ETCS war ja gut gemeint von der Europäischen Kommission. Aber eigentlich braucht es heute kein Mensch - die Ausstattung von Triebfahrzeugen mit den jeweils benötigten nationalen Sicherungssystemen ist billiger. Hinzu kommen noch unterschiedliche (Update-) Versionen, die zu Inkompatibilitäten führen. Eigentlich müsste man das sofort stoppen.
Unsere Nachfahren werden es uns noch danken. Durch die jetzigen Regelungen, die in jedem Land abweichen, wird ein riesen Berg an Technik (verschiedene Zugsicherungssysteme) und an sonstiger Ausrüstung durch Netzzugangskriterien der einzenen Länder-Infrastrukturunternehmen. Bei den Zugsicherungssystemen hat man dann das Problem, dass bei Einbau beispielsweise des schwedischen Zugsicherungssystem die Zulassung für das italienische System erlischt, und dort neu zugelassen werden muss. Zudem benötigt der Triebfahrzeugführer entsprechende Ausbildungen für verschiedene Systeme, was die Ausbildung verkompliziert.
Naja, die Standardisierung ist ja nur ein Nebeneffekt auf dem Weg zum eigentlichen Ziel, wenngleich sie sich auf lange Sicht wohl auszahlen wird, statt in Megrsystemfahrzeugen einen halben Triebwagen mit Schaltschränken zu füllen.
Aber die Vereinheitlichung und Verbreitung von ETCS über die Förderbedingungen für Neubaustrecken dient doch nur als Vorbereitung für ETCS Level 3, wo das Fahren im wandernden Blockabstand dann die eigentliche Revolution bringt.
Sehr richtig. Langfristiges Ziel ist das autonome Fahren, hierzu ist ein Fahren im wanderndem Raumabstand unabdingbar.
Ein kleiner Einschub zu Zugsicherungssystemen für die interessierte Leserschaft:
Derzeit unterscheidet man auf Hauptstrecken in Deutschland zwischen der ortsfesten Singnalisierung und der Führerraumsignalisierung. (Weitere mögliche Systeme lassen wir mal weg, da diese höchstens auf Nebenbahnen eingesetzt werden)
Klassische Signalisierung kennt jeder, Eisenbahnstrecken werden in verschiedene Blöcke geteilt und pro Block darf sich maximal ein Zug befinden. Diese Bedingung wird durch das Zugsicherungssystem sicher gestellt. Der Fahrdienstleiter möchte eine Zugfahrt (Abweichungen bei der sogenannten Rangierfahrt, die lassen wir aber auch mal weg) in ein Hauptgleis nur zulassen. Hierzu muss zunächst geprüft werden, ob das Gleis frei ist. Bei alten Hebelstellwerken ohne Gleisfreimeldung passiert dies noch durch Hinsehen, bei allen moderneren Bauformen prüft eine Gleisfreimeldeanlage das frei sein des Gleises (und zeigt es dem Fahrdienstleiter auf dem Stellpult an). Ist das Gleis frei, kann der Fahrdienstleiter die Fahrstraße einstellen. Hierbei müssen die Weichen ebenso so gestellt werden, dass weitere Zug -und Rangierfahrten unsere Zugfahrt nicht tangieren können (Flankenschutz). Sind diese Bedingungen erfüllt (bei alten Bauformen sind noch weitere Handlungen erforderlich, wie das verschließen und festlegen der Fahrstraße) stellt sich das Signal auf "Fahrt". Unser Zug kann losfahren. Fährt unser Zug über das Hauptsignal, kommt es automatisch zum Signalhaltfall, das Signal fällt auf "Halt". Das Gleis wird dem Fahrdienstleiter als Besetzt angezeigt. Durch eine Wiederholungssperre kann der Fahrdienstleiter dieses Signal erst nach Freifahren des Abschnittes wieder auf Fahrt stellen. Auch kann ein Element der Fahrstraße erst wieder aufgelöst werden, wenn es entsprechend freigefahren ist, vertut sich der Fahrdienstleiter mal, muss er Hilfsauflösen und dazu Buch führen. (und bekommt evtl irgendwann Ärger)...
Wer bis hierhin noch mitgekommen ist, stellt fest, dass bei den ganzen Abhängigkeiten, es inbesondere bei älterer Technik (insbesondere die Formsignale und älteren Lichtsignal-Bauformen sind am Ende ihrer Badewannenkurve angekommen) häufig zu Ausfällen kommt. Damit nicht alle Züge still stehen, bis ein Signaltechniker ausgerückt ist, kann der Fahrdienstleiter diverse Hilfsmittel anwenden, und zum Beispiel den Triebfahrzeugführer durch einen schriftlichen Befehl anweisen, über ein Hauptsignal zu fahren. Hierbei kommt der Faktor Mensch zum tragen, es liegt alleine beim Fahrdienstleiter für Flankenschutz und freiheit des Gleises zu sorgen. Genügend Negativbeispiele sind bekannt.
Bei einer Geschwindigkeit von 160 Km/h reicht in der Regel ein Bremsweg von einem Kilometer, daher stehen Vorsignale in der Regel etwa 1000 Meter vor einem Hauptsignal, so dass der Triebfahrzeugführer ausreichend früh reagieren kann. Als man in Deutschland mit höheren Geschwindigkeiten fahren wollte, wollte man sich nicht auf die klassische Signalisierung verlassen, indem man beispielsweise den Vorsignalabstand entsprechend erhöht. Auch hatte man angst, dass bei höheren Geschwindigkeiten ortsfeste Signale nicht mehr hinreichend genau abgelesen werden können. Zudem kommt, dass bei ortsfester Signalisierung die Zugbeeinflussung, sprich die Überwachung der Handlung des Triebfahrzeugführers nur an einzenen Punkten (in der Regel im Zusammenhang mit Signalen oder vereinzelt auch Geschwindigkeitsprüfabschnitten) möglich war.
So wurde in Deutschland die Linienzugbeeinflussung entwickelt (erkennbar an dem "Kabel" zwischen den Gleisen an Strecken, die mit über 160 km/h befahren werden (oder auch manche U-Bahn-Systeme oder die S-Bahn München)). Diese ermöglicht es, den Zug permanent zu überwachen und die gültige Signalisierung in den Füherraum zu übertragen (daher Führerraumsignalisierung). Klassische Signale gibt es als "Backup" trotzdem, Vorrang hat aber die Führerraumsignalisierung. Hier kommt auch etwas Psychologie ins Spiel, da es in Einzelfällen Halt zeigende Signale geben kann, die aber laut Führerraumsignalsierung mit hoher Geschwindigkeit überfahren werden dürfen. Da der Triebfahrzeugführer aber gleich am ersten Tag lernt, nie ohne weiteres über ein "Halt" zeigendes Signal zu fahren, werden diese dunkel geschaltet. Dem Triebfahrzeugführer kann der Fahrtbegriff über mehrere Kilometer im Vorraus angezeigt werden, und eine Bremsung auch bei 300 km/h und mehr ausreichend früh in Abhängikeit der Zugparameter angewiesen werden. Allerdings bleibt das Prinzip des Fahrens im festen Raumabstand (1 Zug pro Block) erhalten. Die Blöcke können zwar mit wenig Aufwand kürzer gestaltet werden um die Kapazität zu erhöhen (daher Einsatz in der Stammstrecke der Münchener S-Bahn), ansonsten ändert sich aber von der Sicherungslogik her nichts. Ein einzelner physisch definierter Block kann aber wie bei ortsfester Signalisierung durch entsprechende Maßnahmen freigeprüft werden.
ETCS-Level 1 ähnelt der klassichen ortsfesten Signalisierung mit punktförmiger Zugbeeinflussung, es kommt in Deutschland vorerst nicht zum Einsatz. Die Zugbeeinflussung erfolgt über Balisen.
ETCS-Level 2, wie es nun zwischen Halle/Leipzig und Erfurt sowie zwischen Erfurt und Ebensfeld eingesetzt wird, ähnelt vom Prinzip der LZB aber verzichtet nun gänzlich auf ortsfeste Signale. Ganz stimmt das nicht, denn es ist nach jedem Block zwar kein Signal aufgestellt aber ein Blockkennzeichen (Blaue Blechtafel mit gelbem Pfeil). Die Signalübertragung in den Führerraum erfolgt über Funk, die Ortung des Zuges wird über passive Balisen im Gleis unterstüzt.
Die Sicherungslogik erfolgt wie bei LZB und der zuerst vorgestellten Variante wieder über Blöcke...
Erst bei ETCS-Level 3 werden die Blöcke über Bord geworfen und fahren im variablen Raumabstand wird möglich. Der große Vorteil besteht darin, dass nun die Streckenkapazitäten erhöht werden können, da Annäherungs, Einfahr -und Räumfahrzeiten in die einzelnen Blöcke entfallen und die Züge im Bremswegabstand plus Puffer hintereinander her fahren können (wandernder Blockabstand, wie Autos, Straßenbahnen,...). Was ist das große Problem daran und warum kommt es noch nicht zum Einsatz? Wenn physisch definierte Blöcke entfallen, kann es auch keine vorhandene Gleisfreimeldeanlage mehr geben. Der Standort jedes einzelnen Zuges kann zwar geprüft werden, allerdings muss dann auch die sogenannte "Zugintegrität", sprich die Vollständigkeit des Zuges sicher geprüft werden können. Hierzu gibt es bei Wagenzügen (insbesondere bei Güterzügen) noch keinen Standard. Bei Triebzügen lässt sich die Zugintegrität heute schon prüfen, einzelne Wagen eines Wagenzuges können aber noch verloren gehen. In der Regel kommt es bei einer Zugtrennung zwar zu einer Zwangsbremsung, verlassen kann man sich darauf aber wieder insbesondere bei Güterzügen nicht. Heutzutage ist das kein großes Problem, da wenn ein einzelner Wagen verloren geht, der ensprechende Block als Belegt gekennzeichnet wird. Bei ETCS-Level 3 käme es zu einer Havarie.
Ein einheitliches europäisches Zugsicherungssystem, das auf einer modernen Sicherungslogik aufbaut ist unbedingt wünscheswert. Sicherungstechnisch ist dann auch autonomes Fahren kein Problem, hier muss allerdings noch an der Lichtraumfreimeldung gearbeitet werden, um bahnfremde Hindernisse zu erkennen, aber auch hier macht die Technik fortschritte.
Bei den ICE-T, die seit zwei Jahren mit ETCS im Regelbetrieb verkehren gibt es wohl auch auf der neuen Strecke keine größeren Probleme. Probleme machen nur die ICE1 und ICE 3, die seit Sonntag auf der Strecke verkehren (sollen). Rufe, ein ortsfestes Signalsystem als "Backup" einzubauen halte ich für quatsch, das wäre sehr teuer, würde maximal Zugfahrten mit 160 km/h zulassen (es würde Verspätungen im Gegensatz zu Umleitungen also nur reduzieren), würde funktionierende Züge ausbremsen und die Streckenkapazität einschränken (da man aus ökonomischen Gründen wohl nur eine wesentlich größere Blockteilung einbauen würde, wie auf allen "Alt-Hochgeschwindigkeitsstrecken").
Verzeiht den kurzen Exkurs!