Mmm, schön! Wenn der Berliner "lawyer" jetzt noch etwas mehr Ehrlichkeit walten lässt und nicht verkürzt zitiert (die systematische Erwägung von Staudinger vor allem), klappt es vielleicht noch mit der Seminararbeit. Kommentargläubigkeit ist übrigens ein typisch studentisches Problem, das einem spätestens im Referendariat ausgetrieben wird: Ein Richter an einem AG mit eigener Abteilung für VO 261-Fälle braucht sicherlich keinen Kommentar oder Beistand aus der NJW, um seine Urteile zu fällen. Und wenn man weiß, wie Kommentierungen entstehen, wird man ohnehin ganz vorsichtig. Aber nun, schauen wir uns das mal an:
Der von berlin_lawyer hervorgehobene Satz von Möllring ist ein ziemlich schwacher Einstieg in die Diskussion: Der Begriff der Flugroute ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gerade nicht mit Multi-Segment-Buchungen verknüpft, sondern dient der Definition des einzelnen (!) Fluges. Dass die Airline diese "Route" – richtigerweise: diesen Flugreiseweg – vorgegeben habe, ist eine haltlose Behauptung: In vielen Fällen hat der Fluggast ja durchaus die Wahl zwischen einer komfortablen Nonstop-Verbindung und einem Umsteiger (pun intended). Die Wahl fällt dann in aller Regel aus Kostengründen.
Weil dem so ist, muss man sehr vorsichtig sein mit Direktflug-Vergleichen:
Der Verordnungsgeber hat ja leider systematisch sehr kurz gedacht, als er sein Werk auf Einzelsegmente aufgebaut hat (
pimpcoltd, in: VFT, passim
![Stick out tongue :p :p](data:image/gif;base64,R0lGODlhAQABAIAAAAAAAP///yH5BAEAAAAALAAAAAABAAEAAAIBRAA7)
). Der Grund für die höhere Entschädigung bei Langstrecken liegt darin, dass eine Annullierung in der Ferne typischerweise erheblich größere Unannehmlichkeiten nach sich zieht als im Radius von 1-2 Flugstunden (während gleichzeitig höhere Toleranzzeiten unterstellt werden). Den Umsteigepassagier (auf dem Heimatkontinent) trifft diese Last nicht, denn er hat bis zum europäischen Hub keine relevante Störung erlitten und muss lediglich auf dem letzten Segment schlucken, was auch alle anderen Passagiere auf diesem Flug mitmachen.
Wie wenig mit dem Direktflug-Vergleich zu gewinnen ist, zeigt schon der Fall, dass der Zubringer auf dem Fern-Kontinent verspätet war und deshalb der Interkontinental-Flug nicht mehr erreicht werden konnte: Dafür gibt es – trotz typischerweise viel größerer Verspätung – nix, weil die VO nicht einmal anwendbar ist.
Noch lustiger wird es, wenn der nicht erreichte Anschluss in Europa auf einen verspäteten oder annullierten Interkontinental-Flug mit einer Nicht-EU-Airline folgt und der Anschluss seinerseits verspätet ist: Der Nonstop-Flieger bekommt hier nix, auch wenn bestimmt irgendwo ein Doktorand das Gegenteil schreibt, um sein halbes TVL-13-Gehalt aufzubessern. Und der Umsteiger? 250 € (richtigerweise), weil das einzelne Segment zählt? Oder ebenfalls nix, weil der Vergleich mit einem Direktflug zu ziehen ist? Oder gar 600 € von der europäischen Airline, weil die Entfernung der Flugreise (!) zählen soll, obwohl sie keine 1.500 km geflogen ist?
Man sieht: So kommt man der (brüchigen) Bauweise der VO nicht bei, denn mit jeder angeblich an Sinn und Zweck orientierten erweiternden Auslegung holt man sich neue Widersprüche ins Haus. Um es mit einem BGH-Richter zu sagen: Wir entscheiden keine hypothetischen Fälle, sondern das, was passiert ist.