Bei Air Interflug 148 wurden folgende Summen gezahlt:
Danke für diese Beispiel-Summen, ich hätte nicht damit gerechnet, daß über den ganz direkten Verwandtschaftsgrad hinaus "entschädigt" wird.
Die Summe für Lebensgefährten finde ich allerdings auch "interessant".
Das bezweifle ich. Entweder man kann den Verlust verarbeiten oder man kann es nicht. Eine Geldsumme spielt dabei keine Rolle. Wenn überhaupt hängt die Verarbeitung vom verloren Menschen ab.
Ja und nein.
Selbstverständlich hängt die Dimension des Verlustes und Schmerzes vom (Verhältnis zum) verlorenen Menschen ab und der Innigkeit/Liebe, die man füreinander hatte.
Ich glaube aber gleichzeitig, daß eine höhere Summe vielleicht mithelfen kann, überhaupt wieder ein
Minimalmaß an Lebensmut und in vielen solchen Fällen überhaupt eine neue
Lebensperspektive aufzubauen.
Es wurde schon hier geschrieben, neben erweiterten genutzten Therapieangeboten würde einigen vielleicht ein Umzug helfen, einen anderer Lebensentwurf o.ä.
Bevor ich aber weiterargumentiere, möchte ich gleichzeitig auf SleepOverGreenland eingehen, weil ich das (für meine Sicht der Dinge) für elementar wichtig halte:
Ja, es gibt hier einen Verursacher und einen zumindest moralisch Verantwortlichen.
Trotzdem stelle ich mir bei solchen Fragen vor, wie das eigentlich die Menschen machen die Tausendfach auf andere Weise ähnliches Leid ertragen müssen und plötzlichen die Mutter, den Vater, das Kind verlieren. So bitter ein Verlust z.B. durch Krebs ist, diese finanziellen Hilfen gibt es dann auch nicht und die Menschen müssen auch mit diesen Schicksalsschlägen zurecht kommen.
Ich verstehe, was Du meinst und sagen möchtest und möchte solche Verluste natürlich nicht kleinreden,
sehe das aber ein wenig anders:
Bei einem Unfall zu sterben - ist allgemeines Lebensrisiko (des Opfers und der Angehörigen).
Bei einem Unglück zu sterben - ist allgemeines Lebensrisiko
Durch eigene Unachtsamkeit zu sterben - ist allgemeines Lebensrisiko.
Durch Krankheit zu sterben - ist allgemeines Lebensrisiko.
Selbst durch menschliches Versagen (ohne Vorsatz !) zu sterben - ist allgemeines Lebensrisiko, denn wir sind alle nur Menschen und leider machen wir manchmal Fehler.
So tragisch all das für die Toten und ihre Angehörigen ist, es gehört zum kalkulierten Risiko dazu.
Wenn ich ein Kind in die Welt setze, dann ist mir bei aller Hoffnung, daß das niemals so sein möge, bewußt, daß ich dieses Kind durch Krankheit, Unfall oder ein Unglück verlieren könnte, ich denke, darin sind wir uns alle einig.
Wenn aber ein Mensch
bewußt und
gezielt meine Angehörigen ums Leben bringt oder sogar ermordet, dann ist das - in meiner Wahrnehmung - nochmal eine ganz andere Dimension eines Schmerzes und Verlustes.
Denn auf einmal muß ich zusätzlich zu "normaler Trauer und normalem Schmerz" auch noch Unmenschlichkeit, manchmal sogar Monströsität ins Auge blicken und das ist für mich nochmal eine ganz andere Tragweite des Geschehens.
Mit den von mir beschriebenen/aufgezählten Todesursachen kann man - bei allem verständlichen Schmerz- irgendwann hoffentlich eine gewisse Art von Frieden und "Abschluß" finden, dem Schicksal sind wir alle ausgeliefert, ich frage mich aber ernsthaft, wie man das schaffen soll, wenn einem geliebten Menschen sowas widerfährt wie im Fall L. oder jetzt bei dem Mord am kleinen Jaden, denn das kann ich nicht als Schicksal betrachten.
Da haben sich Menschen zum Richter über Leben und Tod aufgeschwungen und Menschen umgebracht-
diese verständliche Wut, dieser Haß, dieser Schmerz und diese Verzweiflung sind doch noch mal ganz anders als "normale Trauerarbeit".
So würde ich das jedenfalls (so glaube ich) empfinden.
Ich würde mir für ALLE Opfer solcher Gewaltverbrechen weitreichende (auch finanzielle) Hilfen wünschen,
ihr Leben ist schon zerstört genug und ich nehme es einfach nicht so wahr, daß Gier der Grund sein könnte, um um mehr finanzielle Unterstützung zu kämpfen.
L.ubitz´ Suizid mit dem Inkaufnehmen von 149 Toten ist ebenso eine Monströsität, er hätte sich schließlich ganz bequem allein um einen Brückenpfeiler wickeln können, Tabletten nehmen können oder sonstwas Sozialverträgliches. Und das kann auch seine Depression nicht erklären oder entschuldigen.
Vielleicht argumentiere ich so vehement, weil in unserer Welt so vieles über finanzielle Mittel bewertet wird, über Summen und Vergleiche.
Nur teuer ist gut, nur teuer ist wichtig etc. - ich würde mir einfach wünschen, daß eine hohe "Entschädigungssumme" (oder was auch immer, ich argumentiere gerade nicht rational sondern emotional) dem verursachten
besonderen Leid und Schmerz solcher Angehöriger Rechnung trägt.
Ich habe in letzter Zeit auch viel darüber nachgedacht, ob oder wie man das praktisch umsetzen könnte.
Ich kenne mich damit zu wenig aus, es ist nur ein Gedanke, falls er also völlig abwegig ist, bitte überschüttet mich nicht mit Häme oder Polemik,
aber wäre es nicht möglich, solche Fälle als Gesellschaft gemeinsam auch z.B. über eine Versicherung abzudecken?
Ähnlich wie eine obligatorische Haftpflichtversicherung o.ä.
Jeder Bürger zahlt einen kleinen Betrag X ein- und Verbrechens-Opfer/u. -Angehörige würden aus einem "Fonds" so entschädigt werden können?
Ich sehe uns alle da in viel größerer Verantwortung, denn solch ein Schicksalsschlag (des Gewaltverbrechens) reißt doch den Menschen emotional wie wirklich komplett den Boden unter den Füßen weg.
Ich gehe sogar noch weiter, auch wenn ich nun wieder verschiedene Faktoren miteinander verbinde.
Aber ich finde es unbegreiflich, daß wir als Gesellschaft akzeptieren und mittragen, daß z.B. Mörder dauerhaft Kosten verursachen,
während wir dann gleichzeitig nicht anerkennen, daß die
Opfer solcher Verbrecher auch ein - gesellschaftliches und emotionales Recht haben,
dem Verbrechen entsprechend angemessen (= dem Schmerz und der Ungerechtigkeit und der Unfaßbarkeit) entschädigt zu werden.
Auch da würde ich mir eine andere Rechtslage und ein anderes Bewußtsein wünschen.
Dann hatte man eben "Pech". Es ist unverständlich, dass Airlines die Zeche tragen sollen für die schlechten Entscheidungen ihrer Passagiere. Ein gerechte Entschädigung befindet sich irgendwo zwischen abstrus hohen Forderungen der Passagiere und den abstrus niedrigen Angeboten der Airlines.
Es ist aber auch unverständlich, daß Angehörige, die schon durch den Verlust ihrer Lieben extremes Leid erfahren haben, für die schlechten Entscheidungen eines Konzerns doppelt bestraft werden.
Der Fall L. hat verdeutlicht, daß an einigen Ecken und Enden vieles in Zukunft anders gehandhabt werden muß.
Die Angehörigen (und die Opfer) können
am allerwenigsten für die nicht optimalen Prozesse, die der Fall L. aufgezeigt hat.