EU Fluggastrechte / Annullierung

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schlauberger

Erfahrenes Mitglied
17.02.2013
2.433
204
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"Dass der Anwalt nicht doof ist, glaube ich gerne.

Dass es notwendig oder auch nur sinnvoll war, zunächst den ganzen Weg bis zum BGH zu gehen, um den den Reiseveranstalter zu verklagen, dann eher doch nicht.

Wünsche den Klägern aber, dass sie ihr Geld zurückbekommen. Auf seinen Pass sollte man sich schon verlassen dürfen. "



Letzteres sehe ich genauso, bei Deiner zweiten Aussage habe ich meine Zweifel. Du kennst den Grundsatz des sichersten Weges. Möchtest Du riskieren, dass Dir später die Gemeinde sagt (und das Gericht dem zustimmt), dass ein Amtshaftungsanspruch aus formalen Gründen scheitert?
 

umsteiger

Erfahrenes Mitglied
22.01.2012
3.454
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Berlin
www.kanzlei-woicke.de
Letzteres sehe ich genauso, bei Deiner zweiten Aussage habe ich meine Zweifel. Du kennst den Grundsatz des sichersten Weges. Möchtest Du riskieren, dass Dir später die Gemeinde sagt (und das Gericht dem zustimmt), dass ein Amtshaftungsanspruch aus formalen Gründen scheitert?


Möchte ich nicht. Aber was für ein "formaler Grund" sollte das sein?
 
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unblack

UA-VollHONk.
02.08.2009
5.050
6
LEB/ERF
Vermutlich wurde folgender Fall schon mal durchgekaut, aber ich find nix auf Anhieb:

Gebucht DRS-DUS-BOS-DUS-DRS.

2 Tage vor Abflug anulliert AB DRS-DUS und kann auch keine Ausweichverbindung am gleichen Tag Ex DRS anbieten (ist tatsächlich alles ausgebucht, auch auf LH).
Also habe ich das Ticket auf DUS-BOS-DUS umschreiben lassen, da ich wegen viel Gepäck mit dem Auto anfahren will/muss (3 Koffer im Zug sind doof) und dort wieder ankommen muss, wo mein Auto steht.

Ergeben sich daraus jetzt irgendwelche Ansprüche und wenn ja, welche?
Einerseits komme ich (hoffentlich) pünktlich in BOS an.

Aber andererseits lasse ich das erste und letzte leg unfreiwillig weg, zahle höhere Anfahrtskosten und Parkgebühren. Zudem wäre der Flug ohne Zubringer günstiger gewesen.
 

umsteiger

Erfahrenes Mitglied
22.01.2012
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Mag jetzt überraschend klingen, bringt aber 600,00 Euro.

Fluggastrechtlich hingegen kein Ersatz für Mehraufwand, da gem. Sachverhalt keine buchbare Alternative besteht, mithin AB auch kein Verschulden hinsichtlich Ersatzbeförderung vorgeworfen werden kann.

Schuldrechtliche Schadensersatz- und wohl auch Minderungsansprüche wären zumindest wegen des Hinflugs mit der Ausgleichszahlung zu verrechnen.
 

torte

Aktives Mitglied
19.09.2014
141
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Seine Forderung diesen Geschäftemachern mit der Angst zu überlassen, halte ich per se für wenig sinnvoll.

Aber darauf zielt deine Frage vermutlich nicht ab.

Zwei so unterschiedliche Begründungen sind schon krass. Da würde ich in der Tat nachsetzen, zumal der Anspruch im besten Fall ja bereits durch das Angebot der Ausgleichszahlung und deine Reaktion (Bankdaten) wirksam vereinbart worden sein könnte.
Warum findest du es nicht sinnvoll, seine Forderungen an eine Eintreibefirma abzutreten? Ich könnte mir die Anwalts- und Gerichtskosten nicht leisten, falls ich das Verfahren verlöre. Davon abgesehen lebe ich nicht in Deutschland, was es für mich zusätzlich erschweren würde, weil ich keine Termine persönlich wahrnehmen könnte. Sicher verliere ich bei der Abtretung meiner Ansprüche im Durchschnitt Geld, aber ich habe halt kein Risiko. Das ist doch das gleiche wie bei jeder Versicherung - auch hier verliert man über die Jahre Geld, minimiert aber sein Risiko. Und manche Versicherungen (z.B. Haftpflichtversicherungen) sind doch mittlerweile allgemein als sinnvoll akzeptiert.

Ich werde auf jeden Fall nochmal freundlich nachfragen und melde mich wieder mit dem Ergebnis, sobald es vorliegt. Danke für deine Rückmeldung!
 

pimpcoltd

Erfahrenes Mitglied
03.07.2009
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10
Weil das Risiko deutlich geringer ist, als die 261-Industrie Dich glauben macht. Und persönlich erscheinen musst Du sowieso nicht. Dafür ist ja der Anwalt da. Das ist bei einer Klage via flight... etc. nicht anders.
 

pimpcoltd

Erfahrenes Mitglied
03.07.2009
3.316
10
Schuldrechtliche Schadensersatz- und wohl auch Minderungsansprüche wären zumindest wegen des Hinflugs mit der Ausgleichszahlung zu verrechnen.

Das schreibst Du in letzter Zeit immer wieder. Habe ich da irgendetwas verpasst? Die 261-Zahlung entschädigt nur für die Unannehmlichkeiten, nicht aber für echte materielle Schäden.
 

Farlighed

Aktives Mitglied
12.06.2012
153
0
Mag jetzt überraschend klingen, bringt aber 600,00 Euro.

Gibt es nicht für Hin- und Rückflug jeweils 600€. Und eine andere Frage, die aber nicht ganz unpassend zum Sachverhalt ist. Wie ist das, wenn ich den Zug oder das Auto als Ersatzbeförderung nehme, welche Ankunftszeit gilt da? Wenn der Zug am Hbf ankommt, oder wann er theoretisch am Flughafen ankommen würde (meist will man ja nicht zum Flughafen selbst). Das kann ja bei der Verspätungsregelung mitunter entscheidend sein.
 

umsteiger

Erfahrenes Mitglied
22.01.2012
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Warum findest du es nicht sinnvoll, seine Forderungen an eine Eintreibefirma abzutreten? Ich könnte mir die Anwalts- und Gerichtskosten nicht leisten, falls ich das Verfahren verlöre. Davon abgesehen lebe ich nicht in Deutschland, was es für mich zusätzlich erschweren würde, weil ich keine Termine persönlich wahrnehmen könnte. Sicher verliere ich bei der Abtretung meiner Ansprüche im Durchschnitt Geld, aber ich habe halt kein Risiko. Das ist doch das gleiche wie bei jeder Versicherung - auch hier verliert man über die Jahre Geld, minimiert aber sein Risiko. Und manche Versicherungen (z.B. Haftpflichtversicherungen) sind doch mittlerweile allgemein als sinnvoll akzeptiert.

Ich werde auf jeden Fall nochmal freundlich nachfragen und melde mich wieder mit dem Ergebnis, sobald es vorliegt. Danke für deine Rückmeldung!


Zunächst sollte ich anmerken, dass Großteil meiner anwaltlichen Tätigkeit die Durchsetzung von Fluggasatrechten ist. Das nur, dass du meine Meinung richtig einordnest. Ich bin also - befangen.

In vielen fluggastrechtlichen Angelegenheiten bestehen Erfolgsaussichten, die bei 99 Prozent liegen. Das ist im Vergleich zu anderen zivilrechtlichen Bereichen, die so oder so ausgehen können, ein geradezu astronomischer Wert. Das bedeutet nicht, dass man immer zu 100 Prozent gewinnt. Manchmal gibt es einen günstigen Vergleich. Manchmal scheitert aus berechtigten oder unberechtigten Gründen eine Nebenforderung, Zinsen etwa oder vorgerichtliche Anwaltskosten. Das sind dann allerdings Beträge, die die Provision dieser Anbieter wohl so gut wie immer unterschreiten werden. Insgesamt lässt sich jedoch meist sehr präzise vorhersagen, ob das Luftfahrtunternehmen am Ende wird zahlen müssen oder nicht.

Das Konzept dieser Anbieter scheint mir zu sein, sich schwerpunktmäßig auf jene Fälle zu konzentrieren, bei denen die Erfolgsaussichten hoch oder sehr hoch sind. Übersetzt heißt das, dass sie dir ein Risiko abnehmen, das praktisch gar nicht existiert. Niemand würde, da du dieses Stichwort verwendest, eine solche Versicherung abschließen, weil sie dramatisch überteuert wäre.

Klar gibt es auch im Fluggastrecht Fälle, die so oder so ausgehen können. Das sind dann aber jene, die womöglich von diesen Anbietern dann auch abgelehnt werden.

Mein Rat, dem man folgen kann oder nicht, ist daher ganz klar:

1. Informieren.
2. Fachkundigen Rat einholen.
3. Bei entsprechenden Aussichten anwaltlich / gerichtlich vorgehen.
4. Möglichst die vollständigen Ausgleichszahlungen einfordern.

Hinzu kommt, dass diese Inkasso-Unternehmen sich schwerpunktmäßig ja auf die Ausgleichszahlungen zu konzentrieren scheinen. Häufig bestehen aber Ansprüche, die für den Fluggast viel interessanter sind als 250 bis 600 Euro. Das sind dann aber Forderungen, die sich oft erst im Rahmen einer ganzheitlichen Prüfung zeigen und womöglich gar nicht erkannt werden, wenn man sich auf die Ausgleichszahlung fokussiert.
 

umsteiger

Erfahrenes Mitglied
22.01.2012
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Das schreibst Du in letzter Zeit immer wieder. Habe ich da irgendetwas verpasst? Die 261-Zahlung entschädigt nur für die Unannehmlichkeiten, nicht aber für echte materielle Schäden.

Wie kommst du darauf?

Die Natur der Ausgleichszahlung halte ich für abschließend geklärt. Sie dient Hauptsächlich als Ausgleichs für Unannehmlichkeiten, die typischwerweise mit großem Zeitverlust einhergehen, ist aber auch pauschalisierter Ersatz des weitergehenden Schadens. Gerade deswegen ist es ja so wichtig, immer ganz genau zu schauen, ob der Vermögensschaden (nur) Folge der Annullierung, Verspätung, Nichtbeförderung ist oder (auch) Folge unterlassener Unterstütungs- oder Betreuungsleistungen.

Oder sollten wir aneinander vorbeireden? :)
 
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umsteiger

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22.01.2012
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Gibt es nicht für Hin- und Rückflug jeweils 600€. Und eine andere Frage, die aber nicht ganz unpassend zum Sachverhalt ist. Wie ist das, wenn ich den Zug oder das Auto als Ersatzbeförderung nehme, welche Ankunftszeit gilt da? Wenn der Zug am Hbf ankommt, oder wann er theoretisch am Flughafen ankommen würde (meist will man ja nicht zum Flughafen selbst). Das kann ja bei der Verspätungsregelung mitunter entscheidend sein.


Du schriebst, dass DRS-DUS annulliert worden sei. Falls auch DUS-DRS ausfällt, könnte natürlich dann auch ein Ausgleichanspruch bestehen, falls die übrigen Voraussetzungen dafür vorliegen. Dann aber natürlich nur 250 Euro.

Zur anderen Frage:

Ob "Zug" überhaupt geeignet ist, ist umstritten. Kommt meiner Meinung nach auf den Einzelfall an. Die Ausgleichszahlung wird ein solches Angebot aber so gut wie gar nicht (oder sogar: nie) verhindern können. Das Auto ist aus meiner Sicht im Rechtssinne gar nicht erst "vergleichbar" mit der Flugreise.
 
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03.07.2009
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Wie kommst du darauf?

Die Natur der Ausgleichszahlung halte ich für abschließend geklärt. Sie dient Hauptsächlich als Ausgleichs für Unannehmlichkeiten, die typischwerweise mit großem Zeitverlust einhergehen, ist aber auch pauschalisierter Ersatz des weitergehenden Schadens. Gerade deswegen ist es ja so wichtig, immer ganz genau zu schauen, ob der Vermögensschaden (nur) Folge der Annullierung, Verspätung, Nichtbeförderung ist oder (auch) Folge unterlassener Unterstütungs- oder Betreuungsleistungen.

Oder sollten wir aneinander vorbeireden? :)



Was die von Dir genannte Differenzierung betrifft, bin ich insoweit ganz bei Dir, als die Schäden aus nicht erfüllten Betreuungs- und Ersatzbeförderungspflichten von Art. 12 nicht erfasst werden.

Was materielle Schäden aus der Verspätung, Annullierung oder Nichtbeförderung betrifft, bin ich im Hinblick auf Nelson/Lufthansa strenger: Angenommen, die Fluglinie annulliert willkürlich, wie es ständig geschieht. Dann sind wegen des Verschuldens der Airline (Vorsatz!) alle adäquaten Schäden daraus nach deutschem Schuldrecht zu ersetzen. Da das deutsche Schuldrecht im Grundsatz keinen immateriellen Schadensersatz kennt, bedeutet das für einen Fluggast, der infolge der Annullierung eines Langstreckenfluges einen Schaden von über 600 € erleidet (wegen entgangenen Gewinns, nutzloser sonstiger Aufwendungen etc.), dass er bei einer Anrechnung überhaupt keine Entschädigung für die Unannehmlichkeiten erhält. Das halte ich für sehr zweifelhaft. Der EuGH wollte gerade einen vom Montrealer Übereinkommen unabhängigen Anspruch.

Sinn ergibt die Anrechnung nur, soweit das nationale Recht weiter gehenden immateriellen Schadensersatz anbietet, was in anderen EU-Länder der Fall sein mag, etwa wegen entgangener Urlaubsfreude usw.
 
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22.01.2012
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Was die von Dir genannte Differenzierung betrifft, bin ich insoweit ganz bei Dir, als die Schäden aus nicht erfüllten Betreuungs- und Ersatzbeförderungspflichten von Art. 12 nicht erfasst werden.

Was materielle Schäden aus der Verspätung, Annullierung oder Nichtbeförderung betrifft, bin ich im Hinblick auf Nelson/Lufthansa strenger: Angenommen, die Fluglinie annulliert willkürlich, wie es ständig geschieht. Dann sind wegen des Verschuldens der Airline (Vorsatz!) alle adäquaten Schäden daraus nach deutschem Schuldrecht zu ersetzen. Da das deutsche Schuldrecht im Grundsatz keinen immateriellen Schadensersatz kennt, bedeutet das für einen Fluggast, der infolge der Annullierung eines Langstreckenfluges einen Schaden von über 600 € erleidet (wegen entgangenen Gewinns, nutzloser sonstiger Aufwendungen etc.), dass er bei einer Anrechnung überhaupt keine Entschädigung für die Unannehmlichkeiten erhält. Das halte ich für sehr zweifelhaft. Der EuGH wollte gerade einen vom Montrealer Übereinkommen unabhängigen Anspruch.

Sinn ergibt die Anrechnung nur, soweit das nationale Recht weiter gehenden immateriellen Schadensersatz anbietet, was in anderen EU-Länder der Fall sein mag, etwa wegen entgangener Urlaubsfreude usw.


Ok. Das sehe ich Prinzip so wie du.

Aber im Prozess wird das Luftfahrtunternehmen immer die Artikel 12-Karte ziehen. Und dann bleibt halt entweder nichts von der Ausgleichszahlung übrig oder nichts vom weitergehenden Schadensersatz. Je nachdem was niedriger ist.

Sehe nicht, wie das zu umgehen wäre. Würde mich aber über jede Entscheidung freuen, die hier zu einem anderen Ergebnis kommt!
 

pimpcoltd

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03.07.2009
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Ok. Das sehe ich Prinzip so wie du.

Aber im Prozess wird das Luftfahrtunternehmen immer die Artikel 12-Karte ziehen. Und dann bleibt halt entweder nichts von der Ausgleichszahlung übrig oder nichts vom weitergehenden Schadensersatz. Je nachdem was niedriger ist.

Sehe nicht, wie das zu umgehen wäre. Würde mich aber über jede Entscheidung freuen, die hier zu einem anderen Ergebnis kommt!

Vortragen kann die Airline viel. Die Frage ist, ob man ein Gericht davon überzeugt bekommt, dass die pauschale Verrechnung unzulässig ist. Die von mir genannten systematischen und teleologischen Argumente halte ich für gewichtig genug, um Airline und Gericht in erhebliche Not zu bringen, das Gegenteil zu begründen. Daher rührt auch meine Überraschung über Deinen Bericht aus der Praxis.

Anfangs war es doch sogar so, dass die Airlines sogar den Verzugsschaden wegen nicht gezahlter Entschädigung (vorgerichtliche Anwaltskosten, Zinsen) verrechnen wollten. Diese Tagträume hat man ihnen ja schnell ausgetrieben. Deshalb nochmal: Habe ich ein ernstzunehmendes Urteil verpasst, in dem die Ausgleichsleistung auf materiellen Schadensersatz nach nationalem Recht angerechnet wurde?
 

Farlighed

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12.06.2012
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Du schriebst, dass DRS-DUS annulliert worden sei. Falls auch DUS-DRS ausfällt, könnte natürlich dann auch ein Ausgleichanspruch bestehen, falls die übrigen Voraussetzungen dafür vorliegen. Dann aber natürlich nur 250 Euro.

Ja macht Sinn.

Ob "Zug" überhaupt geeignet ist, ist umstritten. Kommt meiner Meinung nach auf den Einzelfall an. Die Ausgleichszahlung wird ein solches Angebot aber so gut wie gar nicht (oder sogar: nie) verhindern können. Das Auto ist aus meiner Sicht im Rechtssinne gar nicht erst "vergleichbar" mit der Flugreise.

Ich war vor ein paar Jahren mal auf TXL-FMO gebucht und habe am Flughafen gesehen, dass der Flug annulliert wurde. Ging dann nach DUS und mit dem Zug weiter nach Münster. Wenn ich richtig informiert bin, habe ich dann einen Anspruch auf 250€ Entschädigung, wenn ich mehr als zwei Stunden verspätet ankomme, bei weniger als zwei Stunden entsprechend nur 50%. Was zählt denn da zur Ermittlung der Verspätung? Meine Ankunft in Münster (Hbf) oder die theoretische Ankunft am Flughafen (da mein Ziel ja Münster war, bin ich natürlich nicht nochmal zum Flughafen raus)?
 

umsteiger

Erfahrenes Mitglied
22.01.2012
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Habe ich ein ernstzunehmendes Urteil verpasst, in dem die Ausgleichsleistung auf materiellen Schadensersatz nach nationalem Recht angerechnet wurde?


Maßgeblich? Eher nicht. Maßgeblich wäre das Urteil eines Berufungsgerichts aufwärts, dass deiner Argumentation folgend (die meine volle Sympathie hat!) KEINE Anrechnung auf materiellen Schadensersatz nach nationalem Recht vornehmen würde.

Ich befürchte, dass der EuGH aber mit seiner Entscheidung zum weitergehenden Schadensersatz eigentlich alles gesagt und geklärt hat. Wenn die Ausgleichszahlung nur mit immateriellen Schäden zu verrechnen wäre, wie die eine oder andere Rechtsordnung das zulassen dürfte, hätte der Gerichtshof das ja so sagen können, statt umständlich den weitergehenden Schaden von jenem abzugrenzen, der Folge von Verstößen gegen die VO ist. Oder...? :)
 

umsteiger

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22.01.2012
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Ich war vor ein paar Jahren mal auf TXL-FMO gebucht und habe am Flughafen gesehen, dass der Flug annulliert wurde. Ging dann nach DUS und mit dem Zug weiter nach Münster. Wenn ich richtig informiert bin, habe ich dann einen Anspruch auf 250€ Entschädigung, wenn ich mehr als zwei Stunden verspätet ankomme, bei weniger als zwei Stunden entsprechend nur 50%. Was zählt denn da zur Ermittlung der Verspätung? Meine Ankunft in Münster (Hbf) oder die theoretische Ankunft am Flughafen (da mein Ziel ja Münster war, bin ich natürlich nicht nochmal zum Flughafen raus)?


Das spielt keine Rolle. Weder handelt es sich bei der Bahnfahrt um einen anderen "Flug", was man noch als sprachliche Ungenauigkeit der VO abtun könnte, noch wird mit der Bahnfahrt regelmäßig ein Angebot gemacht, das ein bestimmbare Ankunftszeit am Flughafen enthielte. Es sei denn, das Luftfahrtunternehmen würden eine konkrete Verbindung mit Halt am Flughafen vorgeben. Aber in der Praxis ist es doch schlicht so, dass man ein Ticket in die Hand gedrückt bekommt. Nicht einmal ein Sitzplatz ist garantiert.
 

torte

Aktives Mitglied
19.09.2014
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1. Informieren.
2. Fachkundigen Rat einholen.
3. Bei entsprechenden Aussichten anwaltlich / gerichtlich vorgehen.
4. Möglichst die vollständigen Ausgleichszahlungen einfordern.
Danke für die Antwort, ich werde nochmal drüber nachdenken. (im Ernst, ich finde es sehr nett von dir und den anderen Fachkundigen, dass ihr hier Hilfestellung bietet)

Dass die Eintreibefirmen nur die Fälle übernehmen, die sowieso gewonnen sind, ist mir klar. Dass ein Fachanwalt sofort beurteilen kann, ob ein Fall zu gewinnen ist oder nicht, ist mir auch klar. Eine Erstberatung beim Fachanwalt kostet mich aber circa 100 EUR, die Provision meiner üblichen Eintreibefirma 150 EUR.

Und ich lese hier in dem Thread ja gerne mit und es hat sich dabei gezeigt, dass meine Einschätzung in etwa der Hälfte der Fälle mit der Einschätzung eines Forumsanwalts übereinstimmt. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit für mich, 100 EUR für eine anwaltliche Beratung in den Sand zu setzen, ist nicht niedrig.

Meine Angst ist also nicht, auf irgendwelchen Prozesskosten sitzen zu bleiben, sondern auf den Kosten für eine anwaltliche Erstberatung sitzen zu bleiben, falls mein Fall keine Aussicht auf Erfolg hat.
 

malschauen

Erfahrenes Mitglied
05.12.2016
2.599
1.659
Heute hat es mich mit einer Fluganullierung erwischt. Technischer Defekt am Navigationsgerät. Welche Schritte muss ich einleiten, wenn die Airline nicht freiwillig zahlt, bis ich auch die Kosten für den Anwalt erstattet bekomme? Da es sich um die Swiss handelt vermute ich, dass sie nicht freiwillig zahlen. Wenn ich das richtig verstanden habe, kann ich mit einem ständigen Wohnsitz in Deutschland, auch in Deutschland klagen.

Gestern hat Swiss zugesichtert, dass sie die 250 Euro Entschädigung nach EU/VO binnen 14 Tagen zahlen ohne den Versuch sich davor zu drücken. Da bin ich jetzt positiv überrascht.
 

kexbox

Erfahrenes Mitglied
04.02.2010
6.452
3.171
Neuss
www.drboese.de
Deshalb nochmal: Habe ich ein ernstzunehmendes Urteil verpasst, in dem die Ausgleichsleistung auf materiellen Schadensersatz nach nationalem Recht angerechnet wurde?
Wie schon der Kollege oben schreibt: AG Charlottenburg ist vielleicht nicht ernstzunehmen, meint aber:

- Der SchE aus §§280 Abs. 1, 3, 281 BGB für pflichtwidrig nicht zur Verfügung gestellte Ersatzbeförderung unter gleichen Beförderungsbedigungen (Anzahl Freigepäckstücke) ist anzurechnen.
- Der SchE aus §§280 Abs. 1, 3, 281 BGB für pflichtwidrig nicht zur Verfügung gestellte Ersatzbeförderung unter gleichen Beförderungsbedigungen (bis zum eigentlich Endziel, daher Bahnticket gekauft) ist nicht anzurechnen.
 
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Reaktionen: HAM001 und pimpcoltd

pimpcoltd

Erfahrenes Mitglied
03.07.2009
3.316
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Ich befürchte, dass der EuGH aber mit seiner Entscheidung zum weitergehenden Schadensersatz eigentlich alles gesagt und geklärt hat. Wenn die Ausgleichszahlung nur mit immateriellen Schäden zu verrechnen wäre, wie die eine oder andere Rechtsordnung das zulassen dürfte, hätte der Gerichtshof das ja so sagen können, statt umständlich den weitergehenden Schaden von jenem abzugrenzen, der Folge von Verstößen gegen die VO ist. Oder...? :)

Sprechen wir von Sousa Rodríguez / Air France (Rs. C-83/10)? Dessen Vorlagefrage und Tenor sind nicht leicht zu entschwurbeln. Ich zitiere mal:

Vorlagefrage meinte:
2. Ist der Begriff „weiter gehender Schadensersatz“ in Art. 12 der Verordnung dahin auszulegen, dass das nationale Gericht im Fall der Annullierung auf Schadensersatz erkennen kann, der den Ersatz des immateriellen Schadens wegen Nichterfüllung des Luftbeförderungsvertrags nach den Kriterien einschließt, die in der nationalen Rechtsetzung und Rechtsprechung zur Nichterfüllung vertraglicher Pflichten aufgestellt wurden, oder betrifft dieser Schadensersatz nur ordnungsgemäß nachgewiesene Kosten, die den Fluggästen entstanden sind und die das Luftfahrtunternehmen nicht hinreichend im Einklang mit den Art. 8 und 9 der Verordnung ausgeglichen hat, auch wenn diese Bestimmungen nicht geltend gemacht wurden, und sind diese beiden Begriffe des weiter gehenden Schadensersatzes miteinander vereinbar?

Tenor meinte:
2. Der Begriff „weiter gehender Schadensersatz“ in Art. 12 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass er es dem nationalen Gericht ermöglicht, unter den Voraussetzungen des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr oder des nationalen Rechts Ersatz für den wegen der Nichterfüllung des Luftbeförderungsvertrags entstandenen Schaden, einschließlich des immateriellen Schadens, zu gewähren. Hingegen kann der Begriff „weiter gehender Schadensersatz“ dem nationalen Gericht nicht als Rechtsgrundlage dafür dienen, ein Luftfahrtunternehmen zu verurteilen, den Fluggästen, deren Flug verspätet war oder annulliert wurde, die Kosten zu erstatten, die ihnen durch die Verletzung der diesem Unternehmen nach den Art. 8 und 9 der Verordnung obliegenden Unterstützungs- und Betreuungspflichten entstanden sind.

Die in Spanien klagenden Fluggäste wollten nach der Annullierung eines Fluges von Paris nach Vigo neben der Ausgleichszahlung von 250 € zusätzlich die Kosten einer Taxifahrt und einer Hundepension sowie ihren immateriellen Schaden ersetzt haben.

Die Antwort des EuGH trifft m.E. die Frage des Ausgangsgerichts nicht ganz, und über den Umfang der Verrechnung ist gar nicht entschieden. Es bleibt für mich schwer vorstellbar, dass die Nichtexistenz von immateriellem Schadensersatz im deutschen Schuldrecht einen Anspruch aus der VO auf Entschädigung für Unannehmlichkeiten soll faktisch ausschließen können (qua Verrechnung). Das wäre m.E. europarechtswidrig. Die Entschädigung aus VO bleibt ungekürzt, wenn das nationale Recht (anders als das spanische) keinen parallel laufenden Anspruch gewährt.
 
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NikSeib

Erfahrenes Mitglied
29.11.2016
884
441
Wir waren letzte Woche zu dritt unterwegs der Rückflug wurde gestrichen haben dann ein Bahnticket ausgestellt bekommen und kamen mit nur knapp anderthalb Stunden Verspätung an. Weil es keine Erstattung gibt meint mein Kumpel aber es würde gehen die Gebühren und Steuern vom Ticket wieder zu kriegen weil wir ja nicht gefloglen sind. Halte ich für Schwachsinn und ausgeschlossen aber was meint ihr?
 
A

Anonym38428

Guest
Wir waren letzte Woche zu dritt unterwegs der Rückflug wurde gestrichen haben dann ein Bahnticket ausgestellt bekommen und kamen mit nur knapp anderthalb Stunden Verspätung an. Weil es keine Erstattung gibt meint mein Kumpel aber es würde gehen die Gebühren und Steuern vom Ticket wieder zu kriegen weil wir ja nicht gefloglen sind. Halte ich für Schwachsinn und ausgeschlossen aber was meint ihr?

Versuche es nochmal mit dem ein oder anderen Satzzeichen.