Das Flugverbot war wohl überflüssig
Basler zeitung 23. April 2010
Im Nachhinein ist man immer schlauer. Erstmals wurde ein Grenzwert für Vulkanasche festgelegt. Nun wird klar: Ein Flugverbot war übertrieben. Es bleibt der Schaden der Fluggesellschaften von rund zwei Milliarden Dollar.
Der Spuk scheint vorüber: Die Aschewolke aus Island verzieht sich nach einer Woche Ausbreitung über ganz Europa in Richtung Atlantik. Überall starten und landen wieder Flugzeuge. Auch in Island entspannt sich die Lage: Die Aktivität des Vulkans unter dem Eyjafjalla-Gletscher liess in den vergangenen Tagen deutlich nach. Die Rauchsäule erreicht nur noch eine Höhe von drei Kilometern. Was bleibt uns nun?
- 1,7 Milliarden Dollar verlorene Einnahmen
- 110 Millionen Dollar gesparte Treibstoffkosten pro Tag
- 2 Millionen Franken Einbussen pro Tag am Flughafen Zürich
- 1,2 Millionen betroffene Passagiere pro Tag
- 100'000 gestrichene Flugverbindungen in ganz Europa
- 11'000 zusätzliche Sitzplätze bei den SBB pro Tag
- 700 Isländer, die evakuiert werden mussten und nun auf die baldige Rückkehr in ihre Häuser hoffen
- 320 fehlende Erfinder an der Erfindermesse in Genf
- 300 Prozent teurere Last-Minute-Flüge
- 5 Tage, die es gedauert haben soll, bis sich die europäischen Verkehrsminister in einer Videokonferenz austauschten
(Kng/«Basler Zeitung»)
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Man kann es nun als amtlich bezeichnen: Die Sperrung des europäischen Luftraums war unnötig. Zum ersten Mal hat mit der britischen Civil Aviation Authority (CAA) eine europäische Luftfahrtbehörde einen Grenzwert für Vulkanasche in der Luft erlassen. Nach diesem Limit hätten die Flugzeuge an jedem Tag der vergangenen Woche starten können.
Der Grenzwert ist das Resultat aus Beratungen von Triebwerks-Herstellern und Beobachtungsflügen in die Aschewolke. Zusätzlich zur Analyse in der Luft wurden auch Daten früherer Extremfälle ausgewertet. Etwa als der erste Golfkrieg in Kuwait und Saudiarabien grosse Mengen feinen Sandes bis auf die Flughöhen der Kampfjets aufwirbelte, wie Welt Online schreibt.
Nur wenig Vulkanasche in der Luft
Als unbedenklich gelten nun Flüge durch Wolken, die weniger als 2000 Mikrogramm Vulkanasche pro Kubikmeter enthalten. Mit diesen neuen Regeln hätte es in Europa keine Flugverbote gegeben. Gemäss dem britischen Zentrum für Atmosphärenforschung schwebten über dem Vereinigten Königreich in den vergangenen Tagen nur selten mehr als 100 Mikrogramm in der Luft - Spitzenwerte erreichten 400 Mikrogramm.
In der Schweiz massen ETH-Forscher am Samstag 80 Mikrogramm vulkanische Partikel. Am Sonntag stieg die Konzentration aber bis auf 600 Mikrogramm. Messungen können Fehler von plus oder minus 30 Prozent erhalten.
Die bisher einzig deutsche Analyse durch ein Flugzeug des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt hatte über Leipzig Werte von 60 Mikrogramm pro Kubikmeter ergeben, wie die «Süddeutsche Zeitung» schreibt.
Grenzwerte bald europaweit gültig?
Bisher galt die Regel, dass jeder Kontakt von Flugzeugen mit Vulkanasche zu vermeiden sei. Die CAA erwarte nach Gesprächen mit anderen nationalen Behörden, dass die Grenzwerte bald europaweit Gültigkeit haben.
Beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) hat man von diesem Grenzwert Kenntnis genommen, ob man ihn auch übernehmen will, ist noch nicht entschieden. Sprecher Daniel Göring sagt gegenüber bazonline.ch/Newsnetz: «Wir sind froh, dass es jetzt solche Grenzwerte gibt, damit man in Zukunft besser vorbereitet ist. Bewerten können wir die neue Regelung aus Grossbritannien aber noch nicht.» Für Göring ist es wichtig, dass ein Grenzwert international koordiniert werde.
Im deutschen Bundesverkehrsministerium gibt es bisher ebenfalls keine Pläne, die britische Regelung zu übernehmen, wie die «Süddeutsche Zeitung» schreibt.
Das britische Zentrum für Vulkanasche-Warnungen integriert die neuen Grenzwerte ab sofort in seine Warnmeldungen. An diesem Institut haben sich in den vergangenen Tagen die nationalen Behörden orientiert. In den ständig aktualisierten Karten sind mit schwarzen Punkten jene Regionen verzeichnet, wo der neue Grenzwert überschritten wird. Und das war gemäss der «Süddeutschen Zeitung» gestern nur noch der Luftraum in unmittelbarer Nähe des Eyjafjällajökull-Vulkans.