Samstag, 05.10.2019
Heute hatten wir es nicht besonders eilig, schliefen bis 08:30, gingen zum Frühstück – das Omelette sah heute noch übler aus als gestern und bestellten einen Doppelten Espresso und Cappuccino – was es heute, ein Wunder, auch wirklich gab und 2 Portionen Spiegeleier.
Natürlich kam nur eine Portion Eier und nach dem Frühstück wurde uns eine Rechnung über umgerechnet US$ 8 für die Kaffees vorgesetzt. Ist ja kein Problem – aber vorher sollte man es schon sagen, wenn der Kaffee extra kostet.
Koffer gepackt und zum Bezahlen an die Rezeption. Kommentarlos kam die Rechnung, die Kreditkarte wurde genommen, durchs Terminal gezogen, ich gab die PIN ein und schon war alles erledigt, ich bekam wortlos die Quittung.
Ich konnte es mir dann doch nicht verkneifen, schaute die Dame an und sagte ‚wie war Ihr Aufenthalt, war alles zu ihrer Zufriedenheit ? Können wir Ihnen helfen das Gepäck zum Auto zu bringen ?’ Sie schaute mich mit großen Augen kommentarlos an. Ich sagte ihr, dass man sich so in einem Hotel beim Check-Out verhalten würde, und nicht nur dumm stumm herumsteht. Alles was die Dame (und der Herr, der neben ihr stand) herausbrachte, war ein halbherziges ‚Entschuldigung!’. Ich sagte dann doch zu ihr ‚Auf Wiedersehen und eine gute Fahrt!’, worauf ich wiederum ein ‚Entschuldigung!’ als Antwort bekam... Service in Armenien und Nagorny Karabach – das ist für die Herrschaften ein Fremdwort, alles sind ‚krutie’, also auf Deutsch ‚etwas Besseres’.
Ich schwang mich auf den Fahrersitz, fuhr aus Spepanakert hinaus und weiter durch die Berge in Richtung Grenze. Navigation braucht man nicht – es gibt ja nur eine Straße aus dem Land heraus.
Unterwegs kamen uns ganze drei Lastwagen entgegen, langsam glauben wir die ganzen Waren für die 140'000 Einwohner werden per UFO von einem anderen Planeten angeliefert, inklusive Benzin und Bargeld.
Wiederholt mussten wir uns unseren Weg durch Schafsherden bahnen,
aber irgendwann schafften wir es zur Grenze.
Hier musste man nur am Schalter einen Zettel abgeben, welchen man bei der Einreise erhalten hatte, selbst Pässe wollte man nicht sehen. Ich bekam ein ‚Good Luck!’ vom Grenzer auf den Weg und so fuhren wir weiter.
Hier noch ein Foto der Grenzstadt auf Bergkarabacher Seite, alles neu.
Wieder in Armenien angekommen, fühlten wir uns gleich wohler, freier. Dies lag aber nicht daran, dass Nagorny Karabach ‚unfrei’ ist, es war das Wissen, dass nur eine einzige passierbare Straße aus dem Land führt.
Nun die Hauptfrage: ist Nagorny Karabach ein Land? Ich würde es eher als einen Oblast (Bundesland) Armeniens sehen, denn man hat keine eigene Währung, ist finanziell und militärisch von Armenien abhängig, selbst die Autokennzeichen zeigen ‚AM’ für Armenien. Auch ist die Flagge Nagorny Karabachs der Armenischen extrem ähnlich – und man sieht sie eigentlich nur direkt nebeneinander. Transnistrien ist da schon eher ein Land, mit eigener Währung etc.
Nach zwei Stunden Fahrt kamen wir wieder in Goris an, selbst innerhalb der Stadtgrenze mussten wir Schafsherden ausweichen.
Yandex Maps führte uns auf die eine Verbindungsstraße von Süd- nach Nordarmenien, auf welcher wir auch gekommen waren. Ich kann die Angst der Armenier schon verstehen, schließlich ist der Süden nur zwischen 30 und 40 Kilometern breit, links und rechts befindet sich Aserbaidschan, also ‚Feindesland’. Ich denke die könnten problemlos innerhalb eines Tages das fast unbesiedelte Südarmenien von links und rechts überrennen, den Nachschub von Nord nach Süd und damit auch Nagorny Karabach abschneiden.
So wunderte es uns nicht, dass wir heute am Straßenrad eine Übung mit Panzern sahen, naja, nur zwei T-72.
Yandex meinte es gut mit uns, führte uns auf eine Abkürzung in Richtung Jermuk, statt ein Dreieck über die Hauptstraße auf direktem Weg über eine Nebenstraße.
Diese war zwar landschaftlich sicher interessanter,
würde ich aber mit einem normalen PKW oder Pseudo-SUV nicht empfehlen – selbst mit dem Panzer hatten wir Angst um unsere Reifen. Teilweise gab es auf den steilen Serpentinenstrecken nur losen Schotter, teilweise – noch schlimmer – gab es uralten Asphalt mit riesigen und vor allem tiefen Löchern.
Wir erreichten wieder die Hauptstraße, fuhren weiter am verfallenden Jermuk Flughafen vorbei in die Stadt.
Jermuk, auf 2'080 Metern, ist ein Kurresort in, welches wegen seiner Heilquellen bekannt ist.
Im Gegensatz zu Dilijan, welches erst in Sowjetzeiten zum Kurort ausgebaut wurde, ist Jermuk bereits im 13. Jahrhundert für seine mineralischen Quellen mit poolartig angelegten Becken erwähnt.
Auch Jermuk kam nach der Eingliederung ins russische Kaiserreich zu erster Blüte, so stieg die Einwohnerzahl, die historischen Becken wurden um 1860 renoviert. Ab 1962 erfolgte dann der Bau verschiedener Sanatorien und einem Mineralwasser-Spa in deren Mitte.
Nach dem Niedergang der Sowjetunion und der damit ausbleibenden Kundschaft, verfiel auch Jermuk in einen Dornröschenschlaf, aus dem man es versucht in den letzten Jahren zu erwecken. So wurden einige neue Hotels errichtet, auch die Seilbahn für den Wintersport wurde komplett modernisiert.
Wir fuhren an den Sanatorien der 50er, 60er und 70er Jahre vorbei, kamen an unserem Hotel an, dem ‚Grand Resort’, ehemals ein Hyatt Place.
Sofort kam ein Angestellter, nahm uns unser Gepäck ab, wir gingen hinein in die Lobby,
wo wir das erste Mal freundlich begrüßt, gefragt wurden wie die Anreise war. Wow !!!
Wir bekamen ein Zimmer im 2. Stock,
mit Blick auf die Berge und Skilift.
Nachdem wir kurz im Zimmer waren, entschlossen wir die Umgegend des Hotels zu erkunden, ein kleines Mittagessen einzunehmen.
Wir verließen das Hotel durch den rückwärtigen Ausgang, kamen über eine Brücke zum ‚Armenia Wellness & Spa Hotel’ aus der Stalinzeit.
Der künstlich angelegte Yotnaghbyur See ist hübsch renoviert,
wir liefen zur Mineralwassergallerie,
wo man aus einer Vielzahl von Brunnen das warme, schwefelhaltige Heilwasser ‚genießen’ kann (es schmeckt egelhaft).
Weiter die Allee entlang, vorbei an verfallenden Bauten der Sowjetzeit,
wie zum Beispiel dem ehemaligen Kino.
Da wir nichts zu Essen fanden, liefen wir noch auf die Brücke über die Arpa-Schlucht, bewunderten Ausblick und die Architektur des Hotels ‚Gladzor Spa’.
Mit Restaurants war es nicht weit her, was wir fanden hatte geschlossen. Und so liefen wir zu unserem Hotel zurück, aßen dort Beef Stroganoff mit Kartoffelpüre – schmeckte wie zuhause gemacht.
Nun nahmen wir das Auto, fuhren den weiter entfernten Teil des Kurorts ab, fanden Bauten, welche am Ende der Sowjetunion nicht mehr fertiggestellt wurden,
wie auch renovierte Sanatorien der Stalinzeit, sogar mit riesigen Solaranlage auf dem Dach.
Die Alleen waren wunderschön, der Goldene Herbst zeigte sich von seiner besten Seite.
Nun ging es die engen und steilen Serpentinen hinunter zum Bergbach Arpa. Wir parkten unser Auto und liefen zum Jermuk Wasserfall.
Noch zu Fuß auf einem neuen Weg weiter in die Schlucht hinein – nichts besonders, und wieder zurück zum Auto.
Mich interessierte das zerfallene Hotel ‚Gladzor Spa’ aus den 70er Jahren, und so fuhren wir hin, auf dem Weg noch ein Bild wie es zu Sowjetzeiten ausgesehen haben muss, alles Original.
Am Hotel angekommen trafen wir einen ‚Hauswart’ an, fragten ob es eine Möglichkeit gäbe in die Ruine hineinzukommen. Er erwiderte, dass dies nicht gehe, das Hotel seit dem 15. September geschlossen sei. Wir dachten wir hätten uns verhört, er meinte seit September 2015 – aber nein, diese Ruine ist noch in vollem Betrieb, allerdings nur im Sommer, denn es gibt keine Heizung.
So fuhren wir um das Hotel herum, noch immer geschockt, dass diese Bruchbude noch immer Gäste beherbergt.
Nun hatten wir alles gesehen, fuhren noch kurz in die eigentliche Stadt Jermuk, eine trostlose Ansiedlung aus identischen Mehrfamilienhäusern, verkommenen Straßen und kleinen Geschäften - sehr deprimierend.
Wieder am Flughafen, mit verfallener Start- und Landebahn (früher flogen hier die Politbüromitglieder aus der ganzen UDSSR ein), vorbei, zurück zum Hotel.
Ich überlegte mir ins Gym zu gehen – nach Anblick desselben kam ich aber zum Schluss, dass mir das nichts bringen würde. Ein so mieses Gym habe ich noch selten gesehen.
Vom Zimmer sahen wir noch eine chinesische Reisegruppe ankommen. Wir fragten uns ob dieser Bus aus Historischen- oder Geizgründen gewählt wurde.
Vom Rest des Tages gibt es wenig zu berichten - außerhalb des Hotels gab es nur armenische Restaurants, also Shashlik, Kebab, Tomaten-Gurken-Salat und Lawash. Deshalb - und auch aus Faulheit - nahmen wir unser Abendessen im Hotel ein, Valentyna hatte 'Buffet', ich entschied mich für ein (sehr ordentliches) Club-Sandwich, zusammen US$ 16.50.