Zu der ewigen (Streit-)Frage, ob (schlechtes) Wetter haftungsausschließend iSv Art. 5 Abs. 3 der FluggastrechteVO ist und wie es um die oft behaupteten Einschränkungen seitens der Flugsicherheit aufgrund von Witterungsbedingungen steht, habe ich in einem jüngeren Schriftsatz vorgetragen (und letztlich Recht bekommen, obwohl sich die geschätzte Airline auf Biegen und Brechen gewehrt hat). Hier auszugsweise:
1. [...] Schlechte Wetterbedingungen sind – insoweit ist der Beklagten zuzustimmen – grundsätzlich als äußere Umstände von Luftfahrtunternehmen nicht beherrschbar. Kommt es aber – wie im Falle des hier streitgegenständlichen Flughafens London Heathrow allgemeinhin bekannt – relativ häufig vor, dass ein Flughafen wegen widriger Wetterbedingungen und einer – wie im Falle des Flughafens London Heathrow ebenfalls allgemeinhin bekannt – Auslastung an oder gar über der Kapazitätsgrenze Starts oder Landungen ausschließen bzw. einschränken muss, zählen solche Ausschlüsse bzw. Einschränkungen zum normalen Betriebsablauf, auf den sich ein Luftfahrtunternehmen einstellen kann und muss (BeckOK Fluggastrechte-VO/Schmid Art. 5 Rz. 60b). Dann muss es Vorkehrungen treffen und seinen Flugplan durch Einplanung von Zeitpuffern so einrichten, dass die Einhaltung geplanter Flugverbindungen gewährleistet bleibt (AG Nürtingen 10.2.2012 – 42 C 2122/16; zustimmend: BeckOK Fluggastrechte-VO/Schmid Art. 5 Rz. 60b).
2. Schneefall und tiefe Temperaturen stellen in den Wintermonaten in Mitteleuropa – und streitgegenständlich: am Flughafen London Heathrow – gerade keine „außergewöhnlichen Umstände“ dar, da zu dieser Zeit mit entsprechendem Winterwetter zu rechnen ist (BG Schwechat 10.12.2012 – 4 C 580/11v-10, RRa 2012, 101; BGHS 21.3.2016 – 16 C 296/15v). In diesen Fällen realisiert sich schlicht das typische Betriebsrisiko eines Luftfahrtunternehmens (BeckOK Fluggastrechte-VO/Schmid Art. 5 Rz. 61).
3. [...] Die Beklagte unterlässt es, die für die Annullierung des streitgegenständlichen Flugs [...] maßgeblichen Einzelheiten in zeitlicher, örtlicher und technischer Hinsicht darzulegen. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf das AG Wedding, das – zu Recht – den Hinweis auf sehr schlechte Wetterverhältnisse am Flugtag ebenso wenig hat ausreichen lassen wie – die auch hier durch die Beklagte bemühte – Vorlage der Wetterverlaufspläne (AG Wedding 19.9.2006 – 14 C 672/05, RRa 2007, 94). Erforderlich ist vielmehr, dass ein sich auf Art. 5 Abs. 3 VO stützendes Luftfahrtunternehmen unter Beweisantritt darlegt, welche konkreten Witterungsbedingungen in welchem Zeitraum wann zur Streichung des ursprünglich vergebenen Starts durch die Flugsicherung geführt haben (HK-FluggastrechteVO/Maruhn Art. 5 Rz. 34).
4. [...] Jedenfalls aber versäumt die Beklagte, vorzutragen, welche „zumutbaren Maßnahmen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 VO sie ergriffen haben will, um die streitgegenständliche Annullierung des Flugs [...] am Reisetag zu vermeiden.
a) Beruft sich ein Luftfahrtunternehmen – wie hier – auf widrige Wetterbedingungen, so obliegt ihm – so der BGH – der Beweis, dass es ihm unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden personellen und sachlichen Mittel nicht möglich gewesen ist, eine Annullierung zu vermeiden (BGH 14.10.2010 – Xa ZR 15/10, NJW-RR 2011, 355). Es bedarf des konkreten Vortrags, aufgrund welcher Umstände es zur Annullierung gekommen ist und welche Möglichkeiten zur Verfügung standen, diese zu vermeiden. Dazu muss das Luftfahrtunternehmen darlegen, welche materiellen und finanziellen Mittel ihm zur Verfügung standen, um den Flug zum geplanten Zeitpunkt durchzuführen und aus welchen Gründen es ihm ggf. unzumutbar war, auf diese Ressourcen zurückzugreifen (BGH 14.10.2010 – Xa ZR 15/10, NJW-RR 2011, 355, Rz. 25 f.). Die Beklagte aber trägt nicht vor, ob und welche Möglichkeiten bestanden, die Klägerin trotz der widrigen Witterungsbedingungen von London Heathrow an ihr Bestimmungsziel nach [...] zu befördern. Stattdessen aber annullierte sie den streitgegenständlichen Flug [...]
b) Um zu vermeiden, dass jede auf dem Eintritt außergewöhnlicher Umstände beruhende Verspätung zwangsläufig zur Annullierung eines Fluges führt, muss – so der EuGH – ein vernünftig handelndes Luftfahrtunternehmen seine Mittel rechtzeitig planen, um über eine gewisse Zeitreserve zu verfügen und den Flug möglichst bald nach dem Wegfall der außergewöhnlichen Umstände durchführen zu können (EuGH 12.5.2011 – C-294/10, RRa 2011, 125). Verfügt ein Luftfahrtunternehmen in einer solchen Situation – gerade an seinem Heimatflughafen, wie die Beklagte für den Flughafen London Heathrow für sich selbst ausführt – nicht über eine entsprechende Zeitreserve, kann nicht angenommen werden, dass es alle zumutbaren Maßnahmen im Sinne von Art. 5 Abs. 3 VO ergriffen hat (HK-FluggastrechteVO/Maruhn Art. 5 Rz. 32).
c) [...] Wird ein Flughafen wegen zeitlich begrenzter Wetterphänomene – wie im streitgegenständlichen Fall – vorübergehend geschlossen bzw. in seinem Betriebsablauf beeinträchtigt, so stellt das Zuwarten auf günstigere Wetterbedingungen eine zumutbare Maßnahme im Sinne von Art. 5 Abs. 3 VO dar (OGH 3.7.2013 – 7 Ob 65/13d, BeckRS 2013, 82007 = RRa 2013, 256; siehe auch: Marti, Fluggastrechte, S. 214).
(i) Im streitgegenständlichen Fall bestanden die von der Beklagten vorgebrachten Einschränkungen der Flugsicherheit am Flughafen London Heathrow im Zeitraum von 07:00 bis 19:00 Uhr (GMT).
(ii) Der Start der von der Klägerin gebuchten Maschine mit der Flugnummer [...] von London Heathrow nach [...] war für 17:00 Uhr (GMT) geplant.
(iii) Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erkennen, weshalb die Beklagte nicht bis 19 Uhr zugewartet hat, um die Maschine nach [...] sodann auf den Weg zu bringen, als keine Einschränkungen mehr für den Abflughafen London Heathrow galten. Es wäre ihr möglich und zumutbar gewesen, entsprechend vorzugehen und die Passagiere des Fluges [...] jedenfalls verspätet zu befördern, anstatt diesen ersatzlos zu streichen. Das gilt umso mehr, als dass am Zielflughafen [...] – gerichtsbekannt – kein Nachtflugverbot besteht, so dass eine verspätete Ankunft hier keine Schwierigkeit gewesen sein dürfte. Stattdessen entschied sich die Beklagte ohne sichtbare Notwendigkeit [...] zur Annullierung.
(iv) Vorsorglich wird darauf verwiesen, dass einem späteren Abflug der Maschine auch nicht entgegen gehalten werden kann, dass dadurch Einsatzzeiten der Besatzung überschritten würden. Denn im Falle eines den Betrieb beeinträchtigenden Schneefalls an einem Flughafen ist einer Fluggesellschaft zumutbar, durch Anordnung von Bereitschaftsdiensten im Flughafenbereich Ersatzcrews vorzuhalten, die zeitnah eingesetzt werden können (AG Frankfurt a.M. 8.11.2013 – 32 C 1488/13-41, RRa 2014, 184).