EU Fluggastrechte / Annullierung

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pjm

Aktives Mitglied
15.10.2019
180
138
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Ich meine: nutze die Suchfunktion und gib mal 'Streik' ein.
Als ob ich das nicht gemacht hätte...

Ich habe mehrere hundert Seiten und Posts zu Streiks durchgelesen bevor ich meine Frage gestellt habe, aber habe die Antwort nicht gefunden.
Viele Standardsituationen, z.B. Streiks des eigenen Personals (kein AU) oder Streiks des Sicherheitspersonals (meistens schon AU) - aber ich habe keine Posts gefunden, wo meine Situation beschrieben wird. Ich würde sagen, die Airline wird nicht belegen können, alles mögliche getan zu haben, um eine Annulierung zu verhindern, und deswegen kein AO. Aber wenn es dazu schon vergleichbare Fälle gegeben hat, die irgendwo im Forum besprochen werden, wäre ich dankbar, wenn Du mir einen Link dazu schicken könntest. Es kommen ja recht viele Treffer, mit "Streik", ich habe nicht *alle* detailliert durchgelesen und vielleicht ist mir die Antwort durchgerutscht.
 

doc7austin2

Erfahrenes Mitglied
10.03.2021
4.200
2.183
Die Frage, die ich mir stellen würde, ist, ob die betroffene Airline wirklich gerichtlich austesten lassen möchte, ob der Streik eines Bodendienstleister als außergewöhnlicher Umstand anerkannt wird.
An einem Flughafen operieren ja i.d.R. mehrere Bodendienstleister (z.B. Swissport, Menzies, Wisag, Aeroground etc.). Die Airlines suchen sich den Bodendienstleister aus und lagern viele Tätigkeiten aus, die die Airlines vor 20 Jahren noch selbst erbracht hatten. Die Airlines bestimmen damit auch indirekt die Arbeitsbedingungen des Bodendienstleisters. Wenn die Mitarbeiter da wg. schlechter Arbeitsbedingungen streiken, dann trifft der Airline auch eine Teilverantwortung.

Anders sieht es z.B. bei der Flugsicherung, Flughafen-Feuerwehr und Sicherheitskontrollpersonal aus. Da hat eine einzelne Airline nur wenig Gestaltungsmöglichkeiten.

Das ist in meinen Augen eine 50:50 Sache.
Mit guter anwaltlicher Hilfe könnte man hier mit großer Wahrscheinlichkeit die Airline zur Zahlung zwingen. Keine Airline möchte ihre eigenen Bücher und Veträge offenlegen. Ein einfacher Hinweis seitens der Airline, dass der Streik von einem externen Unternehmen durchgeführt wurde, wird ein EC261/2004-erfahrenes Gericht sicherlich nicht durchgehen lassen.
 

pjm

Aktives Mitglied
15.10.2019
180
138
Die Frage, die ich mir stellen würde, ist, ob die betroffene Airline wirklich gerichtlich austesten lassen möchte, ob der Streik eines Bodendienstleister als außergewöhnlicher Umstand anerkannt wird.
An einem Flughafen operieren ja i.d.R. mehrere Bodendienstleister (z.B. Swissport, Menzies, Wisag, Aeroground etc.). Die Airlines suchen sich den Bodendienstleister aus und lagern viele Tätigkeiten aus, die die Airlines vor 20 Jahren noch selbst erbracht hatten. Die Airlines bestimmen damit auch indirekt die Arbeitsbedingungen des Bodendienstleisters.

Das ist in meinen Augen eine 50:50 Sache.
Mit guter anwaltlicher Hilfe könnte man hier mit großer Wahrscheinlichkeit die Airline zur Zahlung zwingen.
Danke für Deine Einschätzung.

Es gibt aus meiner Sicht zwei Aspekte:
1. gilt ein Streik eines Bodendienstleisters als AU?
2. wenn die 1. Frage mit Ja beantwortet wird: reicht es aus, wenn eine Airline freiwillig einer Bitte des Bodendienstleisters nachkommt, Flüge zu streichen, damit man sich auf AU berufen kann? Oder hätte die Airline zunächst versuchen sollen, die Flüge aufrecht zu erhalten, ggf. mit einer Verzögerung?
 
Zuletzt bearbeitet:

doc7austin2

Erfahrenes Mitglied
10.03.2021
4.200
2.183
Danke für Deine Einschätzung.

Es gibt aus meiner Sicht zwei Aspekte:
1. gilt ein Streik eines Bodendienstleisters als AO?
... das würde ich bejahen; Allerdings könnte die Airline den Streik verhindern, da die Airline die Arbeitsbedingungen beim Bodendienstleister größtenteils bestimmen darf.

reicht es aus, wenn eine Airline freiwillig einer Bitte des Bodendienstleisters nachkommt, Flüge zu streichen, damit man sich auf AO berufen kann?
Wie können Sie das beweisen?
 
Zuletzt bearbeitet:

Berlin_Lawyer

Erfahrenes Mitglied
10.10.2017
810
99
Berlin
Der Streik von Mitarbeitern eines (Dritt-)Unternehmen, die vom ausführenden Luftfahrtunternehmen mit der Erfüllung bestimmter eigener Aufgaben (zB Check-in, Bodenabfertigung, Enteisung etc) beauftragt sind, kann dem Luftfahrtunternehmen zugerechnet werden, weil diese Mitarbeiter zwar betriebsfremd sind, aber im Rahmen des Auftrages in vom beauftragenden Luftfahrtunternehmen zu erbringenden Leistungen eingebunden werden, die zur normalen Ausübung der Tätigkeiten des beauftragenden Luftfahrtunternehmen gehören. In der Beauftragung des anderen Unternehmens ist eine „de-facto-Betriebserweiterung“ zu sehen, die nicht dazu führen kann, dass ein Luftfahrtunternehmen Betriebsrisiken, die im bei eigenem Handeln zugerechnet würden, „auslagern“ kann. Der Streik dieses Fremdpersonals gehört somit zur Risikosphäre eines Luftfahrtunternehmens (AG Frankfurt/M. - 29 C 1335/18 (97); LG Frankfurt/M. - 2-24 S 280/18).
 

pjm

Aktives Mitglied
15.10.2019
180
138
Wie können Sie das beweisen?
Kommunikation zwischen dem Bodendienstleister und der Airline:
- Bodendienstleister: Aufgrund der angekündigten Streiks bitten wir Sie, Ihre beiden Flüge zu streichen, da unsere Abfertigungskapazität an diesem Tag nicht ausreicht, um alle geplanten Flüge abzufertigen
- Airline: Okay, wir streichen unsere Flüge

Für die Airline ist das der Nachweis, dass die Stornierung auf Bitte des externen Dienstleisters stattgefunden hat, und deswegen ein AU ist.
 

doc7austin2

Erfahrenes Mitglied
10.03.2021
4.200
2.183
Kommunikation zwischen dem Bodendienstleister und der Airline:
- Bodendienstleister: Aufgrund der angekündigten Streiks bitten wir Sie, Ihre beiden Flüge zu streichen, da unsere Abfertigungskapazität an diesem Tag nicht ausreicht, um alle geplanten Flüge abzufertigen
- Airline: Okay, wir streichen unsere Flüge
Und wie kommen Sie als Fluggast an die interne Kommunikation zwischen Bodendienstleister und Airline ran?

Aber das ist ggf. gar nicht wichtig, da die Handlungen des Bodendienstleisters der Airline zugerechnet werden.
 

Berlin_Lawyer

Erfahrenes Mitglied
10.10.2017
810
99
Berlin
Du geheimnisst Dinge in die Entscheidung rein, die da nicht drinstehen. Der EuGH bezeichnet - richtigerweise - Swiss International Air Lines als ausführendes Luftfahrtunternehmen auf STR-ZRH und American Airlines als ausführendes Luftfahrtunternehmen auf ZRH-PHL-MCI. Der EuGH bezeichnet American Airlines als Dienstleistungserbringerin (nicht "ausführende Airline"!). Das wiederum kann ich mir nur so erklären, dass damit der Ticketaussteller gemeint ist (-> Ticket Stock 001).
Okay, point taken. Aber man wird schon feststellen dürfen, dass auch der EuGH zur Verwirrung beiträgt, wenn er in seinen Entscheidungsgründen plötzlich unbestimmte Begriffe verwendet und davon spricht, "dass dieser Flugschein nur eine einzige Dienstleisterin, nämlich American Airlines" aufwies und "dass die Buchung der gesamten Reise (...) von einem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert worden war".
 

pjm

Aktives Mitglied
15.10.2019
180
138
Der Streik von Mitarbeitern eines (Dritt-)Unternehmen, die vom ausführenden Luftfahrtunternehmen mit der Erfüllung bestimmter eigener Aufgaben (zB Check-in, Bodenabfertigung, Enteisung etc) beauftragt sind, kann dem Luftfahrtunternehmen zugerechnet werden, weil diese Mitarbeiter zwar betriebsfremd sind, aber im Rahmen des Auftrages in vom beauftragenden Luftfahrtunternehmen zu erbringenden Leistungen eingebunden werden, die zur normalen Ausübung der Tätigkeiten des beauftragenden Luftfahrtunternehmen gehören. In der Beauftragung des anderen Unternehmens ist eine „de-facto-Betriebserweiterung“ zu sehen, die nicht dazu führen kann, dass ein Luftfahrtunternehmen Betriebsrisiken, die im bei eigenem Handeln zugerechnet würden, „auslagern“ kann. Der Streik dieses Fremdpersonals gehört somit zur Risikosphäre eines Luftfahrtunternehmens (AG Frankfurt/M. - 29 C 1335/18 (97); LG Frankfurt/M. - 2-24 S 280/18).
Vielen Dank! Das heißt, eigentlich ist es noch nicht einmal ein AU und sind die Chancen noch viel besser als 50:50 ?
Beitrag automatisch zusammengeführt:

Und wie kommen Sie als Fluggast an die interne Kommunikation zwischen Bodendienstleister und Airline ran?

Aber das ist ggf. gar nicht wichtig, da die Handlungen des Bodendienstleisters der Airline zugerechnet werden.
Hat die Airline mir gegeben... sie wollten eben nachweisen, dass die Stornierung nicht selbst verschuldet war.
 

thbe

Erfahrenes Mitglied
27.06.2013
9.445
9.872
Vielen Dank! Das heißt, eigentlich ist es noch nicht einmal ein AU und sind die Chancen noch viel besser als 50:50 ?
Es kommt u.a. auf den Einfluss der Airline auf den Dienstleister an. Und da ist die Bandbreite je nach Dienstleister und Airport groß. Vieles ist eine “de-facto-Betriebserweiterung”, vieles aber auch nicht.
 

pjm

Aktives Mitglied
15.10.2019
180
138
Alles klar! Dann kommt es drauf an.
Wie sieht ihr die 2. Frage, nämlich ob die Airline genug gemacht hat, um die Stornierung aufgrund des AU zu vermeiden?
 

doc7austin2

Erfahrenes Mitglied
10.03.2021
4.200
2.183
Vielen Dank! Das heißt, eigentlich ist es noch nicht einmal ein AU und sind die Chancen noch viel besser als 50:50 ?
Beitrag automatisch zusammengeführt:


Hat die Airline mir gegeben... sie wollten eben nachweisen, dass die Stornierung nicht selbst verschuldet war.
Die Airline hat hier gar nichts nachgewiesen.
Die Airline möchte erreichen, dass Sie aufgeben.
Beitrag automatisch zusammengeführt:

Wie immer: kommt drauf an. Denn in Wien bspw. sieht man es genau andersherum (HG Wien, Urteil vom 08.08.2022 – 1 R 87/22y).
Also ich gehe mal davon aus, dass der Fall sich in Deutschland abspielt.
 

pjm

Aktives Mitglied
15.10.2019
180
138
Wie soll das irgendwer beurteilen? Machst du nicht etwas viel Aufhebens um 250 (?) Euro?
Ich will gerne besser verstehen, was eine Airline vor Gericht nachweisen muss, um zu belegen, dass alles mögliche gemacht wurde.
Ich bin mir fast sicher, dass die Airline den Streik einfach ausgenutzt hat, um Flüge zu streichen, und dass sie jetzt versucht, sich aus der Verantwortung herauszuziehen, zu Lasten der Kunden. Wir hatten Kosten (z.B. Hotelübernachtung, Konzerttickets die wir nicht nutzen konnten), wir waren 6 Fluggäste, d.h. es geht um 1.500 EUR
 

doc7austin2

Erfahrenes Mitglied
10.03.2021
4.200
2.183
My 2 cents. Das ist keine Beratung. Ich bin auch kein Anwalt.

Tip: Es bringt Dir nichts, sich über die Airline aufzuregen. Die Airlines sind sehr kreativ dabei, Ausreden für Alles Mögliche zu erfinden.
Bei der Nachweispflicht kommt es eben auch darauf an, wie scharf und nachhaltig Du als Klägerin die Behauptungen der Airline bestreitest.
Die Airlines sind nicht dumm. Die wissen, dass es für einen Klägeranwalt (regelmäßig) nicht wirtschaftlich ist, sich monatelange Schlachten vor Gericht zu leisten, um die Behauptungen der Airline zu erschüttern, insb. wenn es nur um EUR 250 geht.
Für die Airlines ist es aber wirtschaftlich, jahrelange Verfahren zu führen, denn nur weniger als 0,1% der Anspruchsberechtigten ziehen auch wirklich vor Gericht. Die Kläger/Anspruchsberechtigten mürbe zu machen gehört zum Geschäftsmodell.
 

malschauen

Erfahrenes Mitglied
05.12.2016
2.598
1.659
Ich will gerne besser verstehen, was eine Airline vor Gericht nachweisen muss, um zu belegen, dass alles mögliche gemacht wurde.
Ich bin mir fast sicher, dass die Airline den Streik einfach ausgenutzt hat, um Flüge zu streichen, und dass sie jetzt versucht, sich aus der Verantwortung herauszuziehen, zu Lasten der Kunden. Wir hatten Kosten (z.B. Hotelübernachtung, Konzerttickets die wir nicht nutzen konnten), wir waren 6 Fluggäste, d.h. es geht um 1.500 EUR
Dafür dass es sich um einen konkreten Fall handelt, bleibst du sehr, sehr vage. Es würde vermutlich Helfen, wenn man wüste welche Airline, an welchem Flughafen betroffen war und welcher Gerichtsstand möglich ist. So lohnt es sich in gewissen Ländern nicht zu klagen, da du auf einem Teil der Verfahrenskosten sitzen bleibst oder die Mühlen der Gerechtigkeit einfach sehr, sehr langsam mahlen.
 

Airsicknessbag

Megaposter
11.01.2010
21.445
15.086
man wird schon feststellen dürfen, dass auch der EuGH zur Verwirrung beiträgt, wenn er in seinen Entscheidungsgründen plötzlich unbestimmte Begriffe verwendet und davon spricht, "dass dieser Flugschein nur eine einzige Dienstleisterin, nämlich American Airlines" aufwies und "dass die Buchung der gesamten Reise (...) von einem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert worden war".
Absolut. Allein die Tatsache, dass wir uns hier alle einen Wolf mutmaßen müssen, ist ein schlechtes Zeichen.
 
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Reaktionen: marcus67

orchidflyer

Neues Mitglied
14.10.2022
1
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Was hält die ganzen Maximierer eigentlich davon ab, sich jetzt noch schnell auf gut Glück ein EW (Full-Flex-)Ticket zu besorgen? Auf ihrer Webseite schreibt Wings ja noch nichts von Streik...
 

Antizwerg

Aktives Mitglied
22.01.2016
219
424
Ich ärgere mich aktuell leider noch immer mit mit der stornierten Buchung von Iberia rum. Außer Standardantworten kommt nichts. Nicht einmal die Erstattung des stornierten Fluges wollen sie vornehmen.
Ich dachte an Weiterleitung an die SöP konnte Iberia aber nicht finden. Habe ich das richtig erkannt ?

In diesem Fall geht das Ganze direkt an einen Anwalt. Das nicht einmal die Überweisung eines stornierten Tickets vorgenommen wird ist unglaublich.