Fast jeder Deutsche ist abhängig von der Schufa – jetzt erfindet sie
sich neu. Nach Jahren der Geheimniskrämerei erklärt die Auskunftei,
welche Faktoren in den Score einfließen, und sie vereinfacht den
kostenlosen Datenzugang.
Es gibt kaum einen Kredit oder Handyvertrag, für den nicht vorher in
Wiesbaden nachgefragt wird. Hier hat die Schutzgemeinschaft für
allgemeine Kreditsicherung, kurz Schufa, ihren Sitz – jene mächtige
Firma, die den Alltag von fast jedem Deutschen beeinflusst. Doch wie die
Schufa zu ihren Urteilen kommt, bleibt im Dunkeln. Die Formeln zur
Berechnung des „Schufa-Scores“ sind geheim. Und so verbinden die meisten
Verbraucher die Auskunftei wohl mit dem Bild eines dubiosen Datenkraken.
Von diesem schlechten Image will sich die Schufa lösen. Jetzt hat die
Auskunftei erste Schritte ihrer angekündigten Transparenzoffensive
umgesetzt: Der Auftritt im Netz wurde rundum erneuert, neue Tools sollen
Verbrauchern das Zustandekommen ihres Scores besser erklären. Daneben
gibt es einen Video-Chatbot, der sämtliche Fragen beantworten will.
Und auch die Möglichkeit, seine Daten kostenlos einzusehen, hebt die
Schufa neuerdings prominent hervor. „Mit der neuen Webpräsenz wollen wir
die Erklärbarkeit und Transparenz für das, was wir tun, verbessern“,
heißt es dazu vom Unternehmen.
Es ist eine Kehrtwende, hatte die Schufa in den vergangenen Jahren doch
gerade um den Score ein gut gehütetes Geheimnis gemacht. Die Auskunftei
ist keine öffentliche Stelle, wie viele meinen. Sie ist eine
Aktiengesellschaft mit verschiedenen Anteilseignern, darunter Sparkassen
und Genossenschaftsbanken, Kredit- und Privatinstitute sowie Händler.
Mehr als eine Milliarde Informationen hat die Schufa nach eigenen
Angaben gespeichert, zu rund 68 Millionen Deutschen. Daraus berechnet
das Unternehmen den berüchtigten Score, der Vertragspartnern wie Banken
und Händlern einen Aufschluss über die Bonität geben soll. Wie
wahrscheinlich ist es, dass ein Kunde seinen Kredit abbezahlt? Drohen
Ausfälle beim Ratenkauf?
Die neue Schufa
Neuerdings listet die Auskunftei detailliert auf, welche Faktoren die
Bonitätspunktzahl beeinflussen. Dazu zählen etwa die Zahl der Girokonten
und Kreditkarten, Konten bei Versandhändlern und Leasingverträge, nicht
jedoch Handyverträge. Und auch Tipps dazu, wie Verbraucher ihren Score
verbessern können, finden sich nun auf der Seite – wenngleich noch wenig
konkret.
So rät die Schufa etwa zu überprüfen, welche Girokonten und Kreditkarten
überflüssig sind. Deren Kündigung kann den Score langfristig erhöhen.
Genauso wie übersehene Rechnungen und Ratenzahlungen schnellstmöglich zu
begleichen.
In der Vergangenheit hatte die Auskunftei stets argumentiert, dass
Details zur Score-Berechnung deren Geschäftsgeheimnisse offenlegen
würden. Daneben wollte man verhindern, dass Nutzer ihr finanzielles
Verhalten speziell für einen guten Score anpassen. Verbraucherschützer
haben die Argumente aber nie überzeugt. „Ist das Verhalten ursächlich
für die Kreditwürdigkeit, dann ist eine Verhaltensänderung ja keine
Manipulation, sondern erwünscht“, sagt etwa Gert Wagner vom
Sachverständigenrat für Verbraucherfragen.
Und so ist heute von Geschäftsgeheimnissen und Score-Manipulation
zumindest offiziell keine Rede mehr. Im Gegenteil: Selbst an die
kostenlose Datenkopie kommen Nutzer jetzt deutlich leichter. Die Option
findet sich direkt auf der Startseite. Laut der
Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) haben Verbraucher ein Recht darauf,
die gespeicherten Daten über sie kostenlos einzusehen – also jene Daten,
mit denen die Schufa eigentlich ihr Geld verdient.
Wohl deshalb lockte die Auskunftei bislang lieber in ihre
kostenpflichtigen Angebote, darunter die klassische Schufa-Auskunft oder
ein Online-Abonnement mit Live-Scores. Dass Nutzer einen kostenfreien
Datenabzug bestellen können, hatte die Auskunftei hingegen hinter
zahlreichen Klicks verborgen. „Die Kritik, die kostenlose Datenkopie ‚zu
verstecken‘, haben wir aufgenommen“, erklärt das Unternehmen.
Nicht zuletzt zeigt sich die Kehrtwende der Schufa auch an einem neuen
Umgangston. So hat sich die Auskunftei vorgenommen, in einfacher Sprache
zu kommunizieren. „Wir wollen weg von der unnahbaren Instanz – hin zu
einem Dialog auf Augenhöhe“, verspricht Schufa-Vorstandschefin Tanja
Birkholz. Den Anfang soll ein Video-Chatbot machen.
Nutzer können eine beliebige Frage stellen und bekommen ein Video
ausgespielt, in dem Mitarbeiter die passenden Antworten liefern sollen.
„Der Videobot befindet sich allerdings noch in der Lernphase“, erklärt
das Unternehmen. Mit zunehmender Nutzung sollen die Antworten noch
treffsicherer werden.
Ganz freiwillig dürften die Bemühungen allerdings nicht sein. Die
Transparenzoffensive war wohl nötig geworden, nachdem sich die
Auskunftei zuletzt einem immensen Druck ausgesetzt sah. So gab es
harsche Kritik von Daten- und Verbraucherschützern am umstrittenen
Projekt „CheckNow“. Mit diesem wollte die Schufa in bestimmten Fällen
die Verbraucher auch anhand ihrer Kontoauszüge bewerten. Kritiker haben
die Pläne aber vielmehr ermuntert, das grundsätzliche Geschäftsmodell zu
hinterfragen.
Die genossenschaftliche Teambank will den Einstieg jedoch verhindern und
ihre bestehende Minderheitsbeteiligung aufstocken. Sie gehört zur
DZ-Bank-Gruppe, bei der die Anteile der Volks- und Raiffeisenbanken an
der Schufa gebündelt sind. Sie haben als Bestandsaktionäre ein
Vorkaufsrecht für die Anteile. Das Bundeskartellamt hat beide Vorhaben
bereits freigegeben.
Die Konsequenz: Die neuen Kaufinteressenten und der Schufa-Vorstand
überbieten sich geradezu mit Versprechungen. Vor allem EQT gibt sich als
Reformer. Mit Strategiepapieren, an denen auch Verbraucherorganisationen
mitgewirkt haben sollen, macht der Investor großzügige Ankündigungen:
Verbraucher sollen etwa kostenlos Daten und Löschfristen in einer
Handy-App einsehen können.
Und nicht zuletzt griffen auch Gesetzgeber und Behörden immer wieder ins
Geschäftsmodell der Wirtschaftsauskunfteien ein. So stellte im September
vergangenen Jahres die Datenschutzkonferenz, ein Zusammenschluss der
Behörden aus Bund und Ländern, noch einmal klar: Handyvertragsdaten
dürfen ohne Einwilligung nicht gespeichert werden. Berichten zufolge
hatten zahlreiche Auskunfteien die Daten jahrelang gesammelt.
Rechtsexperte fordert klare gesetzliche Regelungen
„Leider ist es so, dass viele positive Änderungen nur durch den Druck
der Datenschutzkonferenz oder einzelner Datenschutzbeauftragter
veranlasst wurden“, sagt auch Mathias Hufländer, Rechtsexperte bei der
Verbraucherzentrale Bremen. Die jüngsten Bemühungen nennt er dennoch
einen Schritt in die richtige Richtung, insbesondere bei der kostenlosen
Datenkopie. „Wir hatten diesbezüglich häufiger Anfragen von
Verbrauchern, die nur das kostenpflichtige Angebot gefunden haben“, sagt
Hufländer. „Dies dürfte sich damit erledigen.“
Die Erklärungen zum Scoring gehen dem Experten aber noch nicht weit
genug. „Die Verbraucher müssen erfahren, welche Faktoren ihr Scoring
konkret und in welcher Form beeinflussen.“ Es brauche zudem klare
gesetzliche Regelungen, welche Informationen beim Scoring berücksichtigt
werden dürfen, fordert Hufländer. Man dürfe sich nicht allein auf die
freiwilligen Bemühungen der Auskunftei verlassen.
„Weitere Schritte zu mehr Transparenz in Planung“
Von der Schufa heißt es wiederum: „Weitere Schritte zu mehr Transparenz
sind in Planung.“ So lässt etwa das Herzstück der Transparenzoffensive
noch auf sich warten. In den kommenden Monaten will die Schufa einen
Score-Simulator bereitstellen. Nach bisherigen Planungen soll dieser
zunächst verschiedene Merkmale abfragen. Etwa: Wann wurde das erste
Bankkonto eröffnet? Oder: Wie viele Kreditkarten besitzt der Nutzer?
Anschließend berechnet der Simulator den ungefähren Schufa-Score des
Nutzers und zeigt ihm zusätzlich, wo er im Vergleich zu den anderen
Bundesbürgern steht. Der Simulator soll Verbrauchern zudem erklären, wie
sich der Score im Laufe der Zeit verändern wird. Konkret bedeutet das:
Nach wie vielen Monaten ist der Score wieder auf dem Ursprungsniveau,
wenn ein Verbraucher etwa ein zusätzliches Girokonto eröffnet.