noch eine 707 mehr zulassen. Dafür hätte man damals ganz sicher keinen A350 oder Dreamliner zugelassen...
Die 737 Max ist jetzt ein wilder Mix aus damals und heute, und das ist keine gesunde Mischung. Vermutlich gibt es bei Boeing keinen einzigen Mitarbeiter mehr, der damals bei der 737 Entwicklung dabei war und noch weiss, warum bestimmte Details absichtlich exakt so sind wie sie sind, und auch nicht verändert werden sollten. Und schon gar nicht mit Computern, Sensoren und Algorithmen verknüpft um ihre Schwächen zu korrigieren.
China sagt "nada" zur Wiederzulassung der 737 MAX
Was garantiert gar nichts damit zu tun hat, die Verkaufschancen der eigenen COMAC Produkte zu födern
Vermutlich wird die FAA auch noch ein paar Jahre "nada" zur C919 sagen, obwohl sie in China längst zugelassen sein wird.