EU-Fluggastrechte: außergewöhnliche Umstände und zumutbare Maßnahmen

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TachoKilo

Erfahrenes Mitglied
21.02.2013
2.142
51
Berlin (West) - TXL
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1. Die Airline ändert den Flugplan (aus organisatorischen Gründen oder wieso auch immer) und teilt dem Kunden noch vor dem Flug mit, dass sich der Flugplan geändert hat. In diesem Fall wurde der ursprüngliche Flugplan aufgegeben und liegt eine Annullierung vor mit gleichzeitiger Ersatzbeförderung: der Beförderungsvertrag wird hier einseitig im Vorfeld geändert. Die Bedingungen des ursprünglichen Vertrags werden einseitig geändert. Damit ist der Ursprungsvertrag nicht mehr gültig und damit einseitig aufgekündigt. Hier ist es notwendig, dass der Kunde der Änderung zustimmt, bevor der geänderte Vertrag wieder Gültigkeit erlangt.
Natürlich auch hier die Frage, wo steht's? Und gleich die Anschlussfrage: was hat eine Annullierung mit einer Änderung des Beförderungsvertrages zu tun? Und noch die dritte: wenn es doch um den Beförderungsvertrag geht, warum ist es dann wichtig, ob der Flug annulliert wurde? Und noch die vierte: wenn doch der EuGH genau festgelegt hat, wann eine Annullierung im Sinne der EU261 vorliegt, warum muss man dann darüber noch diskutieren?

Kurz: ihr habt euch da einfach ziemlich verritten. In meinem ersten Post habe ich ganz klar auf den Beförderungsvertrag verwiesen. Aus diesem kann sich ergeben, dass durch die Flugzeitenänderung der Vertrag seitens der Fluggesellschaft nicht mehr erfüllt wird. Dann sollte eine Stornierung mit voller Kostenerstattung problemlos möglich sein. Ob der Flug nun als annulliert zu sehen ist oder nicht, ist dafür völlig irrelevant. Als zweites (und abgegrenzt vom Beförderungsvertrag) habe ich die EU261 betrachtet, da der Fragesteller schließlich im EU-Fluggastrechte-Thread geschrieben hat (wo Fragen zum Beförderungsvertrag nicht unbedingt hingehören). Und unter diesem Aspekt habe ich gesagt, dass eine Verschiebung der Flugzeiten nicht relevant ist, es sei denn der Flug wird annulliert oder ist letztlich verspätet. Dann könnten sich Ansprüche aus EU261 ergeben. Und nochmal: die EU261 hat mit einem nicht erfüllten Beförderungsvertrag nichts zu tun. Sie gilt unabhängig davon, ob der Beförderungsvertrag erfüllt wurde (bzw. werden wird) oder nicht. Eine Korrelation zwischen beiden ist aber natürlich möglich und auch oft vorhanden.
 

Gulliver

Erfahrenes Mitglied
10.11.2009
1.603
36
Kerkrade (NL)
www.kuhnert.nl
Natürlich auch hier die Frage, wo steht's? Und gleich die Anschlussfrage: was hat eine Annullierung mit einer Änderung des Beförderungsvertrages zu tun? Und noch die dritte: wenn es doch um den Beförderungsvertrag geht, warum ist es dann wichtig, ob der Flug annulliert wurde? Und noch die vierte: wenn doch der EuGH genau festgelegt hat, wann eine Annullierung im Sinne der EU261 vorliegt, warum muss man dann darüber noch diskutieren?
Na, das ist doch ganz einfach: Wenn ich einen Flug buche, gehe ich einen Vertrag mit der Airline ein, von A nach B befördert zu werden mit Abflug von A um x Uhr und Ankunft in B um y Uhr. Wenn die Zeiten sich verschieben ist halt nicht mehr die Rede von x bzw. y Uhr sondern geht es um eine andere Zeit. Das ist eine Änderung des Beförderungsvertrags der nicht einseitig durchgeführt werden kann. Entsprechend wurde der ursprüngliche Beförderungsvertrag auch annulliert und es wird ersatzweise ein geänderter Vertrag angeboten.

Analog: wenn du im Internet irgendwo ein knallgelbes Mobiltelefon bestellst, aber ein mausgraues zugeschickt bekommst, dann musst du das doch auch nicht akzeptieren und kannst vom Vertrag zurücktreten...
 

TachoKilo

Erfahrenes Mitglied
21.02.2013
2.142
51
Berlin (West) - TXL
Na, das ist doch ganz einfach: Wenn ich einen Flug buche, gehe ich einen Vertrag mit der Airline ein, von A nach B befördert zu werden mit Abflug von A um x Uhr und Ankunft in B um y Uhr. Wenn die Zeiten sich verschieben ist halt nicht mehr die Rede von x bzw. y Uhr sondern geht es um eine andere Zeit. Das ist eine Änderung des Beförderungsvertrags der nicht einseitig durchgeführt werden kann. Entsprechend wurde der ursprüngliche Beförderungsvertrag auch annulliert und es wird ersatzweise ein geänderter Vertrag angeboten.
Achso, nicht der Flug, sondern der Beförderungsvertrag wurde annulliert. Ist eine etwas komische Formulierung, aber ich verstehe was du meinst. Bisher ging es hier m.E. um Flugannullierungen. Und wenn du mein letztes Posting zu Ende gelesen hättest oder mein erstes Posting aufmerksam gelesen hättest, dann wüsstest du, dass ich durchaus verstehe, was ein Beförderungsvertrag ist und das dieser aufgehoben werden kann. Deshalb mein Verweis auf den Beförderungsvertrag im ersten Post. HIER sind wir aber im Fluggastrechte-Thread und da geht es üblicherweise um die Anwendung der EU261.

Analog: wenn du im Internet irgendwo ein knallgelbes Mobiltelefon bestellst, aber ein mausgraues zugeschickt bekommst, dann musst du das doch auch nicht akzeptieren und kannst vom Vertrag zurücktreten...
Natürlich, aber um mal bei deinem Vergleich zu bleiben. Wenn du von einem Mobiltelefon-Kaufvertrag zurücktrittst, warum muss man dann im gleichen Zuge klären, was die EU exakt mit dem Begriff Annullierung im Sinne der EU261 meint? Nichts anderes ist in den letzten Posts geschehen. Mr. Hard hat mich auf meine ungünstig gewählte Formulierung "geringe Flugzeitänderungen" hingewiesen (die sich im meinem ersten Post ausschließlich auf EU261 beziehen) und danach wurde alles wild durcheinander geworfen.

Ich bleibe bei meiner Aussage im ersten Post: Ansprüche aus dem Beförderungsvertrag können sich ergeben (bzw. dieser könnte nichtig sein); um über Ansprüche aus der EU261 sprechen zu können (und ich betone es gerne erneut: genau darum geht es in diesem Thread), müsste man mehr Details wissen bzw. nach Durchführung des Fluges eine tatsächliche Verspätung vorliegen.
 

umsteiger

Erfahrenes Mitglied
22.01.2012
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Berlin
www.kanzlei-woicke.de
Glaube auch, dass hier einiges durcheinander gerät, obwohl schon alles gesagt wurde.

261/2004: Flugzeitenänderung ist Annullierung im Sinne der Norm. Ausgelutscht. Der EuGH hat die dafür die Grundlagen geschaffen, indem er geklärt hat, was eine Verspätung und was eine Annullierung ausmacht. Maßgeblich ist demnach der FLUGPLAN. Der Plan eines Fluges zur Zeit X ist nun einmal nicht identisch mit dem Plan eines Fluges zum Zeitpunkt Y. Gleiches gilt für die Route, wobei deren Änderung ja zwingend auch mit veränderten Flugzeiten einhergehen dürfte.

Dass vertragsrechtlich eine Flugzeitenänderung KEINE Annullierung ist, dürfte ebenfalls geklärt sein. Jedenfalls hat der BGH entschieden, dass es sich beim Luftbeförderungsvertrag nicht um ein absolutes Fixgeschäft handelt. Was das in der Praxis bedeutet, kann meist aber dank der ABB der Airlines hingestellt bleiben.

Reiserechtlich schließlich ist eine Flugzeitenänderung meistens irrelevant, jedenfalls wenn sie unerheblich ist.
 
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Worldtraveler42

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15.02.2015
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MRS
Bis zum Gegenbeweis stelle ich die Behauptung, das, da keine Zeitspanne in der EU-Verordnung genannt ist, jegliche Änderung maßgeblich ist. Ganz gleich, ob es sich um eine Minute, eine Stunde oder ein Jahr handelt.

Nein. Problematisch wird es aber dann bei der Durchsetzung deiner "Ansprüche". Die Flugzeit wird um eine Minute geändert, du willst deine Rechte durchsetzen. Airline sagt: nö! Du klagst. Richter wird dich einmal dumm anschauen und dich nach Hause schicken*. Irgendwo gibt es dann irgendwann eine ungeschriebene Grenze, ab der eine Flugzeitänderung die VO aktiviert. Da die Airlines eben meist nicht um 1 Minute verlegen, dürfte die Frage jedoch noch nicht behandelt worden sein.

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* Zu beachten wären natürlich die Umstände. Hat man eine Minimum Connection Time im Reiseverlauf und der Anschlussflug wird um eine Minute vorverlegt, könnte ein Richter natürlich eher dem Kunden Recht geben. Auf einem einfachen Flug FRA-MUC, wäre aber das Verlegen um eine Minute kaum relevant.
 
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soda

Neues Mitglied
01.04.2016
3
0
Hallo zusammen, ich hätte mal eine Frage:
gehört der Defekt eines Serversystems bei einer Airline zu den außergewöhnlichen Umständen?
Da der Server ausgefallen war musste das Boarding handschriftlich durchgeführt werden, es kam zur Verspätung, dadurch Anschlussflug verpasst und mehr als 6 Stunden später am Zielort angekommen. Airline beruft sich auf "außergewöhnlichen Umstand".
 

pimpcoltd

Erfahrenes Mitglied
03.07.2009
3.316
10
Leider fehlen die Details. Moeglicherweise gehoert der Server dem Airport und liegt deshalb ausserhalb der Airlineverantwortung.

"Sehr geehrter Kunde,

wir bedauern zutiefst, dass das Flugerlebnis mit uns nicht Ihren Erwartungen und den hohen Ansprüchen entsprach, die wir an uns selbst stellen.

Leider handelte es sich bei dem defekten Flugzeug nicht um unser Eigentum, sondern um ein geleastes Luftfahrzeug. Der Defekt lag daher außerhalb unseres Verantwortungsbereichs, weshalb wir zu Ihrer Entschädigung nicht verpflichtet sind.

Bleiben Sie uns gewogen!"

;)
 
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soda

Neues Mitglied
01.04.2016
3
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Es handelt sich um den Ausfall des Serversystems bei der Fluggesellschaft und nicht um die IT des Flughafens.
 

pimpcoltd

Erfahrenes Mitglied
03.07.2009
3.316
10
Es handelt sich um den Ausfall des Serversystems bei der Fluggesellschaft und nicht um die IT des Flughafens.

"Sehr geehrter Kunde,

wir bedauern zutiefst, dass das Flugerlebnis mit uns nicht Ihren Erwartungen und den hohen Ansprüchen entsprach, die wir an uns selbst stellen.

Leider befand sich unser Serversystem zur Check-in-Zeit im Streik. Da Streiks außergewöhnliche Umstände darstellen, sind wir zu Ihrer Entschädigung nicht verpflichtet.

Bleiben Sie uns gewogen!"

;)
 

Schlesinger

Aktives Mitglied
10.06.2012
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klausschlesinger.de.tl
Hallo zusammen, ich hätte mal eine Frage:
gehört der Defekt eines Serversystems bei einer Airline zu den außergewöhnlichen Umständen?
Da der Server ausgefallen war musste das Boarding handschriftlich durchgeführt werden, es kam zur Verspätung, dadurch Anschlussflug verpasst und mehr als 6 Stunden später am Zielort angekommen. Airline beruft sich auf "außergewöhnlichen Umstand".
Computerdefekte die zum Ausfall der Gepäcksortieranlage führen, sind dem Luftfahrtunternehmen zuzurechnen. Siehe Urteil des BGHS Wien v. 20.12.2007, Az.: 16 C 513/07 v 513/07v-23
 

VBird

Erfahrenes Mitglied
12.01.2010
2.938
106
Da der Server ausgefallen war musste das Boarding handschriftlich durchgeführt werden, es kam zur Verspätung, dadurch Anschlussflug verpasst und mehr als 6 Stunden später am Zielort angekommen. Airline beruft sich auf "außergewöhnlichen Umstand".
Ick werd´ nisch mehr !

"Bei Ihrem angesprochenen Flug kam es leider zu Verzögerungen beim Checkin, da wir unerfahrenes Personal einsetzen mußten. Beide Damen, die sonst die Abfertigung abwickeln und über jahrelange Erfahrung verfügen, waren gerade in den Wochen zuvor in Schwangerschaftsurlaub gegangen. Da sich unser Stammpersonal somit zum Zeitpunkt Ihres Fluges in außergewöhnlichen Umständen befand, können wir ihren Forderungen leider nicht entsprechen."
 

berlinet

Erfahrenes Mitglied
21.07.2015
5.139
2.685
waren gerade in den Wochen zuvor in Schwangerschaftsurlaub gegangen. Da sich unser Stammpersonal somit zum Zeitpunkt Ihres Fluges in außergewöhnlichen Umständen befand, können wir ihren Forderungen leider nicht entsprechen."

Ich dachte, das nennt man in anderen Umständen ... :D
 
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qwertpoiuz

Erfahrenes Mitglied
30.04.2013
605
2
Weil viele Normalbürger auch wegen jedem Furz "KOMPENSATION" und "ENTGANGENE MILLIARDENAUFTRÄGE" schreien.
 

umsteiger

Erfahrenes Mitglied
22.01.2012
3.454
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Berlin
www.kanzlei-woicke.de
Ick werd´ nisch mehr !

"Bei Ihrem angesprochenen Flug kam es leider zu Verzögerungen beim Checkin, da wir unerfahrenes Personal einsetzen mußten. Beide Damen, die sonst die Abfertigung abwickeln und über jahrelange Erfahrung verfügen, waren gerade in den Wochen zuvor in Schwangerschaftsurlaub gegangen. Da sich unser Stammpersonal somit zum Zeitpunkt Ihres Fluges in außergewöhnlichen Umständen befand, können wir ihren Forderungen leider nicht entsprechen."


Na, dann herzlich Glückwunsch zum Erfolg!

Den Fall kann man wohl nicht mehr verlieren.
 

pimpcoltd

Erfahrenes Mitglied
03.07.2009
3.316
10
Äh... bin ich der einzige, der VBirds "Zitat" für einen sehr schön gesponnenen Witz gehalten hat? - So, wie meine beiden "Zitate" natürlich in die Rubrik gehören "Was wir noch nicht gelesen haben, aber bestimmt einmal zu lesen bekommen."
 

Schlesinger

Aktives Mitglied
10.06.2012
139
0
klausschlesinger.de.tl
Computerdefekte die zum Ausfall der Gepäcksortieranlage führen, sind dem Luftfahrtunternehmen zuzurechnen. Siehe Urteil des BGHS Wien v. 20.12.2007, Az.: 16 C 513/07 v 513/07v-23
Was aber nur von Relevanz falls Gerichtsstand AT.
Nein!
Der Fall wurde zwar durch ein österreichisches Gericht beurteilt, jedoch anhand einer europaweit gültigen Rechtsnorm, nämlich der VO (EG) 261/2004 - und nicht nach österreichischem Nationalrecht.
 
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pimpcoltd

Erfahrenes Mitglied
03.07.2009
3.316
10
Nein!
Der Fall wurde zwar durch ein österreichisches Gericht beurteilt, jedoch anhand einer europaweit gültigen Rechtsnorm, nämlich der VO (EG) 261/2004 - und nicht österreichischem Nationalrecht.

Es reicht wirklich langsam. Dass du eine Vielzahl von Urteilen zusammengoogelst, ist ja schön und ehrenswert. Aber was die Bindungswirkung österreichischer Bezirksrechtsprechung für ein deutsches Gericht anlangt, musst du wohl noch etwas weiter googlen.
 
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